27 Januar 2010

Kleos alte Zöpfe

Bin dank eines hartnäckigen Hustens zurzeit Ms. Columbos Versuchskaninchen in Sachen Tee.

Zunächst setzte sie mich im Rahmen einer kontrollierten Abgabe den traditionsreichen Sorten Pfefferminze und Fenchel aus. Als das trotz meiner sprichwörtlichen Teeabneigung recht unfallfrei gelang, wurde sie experimenteller und bereitete einen Kaltauszug der Eibischwurzel zu – ein Aufguss, den sie mir nur mit dem schmerzlichen Lächeln des Umverzeihungbittens zu servieren wagte.

Gestern toppte sie das mit einem sogenannten Kleopatratee. Meine Vermutung, bei der Basis des Getränks müsse es sich um die seit 2000 Jahren ungewaschenen Zöpfe der Pharaonin handeln, wischte Ms. Columbo unwirsch beiseite: „Nein, auch nur Gewürze.“

Jetzt will ich am liebsten kein Versuchskaninchen mehr sein, sondern mich ganz auf Fenchel konzentrieren. Wahrscheinlich war das von Anfang an ihr Ziel.

26 Januar 2010

Busfahrers Glücksmomente

Heute traf ich den schweigsamsten Stoiker seit Buster Keaton. Er war Busfahrer der Linie 37 und sah exakt aus wie Fritz Rau: strähnige graue, zurückgekämmte Haare, schmale Lippen, Brille, grauer Bart.

Als ich grüßte und ihm im Vorübergehen meine Abokarte zeigte, blickte er stoisch durch die Windschutzscheibe.

Vom Gang aus sah ich eine Rollstuhlfahrerin, die gerne die hintere Tür geöffnet haben wollte. Ich ging den halben Weg zurück Richtung Buster und rief: „Bitte öffnen Sie die Tür für eine Rollstuhlfahrerin!“. Dann setzte ich mich.

Die Rollstuhlfahrerin klopfte gegen die weiter geschlossene Tür. Ich stand noch einmal auf und ging diesmal ganz nach vorne. „Eine Rollstuhlfahrerin möchte gern rein, könnten Sie die Tür öffnen?“, fragte ich. Buster zeigte etwa die gleiche Reaktion, wie man sie in diesem Moment auch vom Matterhorn erwartet hätte, und gab weiter stumm Karten aus.

Eine Passagierin, die als zweite in der Schlange – also in etwa einem Meter Entfernung vom Fahrer – auf die Entrichtung des Fahrpreises wartete, lächelte mich an und sagte gut verständlich: „Er kann keine zwei Sachen gleichzeitig.“ „Er kann anscheinend nicht mal hören“, antwortete ich so laut, dass er uns ebendieses Handicap zwangsläufig weiterhin vorspielen musste. Daher: keine Reaktion.

Von hinten lautes Klopfen. Tja. Man sollte halt immer ein Brecheisen mit sich führen, als Buspassagier. Ich setzte mich. Als alle neueingestiegenen Fahrgäste abgefertigt waren, öffnete der Herr der Türen endlich mit einem Tastendruck die hintere. Die Rollstuhlfahrerin fuhr herein und rief ein unberechtigtes „Danke!“ nach vorne.

Buster schloss beide Zugänge. Ein junger Mann kam angelaufen, prallte an die vordere Tür und klopfte. Der Busfahrer schaute geradeaus und fuhr los. An der Haltestelle Davidstraße dann die letzte kleine Schikane, die seinem Arbeitstag die nötige Restsüße verlieh: Am einzigen dort stehenden Fahrgast fuhr er fünf Meter weit vorbei, damit der Mann fluchen und spurten musste.

Ich liebe den HVV.



25 Januar 2010

Ruud van Nistelrooys bevorstehender Kreuzbandriss



Nicht nur ganz Hamburg – ausgenommen St.-Pauli-Fans –, sondern praktisch ganz Restdeutschland überschlägt sich, weil der holländische Altstar Ruud van Nistelrooy zum HSV wechselt. Dabei ist der Mann bald 34 (ein für Stürmer methusalemisches Alter) und wurde bei Real Madrid dermaßen aussortiert, dass sie nicht mal mehr Geld für ihn haben wollen.

Der hiesige Jubel verweist letztlich auf einen latenten Minderwertigkeitskomplex der Bundesliga. Noch jeder große Name muss ungefragt als Pseudobeweis für die Wertigkeit der Liga herhalten. Dabei übersieht man gern, dass es den Topleuten in der Blüte ihrer Jahre nicht im Traum eingefallen wäre, nach Deutschland zu wechseln.

Wenn sie aber am Winteranfang ihrer Karriere in England, Italien oder Spanien nur noch die Ersatzbänke drücken dürfen, gehen sie schließlich doch noch nach Deutschland, wo sie selbst zwar nur noch auf ein Gnadenbrot
hoffen (also zwei Millionen netto im Jahr), doch ihr einstiger Glamour in vorauseilender Masseneuphorie allzu gerne mit künftiger Realität verwechselt wird.

Kann natürlich sein, dass van Nistelrooy noch mal eine gute Halbserie gelingt. Wahrscheinlicher aber ist das Modell „langwierige Knieverletzung nach drei Spielen“.

Gut, es gibt hier auf dem Kiez eh wichtigere Dinge als van Nistelrooys bevorstehender Kreuzbandriss: Im Millerntorstadion (hier ein älteres Foto mit Michel) sind am Samstag beim Spiel gegen Aachen die Bierleitungen eingefroren, und die Fans mussten auf Glühwein umsteigen. Das ist Tragik!

Unabhängig davon haben wir eh die Schnauze voll von der vielwöchigen Dauerkälte. Hiermit fordere ich daher die zuständigen Kräfte auf, endlich in den Frühlingsmodus zu wechseln.


Und zwar pronto. Soll heißen: bis gestern.


23 Januar 2010

Tod einer Taube

In Freddys Imbiss in der Hein-Hoyer-Straße werden täglich Dutzende toter Vögel gegrillt. Heute aber war auch der Asphalt vor dem Eingang kein guter Ort für diese Spezies.

