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05 Februar 2012
Das Imperium filmt zurück
Die polizeiliche Kameraüberwachung der Reeperbahn ist also rechtens.
Na gut. Aber wir sehen euch auch.
03 Februar 2012
Momentane Hauptbaustellen (2): Tele2
Die schwedische
Leider wird das Ganze im Hintergrund übers Mobilnetz abgewickelt, und in dem Dorf, wo meine Eltern leben, gibt es überhaupt keinen Empfang.
Die beiden können nun schon seit drei Wochen nicht mehr telefonieren, und ich habe das Verfahren kurzentschlossen an mich gezogen, obwohl ich in solchen Fällen dazu neige, zum grundunsympathischen Echauffator zu mutieren.
Bei Tele2 habe ich nach schwierigen Verhandlungen, bei denen ich unter Aufbietung unmenschlicher Kräfte aus rein taktischen Gründen nicht ausfallend wurde, eine außerordentliche Kündigung erwirken können, doch die Rückabwicklung dauert.
Und dauert.
Um sich über den neusten Stand der Dinge zu informieren, fährt mein Vater jetzt immer auf einen Berg hoch überm Dorf, um mich von dort aus mit einem Alice-Handy anzurufen, das wir ihm geschenkt haben. Alice nämlich ist unten im Tal auch nur so zuverlässig wie Regen in der Sahelzone.
Alles schien jedenfalls ganz allmählich einen guten Ausgang zu nehmen. Heute allerdings habe ich erfahren müssen, dass meine Eltern einen weiteren Zweijahresvertrag mit Tele2 haben.
Sie, die mit durchschnittlich vier verschiedenen Menschen telefonieren, von denen drei in ihrem Dorf wohnen und einer in Hamburg, erhalten von Tele2 monatlich einen Einzelverbindungsnachweis – für ungefähr 18 Euro Grundgebühr, so genau wusste meine Mutter das aus dem Stegreif nicht.
Es ist also noch nicht vorbei. Etwas hat überlebt.
(Serie wird fortgesetzt.)
02 Februar 2012
Momentane Hauptbaustellen (1): Sky
Der Bezahl-TV-Sender Sky hat mir bereits fünf fehlerhafte Bestätigungsschreiben über die genaue Laufzeit meines just verlängerten Vertrages zugeschickt. Immer steht dort als Ablaufdatum „31.1.2012“ statt „31.1.2013“.
Nach jedem Eingang rufe ich bei der Hotline an, verklickere das skurrile Phänomen einer immer neuen Telefonstimme, die meist sagt: „Oh, ein neuer fehlerhafter Brief ist bereits an Sie unterwegs! Betrachten Sie ihn einfach als nichtig! Wir schicken Ihnen die richtige Bestätigung!“
Immer frage ich zurück, ob ich mich denn jetzt darauf verlassen könne, und immer wird mir das inbrünstigst bestätigt. Ich habe mich bereits dabei ertappt, die große Erschöpfung, die sich dank dieser Angelegenheit in mir breitmacht, mit den immer neuen Telefonstimmen in Form eines psychologischen Therapiegespräches zu thematisieren.
Das Verständnis ist stets groß, es grenzt fast an Mitgefühl. Aber helfen können sie mir letztlich alle nicht. Call me Kafka.
Mit den bisher angefallenen Telefongebühren könnte ich mir wahrscheinlich schon jetzt einen ganzen Monat das konkurrierende Telekom-Angebot Entertain leisten, und vielleicht täte ich das auch, wenn ich nur nicht so erschöpft wäre.
(Serie wird fortgesetzt.)
31 Januar 2012
Zwischen Tweet und Tweed
„Irgendwer von euch Spacken vielleicht gerade auf der Reeperbahn unterwegs? Hätte spontan Lust auf ein Bier im trauten Kreis.“
Von diesem gegen 20:30 Uhr abgesetzten Tweet fühlten sich trotz meiner vielen hundert Follower düpierenderweise nur Twelectra und German Psycho angesprochen. Aber immerhin.
Wir verabredeten uns im Miller in der Detlev-Bremer-Straße, doch das war zu. „Hat montags nicht ganz St. Pauli zu?“, hatte GP vorher am Telefon polemisch gefragt, woraufhin ich ihn verlacht und auf die gemütliche Gesprächsatmosphäre in den montagsleeren Kiezkneipen verwiesen hatte. Das geschlossene Miller lieferte allerdings nicht gerade eine kraftvolle Untermauerung meiner These.
„Dann ins Zwick“, schlug er nachsichtig vor, „das ist ein Touristenschuppen, der hat immer auf.“ In der Tat, das stimmte. Ich beschloss, mich unangekündigt in meinen neuen Maßanzug zu werfen, um einmal im Leben besser angezogen zu sein als er.
„Bin gespannt, ob sie mich in der Kneipe besser behandeln als sonst“, sagte ich beim Abschied erwartungsfroh zu Ms. Columbo. „Sie werden wahrscheinlich“, gab sie sich abgebrüht, „einfach nur erwarten, dass du mehr Trinkgeld gibst.“
Keine Ahnung, ob das so war; das überraschende Übertölpeln von German Psycho jedenfalls funktionierte. Zwar glänzte er obenrum mit britischem Tweed, doch darunter sah es zappenduster aus: amerikanische Jeans! Lächerlich!
