22 Februar 2006

Der Streik(unter)brecher

Nichts gegen den Streik im Öffentlichen Dienst, soviel vorweg. Wenn eine Gewerkschaft es zuließe, dass Menschen, die bereits einen Arbeitsplatz haben, zu Mehrarbeit gezwungen würden, obwohl genug Arbeitslose parat stünden, die jene Mehrarbeit leicht erledigen könnten; wenn man das also zuließe als Gewerkschaft, dann könnte man sich gleich wegen Schizophrenie einweisen lassen.

Doch zufällig gibt es ein paralleles Phänomen, welches die Lage verändert: die Vogelgrippe. Auf Rügen fielen schon hunderte Vögel vom Himmel. Rügen ist nicht sooo weit weg von Hamburg. Und parallel zur Seuche streikt die Müllabfuhr.

Für den Kiez ist das eine Katastrophe. Normalerweise kommen die Müllmänner hier zweimal am Tag. In Worten: z-w-e-i-m-a-l am Tag. Das tun sie zurzeit nicht. Weil die Abfallberge binnen kurzem fast so hoch wuchsen, dass man die Huren an der Davidstraße nur noch hüftaufwärts beurteilen konnte, wurde mehr oder weniger heimlich etwas weggekarrt. Merkt man aber kaum.

Also Müll überall, zerfledderte Zeitungen auf den Straßen und Gehwegen (vor allem BILD, was ein höchst adäquater Verwendungszweck für dieses Blatt ist), zerquetschte McDonalds-Boxen, Flaschen, Scherben, zertretene Pommes Frites – was immer du willst.

Kurz: ein Fest für Vögel. Eine Megaparty. Woodstock und Monterey zusammen. Wenn ich morgens auf dem Weg zur S-Bahn die Reeperbahn entlanggehe, sehe ich Trauben von Tauben, überall. Und Möwen, die sich dazwischenstürzen. Die Tauben stieben gurrend hoch und flattern wieder zu Boden, zurück zu den Leckereien im Straßendreck.

Ein Chaos aus Müll und Federvieh. Die Tiere gedeihen prächtig dabei, das spricht sich rum, sie kommen von überallher. Sie werden sich explosionsartig vermehren diese Saison. Und irgendwo da draußen – auf Rügen oder vielleicht schon näher – lauert H5N1 auf seine ganz große Chance. Voilà: Hier ist sie, mitten auf St. Pauli. Denn der Kiez wird gerade zu Bodega Bay. Wenn nur ein einziger infizierter Rügener Schwan hier mal guten Tag sagt, dann gute Nacht.

Es ist also ein ganz, ganz schlechter Zeitpunkt für einen Streik der Müllabfuhr. Gut, das konnte kein Mensch wissen, selbst Frank Bsirske nicht. Aber jetzt weiß er es. Und er könnte sich dafür stark machen, den Streik auszusetzen, bis die Seuche im Griff ist. Wie wäre das, Bsirske?

Bitte denk mal darüber nach.


Ex cathedra: Die Top 3 der Gewerkschaftssongs
1. „Part of the union“ von The Strawbs
2. „Joe Hill“ von Joan Baez


3. „There is power in a union“ von Billy Bragg

13 Kommentare:

  1. Vielleicht ist das nicht ganz das Thema (und Vogelgrippe nervt auch langsam), aber es belastet mich, ich muss es öffentlich kundtun:

    Ich habe meinen Restmüll in die Plastikmülltonne geschmissen, weil die Restmülltonne voll war!

    Bestimmt komm ich dafür in die Hölle...

    P.S.: Netter Blog! Ich habe ihn erst vor kurzem entdeckt, aber es lohnt sich reinzuschauen, wenn man so interessante Ansichten serviert bekommt.

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  2. Hallo, Sophie, freut mich sehr, dass es dir hier gefällt, danke. Wäre schön, wenn du täglich wiederkämst … ;-)

    Für dein Müllvergehen erteile ich dir hiermit die Absolution, und zwar ex cathedra (ich habe Erfahrung mit so etwas, wie man an der täglichen Songauswahl sieht).

    Für Streikzeiten gelten aber sowieso Sonderregeln, von daher war deine Sünde eh lässlich. Also: Freu dich auf den Himmel!

    Dort allerdings dürfte es aber ebenfalls ein Müllproblem geben, denn mal ehrlich: Wer von denen, die im Himmel eingelassen wurden, wird sich schon freiwillig bereiterklären, den Müll rauszubringen? Und aus der Hölle kann man niemand engagieren, dann wären die ja auch im Himmel (wenngleich nur von 9 bis 5), und das geht gar nicht.

    Siehst du das Dilemma? ;-)

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  3. Über die Vögel würde ich mir keine Sorgen machen. Die werden irgendwann von den Ratten platt gemacht ...

    Aber auf dem Kiez stell ich mir das Müllproblem wirklich böse vor. In Eimsbüttel geht's komischerweise noch.

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  4. Hallo Nachbar,

    guter Eintrag, der. Das geht wirklich gar nicht mehr klar, hier. Vor meiner Tür stapeln sich blaue Säcke und ... Ach nee, Moment, das sind die (streikenden) Beamten der Davidwache ...

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  5. Juhu, ich komme in den Himmel! Ich schätze mal, dass Gott den Müll rausbringt oder wegbeamt - der is doch allmächtig. Der hat da die Verantwortung! Vielleicht gibt es aber auch To-do-Liste, die die Insassen des Himmel abarbeiten müssen, äh, dürfen...

    Man könnte es doch so lösen: Willy Brandt ruf den Ausnahmezustand aus und die Bundeswehr holt den Müll ab...

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  6. Muss erst mal drüber nachdenken, ob Willy himmelfähig ist. Die Bundeswehr jedenfalls mit Sicherheit nicht!

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  7. Wenn man genügend Astra trinkt, schafft man es, den Müll vollkommen zu ignorieren. Habe ich im Selbstversuch erfolgreich nachweisen können.

    Ich halte in bestimmten Bereichen übrigens einen Streik für moralisch höchst bedenklich. Und Müllabfuhr gehört dazu. Weil hier unser aller Gesundheit direkt in Gefahr ist. Und indirekt.

    Aber was solls? Ratten in freier Wildbahn wollte ich immer schon mal mit einem Spaten erschlagen.

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  8. Mein Vater hat mal in meinem Beisein eine Ratte, die in ein einseitig verschlossenes Rohr geflohen war, mit einem Besenstiel buchstäblich totgestochert.

    Werde ich nie in meinem Leben vergessen. Was ich vorher nicht wusste: Ratten können schreien.

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  9. Also mal ehrlich,

    habe im Dezember noch kramphaft versucht, unsere einheimischen Vögel auf dem Balkon im 3. OG durchzufüttern . Die hatten aber wohl keinen Bock so hoch hinaus Ihr Futter abzuholen. Jetzt aber, wo bei uns der ganze Müll auf dem Balkon zwischengelagert werden muss, komme ich mir vor, als hätte ich eine Voliere vor dem Fenster. Habe jetzt beschlossen, dass ich nächsten Winter Müllsäcke statt Vogelfutter auslegen werde. Wenigstens hat meine Katze jetzt ihr ganz eigenes Homekino, wenn sie aus dem Fenster guckt.

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  10. Solltest du der Katze nicht den Zugang auf den Balkon ermöglichen …? ;-)

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  11. Aber doch nicht jetzt, wo die Vogelgrippe grassiert!!!!!!

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  12. Ja, stimmt, die Vogelgrippe ist ja auch eine Katzengrippe …
    Es sei denn, du willst den blöden Kater loswerden.

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