Eine Taube flatterte auf gewohnt gelassene Weise in letzter Sekunde auf, als ein Wagen von der Simon-von-Utrecht-Straße einbog. Doch diesmal hatte sie sich verschätzt. Sie geriet unter die Vorderfront, und obwohl der Fahrer ein wenig bremste (ohne ein Anhalten auch nur zu erwägen), wurde der Vogel vom rechten Vorderreifen erwischt.

Mit einem hässlichen kleinen Hoppler setzte der Wagen seine Fahrt fort. Die Taube lag reglos da. Nur ein Flügel ragte einige Sekunden lang hoch und senkte sich dann in zeitlupenhafter Eleganz auf den noch erstaunlich runden Körper.

Irgendwann, nach Hunderten gegrillter toter Vögel in Freddys Imbiss, wird dieser Körper gleichsam verschmolzen sein mit dem Asphalt der Hein-Hoyer-Straße, und ein paar festgebackene Federhärchen werden im Fahrtwind wehen, wenn ein Auto darüberfährt.

Zum Glück hatte Ms. Columbo im entscheidenden Moment nicht hingeschaut, nur ich. Und ich finde meine Ungerührtheit erschreckend.

(Beispielfoto)


21 Januar 2010

Ihr habt es nicht anders gewollt



All ihr Haustür-, Autoreifen-, Zäune-, Bäume- und Büschebepinkler hier auf dem Kiez habt anscheinend noch immer nicht mitgekriegt, dass ihr euch die 40 Euro Bußgeld fürs öffentliche Ingangsetzen eurer eingebauten Sprinkleranlage auch ersparen könntet.

Nämlich durch – tataaaa! – das Benutzen einer öffentlichen Toilette.

Ja, so was gibt es, da staunt ihr. Zum Beispiel an der Reeperbahn gegenüber der Davidwache, an der Rückseite der Bratwurstinstitution Lukullus. Vorne auffüllen, hinten ablassen: ist doch eigentlich ganz simpel.

Durch schriftliche und – Analphabetismus ist unter euch ja gewiss weit verbreitet – auch grafisch-visuelle Hinweise versucht die Fassade euch diese simple Handlungsabfolge nahezubringen. Der heutige Blogeintrag soll die Botschaft nun weiter vertiefen und verankern. In eurem Interesse.

Denn ab sofort führe ich standardmäßig eine Heckenschere mit. Wenn ihr wisst, was ich meine.


20 Januar 2010

Die hausgemachte Biowaffe

Der Mensch ist in seinem eigenen Körper in der Minderheit, und auf jedem beliebigen Handy siedeln mehr Bakterien als auf einer Klobrille.

Dieses Partywissen fällt mir aus irgendeinem Grund wieder ein, als ich die Lesebrille des Franken auf seinem Schreibtisch herumliegen sehe. Denn auf ihren Gläsern schimmert flächendeckend ein unsagbarer Schmier.

Schabte man ihn ab, so ließe sich damit eine Biowaffe bestücken, die – einmal hochgehalten – Ahmadinedschad sofort zum Abrüsten zwänge. Und Kim Yong-il gleich mit.

Die Welt muss dem Franken dauerhaft vernebelt vorkommen, wie hinter Milchglas. „Ich kann das nicht lesen!“, hört man ihn zehnmal am Tag barmen, doch ein Brillenputztuch, welches sein Problem schlagartig behöbe, weigert er sich einzusetzen.

Ich könnte natürlich ungefragt meines zücken und seine Brille säubern, doch danach müsste man es in der Asse endlagern, und die wird ja gerade geräumt.

Was ich heute aber eigentlich sagen wollte, ist etwas ganz anderes, nämlich: Treffsichere Rubrizierungen zu finden ist manchmal gar nicht so einfach. Es bezieht sich auf das bei web.de entdeckte „Event“, das oben dokumentiert ist.

Mit diesem gewagten Themenmix und dem hirnrissigen Schlenker am Ende ist die just herrschende Ereignisarmut hier auf dem Kiez hoffentlich beweiskräftig nachgewiesen.


19 Januar 2010

Ein Schuss nach hinten

Zu den eher peinlichen Pannen, die man öffentlich unbedingt verschweigen sollte, gehört es, sich durch ein falsch angesetztes und danach fatal ausgeführtes Erkältungshusten eine ruckartige Verspannung im unteren Rückenbereich (vulgo: Arschbacke) zuzuziehen.

Sie, die ruckartige Verspannung, wäre allein freilich gar nicht sooo schlimm – wenn man davon absieht, dass Sitzen, Gehen, Stehen, Laufen, Bücken, Anlehnen, Treppensteigen, Reckturnen, Formel-1-Rennen-Fahren, Duschen und Sex praktisch unmöglich werden.

Nein, am schlimmsten ist es, nun nicht mehr dem Zwang zum Husten herzhaft nachgeben zu können, ohne dass einem Jack the Ripper augenblicklich einen rostigen Krummdolch in den Rücken rammt. Manchmal habe ich beim hochvorsichtigen, zaghaften Verzweiflungshusten auch das erfrischend unverbrauchte Gefühl, live einem Hüftknochenaustausch ohne Narkose beizuwohnen – und zwar bei mir selber.

Tagsüber zwingt mich dieses Handicap, dessen Auslöser – der Husten – ironischerweise zugleich seine größte Heimsuchung ist, immer wieder dazu, komplett würdelose Körperhaltungen einzunehmen, um möglichst den unteren Rückenbereich aus der Schusslinie zu nehmen. Kramer und den Franken amüsiert das selbstverständlich auf eine Weise, als gäbe ihnen Ricky Gervais eine Privatvorstellung.

Würdelose Körperhaltungen führen übrigens unmittelbar zur kompletten Entwürdigung des Betroffenen, da muss ich den beiden sogar rechtgeben. Mein lahmer Versuch, ihnen dozierend mit Artikel 1 GG zu kommen, wurde auf halber Strecke vom nächsten Huster torpediert – mit den entsprechenden Folgen (Jack the Ripper, Hüft-OP, würdelose Körperhaltung).

