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22 Oktober 2009
20 Oktober 2009
Der lachende Afrikaner
Stieß gestern in Ottensen in der Nähe des Aurel (Foto) mit einem anderen Radfahrer zusammen, einem Afrikaner.
Ich wollte gerade auf die Bahrenfelder Straße einbiegen, als er unversehens hinter einem parkenden Auto auftauchte, und zwar auf seiner linken Seite. Unmöglich zu bremsen, ich rasselte ihm heftig ins Vorderrad, doch der Notarzt musste nicht anrücken.
Er: „Sorry, sorry!“ Ich: „Puh!“ Und dann begann der Afrikaner laut aufzulachen.
Ich muss derart perplex geguckt haben, dass er nicht anders konnte. Sein Lachen ließ mich freilich noch perplexer gucken, was es weiter steigerte. Ähnlich verläuft wohl eine atomare Reaktion.
Gerne hätte ich ihn an dieser Stelle darauf verwiesen, dass wir hier nicht in England seien, wo man die Straßen nicht nur links befahren darf, sondern muss, doch sein inzwischen am Rande des Krampfartigen angelangter Lachanfall ließ mich davon Abstand nehmen. Die semantische Vermittlung der Botschaft schien mir angesichts seiner mangelnden Rezeptionsbereitschaft schlicht zu ungewiss.
Als ich weiterfuhr, verklang sein Lachen nur sehr allmählich im Gewirr der Ottenser Gassen.
Irgendwie schon ganz andere Menschen, diese Afrikaner.
Ich wollte gerade auf die Bahrenfelder Straße einbiegen, als er unversehens hinter einem parkenden Auto auftauchte, und zwar auf seiner linken Seite. Unmöglich zu bremsen, ich rasselte ihm heftig ins Vorderrad, doch der Notarzt musste nicht anrücken.
Er: „Sorry, sorry!“ Ich: „Puh!“ Und dann begann der Afrikaner laut aufzulachen.
Ich muss derart perplex geguckt haben, dass er nicht anders konnte. Sein Lachen ließ mich freilich noch perplexer gucken, was es weiter steigerte. Ähnlich verläuft wohl eine atomare Reaktion.
Gerne hätte ich ihn an dieser Stelle darauf verwiesen, dass wir hier nicht in England seien, wo man die Straßen nicht nur links befahren darf, sondern muss, doch sein inzwischen am Rande des Krampfartigen angelangter Lachanfall ließ mich davon Abstand nehmen. Die semantische Vermittlung der Botschaft schien mir angesichts seiner mangelnden Rezeptionsbereitschaft schlicht zu ungewiss.
Als ich weiterfuhr, verklang sein Lachen nur sehr allmählich im Gewirr der Ottenser Gassen.
Irgendwie schon ganz andere Menschen, diese Afrikaner.
Fundstücke (59): Die Wurst, der Durst und der Tod
Auf dem Weg nach Wandsbek kamen wir am Omnibusbahnhof vorbei. Dort verheißt das Bistro „Wurst & Durst“ den parallelen Verkauf a) eines Nahrungsmittels und b) einer Mangelerscheinung. Bestimmt eine super Marktlücke.
Später auf der Wandsbeker Chaussee sollte sich das Thema teilweise wiederholen, doch der Laden „Flachs-Wurst“ wurde von seinem Nachbarn noch weit übertroffen.
Wie wir zu unserem namenlosen Erschrecken (und Amüsement) feststellen mussten, möchte man nun sogar im postmortalen Segment einen locker-flockigen Kalauerton anschlagen.
Der „Sarg Shop Good-buy“ ist jedenfalls so cool, wie eine Leiche niemals werden kann.
Die Fotoqualität ist übrigens der von Hast und Hektik geprägten Knipssituation geschuldet: aus einem fahrenden Bus heraus ins Gegenlicht. Doch es hat sich gelohnt, oh ja.
19 Oktober 2009
Alten Leuten über die Straße helfen
Der Rollstuhlopa trägt Glasbausteinbrille und Schiebermütze, er ist schlecht rasiert und – wohl nach einem Schlaganfall – des Sprechens nicht mehr mächtig, nur noch des Sabberns.
Neulich trafen wir ihn in hilflosem Zustand in der Bernstorffstraße an. Er hatte sich an einem Poller festgefahren und kam nicht mehr vor noch zurück. Wir versuchten herauszufinden, wo er hinwollte. Trotz der erschwerten Kommunikationsgesamtlage gelang es ihm, uns seinen Richtungswunsch mitzuteilen.
Stakkatisch stieß er gutturale Laute aus und kombinierte sie mit ruckartigem Armgeschlenker; so dirigierte er uns durchs Viertel, bis wir schließlich eine Seniorenwohnanlage erreichten, wo wir ihn zu seiner gutturalen Zufriedenheit vorm Aufzug abstellten.
Wir nutzten noch schnell die Heimtoiletten und trollten uns – im Bewusstsein, das Tagesquantum einer guten Pfadfindertat bereits mittags erfüllt zu haben und uns für die restlichen Stunden nun ungehemmter Niedertracht hingeben zu dürfen. Ein schönes Gefühl.
Das war vor einigen Wochen. Heute standen Ms. Columbo und ich an der Reeperbahn gegenüber vom Beatlemania-Museum, wo das Bild des weinenden Ringo hängt, und warteten auf den Bus, als ich am Fußgängerüberweg Nobistor den Rollstuhlopa entdeckte. Und zwar in bedenklicher Entfernung vom Seniorenwohnheim.
Als die Ampel grün wurde, bewegte er sich molluskenhaft langsam vorwärts auf die vierspurige Reeperbahn, blieb allerdings bereits in der kleinen Senke hängen, die Gehweg und Straße verbindet. Er stand nun halb auf der Reeperbahn, die Autos konnten nicht vorbei. Entgegenkommende Passanten telefonierten selbstvergessen und schauten blöde, aber halfen nicht.
Zeit also für das nächste Tagesquantum einer guten Pfadfindertat, die den Freibrief liefern würde für ungehemmte Niedertracht am Rest des Tages. Ich zog ihn erst einmal zurück, was mir der Reeperbahnverkehr mit warmem Lächeln dankte.
