18 November 2008

An Sedo, Domainhändler



Von
: Matt
Betreff: Re: Ziffern-Auktion - Einzigartige Domains sichern!
Datum: 17. November 2008 21:52:48 MEZ
An: kontakt@sedo.de


Hallo Sedo,

als strahlendes und erstes Beispiel für die Nützlichkeit Ihrer Versteigerung von Zifferndomains führen Sie ausgerechnet die „88.com“ an. Das finde ich sehr anrüchig. „Überall finden Zahlen ihre Bedeutung“, schreiben Sie im Begleittext ganz richtig. Und wer, wenn nicht Sie, weiß daher sehr gut, dass die Zahl 88 unter Neonazis die begehrteste ist?

Möglicherweise – sagen Sie mir bitte, wenn ich völlig falsch liege – setzen Sie mit dieser Werbung sogar ganz bewusst darauf, möglichst viele dieser Menschen zur Mitwirkung an der Versteigerung von 88.com bewegen zu können.

Aber das, Sedo, wäre nicht nur anrüchig, sondern stänke geradezu – wie etwas anderes Braunes, was bestimmt auch regelmäßig aus Ihrem Hintern kommt.

Wie erwähnt: Sagen Sie mir bitte, wenn ich völlig falsch liege.

Mit Nasenklammerngrüßen


Matt

16 November 2008

Sieg für Berlin



Berlin, Olympiastadion, Hertha BSC gegen den Hamburger SV.

Mir fällt auf, dass der tausendfach verstärkte Schlachtruf „SIEG!!!“ ein gewisses Geschmäckle bekommt, wenn er ausgerechnet dort skandiert wird, wo sich 1936 ein gewisser Führer über die Goldmedaillen des schwarzen US-Läufers Jesse Owens ärgerte.

Nach dem Spiel, auf dem Weg zur U-Bahn, laufen wir an zwei streitenden Parteien vorbei. Ein Berliner Brocken in Bomberjacke will einer Gruppe um einen rotwangigen Hamburger Bubi an den Kragen, wird aber von seinem Kumpel mit unmittelbarer körperlicher Gewalt daran gehindert.

Da er seinem Kumpel nicht wehtun will, entscheidet sich der Bomberjackenberliner alternativ für die verbale Attacke. „IHR JUDEN!“, brüllt er den Hamburgern hinterher.

Ja, immer wieder schön in der Hauptstadt.


14 November 2008

Ohne Worte (18): St. Pauli hat ein Heimspiel



Entdeckt am Millerntorstadion. Heute geht es übrigens gegen Ahlen.


Andrei, bleib in Petersburg!

Kommt in einem beliebigen Text das Wort „Clown“ vor, steht es nach dem Layout immer am Zeilenende und wird vom Rechtschreibprogramm hinter dem „o“ getrennt.

Ähnliches gilt nicht nur für den Klassiker „Urin-stinkt“, sondern auch für „Works-hop“, „So-ngs“ oder "Sendes-aal".

Insofern kann man nur hoffen, Bayern München möge den russischen Fußballstar Andrei Arsch-
awin nicht verpflichten.

Foto: Wikipedia



13 November 2008

Das Gute an Gebrechen

Das Abatonkino liegt im Univiertel. Im großen Saal stinkt es, aber nicht eindeutig. Der Gestank ist ein hochkomplexer Mix, ein olfaktorischer Akkord.

Er setzt sich zusammen aus Käsefüßen, in den Ritzen verfaulter Nachoskäsesoße, einer Nuance von Schweiß sowie dem Haarfett adipöser Mittzwanziger.

Diesen Mix dünsten die Sesselfasern nun Molekül für Molekül wieder aus; der Vorrat reicht sicher für Jahrzehnte. Immerhin kann ich am Ekel, der mich im Abaton befällt, die tadellose Funktionsfähigkeit meiner Nase ablesen.

Anders hingegen verhält es sich mit meinen Augen: Sie funktionieren keineswegs mehr tadellos. Für Schwanzvergleiche in der Sauna etwa bin ich inzwischen zu kurzsichtig. Da könnte alles hängen, und ich fühlte mich nicht düpert.