Ich präsentierte also mit mühsam unterdrücktem Triumph meinen neuen – allerdings aus Kunstfasern bestehenden – Maßanzug, der von den beiden Montagsausgehern auch durchaus gewürdigt wurde.
„Hübsch“, lobte der Fachmann generös. „Nur die Ärmel sind zu lang. Das Kürzen kostet aber nur zehn Euro beim Herrenschneider.“
Nur zehn Euro, das geht ja. Trotzdem wäre es schön gewesen, wenn am Abend meines größten Modetriumphes auch die Sakkoärmel die korrekte Länge gehabt hätten.
Sogar die beiden Zwick’schen Atombusenrockpuppen schauten irritierend konsterniert. Dabei gäbe es bei denen kleidungstechnisch auch einiges zu verbessern. Ohne jetzt ins Detail gehen zu wollen.
30 Januar 2012
Wie mir eine schöne Frau den Abend rettete
Von mittags um zwei bis abends um 17:30 Uhr bei minus sechs Grad im Berliner Olympiastadion auszuharren: Das ist schon mal ein höchst zweifelhaftes Vergnügen. Dabei auch noch den HSV gewinnen zu sehen kann einem das ganze Wochenende verderben.
Zum Glück war ich danach mit einem Freund aus Studienzeiten unterwegs, der als Übersetzer arbeitet und mir nach einem Andechser Dunkel mit einer leicht chauvinistisch unterfütterten Allegorie den Abend versüßte:
„Eine Übersetzung ist wie eine Frau“, sprach er, „wenn sie schön ist, ist sie nicht treu; und wenn sie treu ist, ist sie nicht schön.“
Beim Hören dieser weisen Worte verblasste die eisige Erinnerung an Herthas Betonwanne sofort. Nur nicht die an den HSV-Sieg.
Aber man kann nicht alles haben.
28 Januar 2012
Der Clash fällt vorerst aus
Das größte Hamburger Rotlichtviertel außerhalb von St. Pauli befindet sich am Steindamm hinterm Hauptbahnhof; ein Viertel, das zugleich von einer Wohnbevölkerung überwiegend islamischen Glaubens geprägt ist.
Dieser Umstand klingt nach einem programmierten Clash der Kulturen, doch der erschöpft sich bislang allenfalls in lustigen Kontrasten, wie die beiden abgebildeten Werbeschilder zeigen.
Hier runtergesetzte Gebetsmützen oder frisch eingetroffenes „Zam-Zam Wasser“ aus Mekka; dort, nur wenige Meter weiter, eine flüsternde Hure im Hauseingang oder eine annotierte Gang-Bang-Party.
Es geht also, man muss nur wollen.
Vallah.
27 Januar 2012
Fundstücke (152)
Dieses forschfrivole Reklameschild ist dort, wo es steht, durchaus ein Wagnis, denn es verziert die Altstadt des stark christlich kontaminierten hessischen Städtchens Herborn.
Möglicherweise führt der anzüglich unterfütterte Claim bei manchem Zufallspassanten zu mentaler Verschnupfung. Oder zu noch Schlimmerem: einem Leserbrief an die Lokalpresse. Das ist dort die Bazooka des rechtschaffen Empörten.
Aber vielleicht sind sie inzwischen auch schon viel weiter als damals, zu meiner Zeit.
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26 Januar 2012
Die Truthahnschlacht von Unterfranken
Erst heute rückt der Franke mit einer Geschichte raus, die sich bereits während seines Weihnachtsurlaubs zugetragen hat und der Welt natürlich schon längst hätte bekanntgegeben werden müssen. Denn Unfassliches war geschehen.
In der Zeit zwischen den Jahren frönt der Franke traditionell ganz besonders den leiblichen Genüssen, und so kam es zu einem für seinen Volksstamm typischen Wettbewerb, dem er sich nur allzu gerne stellte. Es ging darum, wer im Verlauf eines dreistündigen Gelages am meisten Gewicht zuzulegen in der Lage war, wobei alle Formen oraler Zufuhr erlaubt waren und die feste Basis aus einem kapitalen Truthahn bestand.
Der Franke schüttete also begleitend und unter sorgfältiger Verkneifung jeglichen Besuches sanitärer Anlagen famose Mengen Bier in sich hinein und flankierte diese Tätigkeit mit – wie ihm schien – ausreichenden Unmengen von Truthahnteilen.
Einer seiner Konkurrenten bei diesem Schreckensmahl der Maßlosigkeit – es handelte sich um einen aus Sicht des gelernten fränkischen Gourmands total unterqualifizierten Halbspanier – nickerte zwischendurch sogar auf dem Sofa ein, was den Franken fast platzen ließ vor Siegessicherheit.
Übergroß war allerdings seine Bestürzung, als seine nach drei Stunden amtlich ermittelte Zunahme um beeindruckende 1,4 Kilogramm nicht einmal im Entferntesten ausreichte, den Kampf mit dem Semiiberer für sich zu entscheiden. Nein, der Nickermann vom Sofa toppte ihn um fast ein halbes Kilo.
„Dabei war das ein Halbspanier!“, zeigt sich der Franke noch immer rechtschaffen fassungslos über diese Anmaßung einer im Sinne des ausgetragenen Wettbewerbs unterentwickelten Ethnie. Und nicht nur das: Dem Franken war es nicht einmal gelungen, wenigstens Platz zwei zu erringen.