Ob der Rollstuhlopa, den ich enthusiastisch an unsere erste Begegnung zu erinnern versuchte, mich noch erkannte, war letztlich schwer zu beurteilen, denn er war weiterhin nur in der Lage, einsilbige Grunzlaute hervorzubringen. Seine Gestik allerdings lieferte zusammen mit seinem gescheiterten Bestreben, die Reeperbahn überqueren zu wollen, eine Richtungsvorgabe.
Ja, er wollte eindeutig auf die andere Straßenseite, und so joggte ich mit ihm bei der nächsten Grünphase über die vier Spuren der Amüsiermeile, während ich aus dem Augenwinkel schon unseren Bus herannahen sah – den ich dann auch noch gerade so erwischte.
Diesmal entfiel also unser Eskortservice. Doch das Ganze wirft Fragen auf. Dieser hilflose alte apoplektische Herr ist a) kräftemäßig keineswegs mehr in der Lage, seinen Rollstuhl auch nur noch einen Zentimeter zu bewegen, sobald die klitzekleinste Steigung droht, und b) unfähig, Zunge und Kehlkopf sinnvoll zu koordinieren – also was um Albert Schweitzers Willen macht er alleine auf dem Kiez? Wieso kriegt er keinen Elektrorolli – oder wenigstens einen Zivi, der ihn herumkarrt?
Kurz: Warum müssen wir ihn immer retten, obwohl der Istzustand unseres Karmas doch bereits weitgehend deckungsgleich ist mit dem Sollzustand?
Natürlich, der letzte Satz ist geprägt von Hybris, Eitelkeit und Selbstüberschätzung, doch er ändert ja nichts an der fürs „Senioren Centrum Altona“ unbequemen Frage.
Ich glaube, ich maile sie ihm einfach mal.
Neulich trafen wir ihn in hilflosem Zustand in der Bernstorffstraße an. Er hatte sich an einem Poller festgefahren und kam nicht mehr vor noch zurück. Wir versuchten herauszufinden, wo er hinwollte. Trotz der erschwerten Kommunikationsgesamtlage gelang es ihm, uns seinen Richtungswunsch mitzuteilen.
Stakkatisch stieß er gutturale Laute aus und kombinierte sie mit ruckartigem Armgeschlenker; so dirigierte er uns durchs Viertel, bis wir schließlich eine Seniorenwohnanlage erreichten, wo wir ihn zu seiner gutturalen Zufriedenheit vorm Aufzug abstellten.
Wir nutzten noch schnell die Heimtoiletten und trollten uns – im Bewusstsein, das Tagesquantum einer guten Pfadfindertat bereits mittags erfüllt zu haben und uns für die restlichen Stunden nun ungehemmter Niedertracht hingeben zu dürfen. Ein schönes Gefühl.
Das war vor einigen Wochen. Heute standen Ms. Columbo und ich an der Reeperbahn gegenüber vom Beatlemania-Museum, wo das Bild des weinenden Ringo hängt, und warteten auf den Bus, als ich am Fußgängerüberweg Nobistor den Rollstuhlopa entdeckte. Und zwar in bedenklicher Entfernung vom Seniorenwohnheim.
Als die Ampel grün wurde, bewegte er sich molluskenhaft langsam vorwärts auf die vierspurige Reeperbahn, blieb allerdings bereits in der kleinen Senke hängen, die Gehweg und Straße verbindet. Er stand nun halb auf der Reeperbahn, die Autos konnten nicht vorbei. Entgegenkommende Passanten telefonierten selbstvergessen und schauten blöde, aber halfen nicht.
Zeit also für das nächste Tagesquantum einer guten Pfadfindertat, die den Freibrief liefern würde für ungehemmte Niedertracht am Rest des Tages. Ich zog ihn erst einmal zurück, was mir der Reeperbahnverkehr mit warmem Lächeln dankte.
Ob der Rollstuhlopa, den ich enthusiastisch an unsere erste Begegnung zu erinnern versuchte, mich noch erkannte, war letztlich schwer zu beurteilen, denn er war weiterhin nur in der Lage, einsilbige Grunzlaute hervorzubringen. Seine Gestik allerdings lieferte zusammen mit seinem gescheiterten Bestreben, die Reeperbahn überqueren zu wollen, eine Richtungsvorgabe.
Ja, er wollte eindeutig auf die andere Straßenseite, und so joggte ich mit ihm bei der nächsten Grünphase über die vier Spuren der Amüsiermeile, während ich aus dem Augenwinkel schon unseren Bus herannahen sah – den ich dann auch noch gerade so erwischte.
Diesmal entfiel also unser Eskortservice. Doch das Ganze wirft Fragen auf. Dieser hilflose alte apoplektische Herr ist a) kräftemäßig keineswegs mehr in der Lage, seinen Rollstuhl auch nur noch einen Zentimeter zu bewegen, sobald die klitzekleinste Steigung droht, und b) unfähig, Zunge und Kehlkopf sinnvoll zu koordinieren – also was um Albert Schweitzers Willen macht er alleine auf dem Kiez? Wieso kriegt er keinen Elektrorolli – oder wenigstens einen Zivi, der ihn herumkarrt?
Kurz: Warum müssen wir ihn immer retten, obwohl der Istzustand unseres Karmas doch bereits weitgehend deckungsgleich ist mit dem Sollzustand?
Natürlich, der letzte Satz ist geprägt von Hybris, Eitelkeit und Selbstüberschätzung, doch er ändert ja nichts an der fürs „Senioren Centrum Altona“ unbequemen Frage.
Ich glaube, ich maile sie ihm einfach mal.
17 Oktober 2009
Mälzers brutale Wahrheit
Die meisten Restaurants, zumal die teuren, tun so, als sei das Essen im 21. Jahrhundert ein durchweg kultureller Akt. Alles, was diese Ästhetisierung eines existenziellen Triebs atmosphärisch trüben könnte, wird verborgen und versteckt.
Diese totale Verbrämung beginnt bei der verschleiernden Lyrik der Speisekarten (Christian Rachs Tafelhaus etwa offeriert gerade „Panaché von Meeresfischen“) und endet mit bisweilen hochdekorativen Arrangements auf dem Teller, die man versucht ist fotografisch zu verewigen (was ich in der Tat bereits getan habe).
