30 Januar 2011

Liebe auf den ersten Kick



Meine Eltern vergötterten die Berge und alles, was damit zusammenhing, also Trenker, Trachten, Sissi, Edelweiß, Urlaub am Königssee, Maria Hellwig und die Oberkrainer.

All das trieb mich später zuverlässig in die Arme der Sex Pistols, aber das ist eine andere Geschichte. In der hier geht es um Fußball.

Da meine Eltern die Berge vergötterten und damit logischerweie auch das alpenreichste Bundesland, war mein Vater von jeher ein Fan des FC Bayern München. Und als ich 9 war, beschloss er, ich müsse nun auch einer Mannschaft anhängen, am besten natürlich (das dachte er jedenfalls insgeheim) dem FC Bayern.

Statt das einfach ex cathedra zu verkünden, was in seiner väterlichen Macht gelegen hätte, stellte er eine todsichere Falle auf, in die der naive kleine Junge tappen sollte. Ein Samstag sollte die Entscheidung bringen.

Der FC Bayern München spielte damals zu Hause gegen den 1. FC Köln, und mein Vater verkündete sardonisch, wer dieses Spiel gewänne, solle meine Mannschaft werden. Ich war 9 und nickte eifrig. Ich konnte natürlich nicht wissen, dass der FC Bayern als haushoher Favorit ins Spiel ging. Ich hätte nicht einmal definieren können, was genau eine Falle ist.

Wir sahen die Zusammenfassung gemeinsam in der Sportschau, in Schwarz-Weiß. In der 14. Minute ging Köln überraschend in Führung, Torschütze war Carl-Heinz Rühl. Kurz nach der Halbzeit gelang zwar Gerd Müller (wem sonst?) der Ausgleich. Doch dann die Sensation: Heinz Simmet köpfte in der 60. den Siegtreffer, und dabei blieb es. Der erste Erfolg der Kölner in München überhaupt.

Mein Vater war danach sehr still. „Köln hat gewonnen, Papa! Köln ist jetzt meine Mannschaft, nicht wahr, Papa?“, rief ich begeistert und zupfte ihm am Ärmel. Er brummelte irgendetwas, das ein Erwachsener als mit Widerwillen kontaminierte Zustimmung gedeutet hätte.

Wie auch immer: Damit war es besiegelt. Der 1. FC Köln war fortan meine Mannschaft. Dieser entscheidende Samstag ist schon Jahrzehnte her, doch so blieb es seither, und so wird es immer bleiben.

Die Erwählung der Lieblingsmannschaft ist schließlich kein Spaß, keine Ehe oder so ein Pipifax, sondern eine Lebensentscheidung – und zwar ganz egal, unter welchen Umständen sie zustande kam, und sei es durchs zufällige Nichttappen in eine sorgfältig aufgestellte Falle.

Seit ich auf dem Kiez lebe, liebe ich außerdem den FC St. Pauli, und immer, wenn er gegen den 1. FC Köln spielt, stürzt mich diese Partie in eine widersprüchliche Gefühlslage.

Als heute Mittag Andreas anrief und mich fragte, ob ich die Dauerkarte einer erkrankten Freundin übernehmen und zur Partie gegen den 1. FC Köln ins Millerntorstadion gehen könne, wechselten die eigentlich konkurrierenden Drüsen für Dopamin und Adrenalin parallel in den Akkordmodus. Kurz vor 3 holte ich die Karte bei Andreas ab. „Für wen bist du heute eigentlich?“, fragte er.

Und dann sagte ich es ihm.

11 Kommentare:

  1. die ersten beiden abschnitte ihres heutigen blogbeitrags hätten exakt so von mir stammen können. gegen die übermacht von köln-fans in meiner damaligen umgebung (bonn) habe ich allerdings mit zartem fantum für schlacke 04 opponiert. und ab den späten 80ern dann eben st.pauli. 3:0 übrigens, herr matt, welches auge ist nun feuchter, das lachende oder das weinende?

    AntwortenLöschen
  2. Ich hoffe, sie haben als Kölner des Herzens nicht mit randaliert. Laut Nachrichten schienen die Kölner etwas schlecht mit dem Ergebnis umgehen zu können.

    Sonntägliche Grüße.

    Tom

    AntwortenLöschen
  3. blogg-hittn-wirtin30.01.11, 12:37

    Sisi, Herr Matt. Sisi, schreibe ich. Mit erhobenem Zeigefinger und einem s.
    Wenn das mal Ihre Eltern gesehen hätten. Das hätte sie getroffen, wie die Fußballfalle, die nach hinten zuschnappte. Ein "Und wie du wieder aussiehst!" will ich mir an dieser Stelle verkneifen, schießt mir aber unweigerlich durch den Kopf.

    Gruß aus Wien.
    ;^)

    AntwortenLöschen
  4. Der Film, Verehrteste, hieß „Sissi“. Mehr als das, was Romy Schneider ihnen vermittelt hatte, wussten meine Eltern auch nicht über diese Person, glaube ich. Von daher ist das schon in Ordnung so mit den zwei s.

    Tom, in der emotionalen twilight zone, in der ich mich vor, während und nach dem Spiel befand, gab es keinen Raum für Randale.

    AntwortenLöschen
  5. Sie drücken sich doch hoffentlich nicht um eine klare Antwort, weil sonst die weitere Versorgung mit nicht genutzten Dauerkarten gefährdet wäre? Und was haben Sie in den 90 Minuten des Spieles gemacht? In stummer Verzweiflung dort gesessen und mit den Gefühlen gerungen, oder drei mal jubelnd aufgesprungen?
    Mein Beileid übrigens zur schweren Jugend, mein Vater war auch ein glühender Fan von Luis Trenker.

    AntwortenLöschen
  6. Manche Dinge sind einfach zu privat für dieses Blog, das sehen Sie mir hoffentlich nach.

    AntwortenLöschen
  7. Auch ich fragte mich als Doofi wo denn die zwei Wasserwerfer mit Plaulicht auf der Von-Sauer-Str. stadteinwärts hin wollten (ca.15.05 Uhr). Und wo kamen die her? Zum Weihnachtsmarkt bestimmt nicht. Aus Kölle?
    "Bayern haben die Berge" Wir haben die Welt. Geklaut, aber wahr.

    AntwortenLöschen
  8. "Seinen Verein sucht man sich nicht aus, man wird von ihm ausgesucht" oder "Man darf seinen Verein nicht wechseln" und ähnlicher Mythen-Mumpitz ist riesengroßer Schwachsinn.

    AntwortenLöschen
  9. cohn structa07.02.11, 00:42

    schönschön...
    aber warum grade Köln ?
    Der hochnäsigste und arroganteste Verein nach dem FC Bayern....
    Sorry, aber Köln geht höchstens besoffen.
    Schöne Grüße an Ebbers, Bruns und Lehmann aus Aachen !

    AntwortenLöschen
  10. Da müssen Sie meinen Vater fragen. Er hätte ja auch jedes andere Spiel aussuchen können, von dem er annahm, dass der FC Bayern es hundertprozentig gewinnen könnte. Zum Beispiel eins gegen 1860 oder Eintracht Braunschweig. Gar nicht auszudenken!

    AntwortenLöschen