So haben immerhin selbst körperliche Gebrechen ihr Gutes.

PS: Das Foto zeigt übrigens in Wahrheit gar nicht das Innere des Abaton, doch ich dachte, das merkt eh keiner außer ihm.


12 November 2008

Wegen des Buches, Mensch!

Verdammt, jetzt bin auch ich infiziert: der furchtloseste aller Anglizismenjäger.

Der Virus hat mich erwischt. Jetzt ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis der Verfall einsetzt. Bald werde auch ich Sätze sagen und schreiben wie „Dass dies am Ende des Tages Fakt sein soll, macht nicht wirklich Sinn, aber mein Punkt ist, dass das okay für mich ist, solange du das realisierst.“

Bald quatsche auch ich nur noch Pidgindeutsch, das auf deutschsprachige Menschen mit intaktem Sprachempfinden genauso wirkt wie ein herzhaftes „How goes it you?“ auf einen Engländer. Ein Anfang ist gemacht; das unleugbare Indiz für die Infektion: Ms. Columbo ertappte mich heute bei dem Satz „Er wurde für ein Buch mit dem Tode bedroht.“

Verdammt! Wie konnte das passieren – habe ich meine Medikamente nicht genommen? Mein einziger Trost: Unlängst unterlief sogar dem Papst der Päpste der Anglizismenjäger, nämlich GP, ein redundanter Anglizismus. Echt wahr.

Er sagte nämlich ohne Arg: „Es ist schön zu sehen, dass …“, und erst als ich ihn auf diese fehlimportierte Blähung hinwies und erläuterte, der Satz bedeute ohne „zu sehen“ exakt das Gleiche, fiel es ihm wie Scheuklappen aus dem so verdutzten wie schamesroten Gesicht.

Auch GP ist also infiziert. Könnte bedeuten: Er hat mich angesteckt.

Ich bin fast erleichtert.

PS: Weil der Beitrag eh nicht sinnvoll zu bebildern ist, werde ich endlich mal nonchalant die Hagenbeckgiraffe los.



10 November 2008

Ein Abend in Rosa

„Ich lasse mich gern befruchten, brauche ständig neuen Input“: Das sagt nicht etwa eine x-beliebige Natascha aus der Herbertstraße, sondern Holger Stanislawski, als Coach des FC St. Pauli immerhin auch ein Kind des Kiez’.

Egal, Fußball und Sex haben hier eh vergleichbare Bedeutung.

Abends waren wir auf der Reeperbahn ins Café Keese geladen, wo in grauer Vorzeit erstmals systematisch Frauen die Männer zum Tanz auffordern durften. Ein unfassbar unerhörter Vorgang, der bis heute den Nimbus des Keese begründet.

Heute Abend ging es aber nicht um bizarre Rollenrituale, sondern um Katy Perry. Der neue US-Popstar spielte ein kleines Konzert vor geladenen Gästen, mit rosa angemalten Lippen.

Im Haar trug Perry eine rosa Haarspange, die aussah wie der Schlipsersatz namens Fliege. Dazu trug sie ein rosa Glitzerkleid ohne Träger, das ständig rutschte, weshalb sie es zunehmend verärgert und ruckartig hochzog bis zum Kehlkopfansatz. Vergeblich natürlich.

Ihr Mikrofon (l.) war ausnahmsweise rosa und erinnerte stark an einen Vibrator. Vielleicht fiel mir deswegen auf dem Heimweg wieder Stanislawskis „ständig neuer Input“ ein.

Kann aber auch andere Gründe gehabt haben.

09 November 2008

Keine Liebe mehr unter den Menschen

In der Schmuckstraße steht eine noch nie gesehene Transe im erhöhten Hauseingang. Sie versucht, arrogant dreinzuschauen, um ihre Novizennervosität zu übertönen (so reime ich mir das jedenfalls zusammen).

