18 September 2011

Die Moleküle des Mittelmeers



Zu neunt über die Alpen – das klingt nach Expedition und Abenteuer, hat seine Ursache aber nur in einem extrem dünnbesiedelten Reisebus (Foto: die obere Etage).

Auf dem Schiff beginnt das Schicksal umstandslos damit, uns härteste Prüfungen aufzuerlegen. Aus einem Prospekt nämlich erfahren wir von der Existenz eines SCHOKOLADENBRUNNENS.

„Ich habe Angst davor“, gestehe ich Ms. Columbo.
„Ich habe auch Angst“, erwidert sie.

Noch ist nichts passiert. Aber wir wissen inzwischen, wo er steht, der Brunnen. Und ich habe eine Frau gesehen, die von dort kam, mit einer Tasse schwarzbrauner Schokolade in der einen und einem Croissant in der anderen Hand.


Übrigens wüsste ich gerne, wie viel Prozent der Moleküle des Mittelmeerwassers heute noch identisch sind mit denen von vor tausend Jahren (aus Gründen übrigens, die damit zu tun haben, nachts in seidenmilder Luft auf dem Schiffsbalkon zu liegen).


Plausible Theorien bitte in den Kommentaren.


Pareidolie (19)



Seit Jahren grinst mich mein Elektroasierer schelmisch, vielleicht sogar verächtlich an (und ich habe ihn sogar im Verdacht, dass er mir heimlich die Zunge rausstreckt). Das qualifiziert ihn natürlich für die Pareidolieserie, doch bisher schaffte er es nie in den Recall.

Das musste sich ändern, und das hat sich jetzt geändert.

PS: Viele weitere und bessere Bildbeispiele gibt es bei der Pareidolie-Tante.

16 September 2011

Masseurin oder Masseuse?



„Vielleicht“, hatte Ms. Columbo vorher noch geunkt, „ist das auch was ganz anderes.“

Jetzt stand ich in diesem tristen Hinterhof vor einer beigen Klinkerwand, und ihre Worte fielen mir wieder ein. Auch die blickdichte Holztür mit Gegensprechanlage vermochte gewisse Befürchtungen nicht zu zerstreuen.

Ich war mir plötzlich gar nicht mehr sicher, ob es eine gute Idee gewesen war, bei Groupon einen Sechserpack Thaimassagen erworben zu haben – und dann hieß die Masseurin (oder war es doch eine Masseuse?) auch noch Joy

Doch der geschätzt 45 Kilo leichte Floh entpuppte sich trotz Handverletzung als Powerfrau, die Muskelfasern aufbrach, von deren Existenz ich bisher nicht mal etwas wusste und die jetzt, zwölf Stunden später, noch immer protestieren.

Morgen mach ich den nächsten Termin.

15 September 2011

Nur noch 4762 Kreuzfahrten



Die liebe Freundin R., eine zweifache Mutter entzückender Töchter, kritisierte heute meine Vorliebe für Kreuzfahrten mit einem Link auf diese Seite.

Dort werden Kreuzfahrtschiffe völlig zu Recht als Dreckschleudern diskreditiert, die den Klimawandel vorantreiben. Das liegt nicht in erster Linie an der Nachfrage, die ich und Ms. Columbo anmelden, sondern vor allem an der Gesetzeslage, die Schiffen das Verbrennen von Schwerölen erlaubt, die an Land als Sondermüll entsorgt werden müssten.

Ich bin selbstverständlich dafür, dass Schiffe – auch Kreuzfahrtschiffe – endlich verpflichtet werden, umweltverträglichere Treibstoffe zu verfeuern. Macht mal hin, ihr Gesetzgeber! Von der Privatwirtschaft, den Reedereien, wäre Freiwilligkeit einfach zu viel verlangt, so was tun Unternehmen nicht, das mindert ja den Gewinn. Jedenfalls werde ich nach Verabschiedung der entsprechenden Emissionsgesetze ein noch größerer Fan von Kreuzfahrten, versprochen.