Neben allen oben aufgezählten Tätigkeiten geht übrigens so was wie auf dem heutigen Bild auch gar nicht, oh nein. Wann ist das denn wieder vorbei, Mama?

17 Januar 2010

Mit gutem Gewissen

Der Franke und ich flanieren durch den Penny-Markt in Ottensen und nehmen die Wochenware in Augenschein. USB-Kartenleser, Schischuhe, Toilettensitze, Konserven: so’n Zeug.

„Hier gibt es nichts“, sage ich erleichtert zum Franken, denn das Wesen der Flanage besteht bekanntlich darin, Kaufanzreizen zu widerstehen, und wo gar keine sind, fällt das besonders leicht.

„Wonach suchst du überhaupt?“, fragt der Franke, aber nur rhetorisch. „Nach gar nichts“, sage ich, „aber hier gibt es ja auch nichts.“

Als wir gerade auf gewohnt geschmeidige Weise an der Kassenschlange vorbei gen Ausgang wieseln wollen, spricht uns von der Seite ein Penny-Verkäufer an. Er schwenkt zwei brikettartige Etwasse.

„Meine Herren!“, ruft er in gespielter Aufregung, „Sie haben noch beide Hände frei – und ich habe hier zwei Päckchen Vogelfutter!“ Er hat uns anscheinend als Flaneure enttarnt und versucht diese merkantil betrübliche Sachlage nun zugunsten seines Arbeitgebers zu verändern.

„Denken Sie an die Vögel!“, ruft er und schwenkt die Futterbriketts, „denken Sie an Ihr Gewissen!“

„Wir denken dran“, sagt der Franke knapp.

„Ganz fest“, sekundiere ich.

Und schon haben wir es wieder mal geschafft, den Ausgang zu erreichen, ohne das Wesen der Flanage verraten zu haben. Fast bin ich ein bisschen gerührt.



16 Januar 2010

Ausgegangbangt



Inzwischen hat der so „frivole“ wie „tolerante“ Downstairs-Club in Ottensen dichtgemacht.

Wahrscheinlich war die Welt einfach noch nicht reif für sein abwechslungsreiches Programm.

15 Januar 2010

Erotisch wie ein Nacktmull

Auf dem Kiez wird das Jammern über den Niedergang des Rotlichtmilieus immer lauter.
Es käme nur noch Pinneberger Partyvolk, heißt es, doch keiner wolle mehr zu den Huren; die Koberer quatschten sich vergeblich die Münder fusslig; es herrsche tote Hose beim Tabledance.

Alles bestimmt richtig. Doch woran liegt’s? Vielleicht, lieber Kiez, nicht nur an den leeren Taschen des Zielpublikums; vielleicht hast du ja auch ein selbstgemachtes Problem mit deiner Außenwirkung.

Nehmen wir doch mal paradigmatisch diese Oben-ohne-Bar an der Reeperbahn, die uns mithilfe der abgebildeten Auslage von den unwiderstehlichen Reizen ihres Angebotes überzeugen möchte.

Was draußen versprochen wird, muss drinnen mindestens zur Hälfte zu einem Drittel gehalten werden, das weiß hier jeder. Doch die Strumpfhose hat maximal die erotische Strahlkraft eines Nacktmulls mit Neurodermitis. Wie müsste wohl eine Stripperin beschaffen sein, die weniger als halb so rattenscharf ist wie dieses Stück Reiz(los)wäsche …?

Es trägt auch nicht zu ihrer Wirkung bei, dass sie offenbar seit Uwe Seelers Abschiedsspiel nicht mehr gewaschen wurde. Und auch die Idee, sie an allen vier Enden mit Reißzwecken zu fixieren und diese dann dekadenlang dem gemütlichen Verrosten anheimzustellen, wirkt nur eingeschränkt aufgeilend.

Natürlich: Nicht alle Erotikangebote auf der Reeperbahn wissen so erschütternd wenig über die männliche Libido. Doch die Mehrzahl hat vermarktungstechnisch enorm Luft nach oben.

In unserer Oben-ohne-Bar ginge wahrscheinlich schon die Sonne auf, wenn man das erbarmungswürdige Strumpfhöschen rausnähme und der Leihstellerin zurückgäbe.

Vielleicht wird man dabei ja ganz in der Nähe fündig, etwa in der Seniorenwohnanlage Am Elbpark – und muss nicht mal hoch bis zum Ohlsdorfer Friedhof.

13 Januar 2010

Unsere ermordeten Nachbarn



Erst vor kurzem sind mir die zwei Stolpersteine in der Seilerstraße aufgefallen. Das liegt wohl daran, dass ich beim Gang zur U-Bahn fast immer unsere, also die gegenüberliegende Straßenseite bevorzuge.

Die Stolpersteine sind vor der Hausnummer 17 ins Pflaster eingelassen. Sie erinnern an Bruno Müller und Werner Schmidt, zwei Männer, deren Verbrechen es war, zur falschen Zeit schwul zu sein.

Heute gibt es in der Seilerstraße eine Schwulenvideothek mit der Chance auf Vollkontakt. Ein paar Hundert Meter weiter floriert der Transenstrich, und wenn ein Freier zickt, gehen die Huren zur Davidwache und vertrauen auf die Rechtssicherheit dieses Staates.

Vor 70 Jahren wären sie dafür ins KZ gekommen, während Bruno Müller und Werner Schmidt heute im normalen Figurenensemble des Kiez nicht weiter auffielen.

Die Hausnummer 17 belegt momentan eine Diskothek: der türkische Bodrum Club.


Fluch und Segen des Schnodders

Gestern erzählte mir ein Bekannter, er habe seit sieben Jahren keine Erkältung mehr gehabt. Sein Arzt sei davon aber wenig begeistert gewesen. Denn von Zeit zu Zeit müsse „der ganze Schnodder mal raus“.

