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23 Juli 2009
Wir fühlen uns vergrämt
Die Bushaltestellenbank an der Mö dient eventuell allem Möglichen, doch das wartende Sitzen gehört gewiss nicht dazu.
Man rutscht auf der gewölbten und glattgebohnerten Sitzfläche unablässig nach vorne und somit potenziell runter, und wenn man sich hinten stützend anlehnen will, behandelt die höchst abweisend konstruierte rohrförmige Strebe deinen Rücken, als wolle sie ihn wegen Ungehorsams züchtigen.
Hau ab! – das und nichts anderes ist die Botschaft dieser Bank.
Wie’s scheint, hat der HVV hier nur eins im Sinn gehabt: das öffentliche Möbel so zu designen, dass es sich keinesfalls als Niederlassung oder gar Nachtlager für Obdachlose anpreist.
Es handelt sich somit eindeutig um eine Pennervergrämungsbank. Leider auch um eine Kundenvergrämungsbank, wie Ms. Columbo und ich beim schmerzhaften Warten auf die 36 feststellen mussten.
Aber man muss halt Prioritäten setzen, das zieht sich durchs ganze Leben, auch durch das des HVV.
22 Juli 2009
Doch keine Wechselgebühr
Am Sonntag war Anwohnerflohmarkt an den Magellanterrassen in der Hafencity.
Hier an der neusten Hamburger Waterkant kann man für eine Eigentumswohnung bis zu 6000 Euro pro Quadratmeter loswerden, und es dürfte interessant sein, was jemand, der hier wohnt, auf seinen Flohmarkttisch packt.
Nun ja, zum Beispiel verspielte Hüte, Samtfummel mit Leopardenmuster, Designernippes, Porzellan und – siehe da – sogar Echtpelzmäntel (Foto). CDs und LPs hingegen sah ich kaum, und wenn, dann alles von Scooter bis David Hasselhoff, gesprenkelt mit Meditationsmusik.
Wie die Hafencitybewohner zu ihrem Reichtum kamen, der es ihnen erlaubte, kaltlächelnd 6000 Euro pro Quadratmeter Wohnraum hinzublättern, deutete ein Standbesitzer humorig an, als ich ihn frug, ob er mir mein Eurostück in zwei 50-Cent-Münzen umtauschen könne. Ich wollte nämlich die picobello 1a-Toilette auf den Magellanterrassen benutzen.
„Eigentlich“, schmunzelte der junge Hafencitybewohner mir mahnend zu, während er in der Echtlederbörse kramte, „müsste ich dafür eine Wechselgebühr erheben.“
Tat Vadder Theresa aber dann doch nicht – zur Refinanzierung der Wohnlage in einem zeitlich vertretbaren Rahmen wäre diese Erhebungsmethode eh ungeeignet gewesen.
Hier an der neusten Hamburger Waterkant kann man für eine Eigentumswohnung bis zu 6000 Euro pro Quadratmeter loswerden, und es dürfte interessant sein, was jemand, der hier wohnt, auf seinen Flohmarkttisch packt.
Nun ja, zum Beispiel verspielte Hüte, Samtfummel mit Leopardenmuster, Designernippes, Porzellan und – siehe da – sogar Echtpelzmäntel (Foto). CDs und LPs hingegen sah ich kaum, und wenn, dann alles von Scooter bis David Hasselhoff, gesprenkelt mit Meditationsmusik.
Wie die Hafencitybewohner zu ihrem Reichtum kamen, der es ihnen erlaubte, kaltlächelnd 6000 Euro pro Quadratmeter Wohnraum hinzublättern, deutete ein Standbesitzer humorig an, als ich ihn frug, ob er mir mein Eurostück in zwei 50-Cent-Münzen umtauschen könne. Ich wollte nämlich die picobello 1a-Toilette auf den Magellanterrassen benutzen.
„Eigentlich“, schmunzelte der junge Hafencitybewohner mir mahnend zu, während er in der Echtlederbörse kramte, „müsste ich dafür eine Wechselgebühr erheben.“
Tat Vadder Theresa aber dann doch nicht – zur Refinanzierung der Wohnlage in einem zeitlich vertretbaren Rahmen wäre diese Erhebungsmethode eh ungeeignet gewesen.
21 Juli 2009
Der Mann im Mond und Hildegard (Wiederholung/Remaster)
Damals betrieb Hildegard die einzige Wirtschaft im Dorf. Sie war eine burschikose Wirtin, die ihre eisgraue Struppigkeit gerne schwarz eingefärbt trug. Ihr mächtiger Busen wogte über dürren, zum Oval gebogenen Beinen – ein asymmetrischer, gleichwohl imposanter Anblick. Zweimal im Jahr wackelte Hildegard zur benachbarten Kirche; an den restlichen 363 Tagen bot ihre Kneipe die Alternative zu klerikalen Pflichten.
Im Juli 1969 aber bekam Hildegard Konkurrenz vom Fernsehen, das damals noch schwarzweiß war. Wir Kinder saßen davor und machten „Ooooh!“. Verschwommen war nämlich ein Raumschiff zu sehen, dessen Spinnenbeine fast an die von Hildegard erinnerten. Es stand in einer Wüstenei, und überm Horizont hockte ein böser schwarzer Himmel. Überall fraßen harte Schatten an gleißenden Lichtkanten.
