27 Juli 2006

Ein vetter Push

Mensch, da kannst du mal sehen, was passiert, wenn der lawblog einen Text von dir verlinkt

Mir fehlen leider die Möglichkeiten, mich bei Udo Vetter zu revanchieren. Es sei denn, der Callboy aus Berlin verklagt mich wirklich; dann werde ich Vetter als Anwalt engagieren – natürlich.

Mal sehen, wie tief das Loch sein wird, in das ich falle, wenn der Besucherstrom wieder auf Normalmaß sinkt. Wahrscheinlich gebe ich dann weinend das Bloggen auf.


Ex cathedra: Die Top 3 der Songs mit Rechtsanwaltsbezug
1. „Lawyers, guns and money" von Warren Zevon
2. „Philadelphia lawyer" von Woody Guthrie
3. „Hurricane" von Bob Dylan

26 Juli 2006

Seyfried stinkt!

Den Comiczeichner Gerhard Seyfried (Foto: Eichborn) schätze ich schon seit damals, wenn nicht noch länger. Wie der altgediente Apo-Cartoonist seine vollverfilzten und haschsedierten Hausbesetzer „Haut die Bullen platt wie Stullen!“ säuseln ließ, wie er die Ordnungsmacht als putzig und verbalbehindert veräppelte („Pop, Stolizei!“): Das war so subversiv wie superlustig.

Jetzt allerdings leistet sich der Altlinke einen unfassbaren Ausrutscher, der mich an seinen politischen – und vor allem: ethischen – Maßstäben zweifeln lässt. In seinem Blog unterm Dach der taz veröffentlichte Seyfried vor einigen Tagen eine Karikatur zur Rechtschreibreform, die er gemeinsam mit Ziska Riemann bereits 1999 verfasst hatte. Damals wollte sie niemand veröffentlichen, und ich kann verstehen, warum. Statt sie einsichtig in die Tonne zu treten, hält Seyfried die Gelegenheit einer Veröffentlichung inzwischen wieder für günstig. Schließlich hat er sein eigenes Blog, und da kann er ja machen, was er will.

Die Zeichnung möchte ich aus nachvollziehbaren Gründen hier nicht zeigen, daher eine kurze Beschreibung: Zu sehen ist ein Scheiterhaufen aus brennenden Duden, und darunter steht der unfassbare Kalauer: „Die Endlösung der Dudenfrage“.

Wie kommt der Mann bloß auf so einen Irrsinnsvergleich?


Das schrie natürlich nach einem Kommentar. Doch leider hat Seyfried bisher nicht die cojones, meinen kurzen Text auch freizuschalten. Deshalb steht er jetzt hier: „Ich bin ja nicht zimperlich, aber das finde ich völlig daneben – einfach, weil die Zeichnung letztlich den Holocaust verharmlost, indem sie ihn kalauerisierend für so etwas vergleichsweise Läppisches wie die Rechtschreibreform heranzieht. Du stinkst, Mann.“

Und das tut er wirklich. Riecht ihr's auch?

25 Juli 2006

Posse um Postel

Gestern war ich aktiver Mitgestalter eines absurden Dialogs, den sicherlich die Hitze auf dem Kerbholz hat:

Ich: … mehr darüber weiß Wikipedia.
F.: Wikipedia weiß auch nicht alles.
Ich: Wer weiß schon alles?
F.: Wikipedia.

Der Tag hielt noch weitere Merkwürdigkeiten parat, und verwickelt darin war Hochstapler Gert Postel (Foto: www.gert-postel.de), ein chamäleonartiger Ex-Briefzusteller, der jahrelang ungestört an einer Leipziger Klinik als Psychiater
praktizierte, ehe er aufflog und ins Gefängnis wanderte. Sein zynisch betiteltes Buch „Doktorspiele“ erzählt davon.

Irgendein Scherzbold jedenfalls, der sich als der Regisseur Leander Haußmann ausgab, hatte gestern telefonisch die Nachrichtenagentur dpa darüber informiert, er wolle in Bremen die Lebensgeschichte des Herrn Postel auf die Bühne bringen. Wenig später rief auch der vorgebliche Pressesprecher des besagten Theaters bei dpa an und bestätigte die Story.

Statt sich nun bei Haußmann oder dem Theater in Bremen noch mal rückzuversichern (
was ja aus journalistischer Sicht nicht das Dümmste gewesen wäre, vor allem, wenn man ungefähr eine Million Medien mit Meldungen beliefert), schickte dpa den schrulligen Bericht bundesweit auf die Ticker. Schließlich hatte sie zwei Quellen! Und die Frankfurter Rundschau sowie die Oberhessische Presse fielen prompt auf die Ente rein – schließlich war die Quelle seriös, sie hieß ja dpa!

Haußmann und das Bremer Theater mussten schließlich selber aktiv werden, um mit Richtigstellungen die Ente absaufen zu lassen. Doch so kurz der Fake auch in der Welt war, bei Wikipedia schlug er sich nieder – und damit schließt sich aufs Geschickteste der Kreis zum Beginn dieses Beitrags, wie ich selbstgefällig anmerken möchte.

Das Onlinelexikon weiß nämlich manchmal sogar mehr als alles: Jemand hat den dortigen Eintrag über Haußmann flugs um die gestrige Falschmeldung ergänzt, war aber dabei nicht mal in der Lage, den Namen des Regisseurs richtig zu schreiben („Haussmann“).

Steckt etwa der in Marburg abgetauchte Postel selbst hinter den Anrufen und der Verfälschung von Wikipedia? Suchte er mal wieder nach einer Gelegenheit, seine Fingerfertigkeit unter Beweis zu stellen und sich anschließend ins Fäustchen zu lachen?

Wenn ja, dann müsste man enttäuscht konstatieren: Der Mann hat schon größere Coups gelandet.

Nachtrag vom 27.7.2006: In meinem Gästebuch hat Gert Postel inzwischen folgenden Eintrag hinterlassen:

Danke für den schönen Artikel! Keine Sorge, die größeren Aktionen eignen sich nur nicht für eine Erörterung in der Öffentlichkeit ...
Herzlich, Gert Postel

E-Mail: G.Postel@myfaz.net
Webseite: www.gert-postel.de

Nachtrag vom 30.7.2006: Inzwischen hat sich eine interessante Mailkorrespondenz mit Postel ergeben …

23 Juli 2006

Ein Kiezklischee jagt das nächste

Von allen Vorstellungen und Vorurteilen über St. Pauli stimmen die meisten, aber beileibe nicht immer. Diese Woche aber doch, und zwar geballt.

Vorurteil 1: Der Kiez ist eine Verbrecherhochburg

– Beim Brötchenholen gerate ich in der Talstraße in einen Polizeieinsatz. Vorm Fahrradladen versperren mehrere Streifenwagen die Durchfahrt, bewaffnete Sonnenbrillenmänner in Blau und Schwarz laufen geschäftig hin und her, und mitten auf der Straße steht ein spitteriger Twen mit schlechten Zähnen, seine Hände sind hinterm Rücken mit Handschellen gefesselt, zusätzlich hält ihm ein Polizist die Arme fest. Er brabbelt unverständliche Proteste vor sich hin. Natürlich ist er unschuldig, schon klar. Was genau los ist, erfahre ich nicht, denn zu Hause wartet Ms. Columbo auf eine zügige Brötchenlieferung. Ich muss weitermachen, immer weitermachen.