Dabei bedachte
Äskulaps unwürdiger Nachfahr anscheinend nicht, dass ohne Erkältung erst gar kein Schnodder entsteht, der rausmüsste. Da sieht man doch mal, was eine Existenz im Schatten der Kassenärztlichen Vereinigung für erschütternde Folgen haben kann.

Mein Dreisiebtelwissen über diese ganze Problematik hingegen hat – ohne Quellenangabe – folgende Weisheit im Langzeitgedächtnis verankert:

Jede Erkältung verkürzt das Leben um drei Monate.

Bei statistisch zwei bis drei Schnodderphasen pro Jahr hat mein Bekannter also schon 54 Monate mehr Lebenszeit aufgehäuft. Trotz seines Arztes.

Das alles hier ist übrigens meine Art zu sagen: bin gerade erkältet. Aber nur ein derart kleines Bisschen, dass ich mir dafür maximal einen Monat abziehen lasse. Und das ist nicht verhandelbar.


PS: Sakra, schon wieder ein Hundefoto!? Ja, weil diese Tiere sehr empfindliche Nasen haben.

12 Januar 2010

Ein Angebot, das man ablehnen muss



Herr Bosch hat es schon vor einem Jahr prophezeiht, doch erst jetzt ist das Phänomen auch in Ottensen angekommen: ein komplettes „Cafe to go“.

Das verblüffend immobile Angebot macht die Bäckerei H. von Allwörden. Mich würde echt mal die Einkaufstüte interessieren – und natürlich, ob das alles von einem x-beliebigen Stammkunden überhaupt zu wuppen wäre, transporttechnisch und vor allem finanziell.

Immerhin gilt die Bäckerei laut Aufkleber als „BILD Top-Händler“, und man weiß ja, an welche Schichten Kai Diekmann sein Blatt
vorwiegend verkloppt: an die so bildungs- wie einkommensfernen. Kurz: Das Verkaufsangebot müsste noch mal überarbeitet werden.

Vielleicht versucht Allwörden es einfach erst mal mit Kaffee zum Mitnehmen.


11 Januar 2010

Es pocht unterm Flüssigpflaster

Es hat etwas von einem Naturgesetz à la „Morgens geht die Sonne auf“, dass man sich beim Wechseln einer Druckerpatrone besudelt.

Zu den spezifischen Extras gehört es hingegen, sich hinterher beim Säubern blutig zu rubbeln und jetzt ein Flüssigpflaster auf dem Fingergelenk tragen zu müssen.

Statt zu funktionieren, suppen jedenfalls die billigen Nachbaupatronen, und ich zockele per Bus zum Mediamarkt, weil man dort gerade jeden zehnten Einkauf qua Lotterie rückerstattet – und wie man weiß, sind Druckerpatronen, die keine Nachbauten sind (von denen ich seit dem Blutigrubbeln die Nase voll habe), vom Preis-Leistungsverhältnis her so ziemlich das Ungünstigte diesseits von Kokain. Eine gewonnene Rückerstattung würde sich also lohnen.

Bei Mediamarkt erstehe ich ein Set neuer teurer Druckerpatronen und stelle mich in die durch die anscheinend sehr erfolgreiche Aktion, jeden zehnten Einkauf rückzuerstatten, meterlange Schlange. Danach zockle ich wieder nach Hause, wo ich beim Auspacken feststelle, dass eine der neuen Druckerpatronen nicht mehr originalversiegelt und zudem bereits teilweise ausgelaufen ist.

Schreckliche Erinnerungen ans Michbesudeln, Blutigrubbeln und Flüssigpflaster bedrängen mich augenblicklich, und ich begebe mich postwendend wieder in Daisy-kompatible Winterkleidung, um erneut den Weg per Bus gen Mediamarkt anzutreten.

In der Druckerpatronenabteilung ist man bestürzt. Man übernimmt umstandslos die volle Schuld und bietet einen Umtausch an. „Dann geben Sie mir einfach eine unversehrte Patrone, und die Sache ist geritzt“, schlage ich Naivling vor, und zwar im Rhythmus des Pochens unterm Flüssigpflaster.

„Dafür brauchen Sie einen Eigentumsschein“, sagt die Mediamarkt-Frau.

„Hier, der Kassenzettel“, sage ich und zeige ihr den Kassenzettel.

„So geht das nicht“, erläutert sie mit dem kalten Lächeln derjenigen, die vom Sinn einer bürokratischen Maßnahme, welche das Leben hierzulande auf sinnlose Weise verlangsamt, voll überzeugt ist. „Mit dem Kassenbeleg gehen Sie jetzt zum Service. Dort lassen Sie sich einen Eigentumsschein geben. Dann kommen Sie wieder hierher, und wir geben Ihnen eine neue Patrone.“

Na gut. Ich dackle zum Service und betrete den Raum. Sofort stürzt sich ein Sicherheitsmann auf mich, denn ich hatte die Schlange vor der Tür übersehen. Sie ist mehrere Meter lang. Zum Glück habe ich etwas zu lesen dabei.

Irgendwann später bin ich dran, man stellt mir aufgrund des Kassenzettels einen Eigentumsschein aus und konfisziert die Patrone. Danach steige ich wieder hoch in den zweiten Stock, wo man mir eine eine neue Druckerpatrone aushändigt.

„Damit“, sagt die Mediamarkt-Frau, „gehen Sie jetzt an die Kasse, und das war’s.“

„An die Kasse?“, sage ich mit geweiteten Augen, „aber …“
„Nur so läuft das“, sagt die Frau und wendet sich einem Kunden zu, der ratlos vor der Canon-Druckerpatronenpalette steht.

Die Schlange vor der Kasse ist meterlang. Irgendwann später. Im Tausch gegen den Eigentumsschein erhalte ich einen neuen Kassenzettel und darf die Patrone ohne weitere Hindernisse mit auf die Busfahrt nach Hause nehmen.

Damit verfüge ich nun unverhofft über zwei Kassenzettel, und sofort erwacht meine Spielernatur. Habe ich jetzt bei der abendlichen Mediamarkt-Lotterie, die jeden zehnten Kassenbeleg erstattet, sofern man die richtige Endziffer trifft, nicht die doppelte Chance? Natürlich! Alles könnte ein gutes Ende nehmen.