Dort rangierte – eine Düpierung ohnegleichen! – eine Frau. „Aber nur“, versuchte der Franke vergeblich das Desaster zu beschönigen, „weil die Zunahme prozentual in Relation zum Körpergewicht gemessen wurde!“
Das alles erzählte der noch immer sichtlich erschütterte Profivertilger mittags im Voltaire, während er die zweite Ladung mit Eisbein veredeltem Erbseneintopf in sich hineinschaufelte wie ein Walhai vier Tonnen Krill.
Um es also nach diesen etwas gewundenen Ausführungen noch einmal ganz klar zu sagen: Der Franke hat verloren.
Beim Essen.
Beim Vielessen.
Er wird alt.
PS: Da mir diese Geschichte nur zugetragen wurde, konnte ich die Truthahnschlacht von Unterfranken natürlich nicht fotografisch dokumentieren. Daher mag das abgebildete, aus einer Rohrlampe lugende Etwas, welches in unmittelbarer Nähe der Bürotür des Franken tagein, tagaus Wache schiebt, zur Illustration genügen.
In der Zeit zwischen den Jahren frönt der Franke traditionell ganz besonders den leiblichen Genüssen, und so kam es zu einem für seinen Volksstamm typischen Wettbewerb, dem er sich nur allzu gerne stellte. Es ging darum, wer im Verlauf eines dreistündigen Gelages am meisten Gewicht zuzulegen in der Lage war, wobei alle Formen oraler Zufuhr erlaubt waren und die feste Basis aus einem kapitalen Truthahn bestand.
Der Franke schüttete also begleitend und unter sorgfältiger Verkneifung jeglichen Besuches sanitärer Anlagen famose Mengen Bier in sich hinein und flankierte diese Tätigkeit mit – wie ihm schien – ausreichenden Unmengen von Truthahnteilen.
Einer seiner Konkurrenten bei diesem Schreckensmahl der Maßlosigkeit – es handelte sich um einen aus Sicht des gelernten fränkischen Gourmands total unterqualifizierten Halbspanier – nickerte zwischendurch sogar auf dem Sofa ein, was den Franken fast platzen ließ vor Siegessicherheit.
Übergroß war allerdings seine Bestürzung, als seine nach drei Stunden amtlich ermittelte Zunahme um beeindruckende 1,4 Kilogramm nicht einmal im Entferntesten ausreichte, den Kampf mit dem Semiiberer für sich zu entscheiden. Nein, der Nickermann vom Sofa toppte ihn um fast ein halbes Kilo.
„Dabei war das ein Halbspanier!“, zeigt sich der Franke noch immer rechtschaffen fassungslos über diese Anmaßung einer im Sinne des ausgetragenen Wettbewerbs unterentwickelten Ethnie. Und nicht nur das: Dem Franken war es nicht einmal gelungen, wenigstens Platz zwei zu erringen.
Dort rangierte – eine Düpierung ohnegleichen! – eine Frau. „Aber nur“, versuchte der Franke vergeblich das Desaster zu beschönigen, „weil die Zunahme prozentual in Relation zum Körpergewicht gemessen wurde!“
Das alles erzählte der noch immer sichtlich erschütterte Profivertilger mittags im Voltaire, während er die zweite Ladung mit Eisbein veredeltem Erbseneintopf in sich hineinschaufelte wie ein Walhai vier Tonnen Krill.
Um es also nach diesen etwas gewundenen Ausführungen noch einmal ganz klar zu sagen: Der Franke hat verloren.
Beim Essen.
Beim Vielessen.
Er wird alt.
PS: Da mir diese Geschichte nur zugetragen wurde, konnte ich die Truthahnschlacht von Unterfranken natürlich nicht fotografisch dokumentieren. Daher mag das abgebildete, aus einer Rohrlampe lugende Etwas, welches in unmittelbarer Nähe der Bürotür des Franken tagein, tagaus Wache schiebt, zur Illustration genügen.
24 Januar 2012
Wo sind die Polen?
Unter den Werbeflächen an der Simon-von-Utrecht-Straße, wo seit Jahren die polnischen Obdachlosen lagern, herrscht heute ausnahmsweise mal wieder Ödnis.
Die Männer sind werweißwohin. Wo sonst die Werbemotive bisweilen zynische Kommentare zur Lage der unter ihnen lagernden Elenden abgeben, regiert nun das blanke Nichts.
Denn nicht nur die Menschen sind verschwunden, auch die Plakatwände haben heute keine Botschaft – ganz so, als wären beide, die Obdachlosen und die Reklame, aufeinander angewiesen, als wären sie nur gemeinsam denkbar, und wenn die einen verschwinden, auch die andere gar nicht erst auftaucht.
Die drei Plakatwände wirkten – man verzeihe mir die pathetische Anwandlung – wie das Triptychon einer großen Abwesenheit.
Höchste Zeit, dass die Polen wiederkommen.
22 Januar 2012
Am nördlichen Weißwurstäquator
Zweimal im Jahr lädt der Franke in seine Butze nach Eimsbüttel, um eine ausgewählte magenstarke Klientel mit einer Fußballübertragung in HD und fränkischen Weißwürsten zu beglücken. Wir kommen vor allem wegen der Weißwürste, lassen den Franken aber im Glauben, es läge am HD.