Da war eine Leiter. Und ein Mann im weißen Raumanzug, der zu schweben schien. Auf der Scheibe seiner Helmkugel spiegelte sich die Sonne. Sein Gesicht sah man nicht. Der Mann hüpfte flink die Sprossen hinab, das sah lustig aus. Mit jeder Bewegung schlierte er Lichtbögen auf unseren Bildschirm, sie verblassten nur langsam. Stimmgewirr war zu hören, Gebrabbel wie aus einem gestörten Telefonhörer – Geisterstimmen der Moderne, von quiekenden Funksignalen durchzuckt.
Der Mann schwebte sachte von der Leiter auf den Boden, er schien leicht wie eine Feder. Staubwölkchen spritzten silbrig auf und sanken schläfrig wieder hinab. NEIL ARMSTRONG: der Mann im Mond trug endlich einen Namen. Abends liefen wir raus und starrten den Trabanten an, doch er sah aus wie immer.
Es war der 21. Juli 1969. Vor 40 Jahren.
Noch lange danach nahm ich Science-Fiction-Filme nicht ernst, wenn die Bilder scharf und bunt waren. Das Wahre und das Alte: Beides hat keine Farbe. Nehmen wir die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts: Sie war schwarzweiß. „Vom Winde verweht“ in seinem obszönen Technicolor war ein Irrtum in der Zeit. Sich Chaplin oder Hitler rotwangig vor blauem Himmel vorzustellen, das hat etwas Falsches, trotz Guido Knopp.
„Das Leben ist in Farbe“, hat Wim Wenders mal gesagt, „aber Schwarzweiß ist realistischer.“ Hildegard kannte Wim Wenders nicht, aber den Unterschied zwischen Appel- und Doppelkorn. Das reichte, um an jenem Julitag zur Zweiflerin zu werden. „Aich glaawes net!", rief Hildegard im breiten Dorfdialekt, den ich mir damals gerade abzugewöhnen begann, weil man in der Schule nur mit Hochdeutsch weiterkam. „Ich glaube es nicht!“
Wir lachten uns tot. Hildegard glaubte nicht an Neil, den Mann im Mond? Dabei war er doch im Fernsehen gewesen, verhuscht und verwischt zwar, aber schwarz auf weiß! Nein, Hildegard glaubte es trotzdem nicht. Niemand fliegt einfach so zum Mond, so hoch wie der im Nichts hängt über Kneipe und Kirche, so „far far away“, wie die Slade kurz darauf aus Hildegards Jukebox plärren sollten, ehe man über Brandt und Punk und Ölkrisen, über Kohl, Cobain und Irak die Mondlandung allmählich vergessen sollte.
Nein, Hildegard glaubte es nicht. Heute, nach 40 Jahren mit falschen Hitler-Tagebüchern und echten Videokriegen, nach virtuellen Welten, dem „Unternehmen Capricorn“ und Cybersex, heute würde sich keiner mehr totlachen über Hildegard. Sie, die unbewusste Kassandra vom Dorf, misstraute dem schon früh, dem damals alle noch bewusstlos trauten: dem Bild.
Im Moon-Register des Reiseveranstalters Thomas Cook haben sich schon Zehntausende eingetragen, um baldmöglichst eine Pauschalreise zum Mond anzutreten.
Hildegard ist nicht dabei.
PS: Alles über Wahrheit und Lügen zur Mondlandung gibt es auf dieser außergewöhnlich großartigen Website von Uwe Rexin.
20 Juli 2009
Ein paar Kilo Sale, bitte
Im Moment gibt es überall spottbillig Sale zu kaufen. 30, 40, 50 Prozent Nachlass auf Sale sind keine Seltenheit, heute sah ich sogar ein Schild, das 70 Prozent Ermäßigung auf Sale ausrief.
Irgendwo scheint eine gewaltige Überproduktion des Produktes aufgelaufen zu sein. Offenbar hat man mit erheblich höheren Absatzmengen von Sale kalkuliert, und jetzt sitzt der deutsche Einzelhandel auf einem Saleberg, der höher ist, als es der EU-Butterberg je war.
Die Läger platzen schier vor lauter Sale, jetzt muss es raus, unter allen Umständen, und sei es zum Ramschpreis.
Erstaunlich, wie viele Läden – vor allem aus der Kleiderbranche – sich anscheinend monatelang über Gebühr mit Sale eingedeckt haben: Esprit, C&A, Zara, Karstadt, alle sind sie dabei, sogar Zegna und Armani haben auf einmal zu viel Sale auf Halde und bieten es jetzt an wie Schimmelbrot.
Wo war bloß Ihre kaufmännische Weitsicht, meine Damen und Herren Modehausbetreiber? Hm?
Na ja, egal, jetzt profitieren wir schließlich alle vom Preisverfall bei Sale, und sogar ich habe schon überlegt, ob ich mir bei den derzeitigen Dumpingpreisen ein paar Kilo davon zulegen soll.
Doch ich bin unsicher, ob ich Sale überhaupt gebrauchen kann. Ehrlich gesagt weiß ich nicht mal, wozu Sale überhaupt gut ist.
Aber bitte nicht weitersagen, das wäre echt ein bisschen blamabel.