Fiebrig überprüfe ich die Endziffern: zweimal die 9.

Gezogen wird die 3.

Immerhin funktioniert die neue Patrone. Und das Pochen im Fingergelenk spüre ich nur noch, wenn ich lache.

10 Januar 2010

Fundstücke (64): Flaschenpost



Man hätte der Einfachheit halber auch sagen können: Egal, welche extravagant gefärbte Flasche Sie Flasche sich glaubten kaufen zu müssen – schmeißen Sie sie einfach in den Grünglascontainer.

Entdeckt in einer Infobroschüre der Hamburger Stadtreinigung.

09 Januar 2010

Begriffen, wie’s geht



Nach einer einvernehmlich begangenen, angesichts des Weltganzen gewiss lässlichen Rechtsverletzung, für die wir zwar in die Hölle, aber nicht in den Knast kämen, und die ich hier aus naheliegenden Gründen nicht en detail ausführen möchte, rufe ich aus:

„Wir sind Schweine! Wir sind so unmoralisch!“

„Nein“, antwortet Ms. Columbo, „wir haben nur begriffen, wie’s geht.“

Schon war der Tag wieder mal gerettet.

PS: Der abgebildete Hund in der Paul-Roosen-Straße ist das perfekte Pendant zu uns, denn er hält sich, wie man sieht, penibelst an die Vorschriften.



06 Januar 2010

Krustenfixiert

Heute fiel mir ein schier genialischer Aphorismus ein, den ich sogleich vertwittern wollte. Plötzlich aber erschien er mir viel zu großartig, um als 140-Zeichen-Marginalie ein paar Hundert Followern vor die Füße geworfen und somit in den Internetorkus des baldigen Vergessens getreten zu werden.

Also hob ich ihn mir zwecks literarischer Verwendung auf. Und jetzt habe ich ihn vergessen.

Vielleicht lag das an der amnesischen Wirkung des Krustenbratens, den der Franke und ich mittags an einem einschlägigen Stand im Mercado zu uns nahmen. Ich machte die Verkäuferin explizit auf meine Krustenfixierung aufmerksam und betonte, ich nähme auch gern ausschließlich die Kruste, ohne weitere Fleischbeilage.

Sie lächelte ablehnend und schnitt mir kopfschüttelnd ein Stück ab, dessen Krustenanteil ich als eher suboptimal empfand, doch was war dagegen zu tun? Nichts. Der Kunde ist vielleicht König, doch eine Krustenbratenverkäuferin Gott. Mindestens.

Der Franke orderte sabbernd vor Verlangen das gleiche Mahl, und als er damit an den Tisch trat, fiel mir sofort eins auf: Er hatte mehr Kruste abgekriegt als ich. „Du hast mehr Kruste abgekriegt als ich!“, greinte ich empört. „Und das, obwohl ich meine Krustenfixierung doch wohl klar und deutlich verbalisiert hatte!“

„Ja-ha“, feixte der Franke, während er den ersten Bissen bereits zufrieden mümmelte. „Und weißt du, was die Verkäuferin zu mir gesagt hat: ,Tun Sie mir einen Gefallen: Zeigen Sie’s ihm nicht.’“

Manchmal hasse ich die ganze Welt, aber manchmal auch nur Krustenbratenverkäuferinnen. Insofern ein hassarmer Tag.

PS: Da ich vor lauter empörtem Greinen das Fotografieren vergaß, gibt es heute mal wieder ein Bild, das nur sehr partiell etwas mit dem Eintrag zu tun hat. Aufnahmeort: Zeisehallen, vorm großen Wintereinbruch.


Fundstücke (63): Lose Zusammengekehrtes

1. Im Mercado, Ottensen: Bei Bürobedarf Jürgensen liegt eine tote Maus zwischen den Regalen. Beim Nudelitaliener hingegen wieseln ihre Artgenossen den Angestellten fröhlich zwischen den Beinen rum. Papier ist anscheinend weniger nahrhaft als Pasta.

2. Meine berüchtigte Sammlung ekliger Bandnamen habe ich in der Vergangenheit aus Pietät über mehrere Einträge verstreut (nämlich hier, hier, hier und hier). Heute gibt es mal wieder Nachschub. Zuletzt nämlich kamen mir folgende absolut ekelerregende Bandnamen unter: „Feuerschwanz“, „Knochenfabrik“, „Casanovas Schwule Seite“, „Angeschissen“, „Blumen am Arsch der Hölle“ sowie „Oma Hans“. Der Musikantentruppe „Kommando Sonne-Nmilch“ (sic!) habe ich hingegen die Aufnahme in die Liste verwehrt. Nicht eklig genug.

3. Flohmarktdialog. Kundin (irritiert, mit vorwurfsvollem Unterton): „Darf man hier denn rauchen?“ Händler (rauchend): „Weiß ich nicht. Ich rauche. Nicht so viel fragen – machen.“

4. Segals Gesetz besagt: „Ein Mensch mit einer Uhr weiß, wie spät es ist. Ein Mensch mit zwei Uhren ist sich nie ganz sicher.“ Mir ist der mit den zwei Uhren näher – obwohl ich keine einzige besitze.


03 Januar 2010

Achtung: Pornografie – nicht weiterlesen!



Stammleser Joshuatree wollte auch während seines Aufenthaltes in Salzburg nicht auf die Lektüre dieses Blogs verzichten, wofür ich ihn sehr mag.

Doch als er vom Terminal des Hotels Goldenes Theater aus hier vorbeischauen wollte, verwehrte ihm das der hoteleigene prüde Browser. Begründung: „Die Rückseite der Reeperbahn“ sei pornografisch.

Keine Ahnung, was genau man in der Stadt Mozarts unter Pornografie versteht, doch es scheint sich weitgehend zu decken mit der Definition von Mahmud Ahmadinedschad. Und wenn das so ist, dann verhängte das Goldene Theater die Sperre natürlich völlig zu Recht.