Promikoch Tim Mälzer allerdings spielt dieses Spiel nicht mit. In seiner Bullerei in der Schanzenstraße wird man im Flur zwischen Restaurant, Bistro und Klo mit der brutalen Wahrheit hinter all dem Getue um die Ästhetik des Essens konfrontiert.
Dort hängen zwei original Tierhälften in einem grell ausgeleuchteten Innenschaufenster. Echte Leichen. Konservierte Todesangst. Tragödie, Panik, Untergang.
Das Rot des Fleisches scheint auf den ersten Blick zu rot zu sein, das Weiß von Sehnen, Fett und Rippen zu leuchtend – hat hier etwa der Präparator Gunther von Hagens unselig gewirkt?
Das könnte man denken, doch dann fällt der großäugige Blick auf den Boden unter der zerteilten Tierleiche. Da steht ein Metallbottich mit ausgelegter Alufolie, und dort hinein tropft Tropfen für Tropfen das restliche Tierhälftenblut.
Dieses makabre Arrangement holt dich augenblicks zurück auf den Boden der kulinarischen Tatsachen. Und wer danach seine Rinderhüfte mit Senf-Kräuterkruste noch guten Appetits verputzen kann, muss sich gewiss nicht mehr – zum Beispiel von Vegetariern – als Heuchler oder Eskapist beschimpfen lassen.
Wir haben übrigens heute Nachmittag bei Mälzer nur zwei Espresso getrunken. Aber es hingen ja auch nirgends grell ausgeleuchtete tote Arabicabohnen herum, aus denen irgendeine Restflüssigkeit tropfte, zugegeben.
Diese totale Verbrämung beginnt bei der verschleiernden Lyrik der Speisekarten (Christian Rachs Tafelhaus etwa offeriert gerade „Panaché von Meeresfischen“) und endet mit bisweilen hochdekorativen Arrangements auf dem Teller, die man versucht ist fotografisch zu verewigen (was ich in der Tat bereits getan habe).
Promikoch Tim Mälzer allerdings spielt dieses Spiel nicht mit. In seiner Bullerei in der Schanzenstraße wird man im Flur zwischen Restaurant, Bistro und Klo mit der brutalen Wahrheit hinter all dem Getue um die Ästhetik des Essens konfrontiert.
Dort hängen zwei original Tierhälften in einem grell ausgeleuchteten Innenschaufenster. Echte Leichen. Konservierte Todesangst. Tragödie, Panik, Untergang.
Das Rot des Fleisches scheint auf den ersten Blick zu rot zu sein, das Weiß von Sehnen, Fett und Rippen zu leuchtend – hat hier etwa der Präparator Gunther von Hagens unselig gewirkt?
Das könnte man denken, doch dann fällt der großäugige Blick auf den Boden unter der zerteilten Tierleiche. Da steht ein Metallbottich mit ausgelegter Alufolie, und dort hinein tropft Tropfen für Tropfen das restliche Tierhälftenblut.
Dieses makabre Arrangement holt dich augenblicks zurück auf den Boden der kulinarischen Tatsachen. Und wer danach seine Rinderhüfte mit Senf-Kräuterkruste noch guten Appetits verputzen kann, muss sich gewiss nicht mehr – zum Beispiel von Vegetariern – als Heuchler oder Eskapist beschimpfen lassen.
Wir haben übrigens heute Nachmittag bei Mälzer nur zwei Espresso getrunken. Aber es hingen ja auch nirgends grell ausgeleuchtete tote Arabicabohnen herum, aus denen irgendeine Restflüssigkeit tropfte, zugegeben.
16 Oktober 2009
Blanker Hass
Mancher Dinge kann man sich kaum noch mit dem eigentlich probaten Mittel der Ironie erwehren, weil sie in ihrer Häufung möglichweise keine Koinzidenz mehr sind, sondern etwas Düsteres, Schlimmes symbolisieren, mit dem die Luft, die uns umgibt, derart gesättigt ist, dass eine Explosion unweigerlich wird, vielleicht bald nicht mehr nur verbal.
Soweit die Theorie, empirsch abgeleitet. Die folgenden Ereignisse finden innerhalb einer Minute statt.
Als ich heute Abend auf der Radfahrt nach Hause an der Baracke vorbeikomme, wo täglich Nonnen die Armen mit Speisen versorgen, steht wie üblich eine Gruppe abgerissener Männer (es sind immer Männer) vor dem flachen roten Gebäude.
Sie stehen nicht auf dem Radweg wie sonst oft und gerne, sondern auf dem Bürgersteig. Ich muss also nicht klingeln wie sonst oft und ungerne, sondern kann einfach vorüberfahren. Als ich auf Höhe des Trios bin, dreht sich plötzlich einer um zu mir und brüllt mit der ganzen brachialen Kraft seiner Raucherlunge:
„FICK DICH, DU ARSCHLOCH!“
Diese Äußerung kommt in jeder Hinsicht derart überraschend, dass sie keine Reaktion ermöglicht außer der einer stoischen Weiterfahrt, mit der ich ein souveränes Michnichtgemeintfühlen signalisiere – der einzige schale und zudem geheuchelte Triumph, der in dieser Situation bleibt.
Noch unterm Eindruck dieses grundlosen Aggressionsausbruchs erreiche ich die Große Freiheit. Von rechts kommt eine Frau mit Hund, etwa 30 Meter weiter auf dem Gehweg sehe ich eine weitere Frau mit Hund. Der allerdings kläfft. Als ich vorbeifahre, kreischt die Frau aus der Großen Freiheit plötzlich:
„HALT DIE FRESSE, DU SCHEISSKÖTER!“
Innerhalb einer Minute, auf einer Strecke von kaum 100 Metern: zwei Hassausbrüche von derart sonischer Vehemenz, dass es einem kalt den Rücken hinunterläuft.
Was werden diese Menschen tun, wenn ihnen wirklich mal jemand Grund zum Hassen gibt? Welche beängstigende emotionale Textur liegt über diesem Land – konkretisiere: St. Pauli –, wenn man an jeder Ecke auf komplett abgebaute Beißhemmungen stößt?
Das kann ja eigentlich noch nicht an Schwarz-Gelb liegen.
Soweit die Theorie, empirsch abgeleitet. Die folgenden Ereignisse finden innerhalb einer Minute statt.