Diesmal ist auch der Syrer dabei, der nicht nur FC-Bayern-Fan und davon überzeugt ist, dank transzendentaler Meditation irgendwann fliegen zu können („Ich bin halt noch nicht so weit!“), sondern auch Weißwürste für ein Werk des Teufels hält.
Übrigens denkt er das erstaunlicherweise nicht über harte Alkoholika, die einem – in ausreichender Quantität inkorporiert – das Hirn wegpusten, aber das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls bekaut der Syrer statt Weißwürsten munter wurstförmigen Seitan, lehnt aber gleichwohl unser Mitleid schroff ab.
Die Weißwürste, an denen wir anderen vier Esser uns wohlig laben, sind übrigens erstaunlicherweise original hamburgischer Herkunft – eine Tatsache, welche die drunten auf der heimischen Krume verbliebene Schwester des Franken telefonisch scharf missbilligt.
Er aber kann mit dem deutschen Meistertitel der liefernden Metzgerei Rose kontern. Bei diesem Wettbewerb schlug die Metzgerei Rose alle anderen angereisten Weißwürste souverän aus dem Rennen, auch und zuvörderst fränkische.
Die Schwester soll diese Botschaft stark getroffen und sich daraufhin, so rekapituliert es der Franke, auf die als Beilage gereichten Brezeln eingeschossen haben, die in Hamburg mit Sicherheit nur „labberich und schmierich“ geraten könnten. Und diese Mutmaßung konnten wir offen gesagt voll und ganz verifizieren.
Zurück zu den Weißwürsten, genauer gesagt: zur Technik der Verzehrvorbereitung. Ich dachte immer, ich zutzelte sie ordnungsgemäß, doch sowohl der Franke als auch der süddeutschlanderfahrene A. verlachten mein eifriges Tun als simples Pellen.
Dass ich offenkundig das liebreizende Verb „zutzeln“ (welches meine automatische Rechtschreibkorrektur verzweifelt in „hutzeln“ umzuschreiben versucht) semantisch seit Jahren missgedeutet habe, schlug mir eine tiefe Wunde, die zum Glück durch die ganzen Gladbacher Tore gegen den FC Bayern wieder vollends geheilt werden konnte.
Dem Franken und dem Syrer ging es übrigens genau umgekehrt.
19 Januar 2012
Befremdlich vertraut
Auf dem untersten Absatz im Treppenhaus, ein paar Meter hinter der Eingangstür, sitzt ein Mann. Er ist hohlwangig, seine Augen liegen tief versteckt im hageren Schädel, sein Bart ist so stoppelig wie seine Zahnreihen lückenhaft.
In der linken Hand hat der Mann eine Fernsehzeitung und in der rechten eine Packung Jacobs Krönung. Er riecht daran und macht „Ahhh!“.
Ein befremdliches Gebaren, doch auch wenn das jetzt paradox klingt: Gerade das Befremdliche ist einem hier auf St. Pauli besonders vertraut.
Wie auch immer: Erst als ich diesen an einer Kaffeepackung schnuppernden Liederling unter Entbietung eines kurz geknurrten Standard-„Moin“ passiert und unser Haus verlassen habe, dämmert mir das Wichtigste.
Er wohnt hier gar nicht. Aber er sitzt in unserem Hausflur. Und riecht an einer Packung Jacobs Krönung und macht „Ahhh!“.
Das erfordert Maßnahmen, doch zuerst wollen die Frühstücksbrötchen beschafft werden. Unterwegs überlege ich, mit welchen wohlgesetzten, gleichwohl unmissverständlichen und mit der nötigen Grundschärfe im Ton versehenen Worten ich ihn bei meiner Rückkehr hinausexpedieren werde.
Einige Minuten später steht die Ansprache wie eine Eins – doch als ich zurückkomme, sehe ich den Mann Richtung Millerntorplatz davonschlurfen.
Wie er in unser Haus gekommen ist, welche Bedeutung die Kombi TV-Zeitschrift und Kaffeepackung hat bei einem Kantonisten, der mit hoher Wahrscheinlichkeit weder über ein Fernsehgerät noch über eine Kaffeemaschine verfügt:
Wir werden es nie erfahren.
In der linken Hand hat der Mann eine Fernsehzeitung und in der rechten eine Packung Jacobs Krönung. Er riecht daran und macht „Ahhh!“.
Ein befremdliches Gebaren, doch auch wenn das jetzt paradox klingt: Gerade das Befremdliche ist einem hier auf St. Pauli besonders vertraut.
Wie auch immer: Erst als ich diesen an einer Kaffeepackung schnuppernden Liederling unter Entbietung eines kurz geknurrten Standard-„Moin“ passiert und unser Haus verlassen habe, dämmert mir das Wichtigste.
Er wohnt hier gar nicht. Aber er sitzt in unserem Hausflur. Und riecht an einer Packung Jacobs Krönung und macht „Ahhh!“.
Das erfordert Maßnahmen, doch zuerst wollen die Frühstücksbrötchen beschafft werden. Unterwegs überlege ich, mit welchen wohlgesetzten, gleichwohl unmissverständlichen und mit der nötigen Grundschärfe im Ton versehenen Worten ich ihn bei meiner Rückkehr hinausexpedieren werde.
Einige Minuten später steht die Ansprache wie eine Eins – doch als ich zurückkomme, sehe ich den Mann Richtung Millerntorplatz davonschlurfen.