Irgendwo scheint eine gewaltige Überproduktion des Produktes aufgelaufen zu sein. Offenbar hat man mit erheblich höheren Absatzmengen von Sale kalkuliert, und jetzt sitzt der deutsche Einzelhandel auf einem Saleberg, der höher ist, als es der EU-Butterberg je war.
Die Läger platzen schier vor lauter Sale, jetzt muss es raus, unter allen Umständen, und sei es zum Ramschpreis.
Erstaunlich, wie viele Läden – vor allem aus der Kleiderbranche – sich anscheinend monatelang über Gebühr mit Sale eingedeckt haben: Esprit, C&A, Zara, Karstadt, alle sind sie dabei, sogar Zegna und Armani haben auf einmal zu viel Sale auf Halde und bieten es jetzt an wie Schimmelbrot.
Wo war bloß Ihre kaufmännische Weitsicht, meine Damen und Herren Modehausbetreiber? Hm?
Na ja, egal, jetzt profitieren wir schließlich alle vom Preisverfall bei Sale, und sogar ich habe schon überlegt, ob ich mir bei den derzeitigen Dumpingpreisen ein paar Kilo davon zulegen soll.
Doch ich bin unsicher, ob ich Sale überhaupt gebrauchen kann. Ehrlich gesagt weiß ich nicht mal, wozu Sale überhaupt gut ist.
Aber bitte nicht weitersagen, das wäre echt ein bisschen blamabel.
19 Juli 2009
Glasklar
Auf diesem miesen Foto, entstanden heute Nacht mitten auf dem Kiez, ist etwas sehr Ungewöhnliches zu sehen: keine Scherben.
Seit diesem Wochenende nämlich ist hier – nach Waffen (und Gewalt!) – abends ab zehn auch Glas verboten, vor allem in Flaschenform.
Vor den Kneipen wachen daher gestresste Sonderbeauftragte, die den Transfer drinnen ausgegebener Flaschen nach draußen verhindern sollen. Das ist wichtig fürs Budget der Betreiber, denn überall lauern bußgeldverteilungsbereite Polizisten, die rigoros für einen glaslosen Kiez sorgen sollen.
Vorm Roschinsky’s am Hamburger Berg verfolgen wir das Geschehen – und gestalten es aktiv mit. Denn mir gelingt es unfallfrei, drei Flaschen Astra nach draußen zu bugsieren, was der gestresste Roschinsky’s-Beauftragte nach nur 34 Sekunden bemerkt – und panisch unterbindet. Zitternd und flackernden Blicks füllt der arme Mann uns den Flascheninhalt in Plastikbecher.
Plastikbecher sind der neue Hit auf dem Kiez. Es wird immens schwierig, damit noch einen anständigen Schädelbruch zu verursachen; Prügeleien werden deutlich an Relevanz verlieren.
GP schlägt als schädelbrechende Alternative Aschenbecher vor. Grundsätzlich ein probates Mittel, solange es sich beim Grundmaterial um Metall oder Porzellan handelt. Ich untersuche den Aschenbecher des Roschinsky’s – nur Leichtplastik.
Das Gefährlichste, was der Reeperbahn somit verblieben ist, sind die Stilettos der Prostituierten. Gnade uns Gott, wenn damit einem Freier mal ein Auge ausgestochen werden sollte – dann drohen uns Huren in Badelatschen.
Und im Grunde – seien wir doch mal ehrlich – sind ihre Strapse, Strings und Fußkettchen auch nichts anderes als: Waffen.
Seit diesem Wochenende nämlich ist hier – nach Waffen (und Gewalt!) – abends ab zehn auch Glas verboten, vor allem in Flaschenform.
Vor den Kneipen wachen daher gestresste Sonderbeauftragte, die den Transfer drinnen ausgegebener Flaschen nach draußen verhindern sollen. Das ist wichtig fürs Budget der Betreiber, denn überall lauern bußgeldverteilungsbereite Polizisten, die rigoros für einen glaslosen Kiez sorgen sollen.
Vorm Roschinsky’s am Hamburger Berg verfolgen wir das Geschehen – und gestalten es aktiv mit. Denn mir gelingt es unfallfrei, drei Flaschen Astra nach draußen zu bugsieren, was der gestresste Roschinsky’s-Beauftragte nach nur 34 Sekunden bemerkt – und panisch unterbindet. Zitternd und flackernden Blicks füllt der arme Mann uns den Flascheninhalt in Plastikbecher.
Plastikbecher sind der neue Hit auf dem Kiez. Es wird immens schwierig, damit noch einen anständigen Schädelbruch zu verursachen; Prügeleien werden deutlich an Relevanz verlieren.
GP schlägt als schädelbrechende Alternative Aschenbecher vor. Grundsätzlich ein probates Mittel, solange es sich beim Grundmaterial um Metall oder Porzellan handelt. Ich untersuche den Aschenbecher des Roschinsky’s – nur Leichtplastik.
Das Gefährlichste, was der Reeperbahn somit verblieben ist, sind die Stilettos der Prostituierten. Gnade uns Gott, wenn damit einem Freier mal ein Auge ausgestochen werden sollte – dann drohen uns Huren in Badelatschen.
Und im Grunde – seien wir doch mal ehrlich – sind ihre Strapse, Strings und Fußkettchen auch nichts anderes als: Waffen.