Als ich heute Abend auf der Radfahrt nach Hause an der Baracke vorbeikomme, wo täglich Nonnen die Armen mit Speisen versorgen, steht wie üblich eine Gruppe abgerissener Männer (es sind immer Männer) vor dem flachen roten Gebäude.
Sie stehen nicht auf dem Radweg wie sonst oft und gerne, sondern auf dem Bürgersteig. Ich muss also nicht klingeln wie sonst oft und ungerne, sondern kann einfach vorüberfahren. Als ich auf Höhe des Trios bin, dreht sich plötzlich einer um zu mir und brüllt mit der ganzen brachialen Kraft seiner Raucherlunge:
„FICK DICH, DU ARSCHLOCH!“
Diese Äußerung kommt in jeder Hinsicht derart überraschend, dass sie keine Reaktion ermöglicht außer der einer stoischen Weiterfahrt, mit der ich ein souveränes Michnichtgemeintfühlen signalisiere – der einzige schale und zudem geheuchelte Triumph, der in dieser Situation bleibt.
Noch unterm Eindruck dieses grundlosen Aggressionsausbruchs erreiche ich die Große Freiheit. Von rechts kommt eine Frau mit Hund, etwa 30 Meter weiter auf dem Gehweg sehe ich eine weitere Frau mit Hund. Der allerdings kläfft. Als ich vorbeifahre, kreischt die Frau aus der Großen Freiheit plötzlich:
„HALT DIE FRESSE, DU SCHEISSKÖTER!“
Innerhalb einer Minute, auf einer Strecke von kaum 100 Metern: zwei Hassausbrüche von derart sonischer Vehemenz, dass es einem kalt den Rücken hinunterläuft.
Was werden diese Menschen tun, wenn ihnen wirklich mal jemand Grund zum Hassen gibt? Welche beängstigende emotionale Textur liegt über diesem Land – konkretisiere: St. Pauli –, wenn man an jeder Ecke auf komplett abgebaute Beißhemmungen stößt?
Das kann ja eigentlich noch nicht an Schwarz-Gelb liegen.
15 Oktober 2009
Keine engen Räume
Als gnadenlos konsequenter Trainingskursnichtverpasser versäume ich das Länderspiel Deutschland-Finnland und muss mich nach Abpfiff von Ms. Columbo informieren lassen.
Schließlich gleicht das Geschehen auf dem Rasen einem unendlichen Antizipationspingpong in lauter Mikroduellen, und das will sachkundig analysiert und kommentiert sein.
Ungläubig erfahre ich nach meiner Rückkehr von einem mäßigen 1:1. „Sie waren nicht gut organisiert“, rezitiert Ms. Columbo Dellingnetzer. „Und das Spiel nach vorne?“, giere ich bang nach weiteren Details. „Schlecht“, bescheidet sie knapp.
„Haben sie denn wenigstens“, rufe ich entrüstet aus, „die Räume eng gemacht?!“ Ms. Columbo schüttelt bedauernd den Kopf: „Auch das nicht.“
Der gnadenlos konsequente Trainingskursnichtverpasser fällt enttäuscht in den Freischwinger – und hat keine Ahnung, wie er diesen Blogeintrag irgendwie pointiert zu Ende bringen kann.
Foto: Anton (rp)/GNU Free Documentation License
Schließlich gleicht das Geschehen auf dem Rasen einem unendlichen Antizipationspingpong in lauter Mikroduellen, und das will sachkundig analysiert und kommentiert sein.
Ungläubig erfahre ich nach meiner Rückkehr von einem mäßigen 1:1. „Sie waren nicht gut organisiert“, rezitiert Ms. Columbo Dellingnetzer. „Und das Spiel nach vorne?“, giere ich bang nach weiteren Details. „Schlecht“, bescheidet sie knapp.
„Haben sie denn wenigstens“, rufe ich entrüstet aus, „die Räume eng gemacht?!“ Ms. Columbo schüttelt bedauernd den Kopf: „Auch das nicht.“
Der gnadenlos konsequente Trainingskursnichtverpasser fällt enttäuscht in den Freischwinger – und hat keine Ahnung, wie er diesen Blogeintrag irgendwie pointiert zu Ende bringen kann.
Foto: Anton (rp)/GNU Free Documentation License
13 Oktober 2009
Die Verrückte
Sie tobte, aber ganz für sich, drüben auf der anderen Seite der Reeperbahn, vor Lukullus.
Eine Afrikanerin, hager und klein, sie trug eine Mütze mit herunterhängenden Ohrschützern, das sah alpin aus. Natürlich bin ich kein Psychiater, aber so, wie sie mit sich selber schrie und schimpfte, musste sie unter einer Psychose leiden. Vielleicht war sie verrückt.
Oje, dachte ich deshalb, als sie die Reeperbahn überquerte. In einer fremden Sprache zeternd kam sie näher. Sie schlurfte. Ihr Blick ging ins Nichts. Oder besser: nach innen. Hinter mir blieb sie stehen. Sie wühlte fluchend in ihrer großen Handtasche, holte einen Zettel heraus und pfefferte ihn weg mit herrischer Geste.
Es handelte sich, wie ich später herausfand, um einen Fahrschein für 1,30 Euro, abgestempelt an der S-Bahnstation Holstenstraße.
Noch immer durchwühlte sie zornig und schimpfend ihre Handtasche, und wieder warf sie etwas weg, ohne hinzusehen, doch mit theatralischem Pathos. Es war eine blauweiße Zahnbürste, eine mit kräftigen starren unbeschmutzten Borsten.
Nachdem die Afrikanerin wütend weitergetrottet war Richtung Pennymarkt, fotografierte ich die Bürste.
Zwei Typen kamen streitend vorbei und blieben stehen, weil die Intensität ihres Streites jene Beiläufigkeit nicht mehr zuließ, die das Spazierengehen gemeinhin mit sich bringt. Plötzlich verstummte der eine und blickte zu Boden. Er zog sein Handy hervor und fotografierte die Zahnbürste.
Dann gingen beide weiter, als hätten sie sich nie gestritten.
Eine Afrikanerin, hager und klein, sie trug eine Mütze mit herunterhängenden Ohrschützern, das sah alpin aus. Natürlich bin ich kein Psychiater, aber so, wie sie mit sich selber schrie und schimpfte, musste sie unter einer Psychose leiden. Vielleicht war sie verrückt.