Als R. mir diesen Link mailte, führte ich zur Entschuldigung erst mal unser Alltagsleben außerhalb von Kreuzfahrten ins Feld, denn das kann sich sehen lassen. Wir haben weder Auto noch Motorrad, sondern fahren immer Fahrrad oder Zug, wir fliegen nie – und bei einem so klimafreundlichen, mobilitätstechnisch geradezu vorbildlich asketischen Leben dürfen wir ja wohl ab und zu auch mal auf ein Schiff, verdammte Hacke.

Bis auf die verdammte Hacke schrieb ich ihr das praktisch genauso und schloss zudem mit einem passgenauen Adorno-Zitat („Es gibt kein richtiges Leben im falschen.“). All das war schon mal nicht schlecht, doch ein weiteres Argument fiel mir erst im Nachhinein ein. Es ist in mehrerlei Hinsicht ein Killerargument.

Jeder Mensch in Deutschland verbraucht nämlich pro Jahr elf Tonnen Treibhausgase. Bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 80 Jahren macht das also satte 880 Tonnen. Und da ich bis dato – im Gegensatz zu R. – keine zwei entzückenden Töchter in die Welt gesetzt habe, müssen mir auf meinem Weltzerstörungskonto von vorneherein schon mal minus 1760 Tonnen Treibhausgase gutgeschrieben werden, jawohl.

Dann habe ich mich hingesetzt und meinen persönlichen Treibhausgasverbrauch für die bevorstehende Mittelmeerkreuzfahrt ausgerechnet. Laut Greenpeace verbrauche ich pro 100 Kilometer auf dem Meer 1,31 Liter klimaschädlichen Treibstoff. Bei der anstehenden Reise komme ich somit auf knapp 42 Liter, also rund 0,042 Tonnen.

Seien wir generös und nehmen Ms. Columbos Verbrauch noch dazu, macht also 0,084 Tonnen. Da ich – wie oben ausgeführt – durch den ebenso vorausschauenden wie selbstlosen Verzicht auf klimaschädliche Reproduktion 1760 Tonnen im Plus bin, kommen wir
also von der Kreuzfahrt mit einem weiterhin satten Guthaben von 1759,92 Tonnen zurück nach St. Pauli.

Selbst wenn man nur den transportbezogenen Klimaschaden der beiden Töchter zugrunde legte (2,5 Tonnen pro Jahr x 2 x 80 = 400), könnten Ms. Columbo und ich noch 4762-mal auf Kreuzfahrten gehen, ehe wir das ausgeglichen hätten.

Aber keine Sorge: Das haben wir nicht vor.

14 September 2011

Rimbaud revisited

Matt (sinnierend): Für alte Gedichte, die man selbst geschrieben hat, kann man sich nicht mal fremdschämen.
Ms. Columbo: Na ja: „Ich war eine anderer …“

(Das großartige Arthur-Rimbaud-Porträt von Bodo W. Klös hängt in unserem Wohnzimmer.)

13 September 2011

Die absurde Pantomime



Heute Abend auf einer Party erzählte uns eine Frau von ihrem beruflichen Aufenthalt in Pjöngjang, der Hauptstadt Nordkoreas.

Sie hatte an einer organisierten Stadtrundfahrt teilgenommen, und am nachhaltigsten waren ihr die Verkehrspolizisten im Gedächtnis geblieben. Geschminkt und schick uniformiert standen sie mitten auf leeren Kreuzungen und regelten mit professioneller Gestik den Verkehr.

Den es allerdings nicht gab.

Autos fuhren nämlich so gut wie keine in Pjöngjang. Doch die Verkehrspolizisten taten ihr Werk Stunde um Stunde, sie gaben imaginäre Spuren frei, stoppten Phantomfahrzeuge, winkten das große Nichts durch.

Sie verhielten sich wie menschliche Ampeln, die mechanisch ihren Dienst tun, unabhängig davon, ob es Adressaten ihrer Botschaften gibt. Eine Pantomime des Absurden, wie aus einem Stück von Ionesco oder Beckett.

