27 Januar 2007

Herz mit Sprung in der Schüssel

(Quelle: U_mag)

Normalerweise halte ich berufliche Dinge fern von diesem privaten Blog. Heute mal nicht, der Anlass rechtfertigt es.

Ein Kollege hatte ein Interview mit dem jungen Schauspieltalent Hannah Herzsprung geführt. Alles lief gut. Danach allerdings verlangte das Management, die Antworten seines Schützlings vor Veröffentlichung zu sehen und bei Bedarf zu verändern.

Das ist nicht neu, sondern eine Unsitte, die grassiert und gegen die man sich als Redaktion nach besten Kräften wehren muss. Manchmal sagt man aber: Okay, schauen wir mal, was dabei herauskommt; das Thema ist uns wichtig.

Und das, was auf dem heutigen Foto zu sehen ist, kam im Fall Herzsprung dabei raus: Die lustige Mimin hat fast drei Viertel ihrer Antworten im Nachhinein schlicht gestrichen. Nicht korrigiert, verfeinert, geschärft. Nein: eliminiert.

Damit war das Thema natürlich gestorben; schließlich ist man als Redaktion ja nicht der Erfüllungsgehilfe einer blindwütigen Imagesteuerung. Was blieb, war die gedruckte Dokumentation dieses grotesken Akts der Selbstzensur. Sie zeigt, welche gähnenden Abgründe von Paranoia sich in der Showbranche bisweilen auftun.

Jetzt gibt es auf unserer Herzsprung-Doppelseite nicht mehr viel zu lesen, aber dennoch viel zu sehen.

Und zu begreifen.

27 Kommentare:

  1. Das kann mir nicht passieren. Ich lasse mir die Fragen der Journalisten grundsätzlich in schriftlicher Form vorher einreichen und leite sie an die Rechtsabteilung weiter.

    Mein Redenschreiber entwirft mir dann die Antworten mit gleichzeitiger Gegendarstellung und unsere Rechtsabteilung bereitet einen entsprechenden Abmahnungsentwurf vor.

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  2. Gratulation! Die hat sich selbst abgeschossen.

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  3. Gewagte Entscheidung - aber verdammt gut! Ich hätte wohl eher ein Votum abgelegt den gesamten Artikel in die Ablage "P" zu drücken.

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  4. gute entscheidung das zensierte interview zu veröffentlichen....genau so wie es das managment wollte. mehr davon - guter style

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  5. Journalisten mit der "Moralkeule"

    Willkommen in Deutschland möchte man rausschreien, wenn man diesen Blogeintrag liest! Da ist eine junge Schauspielerin, die gerade mit zwei fulminanten Filmleistungen in aller Munde ist und völlig zurecht Lob von allen Seiten bekommt, und dann können es einige "Meinungsmacher" es nicht lassen diesem Talent schööön eins auf den Deckel zu geben. Schliesslich ist in deren Sicht Erfolg etwas verwerflches und muss ganz schnell "gedeckelt" werden!

    Was ist so verwerflich daran, dass eine Anfang 20jährige, mit Medien noch relativ unerfahrene Küntlerin beim Gegenlesen eines Interviews gesagtes widerrufen möchte? Was hindert das U_Mag daran, dieses Interview einfach NICHT abzudrucken, wenn sie diese "Zensur" verurteilen? Woher nimmt dieses Magazin die Legitimation, sich als moralisches Aushängeschild zu präsentieren? Oder steckt dahinter die Idee, durch diese zweifelhafte Aktion das Magazin in der Medienlandschaft bekannter zu machen?

    Ich wage die Prognose, dass sich das U_Mag mit diesem Artikel eher ins Abseits bringt, denn dadurch journalistische Qualität zu beweisen! Welcher Presseagent möchte denn riskieren, dass ähnliches nicht in Zukunft nochmals mit seinem Klienten passiert? Denn fakt ist: alle Interviews werden nachträglich redigiert und in den allermeissten Fällen auch gestrichen und korrigiert. Das ist nunmla das gute Recht eines jeden Interviewpartners. Und abschliessend nochmals: Die Redaktion hat absolut das Recht, das Interview nicht abzudrucken!

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  6. Stimmt – sie hat aber auch das Recht, es genau so zu drucken.

