23 Dezember 2010

Man gab mir die Kugel

Heute Mittag im Restaurant Marinehof biss ich beim Verzehren des Wildschweinragouts auf etwas Hartes, Metallenes.

Es war keine Plombe. Sondern die Kugel, die das Wildschwein getötet hatte.

Sie lag plötzlich kupferfarben und verbogen auf meinem Teller und sorgte fürs schlagartige Ende des üblichen enfremdeten Essens.

Delektiert man sich an einem Durchschnittskotelett, passiert einem so etwas nicht. Die Methode, wie das kotelettliefernde Hausschwein ums Leben kam, bleibt immer unsichtbar. Das Fleisch verweist nie auf seine Herkunft: ein atmendes, lebendes Wesen; ein Tier an einem Stück.

Die verbogene Kugel auf meinem Teller ließ hingegen keine Distanzierung, keine Ausflüchte, kein Schönreden mehr zu. Ich aß ein totes Tier. Punkt.

Natürlich war die Kugel kein Grund, das köstliche Ragout zu monieren. Und der Ober kam auch mit Recht nicht auf die Idee, mir Rabatt anzubieten.


12 Kommentare:

  1. Also, so eine Wildsau! Bei uns werden die Tiere so lange an den Hufen gekitzelt, bis sie sich totgelacht haben. Dann wird das Fleisch auch schön zart, weil die Sau ja glücklich hinfort gegangen ist.

    Offensichtlich hat es der Metzger von Ihrem Wildschwein etwas eiliger gehabt - oder die Wildsau hatte keine sauberen Füsse oder nur zuviel Mundgeruch. Dann geht an dem finalen Schuss kein Weg mehr vorbei.

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  2. Wo ist denn „bei uns“ – in Disneyland …?

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  3. Ich hoffe, sie haben sich von der Kugel nicht das Essen verderben lassen, wie man es durchaus ihrem Artikel entnehmen könnte.

    Immerhin wäre dann wenigstens ein Teil dieses Tieres umsonst gestorben, und wer würde das wollen..

    Weihnachtliche Grüße,

    Tom (bekennender Carnivore)

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  4. Wer schießt Wildschweine mit Schrot? Der gute Jägersmann muss ja bis zum Gamsbart mit Punsch abgefüllt gewesen sein!
    Herr Matt, bitte entspannen Sie sich - ich denke, Sie sind da eher auf das Piercing gestoßen, das das Tierchen sich zur Zierde gegönnt hatte. Ich meine: Hat doch wirklich schon jede Sau eines.

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  5. Frau blogg-hittn-wirtin, Ihre Piercingtheorie ist charmant, doch Ihrer Schrotvermutung muss ich entgegentreten. Es war ein richtiges zylinderförmiges Geschoss von sattem Kupferrot. Schrot hingegen besteht aus kleinen grauen (Blei-)Kügelchen, wenn ich mich recht entsinne.

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  6. Klare Fall für CSI RdR (Rückseite der Reeperbahn)!!
    *war die Kugel wirklich für die dumme Sau, oder sollte doch der Förster .... man denke an das schöne Weihnachtsgedicht von Loriot*

    Da ich schon beim schlachten von Hausschweinen dabei war - ja, das geht ohne Kugel - ist aber nicht weniger archaisch.

    Frau-Irgendwas-ist-immer

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  7. Ich bin stolz auf Sie, Matt. Was Sie schon alles von mir gelernt haben. Und jetzt üben wir noch das Wort „Vollmantelgeschoß”. In der Abschlußprüfung wird übrigens auch das „Flintenlaufgeschoß” vorkommen. Das hatten wir aber noch nicht. Kleine Gemeinheit meinerseits.

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  8. Na ja, wir hatten ja vereinbart, dass ich während der Prüfung googeln darf, also alles halb so wild. Ich lege mir das Wort trotzdem vorsorglich mal unters Kopfkissen. Flintenlaufgeschoss. Flintenlaufgeschoss. Ich hab’s.

    Frau-Irgendwas-ist-immer, Schlachten ist immer archaisch. Doch der Rückverweis auf die Tötung ist bei Zuchttieren ausgeschlossen. Keine Kugel, keine Spur: Das wusste schon Sherlock Holmes.

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  9. was der werte Herr GP am Leben lässt, essen Sie zu mittag... ich bin ja absolut dafür, dass jeder mal einer Schlachtung oder Erschießung beiwohnen sollte. Gehört zur Allgemeinbildung und reduziert die Maßlosigkeit. Genau wie Faust und Hamlet. Hat auch jeder in der Schule gelesen - mit hoffentlich ähnlicher Wirkung.

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  10. blogg-hittn-wirtin23.12.10, 15:37

    Ach so ... da habe ich mich wohl von der mutgemaßten Plombe irreführen lassen. Die hat man doch eher schrotkugelartig im Kopf oder viel mehr im Zahn.
    Böse Sache, so was im Essen zu finden. Zum Glück ist keiner zu Schaden gekommen. Obwohl ...

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  11. Och, das erinnert mich doch sehr an den Hasenrücken in der Tübinger Mensa, damals.
    Wir fanden viele Schrotkörner zwischen den Rippen. Wir Biologen fanden das nun höchst interessant, den anderen verging der Appetit und sie aßen forthin an einem anderen Tisch.

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  12. Am besten finde ich ja noch den frischen Minztee für 3 Euro das Fass... ich mein, das Zeug hat uns letzten Sommer den Garten so zugewuchert, so viel Mochito ging gar nicht...

    Wenn man dazu noch das Bild von dem Aschenbecher vor der Tür vom Christiansens nimmt (eine meiner Lieblingsbars in den 90ern), dann muss man sich ja heute schwer überlegen, in HH noch wo vor die Tür zu gehen.

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