Und damit habe ich endlich doch noch etwas entdeckt, was mir am Stalinismus gefällt.

PS: Das heutige Foto passt perfekt, denn es zeigt ebenfalls keinen Verkehr in Pjöngjang – und außerdem das verrottende Parkhaus des stillgelegten Real-Marktes am Neuen Kamp.


12 September 2011

Das Theoriegebäude steht noch



Als direkt nach Anpfiff der zweiten Halbzeit das 0:2 fiel, dachte ich bereits, die Theorie der Becherfotos sei hinfort nicht mehr haltbar.

Bisher war das Knipsritual zu Spielbeginn in hundert Prozent aller Fälle (also zwei) mit einem Heimsieg einhergegangen. Zwar war daraus noch keine Korrelation, sondern allenfalls eine Koinzidenz abzuleiten, doch ich war entschlossen, das Phänomen im Saisonverlauf weiter intensiv zu beobachten.

Beim 0:2 in der 46. aber geriet ich ins Zweifeln – und tüftelte bereits an Ausnahmeregelungen, die es mir erlaubt hätten, die Becherfototheorie aufrechtzuerhalten.

Eine davon besagte, das zufällige Erwischen eines Nakibechers sei halt die berühmte Ausnahme von der Regel. Da beim FC St. Pauli mit Sicherheit rund zwei Dutzend verschiedene Bechermotive im Umlauf sind, wäre mit dem Erwischen Nakis also wahrscheinlich die Ausnahme abgehakt; künftig hätte ich mich demzufolge nach dem Anfertigen des Fotos wieder gelassen dem Verbuchen von Heimsiegen widmen können.

Noch während ich all das er- und abwog, fiel das 1:2, sofort danach das 2:2, kurz darauf das 3:2, ehe das 4:2 zu einer harmonischen Abrundung des Nachmittags nicht unerheblich beizutragen wusste.

Was ich damit sagen will: Die Becherfototheorie ist noch nicht widerlegt. Oh nein.

11 September 2011

Pareidolie (18)



Tagein, tagaus immer wieder kaltes Wasser oben reingeschüttet zu bekommen: Da kann man schon mal griesgrämig werden.

Wohin so was im Extremfall verbal führen kann, ist in erschütternder Drastik hier nachzulesen.

PS: Viele weitere und viel bessere Bildbeispiele gibt es bei der Pareidolie-Tante, die von Wien aus die Welt beharrlich mit Nachschub versorgt, wofür ihr gar nicht genug gedankt werden kann.

Nachtrag 22:55 Uhr: Der begnadete Cartoonist Uli Stein hat sich durch dieses Foto zum Zeichnen eines Griesgrams inspiriert gefühlt – und der könnte glatt der Nutzer des abgebildeten Wasserkochers sein.

Denn wenn sich schon Hund und Herrchen mit der Zeit immer ähnlicher werden, warum nicht auch wir und unsere Haushaltsgeräte?

(Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Uli Stein)

09 September 2011

Wer knipst für mich ein Becherfoto?



M
einen Berechnungen nach bin ich am Freitag, den 23. September, um 18 Uhr in Barcelona, möglicherweise auch ganz woanders, aber mit Sicherheit nicht in der Nähe des Millerntorstadions.

Das ist einerseits klasse, andererseits aber auch schade, denn ich habe eine wunderbare Haupttribünenkarte fürs Spiel gegen Aue und kann sie nun nicht nutzen. Möchte sie jemand? Gegen Erstattung meiner Kosten gebe ich sie ab. Allerdings müssen 40 Euro berappt werden – nicht schlecht für ein Zweitligaspiel gegen einen Ostverein.

Wie auch immer: Interessenten mögen mir bitte eine Mail schicken. Über den Auswahlmodus habe ich noch nicht nachgedacht, möglicherweise wird es auf reine Willkür hinauslaufen. Sofern überhaupt jemand die Karte haben will; man weiß ja nie. Eine persönliche Übergabe müsste bis spätestens nächsten Freitag arrangiert werden.