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  7. @Fan

    Wer sagt uns, dass besagter Fan nicht die Interviewte selbst ist? Nice try... Es ist peinlich und es wird dadurch noch peinlicher. Auch, wenn man solche Fans hat. ;)

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  8. @"fan": Wenn man sein Hirn VOR dem Reden einschaltet, hat man es hinterher kaum nötig, Gesprochenes zu korrigieren oder zu widerrufen.

    Was letztlich abgedruckt wird / werden soll, ist ein iterativer Prozess zwischen dem Interviewer und seinen Gegenüber; sind beide halbwegs intelligente und faire Partner, ist der Bedarf an Nachbesserungen i.d.R. als gering zu bezeichnen.

    Ch ja, fulminante Filmleistungen; es gibt auch 'ne Menge Leute, die da anderer Meinung sind.

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  9. Na ja, die Dame ist doch Schauspielerin. Und die Fragen sind doch keine allzu außergewöhnlichen Fragen gewesen, sondern spiegeln lediglich einen ganz normalen Plausch mit einer Jungschauspielerin wieder (wie er zu hunderten in vergleichbaren Magazinen zu lesen ist). Warum hat denn das Management der Jungschauspielerin der Dame nicht einfach mal ein paar genehme Antworten an die Hand gegeben, die sie dann in einem Interview bei Bedarf abspielen kann? Hannah Herzsprung spielt sich selbst sozusagen.

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  10. Ach ja, das leidige Interviewredigieren. Da muß man in der Tat sagen, "Willkommen in Deutschland" - aber nur, weil andere Länder diese Freigabeprozedur nicht in diesem Maße kennen. Andererseits sitzt dort dann immer ein PR-Mensch dabei und bricht notfalls ab. Frau Herzsprung möchte vielleicht ein bißchen Plaudertraining nehmen, sollte sie weiterhin einen Beruf ausüben wollen, der von Publikum abhängig ist.

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  11. Ganz toll finde ich wieder einmal den anonymen Kommentar "Journalisten mit der Moralkeule."

    Wer nicht die Eier hat, zu dem geistigen Dünnschiss zu stehen, den er absondert, der sollte das Maul halten. Das meinte jedenfalls Karolina, meine Frau Mama - eine Allgäuer Bauerntochter.

    Ich finde, sie hatte nicht ganz unrecht. Das ist ja nicht der erste anonyme Kommentar dieser Art hier. Unser Graphologe meint, es sei immer derselbe Verfasser.

    Haben Sie, verehrter Herr Musikjounalist, vielleich mal einem die Freundin ausgespannt?

    PS:
    Wer kein eigenes Weblog führt, hat doch sicher wenigstens einen Namen.

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  12. Lieber Fan,
    hast du das Intro des Interviews auch gelesen? Da sagt der Autor nämlich ganz deutlich, dass er besagte Dame für sehr talentiert hält! Also kann man keineswegs von "auf den Deckel geben" oder runtermachen sprechen. Denn ihre Schauspielkünste werden nicht in Beziehung gesetzt zu ihrem geringen Mut, in Interviews Farbe zu bekennen. Über ihre Angst vor dem geschriebenen Wort wird die Dame zukünftig hoffentlich hinwegkommen, wenn sie noch mal was über sich lesen will...
    Darf man fragen, ob es schon eine direkte Reaktion ihrer Agentur gab? ;-)

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  13. Das Endergbnis:

    - ein sinnentleertes, extrem belangloses Gespräch, das abgedruckt wurde
    - eine scheinbar in sich zerrissene, unsichere junge Schauspielerin
    - ein selbstbewußtes, aber eben auch trotziges Magazin

    Imvho, hier hat die Diplomatie zwischen dem Management/PR von Frau Herzsprung und der Redaktion von U_mag wohl komplett versagt. Deswegen konnte auch keiner gewinnen.

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  14. Kat, das weiß ich gar nicht. Ist alles noch sehr frisch.

    Joshua, vielleicht gewinnen am Ende ja beide.

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  15. @Matt: Das wäre natürlich wünschenswert. Es gäbe auch einige Lösungswege, um diese von Dir genannte "Win/Win-Situation" (sorry ;-)) zu schaffen und sogar für die Zukunft auszubauen. Ich vermute jedoch, dazu ist momentan keine der Parteien bereit ...