Ich habe derweil mal im Fotoarchiv gekramt, um wenigstens einen Grund nachzuliefern. Und fand doch wahrhaftig was mit – festhalten! – VÖGELN.


02 Januar 2010

Die ersten Rätsel der neuen Dekade



Manche werden sich noch an den rattenscharfen Eintrag „Simsalabim“ erinnern, in dem ich ernsthafte Zweifel an der Natürlichkeit der Brüste von Biggi Bardot äußerte (es fielen Formulierungen wie „Kunstbusenwunder“ etc.).

Nun ist Frau Bardot bei mir vorstellig geworden, um die Echtheit ihres Vorbaus zu bestätigen. Sagen kann man allerdings viel, wenn der Tag lang ist (bzw. die Nacht kurz).

Will sagen: Bisher bleibt es bei einer wenig handfesten Behauptung, und es steht Aussage gegen Aussage. Updates folgen, sobald neue Erkenntnisse gewonnen werden konnten.

Die hätte ich auch gern hinsichtlich des abgebildeten Stuhls, der unter gewiss nicht geringen Mühen an einem Wegweiser in Fischmarktnähe befestigt wurde.

Doch sicherlich wird auch in dieser Sache hier bald jemand vorstellig, um alles aufzuklären. In diesem Sinne: ein frohes neues JA.


PS: Einen dem letzten Satz verblüffend ähnlichen Tweet habe ich wieder entfernt, damit es nicht so aussieht, als kupferte ich von mir selber ab.


31 Dezember 2009

Offener Brief zu Silvester (4)



Unten am Fischmarkt herrschte heute Nachmittag die Ruhe vor dem Sturm. Doch wer weiß, ob der einsame Anhänger die Nacht unbeschadet überstehen wird.

Ein sorgenvoller Gedanke, der mich übrigens alljährlich an Silvester heimsucht und stets zu einem warnenden Appell in Form eines Blogeintrags gerinnt.

In diesem Jahr formuliere ich ihn allerdings nicht neu, sondern verweise auf die insgesamt bereits drei inständigen Vorgängereinträge, deren kassandrische Prophetie bisher noch jedes Jahr am Neujahrstag die Welt verblüffte. Außer mir natürlich.

Man sieht sich 2010, hoffentlich noch mit allen Körperteilen – und zwar am besten genau dort, wo sie naturgemäß hingehören.

(Nein, das war jetzt nicht anzüglich gemeint.)

Falsche Signale

Sie sieht aus wie 90 plus, und wahrscheinlich ist sie das auch. Hutzelig, krumm und ohne Gebiss sitzt sie im Rollstuhl vor der Postfiliale an der Ecke, vor der die Fenster der parkenden Autos hübsch mit Schnee gepudert sind.

Gerade war sie am Geldautomaten, jetzt kommt sie zentimeterweise auf mich zugeruckelt. In der linken Hand, die auf ihrem Bauch liegt, hält sie die komplette Januarrente, und zwar in Form einer unbestimmten Anzahl von 50-Euro-Scheinen.

Das Geld leuchtet rot im weißen Licht des Kiezwinters. Ich weiß nicht genau, ob die Gefahr, an der Reeperbahn ausgeraubt zu werden, statistisch signifikant größer ist als in Altenmark an der Alz. Aber ich weiß, dass eine circa 90-Jährige im Rollstuhl mit einem Bündel rötlich leuchtender 50-Euro-Scheine vorm Bauch nicht gerade entmutigende Signale an potenzielle Diebe sendet.

„Sie sollten Ihr Geld lieber wegstecken“, empfehle ich. Ihr Rollstuhl ist inzwischen zum Stillstand gekommen. „Ich weiß“, sagt sie mit zahnarmem Lächeln und brüchiger Uromastimme, „das ist gefährlich.“

Sie beginnt mit zittrigen Fingern die Scheine in die Börse zu friemeln. Es klappt nicht, man müsste ihr tatkräftig helfen. Man müsste ihr die Börse und die Scheine abnehmen und …

Ich bin aber dann doch lieber Brötchenholen gefahren. Schließlich will ich Silvester auf German Psychos Party verbringen – und nicht auf der Davidwache.

29 Dezember 2009

Ohne Worte (66): Der Slogan des Jahrzehnts



Mit freundlichen Grüßen an Mario Barth.

Keine Traute

Vom Weihnachtsbesuch im elterlichen Heimatdorf (Detailfoto) mit unverändertem Körpergewicht zurückzukehren, ist eigentlich kein Anlass, um gleich montags wieder im Fitnessstudio einzukehren.

Dort saß ein Typ Marke Hell’s-Angels-Türsteher am Bizepstrainer: Glatze bis zum Stammhirn, schwarzes Muskelshirt mit Runenzeichen und tätowiert bis zur Poritze. Sein Nachbar am Adduktorengerät, ein deutlich schmaleres Hemd, fragte den Trumm: „Machst du Zirkel?“

„Nee“, antwortete der (mit einer erstaunlich dünnen Stimme, ähnlich der von Hänschen Rosenthal, falls sich an den noch jemand erinnert). „Das ist gut“, atmete der Schmale hörbar auf, „ich will nämlich zwischen unseren beiden Geräten wechseln.“

„Kein Problem“, kam es zurück. Allerdings blieb der Brocken dessen ungeachtet weiter sitzen. Ab und zu wuppte er ein paar Züge (natürlich einarmig), dann ruhte er wieder in sich wie ein Buddha des Bösen, und zwischendurch schnackte er mit Inkasso-Henry, der ihm pumpend und ächzend gegenüber saß.

Der Schmale trippelte derweil unruhig hin und her, setzte sich mal links und mal rechts neben den Tätowierten, stellte sich in die Nähe an den Tisch, tat, als müsste er was trinken, lief auf und ab – und traute sich bis zu seinem frustrierten Abgang nicht mehr, den Muskelmann an seine Zusage zu erinnern.

Zu Hause vertrimmt er wahrscheinlich ersatzweise seinen Hamster.