Wie er in unser Haus gekommen ist, welche Bedeutung die Kombi TV-Zeitschrift und Kaffeepackung hat bei einem Kantonisten, der mit hoher Wahrscheinlichkeit weder über ein Fernsehgerät noch über eine Kaffeemaschine verfügt:
Wir werden es nie erfahren.
17 Januar 2012
Es gibt Wurstschneidemaschinen!
Der Sonntag war schön wie Uschi Obermaier anno 68, die Sonne brachte Hamburg zum Leuchten, und wir fuhren weit raus nach Steilshoop, weil dort laut iPhone-App ein Flohmarkt anberaumt war. Allerdings ein spezieller, wie sich herausstellte.
Wir wussten vorher kaum etwas über Steilshoop, haben aber seit diesem Ausflug eine ungefähre Vorstellung von der Zusammensetzung der dortigen Population – zumindest, wenn man die Flohmarktstände als Datenbasis zugrundelegen darf.
Praktisch jeder Steilshooper Flohmarktanbieter hatte sein Angebot nämlich auf die Bedürfnisse von Besuchern mit breitgefächertem Migrationshintergrund abgestellt. Es gab polnische Pierogi, die in der Wintersonne klammheimlich ihr Mindesthaltbarkeitsdatum heruntersetzten, ein Händler offerierte „Hausschuhe für zwei Euro!“, und zwar welche, die gefüttert waren mit original Lammfellimitat, und komplette Kunstfaserbettgarnituren wurden für sagenhafte acht Euro unter die dankbaren Völker dieser Welt gebracht.
Auch Handyschalen gab es sonder Zahl, russische und türkische Wortfetzen tanzten Ringelreihen in der frostigen Luft, und an einem Stand stapelten sich für kleines Geld die unfassbarsten Küchenhelfer. Darunter auch der „Wurst-Schneider Curry Max Das Original“, bekannt aus der TV-Werbung.
Kein Zweifel: Dieser Steilshooper Flohmarkt war an einem Tag, der so schön war wie Uschi Obermaier anno 68, auch eine etwas weitere Anreise wert, selbst wenn wir, Ms. Columbo und ich, dort draußen als Zielpublikum völlig versagten. Doch vielleicht entwickeln wir uns ja noch, man kann nie wissen.
Dieser Schokobrunnen für zehn Euro brachte mich jedenfalls schon mal ins Grübeln, verdammt.
Wir wussten vorher kaum etwas über Steilshoop, haben aber seit diesem Ausflug eine ungefähre Vorstellung von der Zusammensetzung der dortigen Population – zumindest, wenn man die Flohmarktstände als Datenbasis zugrundelegen darf.
Praktisch jeder Steilshooper Flohmarktanbieter hatte sein Angebot nämlich auf die Bedürfnisse von Besuchern mit breitgefächertem Migrationshintergrund abgestellt. Es gab polnische Pierogi, die in der Wintersonne klammheimlich ihr Mindesthaltbarkeitsdatum heruntersetzten, ein Händler offerierte „Hausschuhe für zwei Euro!“, und zwar welche, die gefüttert waren mit original Lammfellimitat, und komplette Kunstfaserbettgarnituren wurden für sagenhafte acht Euro unter die dankbaren Völker dieser Welt gebracht.
Auch Handyschalen gab es sonder Zahl, russische und türkische Wortfetzen tanzten Ringelreihen in der frostigen Luft, und an einem Stand stapelten sich für kleines Geld die unfassbarsten Küchenhelfer. Darunter auch der „Wurst-Schneider Curry Max Das Original“, bekannt aus der TV-Werbung.
Kein Zweifel: Dieser Steilshooper Flohmarkt war an einem Tag, der so schön war wie Uschi Obermaier anno 68, auch eine etwas weitere Anreise wert, selbst wenn wir, Ms. Columbo und ich, dort draußen als Zielpublikum völlig versagten. Doch vielleicht entwickeln wir uns ja noch, man kann nie wissen.
Dieser Schokobrunnen für zehn Euro brachte mich jedenfalls schon mal ins Grübeln, verdammt.
16 Januar 2012
Hausverbot mit Ansage
Ein Kioskladen in der Silbersackstraße, schräg gegenüber der berühmten Kneipe (Foto). Vor mir in der Schlange steht ein Mann. Geduldig rückt er vor. Als er dran ist, sagt er zum Verkäufer: „Haste ma fümunswansich Cent?“
Das bringt den Verkäufer binnen einer tausendstel Nanosekunde auf 180. „Hausverbot!“, platzt es augenblicklich aus ihm heraus, „du hast Hausverbot!“ Er zeigt mit leninesker Geste zur Tür, seine Augen funkeln vor Zorn.
„Steck dir dein Hausverbot in’n Arsch!“, ruft der Schnorrer. Derweil geht er allerdings gehorsam hinaus, die Hände tief in den Taschen, wie ein Flaneur.
Dieses Kleinbeigeben trotz vokaler Renitenz – eine Ton-Bild-Schere in freier Wildbahn – ist natürlich inkonsequent. Es verhindert aber zuverlässig jede weitere Eskalation, und darauf kommt es doch an.
Erstaunlicher war eh seine von vorneherein sinnlose Strategie des Anstellens. Schließlich war absehbar, wie das alles ausgehen würde. Wäre ich ein Schnorrer, hätte ich eher die Leute in der Schlange statt den Verkäufer angebaggert – also zum Beispiel mich.