Ihre übertrieben blonde Langhaarperücke leuchtet im Mondlicht, ihr schwarzer, per Gürtel brutalstmöglich taillierter Lackmantel glänzt wie eine Speckschwarte. Sehr beeindruckend.

Radfahrer beachtet sie traditionsgemäß nicht, was mir zupass kommt, denn ich bin auf dem Weg in die Große Freiheit, wo die wortlose schottische Band Mogwai spielt.

Ihr Gitarrensound ist zäh wie Akazienhonig, der über Nacht draußen auf dem Balkon gestanden hat, und wenn man Richtung Bühne geht, mutiert man peu à peu zum Sandsack, auf den gerade Vladimir Klitschko einschlägt, dem irgendwer die Reifen seines Ferrari plattgestochen hat, oder was immer auch der Ukrainer für ein Auto fährt.

Jedenfalls verziehe ich mich schleunigst wieder nach hinten in Thekennähe, wo
mir ausreichend dämmende Leiber die Trommelprügel vom Leib halten. Dreimal drücke ich die Kamera an einen Pfeiler, um im Schummerlicht das Foto nicht zu verwackeln, dreimal rempeln mich tumbe Biertransporteure an, ohne sich zu entschuldigen.

Es ist keine Liebe mehr unter den Menschen.
Und Mogwai sind heute Abend langweilig.

Der Slalomkurs nach Hause führt vorbei an Pisspfützen, Scherbenhaufen und taumelnden Biertransporteuren, die mir hirnlos vors Rad stolpern und sich nicht mal entschuldigen.

Vielleicht liegt es daran, dass ich traditionsgemäß auf dem Gehweg fahre.


08 November 2008

Überlegungen zur zeitgenössischen Technik (1)

Also jetzt mal Klartext, aus gegebenem Anlass: Touchscreengeräte wie das iPhone sind nichts weiter als Körperfettverschmieroberflächen.

Besonders effektiv nutzt sie, wer nach dem Klogang aufs Händewaschen verzichtet. Sich danach seine Körperfettverschmieroberfläche an Lippen, Ohr und Wange zu halten, das hat den diskreten Charme einer Mülltonne mit Krankenhausabfällen. Und der visuelle Effekt, mit dem das iPhone ein Trinkgefäß zu simulieren vermag, wirkt in diesem Kontext geradezu zynisch.

Spätere Generationen werden angewidert den Kopf schütteln, wenn sie in alten Aufzeichnungen vom Irrweg der Touchscreenära lesen. Immerhin, werden sie sagen, überlebten damals nur diejenigen mit dem stärksten Immunsystem.

Evolutionär gesehen verbessert das iPhone also den menschlichen Genpool. Ein Prozess, den ich mir weiterhin gern von außen anschaue.

Foto: Apple


06 November 2008

O du nölige

Bei Penny. „Nenn mir ein Wort mit vier tz“, fordert der Franke mich unvermittelt auf.

„Weiß nicht“, muffle ich, erschüttert und fasziniert von der scheußlichen Weihnachtsdeko, die uns umgibt wie ein terroristischer Anschlag. Meine geistige Trägheit freut den Franken, denn jetzt kann er glänzen. Das tut er auch.

Atzventzkrantzkertzen!“, triumphiert er in einer Lautstärke, welche Pennykunden verschüchtert darüber nachdenken lässt, das nächste Mal besser zu Aldi zu gehen. Sie wissen ja nicht, dass der Franke auch dort regelmäßig seine sonischen Duftmarken zu setzen weiß.

Atzventzkrantzkertzen also. Wer ist da eigentlich als erster drauf gekommen, irgendein Komiker? Der Franke jedenfalls nicht von alleine, es gibt 80 Treffer bei Google.

Später erhalte ich eine Spammail mit dem Betreff: „Ihre Anfrage nach Kunsttannen“, und beim Thailänder in der Taubenstraße servieren sie zum Likör
einen wohl weihnachtsmäßig gemeinten Langhaarschrat mit Wallebart.