25 Dezember 2009

Bousdoukos hat auch eine ruhige Seite

Die automatische Damenstimme in der U3 betont unsere Haltestelle irgendwie komisch.

„Nächste Station: Sankt P…AU…li“, flötet sie. Beim Diphtong hebt sie die Stimme, und zwar anzüglich. „Als wenn sie sagen wollte: ,Sie wissen schon …'“, analysiert Ms. Columbo. Ganz genau. Ein vokales Augenzwinkern. Die Hochbahn weiß eben, was sie dem Kiez schuldig ist.

Rund um die Reeperbahn herrschte heute überwiegend Feiertagsruhe. Allerdings haben wir die Herbertstraße dahingehend nicht überprüft. Allweihnachtlich sollen sich dort ja die Entrechteten und Geknechteten besonders ballen, um sich für – sagen wir – 150 Euro temporär die Einsamkeit abkaufen zu lassen.

Wir hingegen taperten quer durch die Stadt, um im Mundsburgkino Fatih Akins „Soul Kitchen“ zu gucken. Ein Film, der wirkt, als hätte er sich an einem Aufputschmittel verschluckt, so penetrant ballert er uns mit bedeutsam gemeinter Musik zu, so überdreht ramentert das Ensemble durch die Kulissen; vor allem Adam Bousdoukos
als bandscheibenvorfallgeschädigter Gastronom.

Übrigens war Bousdoukos am Dienstag, als ich mit dem Franken und Kramer beim Mercadoitaliener speiste, ebenfalls aufgetaucht und goutierte mit ein paar Freunden die hervorragenden (weil selbstgemachten) Nudeln. Allerdings machte er privat weit weniger Krach als im Film, und wäre mir „Soul Kitchen“ am Dienstag bereits bekannt gewesen, so hätte ich Bousdoukos dafür sicher ausdrücklich belobigt.

Denn kaum etwas ist mir unangenehmer, als wenn man mich beim Lasagneessen mit Deppenleerzeichen (Foto) oder Lärm behelligt, der über das eh schon dezibelintensive Geplapper und Gelaber Kramers und des Franken hinausgeht.

Zusätzlich erträglich wäre höchstens eine Damenstimme, die „Sankt P…AU…li“ flötet, doch in der U-Bahn esse ich so gut wie nie Lasagene, vor allem keine selbstgemachte.


24 Dezember 2009

Santa Graus



An anderer Stelle habe ich es schon einmal betont: Wer von Anhängern monotheistischer Religionen nicht mit Hass, Empörung oder Mitleid bedacht wird, sollte seine Außenwirkung ernsthaft hinterfragen.

Doch auch die Außenwirkung manch monotheistischer Religion ist bisweilen dazu angetan, Gefühlswallungen negativer Art bei uns Nichtkontaminierten hervorzurufen. Der hüftsteife Santa-Claus-Roboter ist dafür ein gutes Beispiel.

Was bloß bewegt einen Altonaer Pizzeriachef mit wahrscheinlich römisch-katholischem Hintergrund, so etwas vor seiner Tür aufzustellen und leeren Blicks „Ho ho ho“ brummen zu lassen? Sänge das … Ding … wenigstens Verdi!

Und damit allen frohe Weihnachten.


21 Dezember 2009

Die gemütlichsten Ecken von St. Pauli (18): Pooca, Hamburger Berg



Die Fassade der „Pooca-Heiligebimbambar“ ist mit tausenden von Passbildern aus dem Automaten verziert. Man kommt nicht umhin, davor stehenzubleiben und sich eine Weile der bunten Parade der Mimiken zu widmen.

Ein Effekt, auf den der Besitzer der Bar sicherlich spekuliert. Wer erst einmal stehengeblieben ist, so ein altes Koberergesetz an der Reeperbahn, ist schon so gut wie drin im Laden.

Die Automatenfotos stammen allerdings, wie es scheint, nicht von den bisherigen Gästen der Heiligebimbambbar, sondern wohl von professionellen Darstellern, die sich in interessanten Posen üben. Jene Volksnähe, welche die gesichtsgesättigte Fassade gerne ausstrahlen möchte, wird damit aber ein wenig beeinträchtigt.

Ich betrat übrigens das Pooca trotz der vielgesichtigen Argumente nicht, was vielleicht damit zusammenhing, dass sie gerade geschlossen hatte.

Doch kommt Zeit, kommt Bar. So ist das ja immer.

Die gute Samariterin



Kälte, Eis und Schnee senken die Vollhorstquote auf dem Kiez erheblich, wie dieses Foto der Seilerstraße von heute Abend eindrucksvoll beweist: Kein einziger ist darauf zu sehen.

Doch es gibt ja auch eine erstaunlich hohe Anzahl furchtbar netter St. Paulianer, die aber auf diesem Foto ebenfalls nicht zu sehen sind. Einer Vertreterin dieser Spezis begegnete ich unlängst bei Edeka, und zwar an der Kasse.

Ich Vollhorst hatte meine Börse zu Hause vergessen, und nach dem Zusammenkramen all meines Kleingeldes kam ich auf genau 1,31 Euro zu wenig. Die Schlange hinter mir runzelte bereits die Stirn, doch was tat die Verkäuferin? Sie erbot sich, mir 1,31 Euro ihres Trinkgeldes zu leihen.

Ich wusste bis dahin schändlicherweise nicht einmal, das Supermarktverkäuferinnen überhaupt trinkgeldberechtigt sind. Doch so ist es; die 1,31, die sie mir herüberreichte, sprachen Bände. Verlegen und unter Rückzahlungsversicherungs- und Dankesgestammel nahm ich die Münzen an, nur um sie ihr kumuliert um meine eigenen kläglichen Vorräte sogleich wieder auszuhändigen.

„Bis 3 bin ich noch hier“, sagte sie. Ich huschte nach Hause, holte meine Börse und eine Flasche Weihnachtslikör, huschte wieder zu Edeka – und fand die Samariterin nicht mehr. Weder an der Kasse noch im Laden.