Oje, dachte ich deshalb, als sie die Reeperbahn überquerte. In einer fremden Sprache zeternd kam sie näher. Sie schlurfte. Ihr Blick ging ins Nichts. Oder besser: nach innen. Hinter mir blieb sie stehen. Sie wühlte fluchend in ihrer großen Handtasche, holte einen Zettel heraus und pfefferte ihn weg mit herrischer Geste.
Es handelte sich, wie ich später herausfand, um einen Fahrschein für 1,30 Euro, abgestempelt an der S-Bahnstation Holstenstraße.
Noch immer durchwühlte sie zornig und schimpfend ihre Handtasche, und wieder warf sie etwas weg, ohne hinzusehen, doch mit theatralischem Pathos. Es war eine blauweiße Zahnbürste, eine mit kräftigen starren unbeschmutzten Borsten.
Nachdem die Afrikanerin wütend weitergetrottet war Richtung Pennymarkt, fotografierte ich die Bürste.
Zwei Typen kamen streitend vorbei und blieben stehen, weil die Intensität ihres Streites jene Beiläufigkeit nicht mehr zuließ, die das Spazierengehen gemeinhin mit sich bringt. Plötzlich verstummte der eine und blickte zu Boden. Er zog sein Handy hervor und fotografierte die Zahnbürste.
Dann gingen beide weiter, als hätten sie sich nie gestritten.
Unbedingt fürs nächste Mal merken (1–3)
1. Nicht einfach blind in einen Bus springen, nur weil er die richtige Liniennummer hat und loszufahren droht. Seine Fahrtrichtung ist auch nicht ganz unwichtig. (18:06 Uhr)
2. Beim Hochnehmen der Jacke von der Sitzbank im Schummerrestaurant darauf achten, sie am Kragen zu fassen, nicht am unteren Saum. Zu schwierig, im Kerzenlicht Kamera, Börse und Handy unter Tischen und Stühlen wiederzufinden. Zumal Bedienung und Gäste komisch gucken. Dito Ms. Columbo. (21:16 Uhr)
3. Die elektrische 3-D-Zahnbürste mit den 30 000 Umdrehungen pro Minute unbedingt erst dann anstellen, nachdem ich sie in die Mundhöhle eingeführt habe. (00:34 Uhr)
2. Beim Hochnehmen der Jacke von der Sitzbank im Schummerrestaurant darauf achten, sie am Kragen zu fassen, nicht am unteren Saum. Zu schwierig, im Kerzenlicht Kamera, Börse und Handy unter Tischen und Stühlen wiederzufinden. Zumal Bedienung und Gäste komisch gucken. Dito Ms. Columbo. (21:16 Uhr)
3. Die elektrische 3-D-Zahnbürste mit den 30 000 Umdrehungen pro Minute unbedingt erst dann anstellen, nachdem ich sie in die Mundhöhle eingeführt habe. (00:34 Uhr)
11 Oktober 2009
Die fatalen Folgen von Pfefferminztee auf polnische Kracherblondinen
Ms. Columbo, German Psycho, Pat Bateman, Cinema Noir und ich haben den besten Platz in der schlauchförmigen Bar Gazoline in Ottensen, nämlich direkt am einzigen Fenster mit freiem Blick auf die Bahrenfelder Straße.
Dort passiert zwar nix, aber trotzdem. Könnte ja.
Nach einem mäßigen Bioriesling und einem erheblich passableren Grauburgunder haue ich bereits Thesen raus, die die Welt noch nie gehört hat und deshalb dringend braucht. Zum Beispiel die, dass es bei Frauen auf die inneren Werte ankäme.
„Und auf Doppel-D!“, plärrt GP, was ich mit dem Argument auskontere, das von Doppel-D bergend und stützend Umschlossene zähle ja wohl ebenfalls zu den inneren Werten, denn es sei ja gerade durch die segensreiche Wirkung von Doppel-D nicht sichtbar. Und so weiter.
Später in der Nacht landen wir in der bekanntlich schlimmen Kiezspelunke Windjammer in der Davidstraße. Dort ruft Ms. Columbos argloser Getränkewunsch bei der so polnischen wie tiefdekolletierten Kracherblondine, die hier gemeinsam mit ihrer Schwester als Tresendame fungiert, eine beeindruckende Reaktion hervor.
„Haben Sie Pfefferminztee?“, fragt Ms. Columbo nämlich.
Die polnische Kracherblondine bricht augenblicks mit vors Gesicht geschlagenen Händen auf dem Tresen zusammen und beginnt fassungslos zu gackern, während sie ihre Blondmähne derart schüttelt, als wolle sie damit den nicht vorhandenen Ventilator vertreten.
Ein Ventilator wäre übrigens bitter nötig, denn hier wird geraucht. Vor allem Zigarillos, die Pat Bateman generös verteilt, sogar an ausgewählte andere merkwürdige Menschen, die es aus unerfindlichen Gründen ebenfalls heute Nacht in den Windjammer gezogen hat.
Also kein Pfefferminztee, entnehmen wir der Reaktion hinterm Tresen.
Los geht eine mühselige Suche nach Ersatz. Neben den zwölfhundertvierundachtzig Sorten Alk, die Windjammer-Chef Fred aus durchweg durchsichtigen Erwägungen offeriert, gibt es immerhin auch ein Getränk ganz ohne Umdrehungen, nämlich – tätä – Apfelsaft (links unten).
Und das muss man an dieser Stelle einfach mal so stehenlassen.
Dort passiert zwar nix, aber trotzdem. Könnte ja.
Nach einem mäßigen Bioriesling und einem erheblich passableren Grauburgunder haue ich bereits Thesen raus, die die Welt noch nie gehört hat und deshalb dringend braucht. Zum Beispiel die, dass es bei Frauen auf die inneren Werte ankäme.
„Und auf Doppel-D!“, plärrt GP, was ich mit dem Argument auskontere, das von Doppel-D bergend und stützend Umschlossene zähle ja wohl ebenfalls zu den inneren Werten, denn es sei ja gerade durch die segensreiche Wirkung von Doppel-D nicht sichtbar. Und so weiter.