Aber was weiß ich schon.
Das bringt den Verkäufer binnen einer tausendstel Nanosekunde auf 180. „Hausverbot!“, platzt es augenblicklich aus ihm heraus, „du hast Hausverbot!“ Er zeigt mit leninesker Geste zur Tür, seine Augen funkeln vor Zorn.
„Steck dir dein Hausverbot in’n Arsch!“, ruft der Schnorrer. Derweil geht er allerdings gehorsam hinaus, die Hände tief in den Taschen, wie ein Flaneur.
Dieses Kleinbeigeben trotz vokaler Renitenz – eine Ton-Bild-Schere in freier Wildbahn – ist natürlich inkonsequent. Es verhindert aber zuverlässig jede weitere Eskalation, und darauf kommt es doch an.
Erstaunlicher war eh seine von vorneherein sinnlose Strategie des Anstellens. Schließlich war absehbar, wie das alles ausgehen würde. Wäre ich ein Schnorrer, hätte ich eher die Leute in der Schlange statt den Verkäufer angebaggert – also zum Beispiel mich.
Aber was weiß ich schon.
15 Januar 2012
„Ich muss GAR NICHTS!“
Ich radle durch die Annenstraße, die zwar eigentlich eine Einbahnstraße, für Fahrräder aber in beide Richtungen befahrbar ist, als mir ein Auto entgegenkommt.
Es visiert eine Parklücke an – allerdings eine auf meiner Seite und zudem genau in dem Moment, als ich vorüberradeln will.
Beide steigen wir in die Eisen, ich vermeide es in letzter Sekunde, dem Wagen dekorativ über Kühlerhaube, Dach und Heck zu rollen – und bin sauer. Und zwar mit allem Recht, das die Straßenverkehrsordnung herzugeben in der Lage ist.
Der Fahrer leiert die Scheibe runter. „Sagen Sie mal …“, hebe ich an, als er auch schon losblökt. „Ich hab den BLINKER gesetzt“, schreit er, „weißte nich, was’n BLINKER ist?“
Wie immer, wenn Leute, die ich gerade aus einer Position moralischer Überlegenheit heraus anblaffen will, stattdessen mich anblaffen, bin ich derart verblüfft, dass ich nicht in adäquater Eloquenz reagieren kann.
„Wenn Sie einparken wollen, müssen Sie doch erst mal den Gegenverkehr …“, versuche ich eine Belehrung, doch er – ein Mittfünfziger mit Sorgenfurchen um die Lippenwinkel, dessen eigentlich beeindruckend üppige Haarpracht dadurch immens an Wirkung einbüßt, dass er sie trägt wie Jürgen Drews 1977 – haut dazwischen.
„Ich muss GAR NICHTS!“, brüllt er, „und jetzt fahr weiter!“ Dann leiert er die Scheibe hoch. Was schade ist.
Denn ich hätte ihm einerseits noch sehr gerne erläutert, dass er als PS-starker Beweger einer ganzen Tonne Stahl 76-Kilo-Radler grundsätzlich wie Mingvasen behandeln sollte, auch und gerade beim ordnungswidrigen Versuch, die Fahrbahn trotz Gegenverkehrs zu queren.
Und zum andern hätte ich ihm auch gerne noch in wohlgesetzt harschen Worten dafür kritisiert, mich ohne Not geduzt zu haben. So aber blieben mir nur dumpfer Groll sowie zwei Überzeugungen: Dieser Mann kann unmöglich St. Paulianer sein – und er gibt Blogstoff ab.
Und so geschah es dann ja auch.
PS: Einen Vorteil hat es ja, die Szene vor lauter Schreck nicht fotografisch dokumentiert zu haben: Ich kann irgendwas hier reinstellen. Sogar ein Foto des hübschen Graffitis am Lieblingshaus der Wildpinkler an der Großen Freiheit, Ecke Schmuckstraße.
13 Januar 2012
Schlappenalarm
Sechs Tage lang ächzte und rödelte mein MacBook unermüdlich Tag und Nacht, um jene 5.524 Songs aus meiner Mediathek, die iTunes unbekannt waren, in die Wolke zu schaufeln. Und genau in dem Moment, als das letzte Stück endlich, endlich seine Himmelfahrt hinter sich hatte, klingelte es.
German Psycho und Twelectra standen vereinbarungsgemäß vor der Tür, um sich an unserer seilerstraßenweit weltberühmten Spezialität zu delektieren, nämlich Estragonlachs an Basmatireiskuchen mit Backofenkürbis.
Herr GP war ausstaffiert, als hätte er in letzter Sekunde den Neujahrsempfang des Bundespräsidenten boykottiert. Also musste ich ihn auf Filzpantoffelniveau runterbrechen und reichte die Einwegschlappen, die vom letzten Aufenthalt im Maritim-Hotel übrig waren.
Anzug mit Einstecktuch, Krawatte, Hemd etcetera – und dazu Einwegschlappen: Bei diesem fotografisch ordnungsgemäß dokumentierten Anblick braucht selbst ein Blogeintrag keine Pointe mehr.
12 Januar 2012
Die Tatterattacke
Heute stieß der Franke beim vergeblichen Versuch, mit Hilfe einer Metallzange Amaretti auf die Untertasse zu legen, zweimal hintereinander seine Espressotasse um, so dass sich beider Inhalt durchaus ästhetisch über den Holztresen ergoss.
