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15 Januar 2012
„Ich muss GAR NICHTS!“
Ich radle durch die Annenstraße, die zwar eigentlich eine Einbahnstraße, für Fahrräder aber in beide Richtungen befahrbar ist, als mir ein Auto entgegenkommt.
Es visiert eine Parklücke an – allerdings eine auf meiner Seite und zudem genau in dem Moment, als ich vorüberradeln will.
Beide steigen wir in die Eisen, ich vermeide es in letzter Sekunde, dem Wagen dekorativ über Kühlerhaube, Dach und Heck zu rollen – und bin sauer. Und zwar mit allem Recht, das die Straßenverkehrsordnung herzugeben in der Lage ist.
Der Fahrer leiert die Scheibe runter. „Sagen Sie mal …“, hebe ich an, als er auch schon losblökt. „Ich hab den BLINKER gesetzt“, schreit er, „weißte nich, was’n BLINKER ist?“
Wie immer, wenn Leute, die ich gerade aus einer Position moralischer Überlegenheit heraus anblaffen will, stattdessen mich anblaffen, bin ich derart verblüfft, dass ich nicht in adäquater Eloquenz reagieren kann.
„Wenn Sie einparken wollen, müssen Sie doch erst mal den Gegenverkehr …“, versuche ich eine Belehrung, doch er – ein Mittfünfziger mit Sorgenfurchen um die Lippenwinkel, dessen eigentlich beeindruckend üppige Haarpracht dadurch immens an Wirkung einbüßt, dass er sie trägt wie Jürgen Drews 1977 – haut dazwischen.
„Ich muss GAR NICHTS!“, brüllt er, „und jetzt fahr weiter!“ Dann leiert er die Scheibe hoch. Was schade ist.
Denn ich hätte ihm einerseits noch sehr gerne erläutert, dass er als PS-starker Beweger einer ganzen Tonne Stahl 76-Kilo-Radler grundsätzlich wie Mingvasen behandeln sollte, auch und gerade beim ordnungswidrigen Versuch, die Fahrbahn trotz Gegenverkehrs zu queren.
Und zum andern hätte ich ihm auch gerne noch in wohlgesetzt harschen Worten dafür kritisiert, mich ohne Not geduzt zu haben. So aber blieben mir nur dumpfer Groll sowie zwei Überzeugungen: Dieser Mann kann unmöglich St. Paulianer sein – und er gibt Blogstoff ab.
Und so geschah es dann ja auch.
PS: Einen Vorteil hat es ja, die Szene vor lauter Schreck nicht fotografisch dokumentiert zu haben: Ich kann irgendwas hier reinstellen. Sogar ein Foto des hübschen Graffitis am Lieblingshaus der Wildpinkler an der Großen Freiheit, Ecke Schmuckstraße.
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Du weißt - ehm, schulligung - Sie wissen wirklich nicht was ein Blinker ist. Das ist ein mobiles Vorfahrtszeichen.
AntwortenLöschenAußer freilich bei manchen Fahrzeugen oberer Klassen. Da dort die Blinker zumeist ohnehin defekt sind, gehört bei diesen das Vorfahrtzeichen zur impliziten Ausstattung
hm, ist in solchen Fällen die Mitnahme mindestens eines Aussenspiegels zum Zwecke des Aggressionsabbaus nicht gesetzlich vorgeschrieben ?
AntwortenLöschenMuss ich gleich mal im Lawblog kucken ...
Auch diese Gegenmaßnahme, Herr Mitleser, scheiterte natürlich mal wieder an meiner mangelnden Schlagfertigkeit.
AntwortenLöschenArdik, leider kann ich mich an die Fahrzeugmarke nicht mehr erinnern. Nur an die Farbe: Ochsenblut. Also genau das, was aus dem Fahrer herausgeflossen wäre, wenn German Psycho an meiner Stelle die Handlungshoheit gehabt hätte.