Gegen die Zusicherung, das übliche Becherfoto originalgetreu anzufertigen und mir zur Veröffentlichung zu überlassen, würde ich übrigens noch mal fünf Euro nachlassen. Details dann bei der Übergabe.

07 September 2011

Pareidolie (17)

Manchmal wundere ich mich ja schon, wer alles mein Blog liest – zu meinem Erstaunen auch der berühmte Cartoonist und Fotograf Uli Stein.

Er mailte mir jüngst – flankiert von schmeichelhaften Worten – ein schönes Pareidoliefundstück, welches er auch auf seiner Webseite verewigt hat. Und da mir der feine Uli generös gestattete, es ebenfalls zu veröffentlichen, tue ich das einfach.

In der Öffentlichkeit gibt sich das abgebildete Objekt übrigens als Händetrockner aus. Dabei ist es in Wahrheit ein schreiender Tapir.

Aber das muss unter uns bleiben.

06 September 2011

Ein Wein zum Weinen



Am 14. Dezember 2010 stand hier in diesem Blog eine faustdicke Lüge.


Oder freundlicher ausgedrückt: eine Glutaeus-maximus-dicke Fehleinschätzung – nämlich die, dass der damals just auf dem Flohmarkt erstandene 1955er Chateau Latour das darauffolgende Wochenende keinesfalls überstehen würde, weil nämlich die Anreise des Dr. K. bevorstand, und wir alle wissen, was das heißt.

Doch das war falsch. Dr. K. erschien dank einer akuten Erkrankung überhaupt nicht, und dann verschwand er für ein halbes Jahr an einen gewissen Bondi Beach in ein gewisses Sydney (angeblich, um zu „arbeiten“).

Der 1955er Chateau Latour wanderte also in den Weinklimaschrank und vertrieb sich hinfort die Zeit mit Dummrumliegen. Er dachte wahrscheinlich schon, das würde gar nichts mehr mit uns dreien, doch weit gefehlt. Denn Dr. K. ist zurück, und gestern Abend ging es dem Latour doch noch an den Kragen.

Nachdem der Kapselschneider den Korken freigelegt hatte, zeigte sich uns ein rußartiger Belag, der sich tapfer, aber letztlich erfolglos dagegen sperrte, abgekratzt zu werden. Einzelne rote Tropfen quollen hervor, was ein schlechtes Zeichen war, ein ganz schlechtes.

Der Korken erwies sich als ebenso klammeraffenhaft wie bröselfreudig, will sagen: In insgesamt vier Etappen musste er dem Flaschenhals entwunden werden wie ein Gnu dem Maul eines Nilkrokodils.

Dann goss ich ihn ein, den Wein, der älter war als wir alle, der nur zwölf Monate nach dem Wunder von Bern gekeltert worden war. Damals hieß der Bundeskanzler Adenauer, die Saarländer (diese Deppen) traten der Bundesrepublik bei statt Frankreich, Thomas Mann hauchte sein Leben aus, und Farbfernsehen war Sciencefiction.

Der Latour gluckerte in die Gläser. Er war von einem alarmierend trüben Dunkelrot, und er roch … nun ja, wenigstens nicht nach Essig.

Wir stießen an, wir nippten vorsichtig, wir schluckten, wir sahen uns an. Dr. K.s Augen wurden zu Schlitzen, seine Stirn warf Runzeln, seine Nase kräuselte sich und seine Mundwinkel nahmen jene Haltung an, die sie gemeinhin nur dann optional hervorkramen, wenn der Verzehr von Schimmelbrot oder Rizinusmarmelade nicht zu vermeiden war. „Oh-ho-ho“, machte Dr. K. dazu.

Kurz: Der Wein war hinüber, aber so was von.

56 Jahre hatte er geduldig gewartet – um in der Hamburger Kanalisation zu enden. Doch das wäre ihm ja auch passiert, wenn wir ihn getrunken hätten, nur über einen kleinen unappetitlichen Umweg.

Wenn ihn das tröstet.