Ihren Namen hatte ich mir leider nicht gemerkt. Und um eine x-beliebige Kollegin mit einer Personenbeschreibung („Diese dralle Blonde mit Zopf“) zu belästigen, fehlte mir traditionellerweise der Mut.

Eine Stunde später unternahm ich den nächsten Versuch – diesmal mit Erfolg. Die auf 2 Euro aufgestockte Rückzahlung nahm dieser Engel des Advents ebenso erfreut entgegen wie den Weihnachtslikör.

Insgesamt waren das die teuersten vier Brötchen meines Lebens. Keine Ahnung, warum ich mich auf dem Nachhauseweg trotzdem reicher fühlte als vorher.


17 Dezember 2009

Zurück aus dem Wachkoma

Dieses Blog lag tagelang aus vollkommen ungeklärten Gründen im Wachkoma.

Während die Welt sich rührend um mich sorgte, gelang mir nicht die kleinste vernehmbare Äußerung, und die verzweifelte Hoffnung, man möge sich doch bittebitte via Twitter (links in der Leiste unterm Kalender, liebe Leser!) informieren, sie trog.

Stattdessen erhielt ich stirnrunzelnde Kommentare (nur per Mail, sie wurden ebenfalls nicht veröffentlicht) und sogar sorgenvolle Anrufe. Auch Hilfsangebote waren dabei, was mich besonders freute; Dank gebührt vor allem nodch, der technische Unterstützung in Aussicht stellte.

Das Phänomen des plötzlichen Lahmliegens, das aus dem Nichts gekommen war, verschwand indes auf genau die gleiche Weise – und das ist so hocherfreulich wie beunruhigend. Denn es kann wieder passieren.

Immerhin hat es sein Gutes: Ich merkte, wie sehr mein tägliches Bloggen mir ans Herz gewachsen war – und wie vielen Lesern es ähnlich ging. Zumal ich in der Zwischenzeit sogar einige berichtenswerte Erlebnisse hatte hier auf dem Kiez, darunter die splitternacktesten Tatsachen, die mir hier je unterkamen, es ist unfasslich.

Doch dazu mehr in den nächsten Tagen. Sofern jenes höhere Wesen, das wir alle verehren, mich lässt: das Internet.

14 Dezember 2009

Wie ich meine Schokovorräte retten werde



Seit Jahren betätigt sich Kollege Kramer als skrupelloser Schokoripper. Und er wird immer schamloser.

Tagtäglich kommt er inzwischen hereingeschlurft, murmelt dumpf „Brauche Schokolade“ und öffnet hinter meinem Rücken umstandslos den Bisley, um aus der dritten Schublade von oben meine Tafel „Ritter Sport Voll-Nuß“ hervorzukrame(r)n. Davon bricht er mit der gleichen Hand, mit der er sich kurz zuvor im Schritt kratzte, eine ordentliche Rippe ab und verzehrt sie sogleich, und zwar mit der Emsigkeit eines ausgehungerten Eichhörnchens.

Das geht natürlich nicht, und ich tüftele seit längerem an Gegenmaßnahmen. Eine Zeitlang hatte ich recht großen Erfolg mit der Taktik, die Schublade, in der die Schokolade lagert, regelmäßig zu wechseln. Kramer zog die gewohnte auf, stierte dumpfen Blicks hinein, entdeckte nirgends die Süßigkeit, machte mir zeternd Vorwürfe und entfernte sich unter protestierendem Gebrabbel.

Das waren schöne Zeiten.

Irgendwann aber kam der Fuchs auf den Dreh, probeweise mal eine andere Schublade aufzuziehen, und bingo. Sein Vorgehen führt also letztlich immer zum Erfolg. Der Franke, seinerseits lange triste Jahre der bevorzugt von Kramer Gebeutelte, hat sich inzwischen gänzlich von der Schokoladenlagerhaltung verabschiedet. Er schnorrt jetzt bei Bedarf selbst ab und zu ein Stück bei der temporär anwesenden 400-Euro-Kraft.

Aufgrund dieser plötzlich versiegten Frankenquelle war ich es, der zunehmend in den Fokus Kramers geriet – mit den oben geschilderten Folgen. Allerdings glaube ich nun eine Taktik ausgetüftelt zu haben, die der Raffinesse des systematischen Mundräubers Rechnung trägt, ihn aber gleichwohl in eine psychologische Falle lockt.

In der als Ort der Verheißung fest etablierten dritten Schublade von oben nämlich deponiere ich neuerdings nur noch ein ganz klein wenig Schokolade, im Schnitt eine Drittelrippe. Die wahren Vorräte indes befinden sich nun – aufgemerkt – im vierten Schubfach.

Darauf wird Kramer nie kommen, da er ja wie üblich in der dritten fündig wird, wenngleich in einem frustrierenden Ausmaß. Er wird sich – so meine Hoffnung – im Lauf der Zeit derart über den empörenden Mangel ebenda ärgern, dass er seine Raubzüge nach und nach ganz einstellt, zumal ein bei ihm noch immer vorhandenes Quäntchen Anstand ihn erstaunlicherweise davon abhält, Reste ratzeputz zu verzehren.

Eine geniale Taktik, wie ich finde. Kramer darf nur nie erfahren, dass das Paradies inzwischen umgezogen ist und am üblichen Ort lediglich ein Köder deponiert wurde, der in gleichem Maße beschwichtigend wie frustrationssteigernd wirken soll.

Zum Glück liest er dieses Blog nicht. (Hoffentlich.)

09 Dezember 2009

Ikea spart an allem



Diesen tautologischen Slogan von Ikea, den wir am S-Bahnhof Billwerder-Moorfleet entdeckten, hat die gewiefte Werbeagentur erst einmal ohne zwei nötige Kommas ausgeliefert. Wahrscheinlich hat sie die Satzzeichen als Pfand zurückbehalten, bis Ikea die Rechnung bezahlt.

Oder es handelt sich um gewollte Selbstironie; vielleicht will Ikea damit augenzwinkernd anspielen auf die beim Zubehör seiner Möbel oftmals fehlende eine Schraube (mindestens).

Dann freilich nähme ich alles zurück.