18 Juli 2009
17 Juli 2009
Vom Leben und Leiden in der Melkzentrale
Der traurigtrotzige Dokumentarfilm „Empire St. Pauli“ von Steffen Jörg u. a. (Creative-Commons-Lizenz BY-NC-ND 3.0) erzählt von der Verwandlung unseres Stadtteils und wie das bei den Menschen, die hier wohnen, so ankommt.
Wer mal eben 85 Minuten Zeit hat: herzlich willkommen.
Alle anderen: Geht doch rüber! (nach Eppendorf.)
Edit 30.7.2009, 00:19: Der Film ist inzwischen nicht mehr als Stream verfügbar. Wo man die DVD kaufen und den Film öffentlich sehen kann, erfährt man auf der offiziellen Webseite.
15 Juli 2009
Marburger Nachlese
Linke Nostalgie lässt sich in Marburg immer noch aufspüren, zumal am Fachbereich Politologie. Man findet recht leicht Parolen, mit denen man sich im existenzialistischen Stehkragenpulli fotografieren lassen kann. Doch auf den Mensatischen liegen keine revolutionären Kampfpamphlete mehr, sondern nur noch Flyer, die zur nächsten Party einladen. Wenn etwas die totale Kapitulation der Linken und den Sieg des Kapitalismus verkörpert, dann das. Daran ändert auch die Wirtschaftskrise nichts.
Immerhin rührt sich noch ein wackerer Rationalismus. Das Graffito „Kein Gott!“ ausgerechnet an die gotische Elisabethkirche zu sprühen, verrät einerseits eine treffsichere Zielidentifikation, andererseits aber auch kulturelles Banausentum – ein großer Schritt für den Sprüher und ein kleiner Richtung Taliban.
Das in der Barfüßer Straße entdeckte Warnschild hängt näher am BH als am maroden Gully, deshalb bin ich unsicher, welchen von beidem es gilt – und was das je nach dem für die Situation der Moral in Marburg bedeuten könnte.
Vor der Unibibliothek stießen wir auf einen St.-Pauli-Stromkasten. Der Kiez ist überall, heimelige Gefühle brandeten auf – und wir fuhren nach Hause. Ab sofort wird also wieder über die Reeperbahn gebloggt.
Mit allen Risiken und Nebenwirkungen.
14 Juli 2009
Mattophobie ist heilbar
In praktisch jedem zweiten Marburger Fachwerkhaus – und es gibt SEHR vele davon in der Oberstadt – befindet sich eine psychotherapeutische Praxis.
Es muss heutzutage eine verheerende Wirkung aufs Gemüt haben, in Marburg zu studieren. Einst, als Ms. Columbo und ich hier unser Unwesen trieben, war das noch nicht so. Vielleicht gab es damals einfach die besseren Partys – oder Themengebiete, die eher geeignet waren, die mentale Gesundheit zu erhalten.
Ein Bekannter aus alten Marburger Tagen etwa forschte über die Kulturgeschichte des Verkehrsunfalls, was ihn allabendlich froh und glücklich nach Hause zurückkehren ließ. Seine Frau hingegen tüftelte lange an einer bahnbrechenden Arbeit über Intimbehaarung im asiatischen Raum, doch irgendwann brach sie das Unterfangen ab – wahrscheinlich nachdem die Totalrasur auch in Japan und Indonesien eine … ähem … Schneise der Verwüstung hinterlassen hatte.
Bei unserer nostalgischen Tour durch die Stadt, die wir gemeinsam vor 14 Jahren gen Hamburg verließen, stoßen wir übrigens auf eine frappierende, ja geradezu erschreckende Häufung just stattgefundener Abschiedsvorlesungen von Professoren, bei denen ich einst studiert hatte.
Ob Heller, Deppe oder Berg-Schlosser: Es scheint fast so, als hätten all diese großen Köpfe die Alma Mater fluchtartig verlassen im Vorfeld meiner Rückkehr, statt einfach eine der vielen psychotherapeutischen Praxen in der Oberstadt aufzusuchen und ihre Mattophobie professionell behandeln zu lassen. Aber vielleicht überschätzte ich auch einfach meine Bedeutung.
Die Parolen (Foto) in der Philosophischen Fakultät sind übrigens noch pointierter als zu meiner Zeit, dafür leiden sie an einem wirkungsdämpfenden Pleonasmus.
12 Juli 2009
Störteblogger strikes again
Am kommenden Mittwoch, den 15. 7. um 19 Uhr, findet in der Agentur Zwogee das zweite Hamburger Störtebloggertreffen statt (Adresse: c/o Stilflut Bürokombinat, Harkortstraße 79, Eingang B).
Wie es beim ersten Mal war, erzählt Mitorganisator Nils von Blanc in seinem Blog; bei ihm kann man sich auch anmelden, sofern man selbst bloggt oder eidesstattlich versichert, demnächst damit beginnen zu wollen.
Wie ich die Agenturleute kenne, werden sie aber auch keinem den Einlass verwehren, der nur twittert (oder wie dieses neumodische Zeugs heißt).
Wie es beim ersten Mal war, erzählt Mitorganisator Nils von Blanc in seinem Blog; bei ihm kann man sich auch anmelden, sofern man selbst bloggt oder eidesstattlich versichert, demnächst damit beginnen zu wollen.