Da die Kaffeebar, wo sich das erbarmungswürdige Schauspiel begab, nur Menschen mit Behinderungen beschäftigt, muss man diese Tatterattacke wohl als ernsthaftes Stellengesuch des Franken interpretieren.
Wenn sie ihn einstellen, ist dieses Blog am Ende. Drücken wir also alle
gemeinsam die Daumen.
Oder lasset uns beten.
11 Januar 2012
10 Januar 2012
Schnick Schnack Schnuck um Speckfrikadellen
Also: Rahmspinat mit Rührei oder doch lieber Speckfrikadellen mit Senfsauce und Röstkartoffeln? Die Mittagskarte des Voltaire in der Friedensallee (Foto) macht es dem Franken und mir nicht leicht, doch schließlich ist die Sache für uns beide klar.
„Die Speckfrikadellen, bitte“, sagt der Franke, und darauf hätte ich natürlich unbesehen meine komplette Sammlung 1976er Trockenbeerenauslesen verwettet.
„Nehme ich auch“, sage ich.
„Nehmen Sie nicht“, sagt die Bedienung.
Wir schauen sie an, als hätte sie uns gerade erzählt, der Papst habe in Strapsen das Casino von Travemünde überfallen. „Es ist nämlich“, präzisiert sie genüsslich, „nur noch eine Portion da.“ Ach so. Da der Franke bereits geordert hat, bescheide ich mich generös mit dem Spinat. Ist ja ebenfalls eine feine Sache, fragen Sie Popeye.
Doch der gemeinhin auch inwendig eher grobschlächtig geformte Franke entdeckt plötzlich ein der Welt bislang tief verborgen gebliebenes Faible für Fairness und schlägt vor, Schnick Schnack Schnuck um die Portion Speckfrikadellen zu spielen. Bis drei.
Als Freund jedweden Duellierens – unabhängig von Speckfrikadellen – willige ich freudig ein. Sofort gerate ich 0:1 ins Hintertreffen, gleiche mit Stein gegen Schere aus und drehe schließlich in der finalen Runde das Spiel mit Schere gegen Papier. Der Franke hat gedacht, ich setzte auf Brunnen. Ich hingegen habe gar nicht gedacht, sondern nur gemacht.
Just als mir also die Speckfrikadellen zuungunsten des Spinats wieder als mittägliche Verheißung vorm geistigen Auge auferstehen, kommt die Bedienung zurück. „Entwarnung“, sagt sie, „es sind doch noch zwei Portionen da.“
In des Franken Auge flammt sofort die Freude schöner Götterfunken auf; es ist Ausdruck tiefempfundenen Glücks desjenigen, der unversehens doch noch etwas zu mümmeln kriegt, das er längst abgeschrieben hatte: Speckfrikadellen. Und nichts und niemand wird ihn von ihrem umstandslosen Verzehr abhalten können, nicht mal Brunnen.
„Gerade haben wir noch Schnick Schnack Schnuck um die Speckfrikadellen gespielt“, schildere ich der Bedienung die Ereignisse der letzten 30 Sekunden, „und ich habe gewonnen.“ Sie zuckt mit den Schultern.
Irgendwie fühle ich mich jetzt, als hätte man mir am grünen Tisch einen Sieg geklaut, dabei kriege ich doch ebenfalls Speckfrikadellen.
Versteh einer die menschliche Psyche.
PS: Die „Frankensaga“ ist bei Amazon billiger geworden: 3,42 statt 3,82 €. Sale! SALE!
09 Januar 2012
Peinlich: Senat schämt sich für Elbphilharmonie (oder?)
Seit fast 17 Jahren wohnen wir in Hamburg, also wird es endlich Zeit für eine Stadtrundfahrt. Und Süßschnäbel wie wir sollten uns auch das frischeröffnete Chocoversum am Meßberg ansehen. „Eine richtige Touritour“, vorfreut sich Ms. Columbo, „nur ohne Anreise.“
An den Landungsbrücken erwischen wir die besten Sitze oben im Doppeldeckerbus, und schon kreuzen wir gemütlich durch unsere Stadt, untermalt von einem (natürlich) auf Ortsfremde gemünzten Soundtrack inklusive uralter Herrenwitze („Wissen Sie, warum der Neue Wall auch Schick-Scheck-Schock-Straße genannt wird? Weil die Dame erst was schick findet, dann den Scheck zückt und der Mann zu Hause einen Schock kriegt.“).
Wir erfahren auch, warum wir Zugezogenen „Quiddjes“ genannt werden. Irgendwann in grauer Vorzeit nämlich sollen die Hamburger von Auswärtigen, die ihre Stadt betreten wollten, Eintrittsgeld verlangt haben. Dafür wurde ihnen eine Quittung ausgestellt, auf Plattdeutsch „Quiddje“ …
Jedenfalls plaudert unser Reiseführer munter vor sich hin, verweist auf dies und das, identifiziert für uns die rosa Villa von Karl Lagerfeld, ohne dessen Namen zu nennen – doch irgendetwas fehlt. Eine der größten hiesigen Attraktionen spart der Mann merkwürdigerweise aus, obwohl wir zweimal dran vorbeifahren: die Elbphilharmonie.
Das kommt mir sehr komisch vor, und ich frage ihn am Ende der Rundfahrt, warum er dieses so berühmte wie berüchtigte Halbmilliardengrab mit keiner Silbe erwähnt hat.