Diese ganze Atzventzzeit ist von höchst zweifelhafter Provenienz, wenn ihr mich fragt.


W. C. Fields hatte doch Recht

Da, wo ich herkomme, gab es weniger Bohei um einen Laternenumzug.

Man wählte die Bürgersteige unbelebter Seitenstraßen, und die Restwelt blieb unbeeinträchtigt. So einfach war das. Heute ist das anders, zumindest in Hamburg.

Ich stand an der Haltestelle Barner Straße und sah den Bus schon kommen in der Ferne. Dieser Anblick ist stets verbunden mit einem wohligen Gefühl, das ich sehr schätze.

Die quälende Ungewissheit, wann wohl die notorisch launische Linie 37 ihren nächsten Bus vorbeizuschicken geruht, ist schlagartig vorbei; der Anblick des Gefährts, dessen Nahen man hier über einen ganzen Kilometer hinweg verfolgen kann, überzuckert die restlichen Minuten des Wartens mit Behaglichkeit und der schmeichelhaften Illusion, im Übermaß mit Nachsicht und Geduld ausgestattet zu sein.

Ein Getrommel von links stört indes meine Kontemplation: Es ist ein Laternenumzug. Er nähert sich der Kreuzung im rechten Winkel zum Bus, und eins wird schnell klar: Sollte der Umzug sie vorher erreichen, wird der Bus zu seiner eh schon beträchtlichen Verspätung noch erheblich mehr aufgebrummt bekommen – und damit auch ich.

Das von mir nun fieberhaft verfolgte Rennen bleibt offen bis kurz vor Schluss, dann siegen die Laternen. Der Bus verharrt vor der nutzlos grünen Ampel, während sich die trommelnden Kinder samt ihrer verantwortungslosen Erziehungsberechtigten in einem Tempo über die Kreuzung wälzen, gegen das die Grönlandgletscherschmelze wirkt wie ein Zeitrafferfilm.

Nun aber zurück auf Anfang: zum Bohei. Dieser Laternenumzug nämlich hat – im Gegensatz zu dort, wo ich herkomme – etwas eklig Professionelles. Vorneweg marschieren zwei wichtigwichtige Herren mit Kellen und Reflektoren auf den Jacken; sie sind die Hauptschuldigen für das Stoppen meines Busses.

Dahinter folgen mitten auf der Hauptverkehrsstraße die ursächlich Verantwortlichen für den ganzen sinnlosen Unfug, und nach hinten wird die entropiebeschleunigende Veranstaltung abgesichert von einem schillblauen Streifenwagen sowie einem kapitalen Feuerwehrauto in vollem Ornat.

Was glauben die Behörden eigentlich, was von diesen Kindern mit ihren Teelichtern alles stadtteilgefährdend abgefackelt werden kann – der Teer?

Die Blondine neben mir, die ebenfalls schon eine Viertelstunde auf den Bus gewartet hat, bevor die Laternen kamen, trägt einen kurzen Pferdeschwanz und einen harten Zug um die Lippen, der sie intelligent wirken lässt. Sie flucht jetzt leise.

Später, sehr viel später, steht sie im Fitnessclub zufällig neben mir auf dem Crosstrainer, aber das hat bestimmt nichts zu bedeuten, auch wenn unsere Schicksale seit dem Laternenumzug unverhofft eine kleine Schnittmenge aufweisen, für immer.


04 November 2008

Hä?

Wer sich heute gegen Barack Obama entscheidet, ist nicht automatisch ein Rassist.

Das Gegenteil aber stimmt keinesfalls.
Und wenn doch: auch egal.

Foto: Wikipedia

Der Abend des Rezensenten

Matt: „Guckst du mit? Ich muss noch einige DVDs rezensieren. Aber alles Sachen ab 18.“
Ms. Columbo
: „Also sind Brüste zu sehen und nicht Kopf ab?“

Matt
: „Nein, Brüste sind ab 16, Kopf ab ab 18.“
Ms. Columbo
: „Ja-ha, das würde einem der gesunde Menschenverstand sagen – aber in Wahrheit ist es doch genau umgekehrt!“
Matt
: „Nur in den USA.“

Am Ende sahen wir einen Film von Uwe Boll.