05 September 2011

Pareidolie (16)



So panisch, geradezu munchartig würde ich übrigens auch kucken, wenn man aus mir pastetenartige Röllchen gemacht hätte.

Entdeckt (aber nicht gekauft) im Fischsupermarkt in der Königstraße.

04 September 2011

Hoden, Kutteln, Karaoke



Mal wieder lockte mich Jutta gegen Mitternacht in die Thaibar in der Großen Freiheit, wo sie erneut enthemmt Karaoke zu singen versprach, diesmal sogar mit ihrem neuen Freund, dem überaus groß(artig)en Cinema Noir.

Und genau so kam es dann auch. Ich hielt derweil die Getränkezufuhr kostengünstig am Laufen, da ich gegen U. eine spontane Wette gewann. Ich weiß wirklich nicht mehr, wie wir darauf kamen, doch irgendwann beharrte U. steif und fest darauf, Kutteln seien Hoden, das habe ihre Mutter immer behauptet, und ihre Mutter sei in dieser Hinsicht und generell meinungsmäßig unantastbar.

Zufällig aber wusste ich, ohne diese Spezialität je verzehrt zu haben, von der wahren Herkunft der Kutteln aus Kuhmägen, und so nahm ich beherzt ihr vehementes Wettangebot an. Dank sofortiger Googleverifikation brachte mir dieser glückliche Umstand alsbald einen Sekt ein und U. ein tief erschüttertes Muttervertrauen, welches innerfamiliär noch fürchterliche Folgen haben wird, doch dafür kann ich ja nun nichts.

Während ich lässig an der Tür lehnte und diesen ganzen liebenswerten armen Irren beim Verhunzen von „Mamma Mia“ oder „Knockin’ on heaven’s door“ zuschaute, hielt mir ein Typ, der den ganzen Abend lang immer wieder als Rapper aufgefallen war, plötzlich sein Handy vor die Nase. Es zeigte ein Cabriolet von testarossahafter Protzigkeit.

„Davon träumen wir doch alle, oder?“, sagte er mit kumpelhafter Leutseligkeit, die ein arg verkürztes Männerbild offenbarte. Ich verneinte knapp. Er schaute prüfend, fast frappiert. „Hast du schon drei oder vier davon in der Garage stehen, oder was?“

„Mitnichten“, antwortete ich, „ich habe überhaupt kein Auto.“

Er schaute mich an, als hätte ich ihm erzählt, der Papst habe gerade eine Bank in Stockholm überfallen oder sein Piepmatz sei verdampft. Dann schüttelte er den Kopf und ging rein, um zu vergessen bzw. „What a wonderful world“ mit einer Rapeinlage hinzurichten.

Ich schlürfte derweil behaglich am gewonnenen Sekt, sah Jutta und Cinema Noir beim hochgradig verturtelten „Something stupid“-Singen zu und dachte ein wenig bang an U.s Mutter, die demnächst zweifellos den krachenden Zusammenbruch einer Lebenslüge zu verkraften haben würde.

Aber noch waren Kutteln Hoden in ihrer Welt, noch ahnte sie nicht das Geringste.

03 September 2011

Tish @ Tide TV



Schon oftmals waren meine Freunde Tish und Andreas hier im Blog zu Gast, heute waren sie es auch beim Hamburger Bürgerfernsehsender Tide TV, wo passend zu Tishs mexikanisch-amerikanischer Herkunft ein kapitaler Kaktus auf dem Studiotisch herumstand.

Und wenn Sie jetzt sagen: Ja, Herrschaftszeiten, warum sagt der feine Herr Reeperbahnblogger uns das nicht vorher, dann sage ich Ihnen hier und jetzt: Die
Sendung wird wiederholt, und zwar nicht nur am heutigen Samstag um 14 Uhr, sondern noch weitere drei Male; alles nachzulesen auf der soeben verlinkten Seite.

Wo man Tide TV überall empfangen kann, erfahren Sie hier. Eins vorweg: In Timbuktu wird es schwierig.