Später in der Nacht landen wir in der bekanntlich schlimmen Kiezspelunke Windjammer in der Davidstraße. Dort ruft Ms. Columbos argloser Getränkewunsch bei der so polnischen wie tiefdekolletierten Kracherblondine, die hier gemeinsam mit ihrer Schwester als Tresendame fungiert, eine beeindruckende Reaktion hervor.
„Haben Sie Pfefferminztee?“, fragt Ms. Columbo nämlich.
Die polnische Kracherblondine bricht augenblicks mit vors Gesicht geschlagenen Händen auf dem Tresen zusammen und beginnt fassungslos zu gackern, während sie ihre Blondmähne derart schüttelt, als wolle sie damit den nicht vorhandenen Ventilator vertreten.
Ein Ventilator wäre übrigens bitter nötig, denn hier wird geraucht. Vor allem Zigarillos, die Pat Bateman generös verteilt, sogar an ausgewählte andere merkwürdige Menschen, die es aus unerfindlichen Gründen ebenfalls heute Nacht in den Windjammer gezogen hat.
Also kein Pfefferminztee, entnehmen wir der Reaktion hinterm Tresen.
Los geht eine mühselige Suche nach Ersatz. Neben den zwölfhundertvierundachtzig Sorten Alk, die Windjammer-Chef Fred aus durchweg durchsichtigen Erwägungen offeriert, gibt es immerhin auch ein Getränk ganz ohne Umdrehungen, nämlich – tätä – Apfelsaft (links unten).
Und das muss man an dieser Stelle einfach mal so stehenlassen.
09 Oktober 2009
Als Krönung die Gröner
Wir waren im Toten Salon, einer Lesereihe von Gerhard Henschel und Richard Christian Kähler, die als Gastgeber heute den Stargast Frank Schulz umrahmten.
Henschel zitierte irgendwann einen bunten Strauß im Web zusammengekehrter Zungenbrecher aus diversen deutschen Dialekten, und ich wunderte mich nicht schlecht, als ich plötzlich aus seinem Munde meine verbloggte hessische „Haa hi ho“-Sentenz vernahm.
Geschmeichelt redete ich mir unwiderlegbar ein, er möge sie in meinem Blog entdeckt haben, und sonnte mich behaglich in diesem für alle anderen außer Ms. Columbo unsichtbaren Ruhm.
Später fingen die drei an zu „singen“, und zwar ein Stück von Leonard Cohen. Ich könnte viel Geld vor allem von Henschel (r.) erpressenbitten für die Bereitschaft, meinen Mitschnitt davon (Szenenfoto) nicht auf YouTube zu veröffentlichen.
Am 10. Dezember, dem übernächsten Toten Salon, wird übrigens Stargast Anke Gröner von Henschel und Kähler umrahmt, was ihnen eventuell noch mehr Spaß macht als mit Schulz.
Henschel zitierte irgendwann einen bunten Strauß im Web zusammengekehrter Zungenbrecher aus diversen deutschen Dialekten, und ich wunderte mich nicht schlecht, als ich plötzlich aus seinem Munde meine verbloggte hessische „Haa hi ho“-Sentenz vernahm.
Geschmeichelt redete ich mir unwiderlegbar ein, er möge sie in meinem Blog entdeckt haben, und sonnte mich behaglich in diesem für alle anderen außer Ms. Columbo unsichtbaren Ruhm.
Später fingen die drei an zu „singen“, und zwar ein Stück von Leonard Cohen. Ich könnte viel Geld vor allem von Henschel (r.) er
Am 10. Dezember, dem übernächsten Toten Salon, wird übrigens Stargast Anke Gröner von Henschel und Kähler umrahmt, was ihnen eventuell noch mehr Spaß macht als mit Schulz.
08 Oktober 2009
Ein Killerclaim
In der S-Bahn wirbt der Familienfachdienst PFIFF dafür, „ältere Kinder und Jugendliche“ in Pflege zu nehmen.
Ob der Spruch „Mit denen können Sie was erleben“ allerdings ein Killerclaim ist, der die Bevölkerung dazu bringt, PFIFF die Racker nur so aus den Händen zu reißen, wage ich zu bezweifeln.
In meinen Ohren klingt er eher nach einer Drohung.
Insofern ist die Platzierung dieser Reklame von geradezu bezirzender Hintersinnigkeit: Sie klebt direkt neben dem Notruf.
07 Oktober 2009
Auf der Reeperbahn morgens um 9
Bushaltestelle Davidwache an der Reeperbahn.
Der linke Arm des Schläfers rutscht immer wieder vom Oberschenkel, doch er wacht davon nicht auf. Zwischen seinen Beinen steht ein Tetrapack Sangria Il Tinto.
Eigentlich sollte eine Packung, auf der „Il Tinto“ steht, dunkelrot sein. Aber nein, sie ist gelb; homogenes Produktdesign sieht anders aus.
Der Bus hat Verspätung, elende Linie 37.
Der linke Arm des Schläfers rutscht wieder vom Oberschenkel. Er baumelt steif über der undefinierbaren eingetrockneten Lache. Im Dreiviertelschlaf wuchtet er den Arm wieder hoch.
Wo bleibt bloß der Bus? Im Sexshop hinterm Wartehäuschen gibt es kaum etwas Neues im Sortiment. Höchstens die knetbaren künstlichen Brüste.
Ein Mann mit Hund kommt und setzt sich neben den Schläfer auf die Bank. Umstandslos greift er nach dem Tetrapack Sangria Il Tinto, schraubt ihn auf, setzt ihn an die Lippen, säuft ihn leer und wirft ihn weg.
Dann steht er auf, geht zum Sexshopschaufenster und zündet sich eine Kippe an. Der Hund ist hinter ihm hergetrottet. Er schaut zu ihm auf.
Dann kommt der Bus, endlich.
Der linke Arm des Schläfers rutscht immer wieder vom Oberschenkel, doch er wacht davon nicht auf. Zwischen seinen Beinen steht ein Tetrapack Sangria Il Tinto.
Eigentlich sollte eine Packung, auf der „Il Tinto“ steht, dunkelrot sein. Aber nein, sie ist gelb; homogenes Produktdesign sieht anders aus.
Der Bus hat Verspätung, elende Linie 37.