Wie ich die Agenturleute kenne, werden sie aber auch keinem den Einlass verwehren, der nur twittert (oder wie dieses neumodische Zeugs heißt).
Der Schlagermove ist überall
Dank einer Wochenendreise verpassten wir zuletzt schon die Harley Days, und jetzt entgeht uns aus dem gleichen Grund auch noch der Schlagermove – was sind wir bloß für Menschen …!
Bevor der Kiez von Myriaden sich die Kante gebender Halbirrer mit strassbesetzten Riesensonnenbrillen in Herzform und rosa Minipliperücken heimgesucht wird (der sog. „Hossa-Hamas“), müssen penible Vorbereitungen getroffen werden – ähnlich wie im Film „Mars Attacks!“.
Wir leben nicht im Erdgeschoss, das Verrammeln von Fenstern entfällt daher. Die Fahrräder aber werden hochgeholt, und hätten wir einen Vorgarten, wir brächten auch ihn in Sicherheit.
Trotz aller Präventionsmaßnahmen fahren wir nur halbwegs beruhigt nach Marburg. Dort allerdings geraten wir in etwas Schlagermoveadäquates: das Stadtfest namens „3TM“ („3 Tage Marburg“). Halb Hessen ist hier, und die meisten sind 20 Jahre jünger als wir.
Das alles aber wird mühelos aufgewogen durch die Film-noir-hafte Lage und Ausstattung unseres Hotels. Nichts in unserem Zimmer und Bad ist jünger als 40 Jahre, der Drehregler für die Klobelüftung unterliegt mit Sicherheit dem gleichen Denkmalschutz wie die Fachwerkhäuser in der Oberstadt, und über die Leuchtreklame vor unserem Fenster (Foto) hätte James Cagney Tränen der Rührung geweint.
Hoffentlich kann ich trotzdem schlafen wie Bogart in „The big Sleep“. (Ähm, hat er überhaupt je geschlafen in irgendeinem Film?)
Bevor der Kiez von Myriaden sich die Kante gebender Halbirrer mit strassbesetzten Riesensonnenbrillen in Herzform und rosa Minipliperücken heimgesucht wird (der sog. „Hossa-Hamas“), müssen penible Vorbereitungen getroffen werden – ähnlich wie im Film „Mars Attacks!“.
Wir leben nicht im Erdgeschoss, das Verrammeln von Fenstern entfällt daher. Die Fahrräder aber werden hochgeholt, und hätten wir einen Vorgarten, wir brächten auch ihn in Sicherheit.
Trotz aller Präventionsmaßnahmen fahren wir nur halbwegs beruhigt nach Marburg. Dort allerdings geraten wir in etwas Schlagermoveadäquates: das Stadtfest namens „3TM“ („3 Tage Marburg“). Halb Hessen ist hier, und die meisten sind 20 Jahre jünger als wir.
Das alles aber wird mühelos aufgewogen durch die Film-noir-hafte Lage und Ausstattung unseres Hotels. Nichts in unserem Zimmer und Bad ist jünger als 40 Jahre, der Drehregler für die Klobelüftung unterliegt mit Sicherheit dem gleichen Denkmalschutz wie die Fachwerkhäuser in der Oberstadt, und über die Leuchtreklame vor unserem Fenster (Foto) hätte James Cagney Tränen der Rührung geweint.
Hoffentlich kann ich trotzdem schlafen wie Bogart in „The big Sleep“. (Ähm, hat er überhaupt je geschlafen in irgendeinem Film?)
11 Juli 2009
Zwischenfall vorm Freudenhaus
Heute hätten wir mühelos in den Besitz eines neuwertigen silbergrauen Polizeiwagens gelangen können, sofern uns eine Verwendung dafür eingefallen wäre.
Doch zum einen missfielen uns seine schillblauen Streifen, zum anderen bevorzugen wir aus grundsätzlichen Erwägungen Fahrräder und ÖPNV.
Dass der Wagen uns überhaupt so diebstahlfertig dargereicht wurde, lag wohl an einem Handtaschenräuber. Just als wir die Kreuzung am Freudenhaus erreicht hatten, kreischten Bremsen. Wir schauten rüber und sahen den Streifenwagen uns entgegenrutschen, und noch ehe er stand, sprang der Fahrer bereits mützenlos heraus und rannte die Hein-Hoyer-Straße, die er gerade noch entlanggefahren war, wieder zurück.
Seine Beifahrerin, etwas gedrungener als ihr Buddy, dackelte wackelnd hinter ihm her, sie gab ihr Bestes. Alles übrigens in Sichtweite der Davidwache; die Pisageneration ist offenbar erfolgreich im Diebesalter angekommen.
An der Reeperbahn raste der Flüchtende rechts um die Ecke, die Cops hinterher juchhe. Und ihr Wagen stand völlig verdattert da, freund- und helferlos, mit offener Fahrertür die gesamte Kreuzung höchst effizient versperrend, und ich wette, der Schlüssel steckte.
Doch wie gesagt: kein Interesse. Wir gingen weiter. Am Hamburger Berg schauten wir rüber Richtung Reeperbahn, und dort, direkt an der Ecke, war alles zuende gegangen.
Ein Mann in Jeans und hellem Hemd lag niedergerungen auf dem Boden, umringt von Polizisten und Passanten. Schon bald wird es einen Gerichtstermin geben, ein Urteil, eine Strafe, sein Leben wird eine sehr unschöne Wendung nehmen, und dabei hat er nur eins.