Vorurteil 2: Der Kiez ist ständig Filmkulisse

– Auf der Rückfahrt gerate ich an der Clemens-Schulz-Straße/Ecke Rendsburger Allee mit Karacho in Dreharbeiten. Die bösen Blicke des Filmteams ernte ich zu Recht, denn ich fuhr auf dem Gehweg, den sich der Locationscout bestimmt genau deshalb ausgesucht hatte, weil dort gemeinhin keine Fahrräder unterwegs sind. „Entschuldigung“, murmele ich, ernte aber nur eisiges Schweigen. Schon habe ich die Kosten für die Produktion wieder um ein paar tausend Euro nach oben getrieben. Und das bei den Lohnnebenkosten!


Vorurteil 3: Auf dem Kiez wohnt man nicht sicher

– Vorgestern Nacht gegen 2 Uhr klingelte es zweimal an der Tür, was mich aber – wie Stammleser wissen – um diese Zeit nie zum Nachschauen oder gar Öffnen bewegt. Heute erfahre ich von einer Nachbarin, was los war. Sie ertappte nämlich in jener Nacht im fünften Stock einen verwirrten etwa 20-jährigen mit Einstichlöchern in der Armbeuge, der vorgab, auf der Suche nach einer Freundin zu sein. Der Nachbarin gelang es, ihn trotz seines Wunsches, doch bitte ersatzweise bei ihr übernachten zu dürfen, hinauszukomplimentieren – und zwar unter Verweis auf die grimmigen männlichen Bewohner des Hauses, die zu seinem Glück bisher noch nichts vom unerwünschten Besuch erfahren hätten, jedoch kiezweit berüchtigt dafür seien, „nicht lange zu fackeln“. Damit meinte sie auch mich – einen Menschen, der stets recht lange fackelt. Aber das konnte der Eindringling ja nicht wissen, und so trollte er sich mühsam, aber beeindruckt.


Vorurteil 4: Kiez und Sex sind synonym

– Okay, okay, nirgendwo auf der Welt würde man einen selbstgebastelten Zettel mit der befehlsnah formulierten Bitte „Kondome in den Müll“ an einer Klinkermauer finden – vor allem nicht direkt neben einem Sterbehospiz.

Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über Verbrechen und Verbrecher
1. „Wanted man" von Bob Dylan
2. „Crime of the century" von Supertramp
3. „The great deception" von Van Morrison

22 Juli 2006

Gesichtszwillinge (7)

Wer je erwägen sollte, das Leben von Uno-Generalsekretär Kofi Annan zu verfilmen, kann sich das Casting für die Hauptrolle sparen. Dazu reicht die Lektüre dieses Blogs.

Voilà: Morgan Freeman.

20 Juli 2006

Hitzewelle

38 Grad im Schatten. Der heißeste Tag in Hamburg seit dem Urknall oder wenigstens seit Domenica ihre Karriere beendet hat. Die Hitze macht die Menschen zu Irren. An der Schmuckstraße steht ein älterer Herr mitten auf dem Fußgängerweg und dirigiert ein imaginäres Orchester. Sein Blick geht in eine beängstigende Ferne, von der ich nicht mal wissen möchte, dass sie existiert. 

Im Bus sehe ich einen Mann mit struppigen Koteletten bis zum Kinn. Er ist kugelig wie Helmut Kohl, aber einen halben Meter kleiner. Das Erstaunlichste an ihm aber ist seine Kleidung. Während ich dasitze und versuche, möglichst flach zu atmen, um jede schweißtreibende Bewegung zu minimieren, trägt dieser Mann einen gestrickten Wollpullover. Langärmlig. Allein vom Hinsehen geraten meine Schweißdrüsen in Panik. Als ich aufgestanden bin und auf die nächste Haltestelle warte, sehe ich noch Unfasslicheres: Unter seinem Wollpullover lugt ein roter Kragen hervor, offenbar von einem Polohemd oder etwas Ähnlichem. Trotzdem ist auf seinem gurkendicken Nackenwulst kein Schweißtropfen zu sehen. Plötzlich aber rieche ich es. Ihn umgibt ein dumpfer Geruch wie von fauligem Stroh oder alten feuchtgewordenen Kartoffelsäcken, mit unsagbaren Molekülen angereichert von seiner viellagigen Kleidung. Er schwitzt offenbar doch. Nur nicht am Nacken. 

Abends taumele ich nah am Hitzschlag durch Ottensen, als ich überm Eingang von Photo Dose den Kasten einer eifrig brummenden Klimaanlage erblicke. Sofort betrete ich bedürfnislos den Laden. Eine erquickende Kühle umstreichelt mich wie der Fächerwind von hundert Geishas, und ich widme mich ausführlich dem Betrachten billiger Bilderrahmen. Auch das aufmerksame Studium der Funktionsweise eines Digitalbilddruckers beschäftigt mich minutenlang. Die Geishas sind unermüdlich. Sie scheinen mir zuzulächeln. Als kein anderer Kunde mehr im Laden ist, verwickle ich den Mann hinterm Tresen in ein sinnloses Gespräch über die Preisunterschiede zwischen Postern, die vom Digitalbild gezogen werden, und jenen, die aus Filmnegativen entspringen. Der Mann weiß rein nichts darüber, er habe die Preise nicht gemacht, erklärt er, aber ich lasse nicht locker und hoffe, unterm Einfluss der Klimaanlagengeishas nicht allzu debil zu grinsen. „Klären Sie das?“, frage ich ihn abschließend, „ich komme wieder und frage noch mal nach.“ Verwirrt bejaht er. Hauptsache, ich gehe, scheint er zu denken. 

Und das tue ich auch, beschwingt und gestärkt. Doch nichts vergisst man so schnell wie Hitze, der man entflohen ist, und kaum stehe ich vor der Tür, bereue ich es, den Mann hinterm Tresen nicht auch noch nach Schumis Chancen gegen Alonso und vor allem zu Lösungsansätzen im Nahostkonflikt befragt zu haben. Na, beim nächsten Mal. Nur ein eissatter Caipirinha im Aurel kann die Lage jetzt wieder verbessern. Zum Glück erwarte ich dort German Psycho – bei seinem Anblick gefriert einem ja stets das Blut in den Adern. Ein grandioser Effekt bei 38 Grad im Schatten. 

Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über Hitze 
1. „Heatwave" von The Blue Nile 
2. „Long hot summer" von The Style Council 
3. „The big heat" von Stan Ridgway


So kann man das auch sehen

Auf dem Weg zum Konzert von John Fogerty in den Stadtpark.

Ich zu Andreas: „Wasss? Du hast keine Ohrstöpsel dabei?“

Er: „Nein, wieso auch? Die Konzerte werden doch eh immer leiser …“

18 Juli 2006

Berlin kennt keine Bandansagen

Kaum in Berlin, erweckt ein Busfahrer der Linie M46 mein ganzes Mitgefühl. Der arme Knecht muss nämlich nicht nur seinen Dieseltrumm durchs Chaos des Hauptstadtverkehrs manövrieren, sondern auch noch alle Haltestellen selber ansagen und die Anschlussbahnen und -busse gleich mit. Und das alles an jeder schäbigen Station und hinein in ein fies fiependes Mikrofon, zu dem er sich auch noch linksseitig tief hinabbeugen muss.

Seine Halswirbelsäule wirkt bereits gefährlich verbogen, und sein Rücken neigt zu ungesunder Wölbung. Der ganze Mensch wirkt unterm satanischen Wechselspiel aus Schalten, Gasgeben, Bremsen und krumm Ansagenmachen verhärmt und ausgelaugt. Früher sahen nur die Junkies am Bahnhof Zoo so aus. Sein Schnurrbart ist strohig, sein immerhin dichtes Haupthaar so aschfahl, als sähe er die Sonne nie, dabei sitzt er doch den ganzen Tag gleichsam mittendrin.

Klar, deses Verdammtsein zur unablässigen Ansagerei verhärmt jeden gesunden Menschen über kurz oder lang. Vor jeder Station denkt der Mann sich doch: Jleich muss icke wieder quaddeln, und dette jrässlich fehljustierte Mikro taugt jarnüscht und uzt mir auch noch!

