
„Wir sind gleich für Sie da“, flötet mir die lenorgespülte Frauenstimme der Alice-Hotline ins Ohr, und ich übe mich mit der mir eigenen buddhaesken Gelassenheit in Geduld.
Wie oft wiederholt sich diese Vertröstungsflöterei eigentlich im Lauf von drei Minuten? Dummerweise habe ich nicht mitgezählt, aber jetzt würde es mich interessieren.
Plötzlich etwas Überraschendes: ein Freizeichen! Wie aus dem Nichts ist eine Frau Orff oder so dran, die mir augenblicklich erklärt, wegen Wartungsarbeiten könne sie gerade meine Daten nicht aufrufen, ich möge mich doch zu einem späteren Zeitpunkt wieder melden – und klick! legt die Orff auf.
Vielleicht handelte es nicht mal um eine reale Frau, sondern um eine weitere Stimme vom Band, doch das ist nicht weiter wichtig. Denn das dahintersteckende Geschäftsmodell ist einfach elektrisierend. Hier das Szenario.
Ich könnte – die Basisfinanzierung vorausgesetzt – Alice mitsamt Kundenstamm aufkaufen und ein automatisiertes Callcenter ohne Beschäftigte aufbauen. Computer mit lenorgespülten Vertröstungsflöten hielten jeden Anrufer drei Minuten in der Warteschleife (= 42 Cent Gesamtertrag pro Anruf), ehe sie ihn bitten, später noch einmal anzurufen – und auflegen.
Eine todsichere Sache. Wenn ich unzufrieden wäre mit der Höhe der monatlichen Erlöse, verlängerte ich die Warteschleife einfach auf fünf Minuten (= 70 Cent). Da ich bei diesem genialen Modell nur Server-, aber keinerlei Personalkosten hätte, dürfte innerhalb weniger Monate ein hübsches Sümmchen rumkommen.
Sobald der unweigerliche Flamewar gegen diese Methode in den einschlägigen Foren allzu sehr hochkochte, würde ich Alice schnell weiterverkaufen, zum Beispiel an Vodafone.
Zurück zur Realität, in der jemand anderes dieses Geschäftsmodell bereits praktiziert, nämlich Alice. Vorher hatte ich versucht, mein Problem per Mail zu lösen. Es dauerte nur eine Woche bis zur Antwort. Sie lautete: „Besuchen Sie unseren FAQ-Bereich im Internet.“
Na ja, es gibt sowieso schönere Dinge im Leben als den „Dialog“ mit Telefonunternehmen. Zum Beispiel St. Pauli im Winter. Im Vordergrund: der mitleiderregendste Schneemann der Welt.