Der Einkauf bei Edeka verlief dann ohne weitere Zwischenfälle. Wenn man davon absieht, dass der Biobrokkoli ein bisschen zu klein war für sein Geld.
10 Juli 2009
Von Hunden, Bullen und Schweinen
Natürlich gehört diese Meldung aus dem Klatsch-und-Tratsch-Bereich von web.de zu jenen, die wir liebend gern zu verpassen das Vergnügen gehabt hätten.
Gleichwohl muss ich als gescheiterter Lyriker dem gestochen scharfen Vers „Sarah Connors Hund/tötet zwei Kaninchen“ Respekt zollen.
Sein konsequent trochäischer Stechschritt klatscht einem nämlich rhythmisch an den Kopf wie die Springerstiefel eines Eutiner Polizisten, wenn man zur falschen Zeit im Jolly Roger Astra trinkt.
Und so habe ich sogar von Sarah Connors Töle den Bogen zum Kiez schlagen können, aber wahrscheinlich guckt mal wieder kein Schwein.
Gleichwohl muss ich als gescheiterter Lyriker dem gestochen scharfen Vers „Sarah Connors Hund/tötet zwei Kaninchen“ Respekt zollen.
Sein konsequent trochäischer Stechschritt klatscht einem nämlich rhythmisch an den Kopf wie die Springerstiefel eines Eutiner Polizisten, wenn man zur falschen Zeit im Jolly Roger Astra trinkt.
Und so habe ich sogar von Sarah Connors Töle den Bogen zum Kiez schlagen können, aber wahrscheinlich guckt mal wieder kein Schwein.
09 Juli 2009
Hier wächst zusammen, was nicht zusammengehört
Bisher hatte ich zum Mobilfunkanbieter Vodafone gar keine Meinung. Ja, ich wusste nicht mal, ob und wie peinlich die Firma ist. Seit heute ist das anders: Denn ich habe ihren neuen Werbespot gesehen.
Er verhunzt einen meiner fünf ewigen Lieblingssongs, nämlich David Bowies „Heroes“, und allein das wäre schon ein Killergrund, eher die klassische no go area T-Mobile zu entern, als sich je in die Hände von Vodafone zu begeben.
Doch hinzu kommt noch ein Begleitsalbadern von seltener Schmerzbefreitheit. Verantwortlich dafür ist Vodafone-Marketingchef Gregor Gründgens.
„Vodafone gibt dir die Kraft, das Beste aus deinen Möglichkeiten zu machen, die dir das Leben bietet“, raunt er, als rede er von Gott oder wenigstens LSD, aber er meint nur Funkwellen. Und dann sagt er auch noch: „Wir haben den muscle, um Dinge zu bewegen.“
Er sagt wirklich „muscle“, man kann es überall nachlesen.
Doch nun zu etwas komplett anderem, nämlich Ernst Kahl. Der Dichter, Sänger, Maler, Zeichner, Songwriter, Drehbuchautor, Schauspieler, Gitarrist, Nichtautofahrer und Bahnhofsrenovierer hat – wie mir heute mal wieder bewusst wurde, als mir ein älterer Brief von ihm in die Hände fiel – die feinfedrigste Handschrift auf der ganzen Welt, und ich hätte diese spontane Eloge auch sofort auf 140 Zeichen vertwittert, wenn ich dafür nicht mehrere von Kahls Berufungen hätte weglassen müssen.
Man könnte sogar sagen, Ernst Kahl hat neben der schönsten Handschrift der Welt auch den muscle, Dinge zu bewegen – zum Beispiel ein Handy in die Mülltonne.
Er verhunzt einen meiner fünf ewigen Lieblingssongs, nämlich David Bowies „Heroes“, und allein das wäre schon ein Killergrund, eher die klassische no go area T-Mobile zu entern, als sich je in die Hände von Vodafone zu begeben.
Doch hinzu kommt noch ein Begleitsalbadern von seltener Schmerzbefreitheit. Verantwortlich dafür ist Vodafone-Marketingchef Gregor Gründgens.
„Vodafone gibt dir die Kraft, das Beste aus deinen Möglichkeiten zu machen, die dir das Leben bietet“, raunt er, als rede er von Gott oder wenigstens LSD, aber er meint nur Funkwellen. Und dann sagt er auch noch: „Wir haben den muscle, um Dinge zu bewegen.“
Er sagt wirklich „muscle“, man kann es überall nachlesen.
Doch nun zu etwas komplett anderem, nämlich Ernst Kahl. Der Dichter, Sänger, Maler, Zeichner, Songwriter, Drehbuchautor, Schauspieler, Gitarrist, Nichtautofahrer und Bahnhofsrenovierer hat – wie mir heute mal wieder bewusst wurde, als mir ein älterer Brief von ihm in die Hände fiel – die feinfedrigste Handschrift auf der ganzen Welt, und ich hätte diese spontane Eloge auch sofort auf 140 Zeichen vertwittert, wenn ich dafür nicht mehrere von Kahls Berufungen hätte weglassen müssen.
Man könnte sogar sagen, Ernst Kahl hat neben der schönsten Handschrift der Welt auch den muscle, Dinge zu bewegen – zum Beispiel ein Handy in die Mülltonne.