Der linke Arm des Schläfers rutscht wieder vom Oberschenkel. Er baumelt steif über der undefinierbaren eingetrockneten Lache. Im Dreiviertelschlaf wuchtet er den Arm wieder hoch.
Wo bleibt bloß der Bus? Im Sexshop hinterm Wartehäuschen gibt es kaum etwas Neues im Sortiment. Höchstens die knetbaren künstlichen Brüste.
Ein Mann mit Hund kommt und setzt sich neben den Schläfer auf die Bank. Umstandslos greift er nach dem Tetrapack Sangria Il Tinto, schraubt ihn auf, setzt ihn an die Lippen, säuft ihn leer und wirft ihn weg.
Dann steht er auf, geht zum Sexshopschaufenster und zündet sich eine Kippe an. Der Hund ist hinter ihm hergetrottet. Er schaut zu ihm auf.
Dann kommt der Bus, endlich.
06 Oktober 2009
Die untergewichtigen Nudeln
Unlängst wurde hier an dieser Stelle ein Lebensmittelskandal empörenden Ausmaßes aufgedeckt.
Im Mittelpunkt stand Brokkoli von Edeka: Er wog deutlich zu viel bzw. kostete zu wenig. Seit gestern ist die Welt aber wieder ein bisschen in Ordnung. Denn spaßeshalber wogen wir die Ein-Pfund-„Gut & Günstig“-Tüte Penne Rigate einmal nach und ermittelten inklusive Folienhülle ein beruhigendes Untergewicht: knappe 490 Gramm.
Die B-Probe mithilfe einer eilends herbeigeholten Zweitpackung verlief zu unserer namenlosen Erleichterung fast identisch. Allerdings – und das ist der Vorbehalt – handelt es sich bei unserer Waage (Foto) um ein prähistorisches Gerät, das seit Isaac Newton nicht mehr geeicht wurde und komplett ohne digitalen Kram und so was auskommt.
Sie funktioniert rein MECHANISCH; die Älteren unter uns werden sich mühsam erinnern. Möglicherweise misst sie daher Gewichte nicht genau so exakt wie eine Atomuhr die Zeit; von daher wird demnächst von Sherlock Matt und Frau Watson vor Ort eine heimliche C-Probe vorgenommen.
Bis dahin hat Edeka weiterhin als unschuldig zu gelten, allerdings nur in der Penne-Rigate-Sache. Bei der Brokkoliaffäre ist der Laden definitiv aufgeflogen, aber so was von.
Übrigens sind kernlose Trauben gleichsam die Ochsen der Flora. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.
Im Mittelpunkt stand Brokkoli von Edeka: Er wog deutlich zu viel bzw. kostete zu wenig. Seit gestern ist die Welt aber wieder ein bisschen in Ordnung. Denn spaßeshalber wogen wir die Ein-Pfund-„Gut & Günstig“-Tüte Penne Rigate einmal nach und ermittelten inklusive Folienhülle ein beruhigendes Untergewicht: knappe 490 Gramm.
Die B-Probe mithilfe einer eilends herbeigeholten Zweitpackung verlief zu unserer namenlosen Erleichterung fast identisch. Allerdings – und das ist der Vorbehalt – handelt es sich bei unserer Waage (Foto) um ein prähistorisches Gerät, das seit Isaac Newton nicht mehr geeicht wurde und komplett ohne digitalen Kram und so was auskommt.
Sie funktioniert rein MECHANISCH; die Älteren unter uns werden sich mühsam erinnern. Möglicherweise misst sie daher Gewichte nicht genau so exakt wie eine Atomuhr die Zeit; von daher wird demnächst von Sherlock Matt und Frau Watson vor Ort eine heimliche C-Probe vorgenommen.
Bis dahin hat Edeka weiterhin als unschuldig zu gelten, allerdings nur in der Penne-Rigate-Sache. Bei der Brokkoliaffäre ist der Laden definitiv aufgeflogen, aber so was von.
Übrigens sind kernlose Trauben gleichsam die Ochsen der Flora. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.
05 Oktober 2009
04 Oktober 2009
Fundstücke (58): Sonderpreis für Westerwähler
14,7 Prozent aller Flohmarktbesucher auf dem Schlachthof mussten am Tag der Deutschen Einheit innerlich abwägen: Stillschweigend einfach zweifünfzig für die Wurst hinblättern – oder sich trotzigstolz als Westerwellewähler outen und 50 Cent mehr berappen?
Wahrscheinlich wurden jedoch viel weniger Wurstkunden in diese innere Zerreißprobe gestürzt als im Bundesschnitt. In den beiden Wahlkreisen Eimsbüttel und Hamburg-Mitte, auf die St. Pauli sich verteilt, kam die gelbe Gefahr nämlich nur auf rund 8 Prozent. Und hier am Wurststand, ganz nah an der Schanze also, höchstens auf 3.
Das ist in Euro genau der Preis, den einen FDP-Wähler die Wurst gekostet hätte. So fügt sich alles wieder mal auf wundersame Weise zu einem harmonischen Ganzen.
03 Oktober 2009
Kein Abend auf dem Kutterchen
Wir wollen zu irgendeinem hippen event cooking in die Hafencity.
„Was erwartet uns denn?“, fragt Ms. Columbo mehr bang als neugierig. „Wahrscheinlich müssen wir eigenhändg Seeigel töten“, deliriere ich.
„Das wäre kein Problem“, erwidert sie, „Hauptsache, kein Ziegenkäse.“
Als wir vor dem cooking-Kutter stehen, sinkt unsere Begeisterung ähnlich stark wie seit Wochenbeginn das Thermometer.
Am Kai steht ein verschiffungsbereiter Campingkocher und daneben eine große abgedeckte Schüssel. Menschen schleppen Getränkekisten auf den Kutter, der – von seinen Ausmaßen her eher ein Kutterchen – sardonisch im Takt des ersten scharfen Herbstwindes auf den Hafencitywellen herumschaukelt.
Plötzlich scheint Ungemach zu drohen, nämlich Erbsensupp’ in der Kajüte, verschärft durch abendfüllendes Schlingern und Schwappen und die Eventualität fragwürdiger sanitärer Anlagen.
Wir verdrücken uns unverzehrter Dinge. Zu Hause gibt es definitiv keinen Ziegenkäse (was ich bedaure). Und wenn, dann würde er nicht schlingern, was ein Wert an sich ist.