Foto: Tide TV


02 September 2011

Ein Ufo und die Folgen



Promiauflauf in der Sichtbar am Fischmarkt, weil eine große Plattenfirma zur Albumparty eines (wie sie hofft: noch) kleinen Künstlers geladen hat.

Die Sichtbar gehört Nina-Tochter Cosma Shiva Hagen, und nach dem Konzert steht die Kneipierin persönlich an den Plattenspielern und legt guten Clubsoul auf, während sie alle drei Sekunden fünfmal an der Kippe saugt.


Musikgeschmack ist allerdings das Eine, und den hat sie – „aber die Übergänge …“, raunt es im Publikum, und zwar mit Recht.

Lorielle London stakst unbeeindruckt
von Hagens akustischen Holprigkeiten durchs Pickepackepublikum wie ein Storch im Karneval und demonstriert die rasanten Fortschritte ihrer Feminisierung, Franz Plasa trägt zum Sakko ein Halstuch. Das tun hier heute Abend erstaunlich viele Männer; ich bin wohl mal wieder ganz weit hinten dran, trendtechnisch.

Wenn Cosma Shiva jetzt noch dafür sorgen könnte, dass ihre Weißweine kalt serviert und deren Aromen hinfort nicht mehr durch Zigarettenrauch plattgemacht würden, dann wäre die Sichtbar am Fischmarkt eine echte Ausgehalternative jenseits der Reeperbahn.

Aber so weit sind wir noch nicht, oh nein.

Habe ich eigentlich schon mal erzählt, dass Nina Hagen mir mal erzählt hat, dass sie ihre Tochter nur deshalb „Cosma Shiva“ genannt hat, weil ihr während der entsprechenden Schwangerschaft ein Ufo erschienen ist? Habe ich nicht?

Dann werde ich das auch nicht mehr tun (zumal Mama Hagen das absolut jedem erzählt, der nicht bei drei im Ashram ist).


01 September 2011

Wahrscheinlich war es nur der Wind



Ein blechernes Scheppern von draußen, hörbar sogar durch die winterbedingt (sic!) geschlossenen Fenster.

Vom Balkon aus sehe ich nicht nur zwei männliche Passanten, die sich in verdächtiger Hast entfernen, sondern auch eine schöne Bescherung: die stomleitungsführende Stangenkonstruktion auf dem Gehweg gegenüber, mit der die nachbarliche Großbaustelle versorgt wird, ist auf ganzer, also etwa 20 Meter messender Länge umgekippt (worden?) und auf sämtliche parkenden Autos gekracht.

Falls hier Vandalen am Werk waren, so muss man ihre hocheffiziente Vorgehensweise widerwillig bewundern; mit diesen Skills könnten sie binnen kurzem auch einen Daxkonzern verschlanken bis zur Wettbewerbsfähigkeit.

Jedenfalls gelang es ihnen (oder dem Wind – ich will hier nicht vorverurteilen), mit extrem wenig Aufwand ein halbes Dutzend Autos gleichzeitig werkstattreif zu beschädigen.

Eigentlich müsste also jetzt mal wieder irgendjemand die Schmier rufen, im Zweifelsfall also ich, doch das scheint bereits jemand anderes zu tun, nämlich ein aufgeregt vor der Postfiliale herumtrippelnder telefonierender Anzugträger, deshalb bescheide ich mich diesmal mit der Rolle des Beobachters.

Als die Polizei eintrifft, haben sich bereits die ersten ratlosen Autobesitzer eingefunden. Sie stehen da, fröstelnd, stumm, finster, als versuchten sie die Gefühle ihrer Autos zu spiegeln. Sie sehen ihre Wagen eingekeilt zwischen und unter Metallstangen, hier ist kein Fortkommen mehr.

Unsere Haustür hat übrigens auch schon wieder mal irgendwer eingeschlagen, bereits gestern. Wer sind diese Leute, und warum tun sie all das? Liegt es an irreparabel verrenkten Synapsen im Hirn, oder gibt es für dieses Verhalten Gründe, die nicht nur im Zerebralen oder einer schweren Kindheit wurzeln?