Nunja, wer in St.Pauli Auto fährt weiss auch, wie rar die Parkplätze sind.. und jede Sekunde zählt. Das ist natürlich kein Grund, einen Radfahrer umzunieten. Es sei denn natürlich es handelt sich um einen dieser Radfahrer, die schon vorher stundenlang mittig der Fahrbahn mit 15 km/h auf ihrem Recht beharren, auch auf der Strasse zu fahren und den gesamten Verkehr blockieren und jede rote Ampel ignorieren weil sie ja Fahrradfahrer sind und alles dürften ihrer Meinung nach. Die gibt es nämlich leider auch. Und da kann man schon zur Wildsau werden.
AntwortenLöschenWie gesagt: Mit einer Tonne Stahl als Waffe darf niemand zur Wildsau werden. Er sollte stattdessen im Bedarfsfall „Ommmmmmmm“ vor sich hin brummen.
AntwortenLöschenLieber Matt, ich hoffe, nein! ich bin mir SICHER, Sie haben sich das Nummernschild dieses Verkehrsteilnehmers gemerkt. Wir werden dieses „Gespräch”, wie Sie eine weitere Eskalationsstufe euphemistischerweise nennen, schon noch hinbekommen, keine Sorge.
AntwortenLöschen(Übrigens bin ich anhand Ihrer Beschreibung DIESMAL auf seiten des Radfahrers – aber wenn ich Ihnen mal ein paar Storys über rücksichtlose Radfahrer mir als Fußgänger gegenüber erzählen darf...)
Gegenseitigen Respekt und Rücksichtnahme im Straßenverkehr darf man heutzutage wohl nicht mehr erwarten. Wie sagt der Engländer so schön: There is no "I" in Straßenverkehr. Allerdings trifft man leider immer wieder auf die Sorte Verkehrsteilnehmer, die glauben, die ganze Infrastruktur wäre nur für sie geschaffen worden, und sich auch dementsprechend benehmen. Leider gibt es die auf beiden Seiten, und ebenfalls leider immer mehr davon.
AntwortenLöschenEs ist gut, daß Sie diesen Barbaren nicht hier abbilden.
AntwortenLöschenIch will nicht verallgemeinern, aber Autofahrer, so meine langjährige Erfahrung, sind oft Proleten. (Ich möchte hier nur ganz nebenbei erwähnen, daß ich nicht fahren kann, weil ich es immer für überflüssig und unter meiner Würde gehalten habe.)
Daß die Unfähigkeit, einen Sachverhalt auch nur im Kern richtig einzuschätzen, und die Dreistigkeit, andere Leute zu duzen, oft Hand in Hand gehen, verwundert mich persönlich nicht. Keine Ahnung haben, dieses Manko als nicht störend zu empfinden und sich nicht benehmen zu können, das gehört schon irgendwie ein bißchen zusammen.
„Ich will nicht (...) aber” – klasse. Klappt immer.
AntwortenLöschenIch will ja nichts sagen, aber... Ich bin ebenfalls Fahrradfahrer, auch diese können (genauso wie Fußgänger, Autofahrer, Roller- und Mofafahrer, Motorrad- und LKW-Fahrer, Rollstuhlfahrer, Roller- und Inlineskater, irgendwen vergessen?) Proleten sein. Das hat nix mit der Fortbewegungsweise, eher mit der Denkweise zu tun. Und ja, ich hab mich selbst auch schon dabei erwischt, mich dumm und rücksichtslos im Straßenverkehr zu benehmen ;) Normalerweise versuche ich es aber mit Rücksicht, ist sicherer und entspannter.
AntwortenLöschenAlso, ich will ja nicht kommentieren, und schon gar nicht einem anonymen Kommentator zustimmen, ABER! er hat recht.
AntwortenLöschenIch würde Ihnen beiden am liebsten widersprechen, aber das geht irgendwie nicht. Blockade.
AntwortenLöschenIch immer, für das brummende „Ommmmmmmm“ seien die sechs oder acht Zylinder zuständig.
AntwortenLöschenZu blöd auch, wenn man das überflüssige „immer“ eliminieren will und stattdessen das Denken erwischt. Teufelskreis.
AntwortenLöschenDenken ist eben Glückssache.
AntwortenLöschenSchon immer gewesen. Ein rein statistisches Geschehen. In heutige Zeiten fast so zufällig wie Korrekturlesen.
AntwortenLöschenAusnahmen bestätigen - wie so oft (ist das jetzt paradox?) - die Regel.