„Was erwartet uns denn?“, fragt Ms. Columbo mehr bang als neugierig. „Wahrscheinlich müssen wir eigenhändg Seeigel töten“, deliriere ich.
„Das wäre kein Problem“, erwidert sie, „Hauptsache, kein Ziegenkäse.“
Als wir vor dem cooking-Kutter stehen, sinkt unsere Begeisterung ähnlich stark wie seit Wochenbeginn das Thermometer.
Am Kai steht ein verschiffungsbereiter Campingkocher und daneben eine große abgedeckte Schüssel. Menschen schleppen Getränkekisten auf den Kutter, der – von seinen Ausmaßen her eher ein Kutterchen – sardonisch im Takt des ersten scharfen Herbstwindes auf den Hafencitywellen herumschaukelt.
Plötzlich scheint Ungemach zu drohen, nämlich Erbsensupp’ in der Kajüte, verschärft durch abendfüllendes Schlingern und Schwappen und die Eventualität fragwürdiger sanitärer Anlagen.
Wir verdrücken uns unverzehrter Dinge. Zu Hause gibt es definitiv keinen Ziegenkäse (was ich bedaure). Und wenn, dann würde er nicht schlingern, was ein Wert an sich ist.
02 Oktober 2009
Nur der Hund ist stubenrein
Wir sind zurück auf St. Pauli, dafür gibt es auch äußere Indizien. Zum Beispiel die Tatsache, dass es in der Postfiliale an der Ecke nach Urin riecht.
Nicht vor, in der Fililale. Es ist wohl besser, die näheren Ursachen dieses Umstandes nicht zu kennen.
Drinnen herrscht der üblich raue Ton, jeder motzt und meckert, auch und gerade die Leute hinterm Tresen, und die olfaktorischen Basisbedingungen tragen nicht gerade dazu bei, die allgemeine Stimmung ins Karnevaleske kippen zu lassen.
Eine Kundin beklagt sich in gebrochenem Deutsch, ihre Post käme nicht mehr an. Wie sich herausstellt (in der Schlange bleibt kein Problem geheim), hat sie es nach ihrem Umzug versäumt, ein Klingelschild anzubringen.
„Sie müssen ein Klingelschild anbringen“, belehrt sie daher die blonde Postbrillenschlange mit der Hannelore-Kohl-Gedächtnisfrisur, „und zwar mit Ihrem Namen drauf. Verstehen Sie? Nur dann kann der Zusteller die Post in den richtigen Kasten werfen.“
Die Kundin schaut verdattert. Nur peu à peu scheint sie zu begreifen, dass die heutigen Zusteller sie nicht mehr telepathisch orten können; dazu werden sie einfach zu schlecht bezahlt.
Zu Füßen der Kundin zerrt schwanzwedelnd ein Zauselhund mit gelblich verfärbtem Fell an der Leine. Zum Glück bellt er nicht. Auch scheint er stubenrein zu sein und demnach nicht verantwortlich für den Uringeruch, der hinsichtlich seiner Aromastruktur sowieso deutlich auf humanoide Herkunft verweist.
In dieser Filiale zu arbeiten ist gewiss nicht der feuchte Traum eines jeden Postangestellten, gerade am Monatsanfang nicht, wenn die Hartz-IV-Armada dank wochenlangen Darbens in besonders derangiertem Zustand den Tresen bestürmt, um ihren kärglichen Obolus abzuheben, der wiederum nur bis maximal Mitte des Monats reicht, was sie für die restlichen zwei Wochen einer progressiven Derangierung aussetzt, die hier am nächsten Monatsanfang erneut zu einem verzweifelten Ansturm samt eventueller Duftmarkensetzung in der Filiale führt.
Wenn man länger in der Schlange steht, gewöhnt man sich übrigens ganz gut an den Geruch. Und irgendwan riecht man gar nichts mehr.
Nicht vor, in der Fililale. Es ist wohl besser, die näheren Ursachen dieses Umstandes nicht zu kennen.
Drinnen herrscht der üblich raue Ton, jeder motzt und meckert, auch und gerade die Leute hinterm Tresen, und die olfaktorischen Basisbedingungen tragen nicht gerade dazu bei, die allgemeine Stimmung ins Karnevaleske kippen zu lassen.
Eine Kundin beklagt sich in gebrochenem Deutsch, ihre Post käme nicht mehr an. Wie sich herausstellt (in der Schlange bleibt kein Problem geheim), hat sie es nach ihrem Umzug versäumt, ein Klingelschild anzubringen.
„Sie müssen ein Klingelschild anbringen“, belehrt sie daher die blonde Postbrillenschlange mit der Hannelore-Kohl-Gedächtnisfrisur, „und zwar mit Ihrem Namen drauf. Verstehen Sie? Nur dann kann der Zusteller die Post in den richtigen Kasten werfen.“
Die Kundin schaut verdattert. Nur peu à peu scheint sie zu begreifen, dass die heutigen Zusteller sie nicht mehr telepathisch orten können; dazu werden sie einfach zu schlecht bezahlt.
Zu Füßen der Kundin zerrt schwanzwedelnd ein Zauselhund mit gelblich verfärbtem Fell an der Leine. Zum Glück bellt er nicht. Auch scheint er stubenrein zu sein und demnach nicht verantwortlich für den Uringeruch, der hinsichtlich seiner Aromastruktur sowieso deutlich auf humanoide Herkunft verweist.
In dieser Filiale zu arbeiten ist gewiss nicht der feuchte Traum eines jeden Postangestellten, gerade am Monatsanfang nicht, wenn die Hartz-IV-Armada dank wochenlangen Darbens in besonders derangiertem Zustand den Tresen bestürmt, um ihren kärglichen Obolus abzuheben, der wiederum nur bis maximal Mitte des Monats reicht, was sie für die restlichen zwei Wochen einer progressiven Derangierung aussetzt, die hier am nächsten Monatsanfang erneut zu einem verzweifelten Ansturm samt eventueller Duftmarkensetzung in der Filiale führt.
Wenn man länger in der Schlange steht, gewöhnt man sich übrigens ganz gut an den Geruch. Und irgendwan riecht man gar nichts mehr.
30 September 2009
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