In Hamburg – um jetzt mal wohldosiert die lokalpatriotische Karte auszuspielen – kommt so etwas komplett vom Band, liebe BVG, da muss sich kein Busfahrer mit abmühen; er kann sich stattdessen Ampeln und Mitverkehr widmen und falsch abbiegende Radfahrer sauber erlegen. In der hiesigen U-Bahn spielen sie momentan sogar locker Kinderstimmen ein, die fröhlich „St. Pauli!“ krähen oder „Please leave here for harbour boat trips!"

Ja, Berlin, soweit ist die Technik bei uns schon: Bandansagen! Vollautomatisch! Stell dir das mal vor: Keine 300 Kilometer entfernt, und doch eine ganz andere Zivilisationsstufe!

An der gebeugten aschfahlen Figur hinterm Lenker auf der Berliner Linie M46 hingegen erkennt man ungeschönt die ganze bittere Lage der Haupstadt – und zwar viel besser, als sie aus todtraurigen Wowereitschen Haushaltsplänen je herauszulesen wäre.

Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über den öffentliche Personennahverkehr
1. „Crosstown traffic" von Jimi Hendrix
2. „Stuck inside of mobile (with the Memphis blues again)" von Bob Dylan
3. „Autobahn" von Kraftwerk

17 Juli 2006

Nur ich und der Teufel

Nach der Taufe, an der ich Berliner Freunden zuliebe teilgenommen habe, staut es sich vor der linken Kirchentür. Ich beschließe, durch die mittlere Tür hinauszutreten. Warum auch nicht? Schließlich bin ich so auch hereingekommen.

Ich bin schon halb hindurch, als ein panisch herbeistürzender Pfarrer die Flügeltür von außen gegen meinen Widerstand zu- und mich damit ins Kircheninnere zurückdrückt.

„Nein, nein!“, ruft er dabei mit flackerndem Blick, „hier dürfen Sie nicht hinaus!“ Aber die Tür sei doch offen, warum man denn nicht …

„Durch die mittlere Tür“, ruft er, „gehe nur ich – und der Teufel!“

Ehrlich gesagt entwaffnet mich dieses so inbrünstig hervorgestoßene Dogma augenblicklich. Auch mein Esprit erstirbt schlagartig. So verpasse ich die tolle Chance, in einer kleinen Rollenanmaßung sardonisch grinsend zu erwidern: „Nur Sie und der Teufel? Na, dann können Sie mich ja durchlassen! …“

Wir stehen uns also gegenüber, er draußen, ich drinnen, getrennt durch diese plötzlich mit immenser Bedeutung aufgeladene Tür, und er beginnt, die merkwürdige Sitte, mittlere Kirchentüren für den erwähnten Personenkreis zu reservieren, historisch herzuleiten. Bis zum Jahr siebenhundertnochwas reiche das alles zurück, erklärt er, und seine kräftigen Hände umfassen noch immer unnachgiebig beide Flügeltürgriffe.

Wer wäre ich, mit diesem offenbar erprobten Brauch zu brechen, jetzt, nach fast 1300 Jahren? Nein, ich gebe mich geschlagen und nehme die linke Tür.

Aberglauben halten die Evangelen übrigens für etwas sehr, sehr Böses.

Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über Türen
1. „Mary shut the garden door" von Donald Fagen
2. „Open the door" von Betty Carter
3. alles von den Doors

15 Juli 2006

Gesichtszwillinge (6)

Das britische Blatt Daily Mirror glaubt eine Ähnlichkeit zwischen Tony Blair und Homer Simpson ausgemacht zu haben.

Lächerlich. Der wahre Simpson-Gesichtszwilling ist doch ganz offensichtlich St.-Pauli-Präsident
Corny Littmann (Foto: Spiegel.de).

Die neue Normalität

Heute entdeckt in der Wohlwillstraße, St. Pauli.

13 Juli 2006

Du Denkschnecke!

Der Fall Zidane lässt mir keine Ruhe. Musste der algerische Dickschädel wirklich mit körperlicher Roheit reagieren? Vielleicht hat Zidane ja einfach der Wortschatz gefehlt, und sein Kopfstoß war Ausdruck artikulativer Hilflosigkeit.

Hier bieten mein Kollege Kramer und ich unsere Hilfe an. Um für ähnliche Fälle gewappnet zu sein, möchten wir dem besten Fußballer der Welt ein paar persönlich erprobte Beleidigungen an die Hand geben, die vielleicht auch einen Materazzi zum Klappehalten gebracht hätten.

Wir achten bei unseren Disputen übrigens stets darauf, nicht in die Phrasenfalle zu tappen. Eine von Generationen hochroter Streithähne totgebrüllte Beleidigung wie „Hornochse!“ ist natürlich unter unserem Niveau. Nein, es muss schon etwas origineller sein.

Und genau das – eine originelle und dennoch treffsichere Beleidigung – hätte vielleicht dem WM-Finale eine andere Richtung gegeben. Also, Zidane, aufgepasst, fürs nächste Mal:


mw: Du Merkbefreiter!

K.: Datenbankstreber! Problemredakteur!

mw: Blindie! Schlamper!

K.: Hohlspiegeldauergast!

mw: Glatzenschlumpf!

K.: Leck misch!

mw: Lieber nicht – mir fällt keine geeignete Stelle ein.

K.: Bloody Banause!

mw: Nasenbär!

K.: Lutscher!

mw: Tuckentröster!

K.: Hosenhuster!

mw: Nasenhaarvokuhila! Knautschsackfresse!

K.: Zitzenzieher!

mw: Hundehaufenbedufter!

K.: Nassauer!

mw: Gibt es Rabatt für Leute, die das Schicksal damit bestraft hat, dich lose zu kennen?

K.: Schnauze, du Mundschleimhautbakterienzüchter!

mw: Die zweite gute Tat heute wird sein, dir den Mümmeltrichter zu polieren!

K.: Wurzelsepp!

mw: Du Elendszecke! Geografielegastheniker!

K.: Weißweinsammelbesteller, Autoverkäufer!

mw: Hey, ich bestehe auf Beleidigungen, du Faktenaufzähler!

K.: Rap-Rüpel! Fliegenlandebahnkopf! Basmatireisumstülper!

mw: Standspurdenker! Bratwurst! Neidhammel! Missgönner! Glatzenkandidat!!!

K.: Du siehst aus wie ein Kilo Gehacktes!

mw: Du Halbsynapse! Du Sockenschuss! Du Denkschnecke!

K.: Textverhunzer!

mw: Alphabetschänder! Wortvermüller! Dudendilettant!

K.: Du Schüsselsprung! Du Flugangsttier!

mw: Noch ein Wort, und ich schiebe dir diese CD-Box so tief in den Enddarm, dass du kuckst wie ein adipöser Karpfen.

K.: Krämersfrau!

mw: Intelligenzamöbe! Denkvakuum!

K.: Blödmannsgehilfe!


Und so weiter. Das Foto zeigt zum Ausgleich den Vollmond von gestern Nacht, wie er einen Kran hinter der Reeperbahn umschmeichelt. Wenigstens die zwei mögen sich.

Am Ende eines großen, dunklen Trips

Zwei schmerzliche Todesfälle am letzten Freitag, dem 7. Juli. Der eine, Rudi Carrell, wurde zur Legende, weil er seine Karriere bis zur Neige auskostete. Der andere, Syd Barrett, weil er seine Karriere nicht ausschöpfen konnte.

Barrett war ein strahlend hübscher Jüngling der 60er, ein frühreifes Genie; er gründete Pink Floyd, schenkte ihnen einige der merkwürdigsten Dreiminutenmeisterwerke der Popgeschichte, wurde zum LSD-Wrack und kehrte nie mehr ganz zurück von seinem großen, dunklen Trip.