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  16. Alles noch ganz frisch? Irgendwie meine ich genau sowas vor mindestens vier Monaten schon gesehen/gelesen zu haben.. Ob das Frau Herzsprung war? kA.

    Vielleicht sollte die junge Dame keine IVs mehr geben wenn ihre Äußerungem dem eigenen Management nicht passen..
    Peinlich für Frau Herzsprung und ihre exteren Gedankenzentrale. Legitime Reaktion von U_mag.

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  17. Herr Diekmann, warum bloggen Sie anonym ;-)

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  18. Ich hab gestern von einer Kollegin gehört, dass in der "Inn" (muss sowas sein wie die Gala) vor ein paar Monaten ähnlich verfahren wurde. Da ging es wohl um ein Yvonne Catterfeld-Interview. Optisch aber nicht ganz so schön gelöst, weil sie immer daneben geschrieben haben: Wurde von Frau Catterfeld gestrichen.

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  19. Joshuatree, bitte reagieren Sie nicht auf mich. Ich fand Sie schon immer doof. (aber damit bin ich ja nicht alleine)

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  20. Externe Gedankenzentrale, das ist gut.

    Habe mir selbst auch (interne) Gedanken gemacht: http://www.betonblog.de/2007/01/29/gestrichenes-denken/

    Mir ist egal, was hier an schmutziger hamburger oder Medien-Wäsche gewaschen wird, aber man muß (so wie Herr Wagner) mal fragen dürfen, ob sowas nicht reichlich absurd ist, eine Schauspielerin, die nicht reden kann (oder darf). Aber vielleicht überschätze ich auch den Berufsstand, denn eigentlich sind die Mimen ja nur Sprachrohre, Kanäle für die Dichter/innen.

    Oder, andere Sichtweise, man kann froh sein, dass durch die Streichungen die Welt vor allerlei Schmonzes bewahrt wurde.

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  21. auch schön:
    http://www.planet-interview.de/news/view.php?id=62

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  22. Glückwünsche an das Mag für dessen Mut. Die Zensurwut vieler Pressesprecher und PR-Leute nimmt inzwischen nordkoreanische Züge an, das wissen wohl alle, die in dem Job arbeiten aus eigener Erfahrung.

    Leider ziehen die Journalisten daraus meist nicht die richtigen Konsequenzen, wie die vielen Schönfärbeinterviews in Musikmagazinen aber auch in politischen Tageszeitungen beweisen.

    Taz und Süddeutsche hatten mal eine Kampagne gegen die Interview-Zensierung gestartet, die ist inzwischen aber scheinbar eingeschlafen.

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  23. Daniel, die taz hatte heute ein Interview mit Herzsprung drin, und dabei könnte es sich durchaus um die Überreste einer Streichorgie handeln. Wahrscheinlich hast du Recht und die taz hat diese Kampagne wirklich ad acta gelegt.

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  24. Heute druckt die
    Berliner Zeitung einen Text über die Herzsprung/U_mag-Affäre.

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  25. Alle haben Angst, in der Öffentlichkeit dumm dazustehen, und genau deswegen steht jetzt Hannah Herzsprung in der Öffentlichkeit dumm da. Das liegt vermutlich gar nicht mal an ihr selbst, sondern Agentur bzw. Management, aber niemand hätte sie daran gehindert, ihr Hirn anzustrengen und zu sagen: Nein, das ist keine so tolle Idee.
    Daß sie jetzt so dumm da steht, ist für sie selbst bedauerlich, ist an sich aber zu begrüßen, weil dadurch diese ungute Praxis mal wieder öffentlich diskutiert wird. Und das halte ich für gut.

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  26. wenn ich mir meiner eigenen meinung derart unsicher waere, dann wuerde ich doch lieber kein interview geben.

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  27. ein interview zu redigieren und zu korrigieren ist eine sache. aber alles kurz und klein zu streichen eine andere. ich finde es gut, dass u_mag diese unsitte offenlegt. außerdem mussten die ja was machen, nachdem ihnen der größte teil des textes weggebrochen ist.

    ich habe selbst als redakteurin erlebt, wie sich interviewpartner ihre antworten im nachhinein komplett umgeschrieben haben. da fühlt man sich als journalistin echt verarscht, solche interviews kann man sich sparen. machen inzwischen ja auch viele kollegen und tippen einfach nur die 08/15-phrasen aus den presseheften ab.

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