08 Juli 2009
Alle Tassen im Schrank
So, nun mal wieder ein kleiner Einblick in die bizarre Welt des Musikjournalismus.
Die Arbeit des Rezensenten stößt nicht immer auf begeisterte Zustimmung, zumal wenn er zu einem eher verhaltenen Urteil kommt. Fans des kritisierten Künstlers neigen dann oftmals dazu, das alles persönlich zu nehmen – und sehr persönlich zu werden. Zum Beispiel dieser Verehrer des kanadischen Schmusis Bryan Adams:
Wie viel knuddeliger kommt da doch jener Herr aus Leipzig daher, der den Kontakt zum Künstler gar handschriftlich sucht, doch nicht aus Eigennutz, nein. Denn einen „vielleicht lebensverändernden Gedanken“ hält er für Herrn Stigers parat:
Die noch immer preisenswert differenzierte Stellungnahme des anfangs zitierten Adams-Anhängers lässt sich natürlich mühelos übertreffen. So kommt es hie und da auch zu recht kategorischen Aussagen, denen im Eifer des Gefechtes gar die Eleganz des Ausdrucks verlorengeht. Und so einen Vertreter haben wir hier:
Was mich besonders verletzte an diesem Brief, war die Schreibweise „scheisse“. Man schreibt es mit ß, und das habe ich dem Herrn auch mitgeteilt.
Alles in allem sind das begrüßenswert emotionale Reaktionen auf unsere tägliche Arbeit, von denen andere Berufsgruppen nur träumen können, zum Beispiel Leuchtturmwärter.
Die Arbeit des Rezensenten stößt nicht immer auf begeisterte Zustimmung, zumal wenn er zu einem eher verhaltenen Urteil kommt. Fans des kritisierten Künstlers neigen dann oftmals dazu, das alles persönlich zu nehmen – und sehr persönlich zu werden. Zum Beispiel dieser Verehrer des kanadischen Schmusis Bryan Adams:
Wie viel knuddeliger kommt da doch jener Herr aus Leipzig daher, der den Kontakt zum Künstler gar handschriftlich sucht, doch nicht aus Eigennutz, nein. Denn einen „vielleicht lebensverändernden Gedanken“ hält er für Herrn Stigers parat:
Die noch immer preisenswert differenzierte Stellungnahme des anfangs zitierten Adams-Anhängers lässt sich natürlich mühelos übertreffen. So kommt es hie und da auch zu recht kategorischen Aussagen, denen im Eifer des Gefechtes gar die Eleganz des Ausdrucks verlorengeht. Und so einen Vertreter haben wir hier:
Was mich besonders verletzte an diesem Brief, war die Schreibweise „scheisse“. Man schreibt es mit ß, und das habe ich dem Herrn auch mitgeteilt.
Alles in allem sind das begrüßenswert emotionale Reaktionen auf unsere tägliche Arbeit, von denen andere Berufsgruppen nur träumen können, zum Beispiel Leuchtturmwärter.
07 Juli 2009
„Nicht so engfotzig, Sie alter Fliegenbefriediger!“
Der unten zu hörende Dialog findet sich auf dem raren Soundtrack zu Wolfgang Staudtes 1971er Film „Fluchtweg St. Pauli“.
Zwei grenzderbe Koberer nehmen einen unbedarften Kiezflaneur verbal in die Mangel – und das Witzige ist: Ihre vulgären Anmachsprüche haben sich seither kaum gewandelt.
Die Reaktion des Opfers allerdings ist so was von 70er. Heute würde niemand mehr mit distinguierter Empörung zu argumentieren versuchen – sondern einfach weiterlaufen.
Das ist zumindest meine Strategie.
Zwei grenzderbe Koberer nehmen einen unbedarften Kiezflaneur verbal in die Mangel – und das Witzige ist: Ihre vulgären Anmachsprüche haben sich seither kaum gewandelt.
Die Reaktion des Opfers allerdings ist so was von 70er. Heute würde niemand mehr mit distinguierter Empörung zu argumentieren versuchen – sondern einfach weiterlaufen.
Das ist zumindest meine Strategie.
06 Juli 2009
Auf Tomatenjagd
Wir stehen noch unterm Eindruck der Hummertapete im Kieler Maritimhotel, als uns bei einem Spaziergang durch die Altstadt dämmert: Das war noch gar nichts.
Denn auf nur zehn Metern Strecke entfaltet sich ein komprimiertes Horrorszenario; es ist sozusagen der Eingang in den Hades: erst eine Scientologybude, dann eine Aktivistin der Rentnerpartei, schließlich drei Panflötenindios mit CD-Verkaufsstand. Hier hilft nur Flucht.
Zurück in Hamburg fehlen Tomaten. Zum Glück wimmelt der Kiez auch sonntags vor offenen Geschäften. Bei Penny aber gibt es keine mehr. Also Lidl.
Dort liegen nur noch zwei dreieckige flache Plastikschalen mit supersüß ausschauenden Kirschtomaten im Regel, doch vor mir stürzt sich ein Mittzwanziger drauf.
Er öffnet beide Schalen und beginnt umstandslos damit, ihren Inhalt in einer zusammenzuführen. Das schafft er auch bis auf vier partout nicht mehr hineinquetschbare Tomätchen, und die will ich natürlich jetzt auch nicht mehr.