Als er am Ende war, Anfang der 70er, verließ er eines Tages seine Wohnung in London ohne Koffer und kehrte zurück zu seiner Mutter nach Cambridge, zu Fuß, die ganze Strecke; und in diesem Haus hat er gelebt bis letzten Freitag, bis er starb.

Hat Barrett je gezecht, gefeiert, geliebt? Das Mysterium dieser sich hermetisch vor der Welt verbergenden Popikone hat mich immer fasziniert, und ab und zu googelte ich in den letzten Jahren nach Fotos von ihm. So wurde ich Zeuge, wie aus dem strahlend hübschen Jüngling der 60er urplötzlich – weil 30 Jahre zwischen den Fotos lagen – ein dicklicher Kahlkopf geworden war. Die letzten Paparazzibilder zeigten ihn magerer, gezeichnet von irgendetwas, das nicht nur körperliche Ursachen gehabt haben konnte.

„Shine on, you crazy diamond“, rief ihm Roger Waters 1975 in Form eines epischen Songs zu. Barrett hat nie auf Waters gehört; nur dessen Wunsch „Wish you were here“ leistete Barrett einmal Folge, als er bei den Aufnahmen zum gleichnamigen Pink-Floyd-Album im Studio auftauchte wie ein Phantom, das eine Weile stumm im Halbschatten stand und wieder verschwand.

Sein ganzes Leben verlief im Halbschatten, und jetzt ist er endgültig verschwunden.

Ex cathedra: Die Top 3 der Songs von Syd Barrett
1. „Arnold Layne"
2. „See Emily play"
3. „Mathilda mother“


Foto: blogmedias

12 Juli 2006

Reine Kopfsache

Ein gewisser Torsten aus Berlin, der seinen Beruf mit „Callboy“ angibt, verklagt zurzeit Blogger, weil sie ihn angeblich beleidigt oder auch einfach nur verlinkt haben. Auf seiner Website listet er alle auf, die er sich demnächst vorknöpfen will. Darunter auch mich.

Als Grund reicht ihm offenbar mein Eintrag vom 26. Mai, in dem ich ihn auf seine Rechtschreibwäche aufmerksam mache. Statt sich allerdings für die kostenlose Korrektur zu bedanken und an seinen Defiziten zugunsten einer weniger blamablen Zukunft zu arbeiten, droht er nun mit einer Anzeige. Bin sehr gespannt, wie er die begründen wird.

Wer sich für die Ab- und Hintergründe des Falls Callboy Torsten interessiert, findet im Blog Krambox eine Zusammenfassung.

Eines muss man dem radebrechend durchs Web marodierenden Torsten allerdings zugutehalten: Er gebraucht seinen Kopf nicht wie dieser Herr hier – zumindest noch nicht …



(Maus bewegen, Kopfstoß per Klick)


Falls es nicht funktioniert, bitte hier klicken.

10 Juli 2006

Gesichtszwillinge (5)

Kat vermutete zurecht ein baldiges Vorkommen von Gene Hackman und Luiz Filipe Scolari, brasilianischer Trainer der Portugiesen, in der Gesichtszwillingsrubrik.

Bei der Suche nach dem entsprechenden Fotobeweis stieß ich auf dieses brasilianische Blog, wo das Problem schon gelöst wurde.

Allerdings muss die beliebte Rubrik heute auf Drillingsstärke erhöht werden, denn ob man's glaubt oder nicht: Scolari ist auch ein Ähnlichseher von Oscar-Preisträger Sean Penn!

Die Selbstmordsekunde

Ein Denkmal kann sich selber köpfen.
Vorher wussten wir das nicht.

Und es ist erschütternd.

09 Juli 2006

Buhnenzauber

Am Strand von Westerland auf Sylt steckt ein Pfahl mit einem gelben Kreuz oben dran im Sand, und ein Schild ist drangenagelt, worauf steht: „BUHNE. Gefahr!“

Haha, feixt der stets einwechselbereite Besserwisser in mir, haha, sie haben die Pünktchen überm ü vergessen, aber warum eigentlich sollte von einer Openair-Theateraufführung, die zweifellos heute Abend genau hier stattfinden wird, eine Gefahr ausgehen – etwa, weil die Schauspieler wegen ihrer provinzbedingten Lausigkeit schädlich für unser Nervenkostüm sind, haha?

Überlegen den Kopf schüttelnd steige ich ins 20 Grad warme Wasser und paddle durch die Wellen, bis ich plötzlich knirschend auf Grund laufe, weil irgendein Riesenidiot unter Wasser ein Mäuerchen gemauert hat. Beide Oberschenkel schürfe ich mir auf, und dazu den rechten Hinternbacken, fluchend und blutend krieche ich an Land.

Dort dämmert mir dann allmählich, dass die Sylter doch keine Legastheniker oder grundlose Feinde der Pünktchen überm ü sind, sondern durchaus wissen, was es mit einer BUHNE wirklich auf sich hat. Ein schmerzhafter Lernprozess für ein Landei wie mich. Aber sonst war es ein sehr schöner Tagesausflug ans Meer.

PS: Ist es eigentlich bedenklich, mit offenen Schürfwunden durch ein von Algen und azurblauen Quallen bevölkertes grüntrübes Meer zu schwimmen?

Die Meinung eines Virologen oder so wäre mir relativ wichtig.

08 Juli 2006

Der unvollendete Panini-Coup

Neulich kommt der Franke an und erzählt ungewohnt spitzbübisch, er habe von seinem Bruder oder einem Freund, das weiß ich nicht mehr so genau, einen tollen Tipp fürs Sammeln von Panini-Bildchen bekommen. Die Methode gehe so: Du marschierst in einen Laden und kaufst eine ganze Kiste. Komplett. 500 Bildchen für 50 Euro. Und wenn du sie zu Hause öffnest und ein Päckchen nach dem anderen aufreißt, dann wirst du kein einziges Bildchen zweimal haben.

Panini nämlich, so der Bruder oder Freund des Franken, bestücke die Kartons nicht mit doppelten Stickern. Täten sie einfach nicht. Produktionstechnische Gründe. Wer also einzeln kaufe, sei logischerweise der Dumme – und zahle viel mehr als ein cleverer Franke oder dessen Bruder oder Freund.

Tagelang erzählt der bauernschlaue Würzburger immer wieder vom Reiz dieser Methode; man merkt, wie es tief in seiner fränkischen Psyche dräut und dröhnt, wie Geiz, Gier und Katholizismus einen erbarmungslosen Kampf ausfechten.

Und eines Tages ist es soweit: Er marschiert in einen Laden, knallt 50 Euro auf den Tresen und kauft einen kompletten Karton Panini-Bildchen. Die Leute sollen alle komisch geguckt haben, gibt der Franke donnernd zum Besten, aber das war ihm so egal wie eine Nürnberger Rostbratwurst.

Inzwischen, nach einer mehrtägigen Fron allabendlichen Klebens, für das er in Sing-Sing bestimmt zum Strafgefangenen des Monats aufgestiegen wäre, hat sich herausgestellt: Die Informanten waren zuverlässig, der Franke hat wirklich und wahrhaftig kein einziges Bildchen doppelt. Sein Album ist auf einen Schlag zu Fünfsechstel voll.

„Du hast den Sinn des Ganzen überhaupt nicht begriffen!", fahre ich, ein Panini-Verweigerer seit Erreichen der Pubertät, erregt auf. Doch der Franke keckert nur überlegen vor sich hin.

Allerdings gibt es da ein Problem. Zwar fehlen ihm nur noch 90 Stück – aber er hat nicht das kleinste Fitzelbild zum Tauschen.