Ohne Brüste.


Foto: Kinostar

03 November 2008

Im Ikeawachkoma

Bei Ikea werde ich regelmäßig schon nach kurzer Zeit quasi kataleptisch.

Wie ein Zombie wanke ich durch den Laden, stumpf und handlungsunfähig, doch wenigstens
entlang der vorgegebenen Pfade.

Wahrscheinlich blasen sie eine Droge
durchs Lüftungssystem, die alle anderen zu willenlosen Powerkonsumenten macht, aber mich einfach nur schläfrig. Dank Ms. Columbo bringen wir es dennoch auf zwei Stofftiere und 18 Trinkgläser.

Zu Hause stelle ich jedoch fest, im Ikeawachkoma ebenfalls etwas erstanden zu haben: ein paar Plüschpuschen für zweifünfzig.


Mann, der Besuch bei Ikea sollte unbedingt unters Betäubungsmittelgesetz fallen.



02 November 2008

Abgang Jerry Lee

Innerhalb von 24 Stunden besuchten wir Konzerte von zwei Künstlern, die zusammen 147 Jahre alt und beide Mitglieder in der Rock’n’Roll Hall of Fame sind.

Im Vorprogramm von Jerry Lee Lewis spielte Schildkröte. Als er so dasaß am E-Piano, halslos, grau und rund, da konnte ich mich trotz aktivierter Anstandsspamfilter innerlich nicht wehren gegen die stille Frage: Ob Schildkröte wohl noch Sex hat, und zwar unbezahlten?

Ich bin schlecht, ich weiß.


Dann kam Jerry Lee auf die Bühne des CCH (Foto), mit krummem Rücken, dem Hemd in der Hose und selbige hochgezogen bis knapp unter die Achseln. Vor über 50 Jahren inszenierte er mit ein paar Kumpels die wildeste Jugendbewegung, welche die Welt bis dahin gesehen hatte, und es ist auf schmerzliche Weise rührend, ihn ein halbes Jahrhundert später noch immer die Stücke von damals spielen zu hören. Es ist Gnade und Fluch.

Am Ende, bei „Whole lotta shakin’ goin’ on“, stand Lee auf vom Klavier, dreht sich um und setzte sich kurz auf die Tastatur – ein Schlussakkord vom, aber nicht fürn Arsch.

Dann ging er ab, krumm und alt, das Hemd tief vergraben in der Hose, ein Geist aus der Rock’n’Roll Hall of Fame, der nie mehr wiederkehren wird.



01 November 2008

Leonard Cohen, Weltrekordler



Der Grad von Leonard Cohens Grandseigneurhaftigkeit ist Guinness-Buch-der-Rekorde-reif. Außerdem hat er den leisesten Drummer der Welt.

Wie es sonst war beim Cohen-Konzert? So wie es Wildgans anlässlich seines Frankfurter Auftritts beschrieb. Also sehr ergreifend.

Übrigens bin ich erstaunt, wieso nicht alle 80 Millionen Deutsche sofort versuchen, Karten zu bekommen, wenn einer wie er auf Tour kommt. Was um alles in der Welt kann die Alternative sein – etwa Halloweenkürbisse schnitzen …?

Cohen gehört zu jenen Künstlern, von denen ich auratische Devotionalien besitze, obwohl ich sonst nicht zu den Signierbettlern gehöre. Den herrlich wackligen Eintrag in mein uraltes Exemplar seiner gesammelten Werke schrieb er mit der gleichen Hand, die einst „Suzanne“ verfasste oder den dunklen Bildungsroman „The favorite game“.


Außerdem vermachte er mir sein mit der Maus gemaltes Selbstporträt „Happy at last“. Heute Abend sah er sich sehr ähnlich, nur nicht so blau im Gesicht und dank Hut und Maßanzug weitaus grandseigneurhafter.
Und hätte er Maastrix nicht schon im Vorfeld mit einem Knebelvertrag verärgert, ich würde ihn glatt adoptieren. So aber schoss ich aus Protest ein pixeliges Foto von der Videoleinwand und wandere halt jetzt in den Knast.