Dann nimmt der Mann die nun proppevolle Schale, geht damit zur Kasse und hofft aufs sonntägliche Vorfeierabendkoma der Verkäuferinnen.
Ich weiß nicht, ob das geklappt hat, doch auch so zeigt die Methode des jungen Mannes zweierlei: a) wieviel Luft (nach oben) in einer dreieckigen Tomatenplastikschale ab Werk noch da ist und b) welche Sparpotenziale der Rest der Welt oftmals ungenutzt verstreichen lässt, sei es aus Anstand oder Dummheit.
Allerdings hat die Methode des Tomatenumfüllens auch Nachteile. „Wegen solcher Dödel“, wird Ms. Columbo später schimpfen, „wird hier alles kameraüberwacht!“
Tomaten erwische ich schließlich bei Topkauf in der Davidstraße, und zwar kurz bevor dort hitzeermunterte Huren die schärfsten Klamottenfitzelchen seit Erfindung des Rasiermessers vorführen.
Ich weiß es – denn wir haben hinterher, nach dem Tomatenmahl, noch mal nachgeschaut.
PS: Ach ja, noch ein mitgebrachter Kalauer, weil er zu lang ist zum Twittern: Was wünscht sich der in der Hauptstadt Schleswig-Holsteins für die Wasserversorgung Zuständige inständig? Immer eine Handbreit Wasser unter Kiel …
Denn auf nur zehn Metern Strecke entfaltet sich ein komprimiertes Horrorszenario; es ist sozusagen der Eingang in den Hades: erst eine Scientologybude, dann eine Aktivistin der Rentnerpartei, schließlich drei Panflötenindios mit CD-Verkaufsstand. Hier hilft nur Flucht.
Zurück in Hamburg fehlen Tomaten. Zum Glück wimmelt der Kiez auch sonntags vor offenen Geschäften. Bei Penny aber gibt es keine mehr. Also Lidl.
Dort liegen nur noch zwei dreieckige flache Plastikschalen mit supersüß ausschauenden Kirschtomaten im Regel, doch vor mir stürzt sich ein Mittzwanziger drauf.
Er öffnet beide Schalen und beginnt umstandslos damit, ihren Inhalt in einer zusammenzuführen. Das schafft er auch bis auf vier partout nicht mehr hineinquetschbare Tomätchen, und die will ich natürlich jetzt auch nicht mehr.
Dann nimmt der Mann die nun proppevolle Schale, geht damit zur Kasse und hofft aufs sonntägliche Vorfeierabendkoma der Verkäuferinnen.
Ich weiß nicht, ob das geklappt hat, doch auch so zeigt die Methode des jungen Mannes zweierlei: a) wieviel Luft (nach oben) in einer dreieckigen Tomatenplastikschale ab Werk noch da ist und b) welche Sparpotenziale der Rest der Welt oftmals ungenutzt verstreichen lässt, sei es aus Anstand oder Dummheit.
Allerdings hat die Methode des Tomatenumfüllens auch Nachteile. „Wegen solcher Dödel“, wird Ms. Columbo später schimpfen, „wird hier alles kameraüberwacht!“
Tomaten erwische ich schließlich bei Topkauf in der Davidstraße, und zwar kurz bevor dort hitzeermunterte Huren die schärfsten Klamottenfitzelchen seit Erfindung des Rasiermessers vorführen.
Ich weiß es – denn wir haben hinterher, nach dem Tomatenmahl, noch mal nachgeschaut.
PS: Ach ja, noch ein mitgebrachter Kalauer, weil er zu lang ist zum Twittern: Was wünscht sich der in der Hauptstadt Schleswig-Holsteins für die Wasserversorgung Zuständige inständig? Immer eine Handbreit Wasser unter Kiel …
05 Juli 2009
Meine Beziehung zur Flora
04 Juli 2009
Zimmer mit Aussicht
Die Kieler Förde hat sich angesichts unserer Ankunft die beste Abendgarderobe übergeworfen, die sie am Ostseehimmel finden konnte.
Sie strahlt hier vorm Maritim-Hotel eine Stille aus, die paradiesisch zu nennen eine justiziable Untertreibung wäre – zumindest bis der Abiball im Erdgeschoss losgeht.
Im Lauf des außergewöhnlich linden Abends verlagert sich die Veranstaltung immer mehr nach draußen, und die Luft ist plötzlich geschwängert mit schlechter Musik, zu der 19-Jährige Ballklamottenständer stocksteif herumstehen.
Bald werden diese schon jetzt präventiv lethargischen Menschen landesweit die Unis fluten, sie werden dort ihren Bachelor machen, den sie direkt danach ohne Umschweife in die Kieler Förde tunken können, denn bis zur Rente mit 78 wird ihr Leben aus einer endlosen Abfolge unbezahlter Praktika bestehen.
Nein, mit ihnen werden wir nie mehr Exportweltmeister, doch sie können ja nichts dafür. Es liegt an der Krise, dem Bachelor, der schlechten Musik, dem dumpfen Gehorsam, mit dem sie sich in lähmende Ballklamotten zwängten, statt nackt in die Förde zu springen und Touristen aus Hamburg mit Ostseebrackwasser zu bespritzen.
In Hamburg ist jetzt gerade Schanzenfest. Wahrscheinlich brennen schon überall die Porsches.
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