Nicht mal eins von denen, wo zwei Saudis auf einmal drauf sind.

Ex cathedra: Die Top 3 der Songs übers Sammeln
1. „One piece at a time" von Johnny Cash
2. „Arnold Layne" von Pink Floyd
3. „The teardrop collector" von Love & Rockets

Die bisherigen Teile der Frankensaga
19.
Der Kulturstoffel 18. Fußball auf Fränkisch! 17. Auhuuu! 16. Die Bettelblickattacke 15. Der Franke bleibt störrisch 14. Der unvollendete Panini-Coup 13. Duck dich, Sylt! 12. Auf Partypatrouille 11. Laggs auf vier Uhr 10. Der Franke ist überall 9. Die Greeb-Pfanne 8. Erste gegen dritte Liga 7. Die verspätete Riesenkartoffel 6. Der historische Tag 5. Der Alditag 4. Der Faschingskrapfen 3. Der Klozechpreller 2. Der Dude 1. Das Alte Land


06 Juli 2006

Fundstücke des Tages (21)

1. Die Tageszeitung Die Welt brachte gestern einen Artikel über Hamburger Blogger, und der Autor stieß irgendwie auch auf mich, obwohl er mit Lyssa oder Eric Hegmann bestimmt mehr hätte reüssieren können. Was soll's: So kamen Rasmus vom brillanten, aber leider brachliegenden Blog Abgrund Hamburg, Erik von der Ringfahndung und ich nicht umhin, einige Marginalien beizusteuern. Wen's interessiert: Der Text steht hier online und wird hier archiviert.

2. Jemand, den ich kenne, nimmt gerade den Familiennamen seiner Frau an, weil beide keinen geeigneten Namen für ihr noch zu gebärendes Kind finden, der mit dem tütensuppenhaften „Knorr“ harmoniert. Eine rührende Geste. Aber soooo einfach wird das mit „Autzen“ auch nicht.

3. „Alle Mannschaften ziehen sich zurück, alles ist taktisch und studiert, nicht vibrierend. Deutschland ist die Ausnahme. Ich wünschte mir, Brasilien würde spielen wie Deutschland." Das ist zweifellos der schönste Satz, den ich seit Jahrzehnten über den deutschen Fußball gehört habe. Gesagt hat ihn Tostão, eine der brasilianischen WM-Legenden von 1970, einer aus der Pelé-Mannschaft also. Bin sprachlos. Nein, ein Wort fällt mir doch ein: Klinsmann.


4. Der Wolkenbruch heute nachmittag versuchte das alte Fabrikgebäude, in dem unsere Redaktion untergebracht ist, in die Elbe zu spülen. Es blieb allerdings bei pittoresken Tropfenmustern auf den Fensterscheiben. Aber kühler ist es nicht geworden, nur feuchter.

5. Der große Soul- und Bluessänger Van Morrison erwähnt in einem seiner Songs erstaunlicherweise die Reeperbahn, und zwar im Stück „Heavy connection“ vom Album „A period of transition“. Die Platte erschien 1977. Ungefähr so lange kenne ich sie auch schon, aber jetzt erst stoße ich auf diese kleine Skurrilität. Blamabel.


Ex cathedra: Die Top 3 der Songs von Van Morrison
1. „Sweet thing"
2. „Summertime in England"
3. „He ain't give you none"


Alle bisherigen Fundstücke des Tages:
1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14,
15, 16, 17, 18, 19, 20, Oh, my Google!

Alessandros falsche Fußballkarten

So sehr auch Fußball, Feiern, Völkerverständigung und Fahnenabsatz gewonnen haben in den letzten vier Wochen, so wenig kann die Herrin des ganzen Spektakels, die Fifa, von dieser Sympathie- und Euphoriewelle profitieren.

Nein, die Fifa ist mehr denn je der missmutige, argwöhnische, Big-Brother-hafte Krake, der uns nur dann Tickets geben wollte, wenn wir uns nackicht machten, und es selbst dann nur im Ausnahmefall getan hat (wobei ich nicht die zwei Ausnahmen für mich verhehlen will …).

Wer die Fifa veräppelt, darf deshalb auf viel Sympathie hoffen. Wie etwa der österreichische Radiosender Ö3, der – ähnlich wie das Hamburger Studio Braun – den arglosen Nutzern moderner Telekommunikation gern fiese Telefonstreiche spielt.

Auch viele andere Gags sind empfehlenswert – und nicht gar so erbarmungslos wie die des Studio Braun.

05 Juli 2006

Nach dem Spiel ist nach dem Spiel

Deutsche Fußballfans in Ottensen: „So ne Scheiße, wir fahrn nicht nach Berlin, so ne Scheiße, wir fahrn nicht nach Berlin!“

Italienische Fans in St. Pauli: „Ihr könnt nach Hauuuuuse fahrn, ihr könnt nach Hauuuuse fahrn!“

Ähm, das sind wir doch schon. Und es ist ziemlich nett hier. Viel netter als noch vor vier Wochen.

Auch jetzt noch.
Nein: Jetzt erst recht.


(Foto: Spiegel online)

03 Juli 2006

Duck dich, Sylt!

„Kramer, wie wär’s“, sage ich heute laut und verwegen zu Kramer, „lass uns am Wochenende mit dem Schleswig-Holstein-Ticket nach Sylt fahren und die Insel aufmischen!“

Kramer schaut mich an, als hätte ihm gerade Papst Benedikt XVI einen gemeinsamen Bordellbesuch vorgeschlagen. Denn bei ihm und auch beim Franken habe ich den Ruf einer Spaßbremse oder, anders ausgedrückt, eines ganz erbärmlichen Trinkers, und das zu Recht. Wenn andere gemächlich in Fahrt kommen, so nach drei, vier Bier, wird mir schon blümerant, und ich muss den chemischen Selbstversuch abbrechen, um nicht nachts von Übelkeit geplagt durch die Wohnung wanken zu müssen und Ms. Columbo in höchste Sorge zu stürzen.

„Wie willst du den Sylt aufmischen“, höhnt Kramer, „etwa mit zwei Bier?“ Für Kramer nämlich bedeutet feiern automatisch saufen, und aufmischen automatisch auch. „Wir könnten zum Beispiel“, rufe ich ihm unbeeindruckt zu, „Sandburgen bauen – und sie anschließend zerstören!“ Kramer kringelt sich. „Genau“, ächzt er, „Sandburgen bauen!“

„Oder“, ziehe ich den brutalsten Pfeil aus dem Köcher, „wir könnten Strandkrebse quälen! Ist das nicht aufmischen?“ Findet Kramer keineswegs. Ohne Pils keine Party – seine Meinung.

„Dann lass uns eben ins Stadtbad fahren“, dehne ich unterm Einfluss von Hochsommer und unmittelbar bevorstehendem Feierabend seine Fassungslosigkeitsgrenze bis zum Äußersten, „und Mädchen aufreißen!“ Kramer schaut den Franken mit diesem Hast-du-das-auch-gerade-gehört-Blick an, und der realisiert das alles mit zweisekündiger Verspätung, ehe er mir eine derart unverschämte Lache ins Gesicht schüttet, als sei es wirklich völlig unmöglich, in meiner Begleitung Mädchen aufzureißen.

Wahrscheinlich hat er sogar Recht.

Also trinken wir gemeinsam ein Bier, jetzt und sofort. Der Franke eine Flasche allein, ich teile mir eine mit A., nur Kramer verzichtet aus irgendeinem gegrummelten Grund. Ausgerechnet der!

Vielleicht fahren wir am Wochenende wirklich mit dem Schleswig-Holstein-Ticket nach Sylt, aber ohne Kramer. Definitiv.