30 Oktober 2008

Fahrlässiges Feixen und Flachsen




Spiegel online hat als Pseudonym für einen Vergewaltiger ausgerechnet den bürgerlichen Namen des bekanntesten deutschen Krawallbloggers auserkoren, der sich übrigens auch in meiner Blogrolle befindet.

Irgendwie ist das unschön – und zwar ganz generell. Man könnte schließlich auch mit Initialen arbeiten, statt in vielen deutschen Sozialzusammenhängen nun fahrlässig hämisches Feixen und Flachsen hervorzurufen. Immerhin zeichnet sich der von Spon verwendete Name nicht gerade durch endemische Seltenheit aus.

Beim Kölner Express heißt der Mann übrigens „Jens H.“, ka-news.de aus Karlsruhe schafft es sogar ganz ohne Namensfantastereien. Geht doch.


29 Oktober 2008

Betrag zu hoch!

Seit bekannt geworden ist, welch apokalyptische Folgen der Individualverkehr hat, fährt ja praktisch niemand mehr Auto.

Wir aber waren Ende der 90er echte Avantgardisten, als wir nach dem Diebstahl des Fiats einfach sagten: Du wirst nicht ersetzt, Uno!

Vorher waren wir mit ihm für den Wocheneinkauf stets zu Toom in Altona gefahren, wo am Eingang des Parkplatzes eine Schranke war, die sich hob, wenn man eine Parkkarte zog.

Kurioserweise waren die Ausfahrtschranken meist oben, so dass ich die jeweilige Parkkarte gar nicht am Toom-Automaten auslösen musste. Eine vergessene alte Karte befand sich daher schon seit einiger Zeit in meiner Börse. Spaßeshalber steckte ich sie eines Tages mal in den Automaten, um die inzwischen aufgelaufenen Parkgebühren zu ermitteln. Sie waren dreistellig. Das war lustig.

In den Folgemonaten, ja -jahren wurde die alte Parkkarte zum running gag. Meine Schuld beim Toom-Parkplatz wuchs und wuchs. Irgendwann sagte der Automat Sachen wie „30 553 DM – Betrag zu hoch!“.

Wenn dann gerade zufällig ein Toom-Kunde in der Nähe war, starrte ich länger als notwendig aufs Display, seufzte tief auf, zog kopfschüttelnd die Karte aus dem Automaten und schlurfte von dannen – einer düsteren Zukunft als Fußgänger entgegen, während mein Wagen den Rest seiner rostigen Jahre unausgelöst auf dem Parkplatz von Toom verbringen musste. Denn 30 553 Mark hatte ich selten dabei.

Irgendwann hatten wir dank der Diebe kein Auto mehr. Wir kauften nun dort ein, wo man zu Fuß hingehen konnte. Toom, sein Parkplatz und der Automat gerieten in Vergessenheit. Doch heute morgen, viele Jahre und eine Währungsumstellung später, fand ich die Parkkarte wieder. Sie lag in einem verstaubten ehemaligen Gewürzgurkenglas, in dem sich außerdem noch ein Klebezettelblock und viele kleine Münzen befanden, darunter sogenannte „Groschen“, die Älteren unter uns werden sich noch erinnern.

Die Parkkarte jedenfalls weckte nostalgische Gefühle – und führte mich in Versuchung. Ich brach etwas früher zur Arbeit auf, um vorher noch bei Toom vorbeizufahren. Einfach mal schauen, wie hoch der Betrag jetzt wäre, ungefähr acht Jahre nach der historischen Meldung „30 553 DM – Betrag zu hoch!“.

Ich betrat Toom voll nervöser Vorfreude. Der Parkautomat stand noch immer im Eingangsbereich, wie damals. Ich ging hin und führte die Karte ein. Meine Hände zitterten leicht. Was würde er sagen? Läge ich schon bei einer Million, und zwar Euro?