„Weil die Stadt das nicht möchte“, sagt er freimütig. Alle Rundfahrtbetreiber, erzählt er, hätten ein Schreiben bekommen, in dem sie darum gebeten worden seien, die Elbphilharmonie tunlichst nicht zu erwähnen.
Habe ich das richtig verstanden? Ganz Deutschland liest ständig etwas über neue Kostenexplosionen dieses Prestigebaus, der die Skyline Hamburgs auf Generationen prägen wird, aber hier, vor Ort, Aug in Aug mit seinen Bullaugenfenstern, wird die Existenz Ihrer Exzellenz vor den Touristen totgeschwiegen?
Olaf Scholz hat also quasi eine Nachricht auf der Mailbox hinterlassen mit dem Ziel, eine Veröffentlichung zu verhindern, und falls die Rundfahrtbetreiber sich nicht dran halten, ist der Rubikon überschritten, und es wird Krieg geführt, oder was …?
Diese anscheinend öffentlich noch gar nicht bekannte „Bitte“ des Senats trägt jedenfalls Früchte; denn kein unbedarfter Tourist erfuhr heute während unserer Stadtrundfahrt, welch kapriziöses Gebäude an der Kehrwiederspitze gen Himmel wächst und warum sein Anblick so dröhnend verschwiegen wird.
Eine Blamage für Hamburg – und ein peinlicher Beweis dafür, wie sehr die Stadt sich mittlerweile schämt für ein Projekt, das einst als das genaue Gegenteil geplant war: als hanseatischer Imagebooster.
Nach dieser derart kurios geendeten Rundfahrt ging es noch ins sogenannte Chocoversum, das angesichts seiner Größe und Ausstattung eher Chocohütte heißen sollte. Und trotz 9,50 Euro Eintritt rücken sie nicht mal eine kostenlose Rippe Schokolade raus – hach, Hachez, so wird das nix.
An den Landungsbrücken erwischen wir die besten Sitze oben im Doppeldeckerbus, und schon kreuzen wir gemütlich durch unsere Stadt, untermalt von einem (natürlich) auf Ortsfremde gemünzten Soundtrack inklusive uralter Herrenwitze („Wissen Sie, warum der Neue Wall auch Schick-Scheck-Schock-Straße genannt wird? Weil die Dame erst was schick findet, dann den Scheck zückt und der Mann zu Hause einen Schock kriegt.“).
Wir erfahren auch, warum wir Zugezogenen „Quiddjes“ genannt werden. Irgendwann in grauer Vorzeit nämlich sollen die Hamburger von Auswärtigen, die ihre Stadt betreten wollten, Eintrittsgeld verlangt haben. Dafür wurde ihnen eine Quittung ausgestellt, auf Plattdeutsch „Quiddje“ …
Jedenfalls plaudert unser Reiseführer munter vor sich hin, verweist auf dies und das, identifiziert für uns die rosa Villa von Karl Lagerfeld, ohne dessen Namen zu nennen – doch irgendetwas fehlt. Eine der größten hiesigen Attraktionen spart der Mann merkwürdigerweise aus, obwohl wir zweimal dran vorbeifahren: die Elbphilharmonie.
Das kommt mir sehr komisch vor, und ich frage ihn am Ende der Rundfahrt, warum er dieses so berühmte wie berüchtigte Halbmilliardengrab mit keiner Silbe erwähnt hat.
„Weil die Stadt das nicht möchte“, sagt er freimütig. Alle Rundfahrtbetreiber, erzählt er, hätten ein Schreiben bekommen, in dem sie darum gebeten worden seien, die Elbphilharmonie tunlichst nicht zu erwähnen.
Habe ich das richtig verstanden? Ganz Deutschland liest ständig etwas über neue Kostenexplosionen dieses Prestigebaus, der die Skyline Hamburgs auf Generationen prägen wird, aber hier, vor Ort, Aug in Aug mit seinen Bullaugenfenstern, wird die Existenz Ihrer Exzellenz vor den Touristen totgeschwiegen?
Olaf Scholz hat also quasi eine Nachricht auf der Mailbox hinterlassen mit dem Ziel, eine Veröffentlichung zu verhindern, und falls die Rundfahrtbetreiber sich nicht dran halten, ist der Rubikon überschritten, und es wird Krieg geführt, oder was …?
Diese anscheinend öffentlich noch gar nicht bekannte „Bitte“ des Senats trägt jedenfalls Früchte; denn kein unbedarfter Tourist erfuhr heute während unserer Stadtrundfahrt, welch kapriziöses Gebäude an der Kehrwiederspitze gen Himmel wächst und warum sein Anblick so dröhnend verschwiegen wird.
Eine Blamage für Hamburg – und ein peinlicher Beweis dafür, wie sehr die Stadt sich mittlerweile schämt für ein Projekt, das einst als das genaue Gegenteil geplant war: als hanseatischer Imagebooster.
Nach dieser derart kurios geendeten Rundfahrt ging es noch ins sogenannte Chocoversum, das angesichts seiner Größe und Ausstattung eher Chocohütte heißen sollte. Und trotz 9,50 Euro Eintritt rücken sie nicht mal eine kostenlose Rippe Schokolade raus – hach, Hachez, so wird das nix.
08 Januar 2012
Die alte Frage: Koinzidenz oder Korrelation?
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