Die bisherigen Teile der Frankensaga
19. Der Kulturstoffel 18. Fußball auf Fränkisch! 17. Auhuuu! 16. Die Bettelblickattacke 15. Der Franke bleibt störrisch 14. Der unvollendete Panini-Coup 13. Duck dich, Sylt! 12. Auf Partypatrouille 11. Laggs auf vier Uhr 10. Der Franke ist überall 9. Die Greeb-Pfanne 8. Erste gegen dritte Liga 7. Die verspätete Riesenkartoffel 6. Der historische Tag 5. Der Alditag 4. Der Faschingskrapfen 3. Der Klozechpreller 2. Der Dude 1. Das Alte Land


02 Juli 2006

Elfmetertöter

Der arme Tropf, der hier einen Elfmeter zu schießen versucht, muss ein Engländer sein. Anders ist das Desaster nicht zu erklären. Immerhin bedeutet „penalty“, das englische Wort für Elfmeter, ja auch Bestrafung – aber eigentlich nicht für den Schützen.



Na ja, hoffen wir mal, dass er sich wenigstens nicht schwer verletzt hat.

Gesichtszwillinge (4)


Gut, der rote Zinken von Udo Lattek ist unkopierbar.

Aber sonst sehe ich recht viel Lattek im Gesicht seines Trainerkollegen Sven-Göran Eriksson, der sich gerade von der WM verabschieden musste.

Aber wahrscheinlich bin ich mal wieder der Einzige. Pffft.

01 Juli 2006

Debil vor Glück

Zu viert wollen wir die Nervenprobe des Viertelfinales im abgedunkelten Raum bestehen. Da klingelt es, und ein Großteil der Berliner WM-Blogger-WG bevölkert urplötzlich das Wohnzimmer – Stimmung!

Die armen Tröpfe brauchen dringend Asyl. Sie waren fürs Spiel Italien-Ukraine angereist und hatten versucht, die erste Halbzeit der Deutschland-Partie optisch irgendwo auf der Reeperbahn zu erhaschen, waren aber weitgehend gescheitert. Also hatte Sherpa Lyssa sie kurzerhand und klugerweise hierher verschleppt.

Nach dem gloriosen Elfmeterschießen bin ich endlich, endlich mal dabei und sogar aktiv beteiligt, als sich die legendären wildfremden Menschen um alle verfügbaren Hälse fallen; pikanterweise gehören auch ein Holländer (der Videoblogger Erik) und der Engländer Ben dazu. Man muss aber wirklich schon sehr genau hinschauen, um in beider Lächeln den Anschein von Säuerlichkeit zu erkennen. Und vielleicht bilde ich mir das auch nur ein.

Hinterher brechen die Berliner und ich zum zweiten Viertelfinalspiel in die Hamburger Arena auf, und ich muss sagen: Im wohligen Gefühl des deutschen Sieges durchs Busfenster eine Abendsonnendusche zu nehmen und sich selig zum Stadion schaukeln zu lassen, gehört schon jetzt zu den schönsten Gefühlserinnerungen des Jahres.

Über der zweiten Partie scheint durch die dramatischen Ereignisse zuvor ein mattschimmernder Seidenglanz zu liegen, und ich genieße selbst Fehlpässe von Timostschuk mit dem Grinsen eines Debilen. So zumindest müssen die mich seltsamerweise homogen umgebenden Koreaner meine Mimik deuten.

Jener Holländer übrigens, der bei Ebay noch bis zum 7. Juli Karten für das Spiel von heute Abend verticken will (Stückpreis: 1000 Euro), sollte sich vielleicht nach einer anderen Karriere umschauen. Zum Schwarzhändler fehlt ihm das Talent.

29 Juni 2006

Der Scheunen-Tor

Während wir bei der Fußball-WM eine Spitzenleistung nach der anderen goutieren dürfen (zumindest solange nicht die Ukraine oder England beteiligt sind), vergessen wir leicht, welche enorme Körperbeherrschung es bedeutet, überhaupt kontrolliert gegen einen Ball treten zu können.

Man muss sich nur einmal Altkanzler Schröders jammervolle und auch ästhetisch bestürzende Kickerei ins Gedächtnis rufen. Dann wird uns rasch klar, wie viele Menschen auf diesem Erdball die erwähnte
Körperbeherrschung nicht aufweisen, obwohl sie bisweilen anderer Meinung sind.

Zum Beispiel dieser hier:


So. Und um 17 Uhr geht es endlich weiter.

28 Juni 2006

Zwischen den Spielen

Ein bewölkter Tag bedeckt die Stadt wie ein altes schlaffes Haarnetz. Auf dem Mittelstreifen der Reeperbahn sterben die ersten frischgepflanzten Bäume schon wieder ab.

Ich starre ins Halbdunkel der Zimmerecke, zu keinem Gedanken fähig. Was tun? Keine Ahnung.

Dort steht er, dieser große Kasten. Es ist der Fernseher, ein graues, graues Nichts. Er ist aus. Klar. Denn es läuft … kein Fußball.

Die Weltmeisterschaft macht Pause.
Und das Schrecklichste: Auch morgen noch.

Der Bärendienst

(Foto: eisbaer.de)

Radikale Moralisten verstehe ich einfach nicht. In den USA haben Abtreibungsgegner mal einen Arzt ermordet, weil sie der Auffassung waren, es sei Mord, Zellhaufen operativ aus Frauenbäuchen zu entfernen. Diese Meinung dürfen sie ja gerne sagen und brüllen, aber einen ausgewachsenen, denkenden Menschen umzubringen, weil sie damit gegen das Umbringen protestieren wollen, kommt mir in jeder Hinsicht hirnrissig vor – und auf geradezu debile Weise unlogisch.

Ähnlich einige radikale Tierschützer: Sie drohen drei Jägern mit dem Tod, weil die den Bären Bruno getötet haben, der sich seit Wochen die Zeit damit vertrieben hatte, in Bayern Schafe und Hühner zu töten.

Man muss erst gar nicht in die Diskussion einsteigen, ob das Leben eines Menschen nun genauso wertvoll sei wie das eines Tieres, einer Pflanze, einer Amöbe oder von Plankton (wie wäre es mit dem Ebolavirus?), um eins sicher zu erkennen: Diese anonymen Droher denken gerade mal von ihrem Stammhirn bis zum Brett vor ihrem Kopf.


Wobei ich natürlich auf Brunos Seite bin. In den letzten 170 Jahren gab es genau zwei Bären in Bayern, und beide knallte man ab. Erzähl das mal einem Kanadier, der hält uns für bekloppt. Und das dürfte er natürlich sagen und brüllen, und vielleicht täte er das auch, aber eins ist sicher: Er käme niemals auf die Idee, uns deshalb das Erschießen anzudrohen.

Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über Tiere
1. „Me and you and a dog named Boo“ von Lobo
2. „Es gibt Tage, da wünscht' ich, ich wär mein Hund“ von Reinhard Mey
3. „(Let me be your) teddy bear“ von Elvis Presley

27 Juni 2006

Auf Partypatrouille

Tolle Fete heute Abend. Ein berühmter Hamburger Eventmanager hat zum traditionellen Hoffest geladen, und weil er so berühmt ist, kommen auch viele Berühmtheiten. Darunter sind Havebeens (wie Alexander Klaws), Wannabees (wie diese junge sexy Sängerin, deren Name mir partout nicht einfallen will) und echte Künstler (wie Nils Koppruch von Fink).

Und mittendrin überraschenderweise Senait. Wie sich rasch herausstellt, hat der Kontakt mit ihren eritreischen Lippen ungefähr den gleichen Effekt, als würde man auf der Davidwache für die Erfassung von Fingerabdrücken präpariert. Ein Bussi hier, ein Bussi da, und schon muss ich Ms. Columbo beidwangig von enormen Lippenstiftspuren befreien.