Der Automat surrte und summte, er checkte die Karte, und dann … spuckte er sie wieder aus wie ein trockener Alkoholiker die Weinbrandbohne.

Welch eine Enttäuschung: Der Parkautomat gehörte einer neueren Generation an. Es handelte sich um ein anderes, aktualisiertes Modell. Mein alte Parkkarte war ihm so fremd wie meinem MacBook eine Floppydisc. Wie schade.

Ich seufzte tief auf, obwohl kein anderer Toom-Kunde in der Nähe war, zog kopfschüttelnd die Karte aus dem Automaten und schlurfte geschlagen von dannen.

Vielleicht haben sie den alten Automaten ja nur deswegen ausgetauscht, weil ihn die Meldung „30 553 DM – Betrag zu hoch!“ irgendwann depressiv gemacht hatte.

Ja, so war es, bestimmt.


27 Oktober 2008

Das lange Warten auf Amy



Nach einem dienstlichen Termin im Alten Wandrahm entschließe ich mich in einem Anfall von montäglichem Masochismus, längs durch die Speicherstadt gen St. Pauli zu radeln. Also immer lang am Fleet über Stock und vor allem Stein.

Tausende Wackermänner später fühle ich mich eher geschüttelt als gerührt und vor allem bestens durchmassiert. Ein idealer Zustand, um abends das Konzert von Amy MacDonald in der Großen Freiheit zu besuchen.

Die Frau aus Bishopbriggs redet ein mühsam als Schottisch zu deutendes Kauderwelsch, das – wäre sie Deutsche – wohl dem Vollsächsischen entspräche und entsprechend für Heiterkeit sorgte. Wenn sie zum Beispiel „about“ zu sagen versucht, klingt das eher nach „a boat“, und das bedeutet ja etwas ganz anderes. Das aber sollen wir erst viel später erfahren, denn die Dame ziert sich.

Wir warten. Und warten. Zeit zum Umschauen. Empirisches Ergebnis: Wir haben hier ein erstaunlich gesetztes Publikum.

Es gibt Lederjackenmänner mit Holstenhüftgold und Warsteinerwampe, es stehen herum Bubikopfblondinen in Puffärmelblusen und koketten Kunstlederwestchen, deren graumelierte Begleiter farblich fein darauf abgestimmte Jacketts zu Designerjeans tragen.

Es gibt doppelbekinnte Bank-, vielleicht auch Versicherungsangestellte mit dezent linierten weißen Oberhemden, deren Ärmel die ganze Zeit zugeknöpft bleiben. Zudem ist die Quote der leicht bis mittel Adipösen erstaunlich hoch für einen Abend mit Amy MacDonald, die so langsam aber wirklich mal anfangen darf.

Ich frage mich, wie lange sie noch ihren Auftritt verzögern könnte, ehe die Bubikopfblondine, der Lederjackenmann, der zugeknöpfte Hemdsärmel und die Armada der leicht bis mittel Adipösen empört genug wären, um als verschmolzener Mob die Bühne zu stürmen und ein für alle mal ein Fanal zu setzen gegen zu spät auftretende Künstler.

Meine Schätzung: drei Stunden. Doch dazu kommt es nicht – dafür aber Amy und ihr „a boat“.

Zeit, über den Transenstrich nach Hause zu radeln. Nirgends Kopfsteinpflaster.


Hören, sehen, sagen

Heute um 17 Uhr auf Byte.fm geht es eine Stunde lang um Comebacker und Newcomer.

Wer nicht reinhört, verpasst die unvergleichliche GRACE JONES, die mich überhaupt nicht an de Leuchtdame am Altonaer Balkon (Foto) erinnert.

Ich kenne übrigens schon jetzt das Wort des Jahres. Selbstverständlich lautet es „Finanzkrise“. Doch welches wird zum Unwort des Jahres – „Ypsilanti“?

Vorschäge bitte in den Kommentaren.