Seltsamerweise komme ich unbefleckt davon; vielleicht bildet ein leichter Bartschatten ja eine Art Schutzfilm. Der Franke allerdings liefert das Gegenbeispiel für diese Theorie; ich sehe mich plötzlich unfasslicherweise an seiner ungeschlachten Wange mit einer Serviette herumhantieren. Natürlich nicht ohne ihm währenddessen vorzuschlagen, doch einfach nie mehr zu duschen – ich meine: Senaits Lippenstift!

Vor mir in der Grillimbisschlange steht Vanessa von der dahingeschiedenen Girlpopband No Angels. Ich erinnere mich an ein Interview mit ihr und dem Rest der Band vor einigen Jahren. Von den fünf Sängerinnen waren vier völlig bei der Sache, nur Vanessa beschäftigte sich die ganze Zeit mit ihrem Handy, simste klackerdiklack vor sich hin und lächelte versonnen ins Display.

Und was soll ich sagen: Heute Abend in der Grillimbissschlange ist es ganz genau wie damals. Sie starrt entrückt auf ihr Handy, drückt auf den Tasten herum, und das in unmittelbarer Nähe von Grillhähnchen und Pommes rotweiß. Kein Wunder, ehrlich gesagt, dass ihre Solokarriere nicht in Gang kommen will.

Zum Achtelfinale Schweiz-Ukraine ziehen wir uns alle in einen Saal mit Großbildleinwand zurück, und weil das Spiel ungefähr so aufregend ist wie das Starren auf eine monochrome Betonwand oder Vanessa Petruos Handydisplay, schlage ich eine Wette vor: einen Kasten Bier auf die Ukraine. Der Franke schlägt ein und beweist nach dem entscheidenden Elfemterschießen (0:3 gegen seine Schweizer) eine gewisse Haltung, verweigert mir aber das High Five. Auf dem Heimweg muss ich die Nacht ähnlich versonnen angelächelt haben wie Vanessa ihr Handy, und das lag nicht nur am erstaunlichen Chardonnay.

Weil man auf solche Partys als geladener Gast selbstverständlich keine Kamera mitnimmt, gibt es heute nur ein Foto von einem Gebäude, das sich immerhin in unmittelbarer Nähe des Hoffestes in den Hamburger Himmel reckt.

Ex cathedra: Die Top 3 der Girlbandsongs
1. „Be my baby“ von The Ronettes
2. „Barracuda“ von Heart
3. „River of joy“ von No Angels (übrigens von Senait geschrieben)

Die bisherigen Teile der Frankensaga
19. Der Kulturstoffel 18. Fußball auf Fränkisch! 17. Auhuuu! 16. Die Bettelblickattacke 15. Der Franke bleibt störrisch 14. Der unvollendete Panini-Coup 13. Duck dich, Sylt! 12. Auf Partypatrouille 11. Laggs auf vier Uhr 10. Der Franke ist überall 9. Die Greeb-Pfanne 8. Erste gegen dritte Liga 7. Die verspätete Riesenkartoffel 6. Der historische Tag 5. Der Alditag 4. Der Faschingskrapfen 3. Der Klozechpreller 2. Der Dude 1. Das Alte Land


25 Juni 2006

Laggs auf vier Uhr

Über das Restaurant Tai-Pan („Sushi all you can eat!“ abends für laue 14,90) habe ich schon einmal berichtet, und zwar recht positiv. Damals gab es das Sushi aber auch noch mit Fisch …

Zwischen zwei WM-Spielen laufen Ms. Columbo, der Franke und ich dort wohlgemut auf. Doch nachdem wir eine Viertelstunde lang ratlos suchend auf die kreisenden Gemüsetellerchen, frittierten Hähnchenunterschenkel, Gurkenstücke in Reisröllchen und pappigen Dim Sums gestarrt haben, moniere ich bei der schüchternen deutschen Bedienung die erschütternde Fischarmut, die vermutlich exakt jener der Elbe bei Dresden in den 70er Jahren entspricht. Das sage ich zwar nicht explizit, lasse es aber mitschwingen.

Der Sushikoch, beschwichtigt die junge Frau mich daraufhin eilends, sei im Verborgenen – nämlich der Küche – bereits fleißig tätig, und bald würde der Kreisverkehr, so fuhr sie sinngemäß fort, nur so strotzen vor Köstlichkeiten maritimer Herkunft.

Nach weiteren fünf Minuten des traurigen Betrachtens fischloser Sushischälchen wende ich mich erneut an die zuständigen Instanzen, diesmal aber auf höherer Entscheidungsebene, der chinesischen. Der Mann lächelt ebenso peinlich berührt wie deeskalierend und versichert mir unter unablässigem Nicken die baldige, ja gleichsam sofortige Niveauanhebung der Setlist. Murrend gehe ich zurück Ms. Columbo und dem Franken, und kaum sitze ich, liefert uns der Chinese unter Umgehung des Kreisverkehrs umstandslos eine kleine Kollektion von Lachssushi direkt an den Tisch.

Sogleich besänftigt danken wir herzlich und tun uns gütlich daran, ohne freilich zu den anderen Gästen aufzublicken, die zweifellos unsere Vorzugsbehandlung kräftig zu missbilligen wissen. Andererseits hatte ich – nur ich! – mich zweimal zum Widerstand aufgerafft, während die dumpfe Masse sich stumm in ihr Schicksal fügte. Sie sollen sich also bitte nicht so anstellen und die Zeit bis zur regulären Lieferung des Fischsushi eben mit Omelettstreifen verbringen, die rücklings auf Reisbällchen geschnallt sind.

Und siehe da: Allmählich zeichnet sich auch offiziell eine Besserung der Lage ab. Was auch dringend nötig ist, denn unsere außer der Reihe servierte Lieferung ist schon nach Sekunden aufgeteilt und verputzt. Allerdings wird uns nun auch die schlechte strategische Lage unserer Sitzposition deutlich. Wir sitzen sehr weit entfernt vom Ort der Laufbandbestückung. Jeder Lachs, alle Muscheln müssen, nachdem sie ins Rennen gegangen sind, fast eine komplette Runde absolvieren, ehe sie überhaupt in unsere Reichweite kommen. Und man kann sich vorstellen, wie schwer das angesichts der auf echtes Sushi geiernden Tai-Pan-Gäste selbst einem Fisch wie dem Lachs fallen muss, der in der freien Natur ja sogar Schleusen, Bärentatzen und wahrscheinlich auch Staudämme zu überwinden vermag, während er tapfer flußaufwärts strebt zum Ort seiner Geburt, wo er nach all der Mühsal schließlich umstandslos ablaicht und kurz darauf verstirbt.

Kurz: Es kommt weiterhin nichts Fischiges bei uns an. Von meiner Sitzposition aus sehe ich zwar mit Bassettblick, welche Must-have-Tellerchen aufs Band gestellt werden, doch der mir gegenüber sitzende Franke verfolgt kommentierend ihr Schicksal bis zu jener Sekunde, in der die besser postierte Konkurrenz sie betrüblicherweise runterklaubt.

Doch mit der Zeit schlägt sich wirklich hie und da eins durch bis zu uns. „Laggs auf vier Uhr“, raunt der Franke dann konspirativ zu uns herüber, „jetzt auf drei Uhr, auf zwei … jetzt!“, und die prächtige Ms. Columbo, perfekt platziert direkt am Band, greift beherzt zu und erlegt für unsere kleine Schicksalsgemeinschaft ein Sushischälchen – eins mit echtem Fisch!

Mit dieser perfekten Koordination, einer geradezu patentierbaren Schleppnetzfangmethode fürs Fischen in Innenräumen, entgehen uns hinfort keine relevanten Schälchen mehr, obgleich sie den ganzen Abend über kaum häufiger vorbeikommen als die Queen Mary 2 im hiesigen Trockendock.

Egal: Irgendwie werden wir jedenfalls satt.
Trotz „all you can eat“.

Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über die Vorzüge des Teamwork
1. „Let's work together“ von Canned Heat
2. „Allein machen sie dich ein“ von Ton Steine Scherben
3. „Smells like team spirit“ (haha!!!) von Nirvana

Die bisherigen Teile der Frankensaga
19. Der Kulturstoffel 18. Fußball auf Fränkisch! 17. Auhuuu! 16. Die Bettelblickattacke 15. Der Franke bleibt störrisch 14. Der unvollendete Panini-Coup 13. Duck dich, Sylt! 12. Auf Partypatrouille 11. Laggs auf vier Uhr 10. Der Franke ist überall 9. Die Greeb-Pfanne 8. Erste gegen dritte Liga 7. Die verspätete Riesenkartoffel 6. Der historische Tag 5. Der Alditag 4. Der Faschingskrapfen 3. Der Klozechpreller 2. Der Dude 1. Das Alte Land

Gesichtszwillinge (3)


Nanu, seit wann trainiert denn Hannibal Lecter die Schweizer Fußballnationalmannschaft? Anthony Hopkins (rechts, äh links) und Köbi Kuhn wurden möglicherweise bei der Geburt getrennt.
(Fotos: Westlord.com, tele.ch)

Weitere Gesichtszwillinge:
– Franz Beckenbauer und Erich Honecker
– Angela Merkel und Peter Ustinov

24 Juni 2006

Beckenecker


Klar, an der Brille muss er noch arbeiten.
Den Rest hat Franz aber schon ziemlich gut hingekriegt.

23 Juni 2006

Die Fundstücke des Tages (20)

1. Seit vielen Jahren schon erspare ich es mir aktiv und bei vollem Bewusstsein, nach dem Sinn des Lebens zu suchen. In diesem kleinen Textkunststück von Thilo Baum erfahre ich nun auch, WARUM das die absolut richtige Entscheidung gewesen ist.

2. In der Berliner Galerie Aquarium findet zurzeit eine Ausstellung mit 27 wirklich außergewöhnlichen Fußballexponaten statt – darunter die drei Zähne (Foto), die der bedauernswerte französische Kicker Patrick Battiston 1982 verlor, als unser Tormann Toni Schumacher ihm mitten aufm Platz nach dem Leben trachtete. Oder die konservierte Spucke (!) von Frank Rijkaard, die man angeblich aus Rudi Völlers Haaren herausgeholt hat – bevor er duschte.


3. Im „Kochbuch Foodball“ von Arne Friedrich und Ralf Zacherl gibt es ein Gericht namens „Chicken Frings“. Für einen Kalauerconnaisseur wie mich natürlich ein Fest. Hier weitere Anregungen für die zweite Auflage: Klöße à la Klose, Spaghetti mit Ball-Hack oder Schnitzel in Lahmsoße.


4. Schon gewusst? Es gibt speziellen Multivitaminsaft für Nager. Und der ist nicht billig: Literpreis 18 Euro. Zuchtmäuse hingegen – also genau jene Tiere, die solche Multivitaminsäfte für Nager wahrscheinlich wegsüffeln wie Gerhard Mayer-Vorfelder zwei Bocksbeutel Grauburgunder – kriegt man schon ab 15 Cent. Eine fremde und seltsame Welt.

Alle bisherigen Fundstücke des Tages:
1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13,
14, 15, 16, 17, 18, 19, Oh, my Google!

22 Juni 2006

Droste gegen Zaimoglu und umgekehrt

(Foto: hr)

Am 16. Juni erschien in der taz ein Artikel („Ohne Fahne niemals nicht”) des Satirikers Wiglaf Droste, in dem er gegen „den deutschen Türken“ wettert, der zur WM „schwarzrotsenfige“ Fahnen schwenke.

Ich entdeckte den Text online und las ihn mit der üblichen Mischung aus Fassungslosigkeit und Genuss. Mit Droste muss man beileibe nicht immer konform gehen, aber eine gallige Schreibe hat der Mann – meine Herrn! Sein Geätze gegen den kulturellen, sozialen und politischen Mainstream gönne ich mir seit Jahren, und eins ist mir inzwischen klar geworden: Wir müssen uns Wiglaf Droste als unglücklichen Menschen vorstellen.

Aber darum geht es hier ja nicht. Sondern darum: Der erwähnte taz-Artikel über „den deutschen Türken“ verschwand plötzlich am Nachmittag des 16. Juni auf Nimmerwiedersehen aus der Online-Ausgabe. Da ich nur den Link gesichert hatte, nicht aber den Text, mailte ich die taz an und bat um Aufklärung. Dort gab man sich sehr, sehr schmallippig. Zum Glück fand ich den Artikel in einem Forum wieder, wo er seither heiß diskutiert wird.

Heute nun, sechs Tage später, druckte die taz eine Gegendarstellung des Schriftstellers Feridun Zaimoglu, und die Sache wird plötzlich glasklar: Droste nämlich hatte Zaimoglu in einem hingerotzten Nebensatz des besagten Artikels als „blasierten Buchabschreiber“ niedergemacht (-> Hintergrund); und offenbar erwirkte der daraufhin die Entfernung des Textes aus dem Web.


Interessanterweise veröffentlichte Droste in seinem Blog am Nachmittag des 16. Juni – wahrscheinlich sofort nach Entfernung des Artikels auf der taz-Seite – eine veränderte Fassung des Textes. Darin verschärft er noch den Ton (oder die taz hatte ihn zuvor entschärft) und bezeichnet Zaimoglu nun als „schmierigen Buchabschreiber“.

Dadurch erhält der Text nun sogar einen latent rassistischen Unterton, was Droste sich unbedingt verkneifen sollte. Sein Blog-Eintrag jedenfalls ist noch immer online. Mal schauen, wann Zaimoglu es schafft, auch den aus dem Netz zu kicken. Die Uhr läuft.

Zum Körzen!

(Illustr.: Uni Münster)

Statt der BILD-Zeitung lese ich täglich das BILDblog. Zugegeben, damit überlasse ich verdienten Kollegen wie Stefan Niggemeier die Drecksarbeit. Aber diese Methode schützt mich auch vor gesundheitsgefährdenden Sätzen. So stoße ich nämlich nur ab und zu auf Ekliges von BILD-Mann Norbert Kotzdörfer Körzdörfer.

Nun war es allerdings mal wieder soweit: Das BILDblog servierte mir eine besonders vomitive Körzdörferei. Direkt vor der WM hatte der Wortauswürger nämlich in BILD noch mal kräftig an der Patriotismusschraube gedreht, und zwar mit Ausrufen wie: „Ja zu Deutschland! Ja zu deutschem Bier! Ja zur deutschen Hymne!

Das könnte man natürlich einfach alles als strunzdumm und simpelstgestrickt abtun, doch ein Satz aus Körzdörfers Parolenparade überschritt meine Ekelgrenze doch erheblich: Ja zur deutschen Frau, die lächelnd zuschaut! – und zwar den deutschen Männern, die in den Fußballkampf ziehen.

Tja, und jetzt sitze ich hier mit diesem Satz und kann nicht anders, als an die Rhetorik eines deutschen Ministers zu denken und sein Gesabbel von der „deutschen Frau“, die „einspringt, um Männer für die Front frei zu machen“.

Aber das geht wahrscheinlich nur mir so.

Ex cathedra: Die Top 3 der Polit- und Parolensongs
1. „Woman is the nigger of the world“ von John Lennon
2. „Fight the power“ von Public Enemy
3. „Nazi punks fuck off“ von Dead Kennedys

20 Juni 2006