Ja, das würde mich wirklich mal interessieren. Und dafür gibt es ja zum Glück die Kommentarfunktion.

31 August 2011

Pareidolie (15)



Mit meiner kleinen schamlos abgekupferten Pareidolieserie ist es mir offenbar gelungen, den Blick von art.five zu schärfen, was mich sehr freut.

Jedenfalls mailte er mir heute unaufgefordert diese zwei Hübschen, die er am Dockland entdeckt hat – „beide mit kleinen Augen und dicker Lippe“, wie er zu Recht anmerkt.

Während der linke nur irgendwie trotzig wirkt, scheint uns der rechte hingegen frech die Zunge rauszustrecken.

Von einem Stromanschluss beleidigt zu werden: Das passiert einem auch nur auf der Rückseite der Reeperbahn.


30 August 2011

Fundstücke (148): Kulinarisches



Selbstkritik ist eine feine Sache. Es gibt kaum etwas Honorigeres. Das Messe-Café ist mit seinen süßen Tüddelchen ums Frühstück herum aber etwas übers Ziel hinausgeschossen – oder die Betreiber wissen genau, dass sie das, was sie auf der Karte als „Frühstück“ anbieten, keinesfalls als solches bezeichnen dürfen, ohne sofort die Konzession zu verlieren. Also haben sie sich für den ehrlichen Weg entschieden. Respekt.



Im indischen Restaurant Raj Mahal in der Humboldtstraße gibt es das beste Mango Lassi diesseits von Kalkutta. Meinetwegen können sie es auch hundertmal auf der Karte so schreiben wie einen berühmten Fernsehhund: Das ändert nichts an seiner Qualität. Als Beilage servieren sie dort übrigens fast durchweg „Resi“. Da freut sich Lassie.



Reimen ist Glückssache, und mit dem Versmaß bestimmt man die Schuhgröße. Oder war’s andersrum? Ist ja auch Wurscht – Hauptsache, zwischen Leber und Milz passt noch ’n Deppenbindestrich.

29 August 2011

Der Waschbeckentrick



Immer wenn ich im HSV-Stadion bin und mir die Hände waschen will, ärgere ich mich über die fehlkonstruierten Waschbecken, genauer: über die Wasserhähne.

Die sind sogar kleiner als Jarolims Fallsucht groß, und zu allem Überfluss ragen sie auch noch kaum über den Rand des Beckens. Es ist völlig unmöglich, seine Hände darunterzuhalten, sofern sie größer sind als die eines im sechsten Monat per Kaiserschnitt geholten Säuglings, und das ist ausnahmslos bei allen Besuchern der HSV-Arena der Fall.

Niemand kann sich also nach dem Klo- bzw. Pinkelrinnengang ordentlich die Hände waschen; man ist allenfalls in der Lage, sich den Wasserstrahl über die Fingerspitzen laufen zu lassen.

Ich frage mich schon lange, warum das so ist, warum ein Sanitärkonstrukteur derart lachhaft an der Funktionalität seines Gegenstandes vorbeidesignen konnte, ohne daß er in Regreß genommen wird. Am Samstag endlich lieferte mir ein verzweifelnder Mann am Nachbarbecken einen Hinweis auf die Lösung.

Er beugte den Kopf tief hinein ins Becken und versuchte sich mit gewölbter Hand ein paar Tropfen Wasser oral einzuflößen. Dies allerdings misslang gründlichst. Er drehte den Kopf, spitzte zittrig den Mund, quetschte die Hand an den Beckenrand, doch nie schaffte er es, die Lippen irgendwie in die Nähe des fließenden Wassers zu bringen.

Sichtbar verärgert zog der Mann schließlich ab – und ging wahrscheinlich sofort draußen an den Tresen, um sich frustriert irgendein überteuertes Getränk einzuverleiben.

Und da verstand ich.


28 August 2011

Die Domina blieb arbeitslos



Wie altgediente Blogleser wissen, habe ich ein schweres Päckchen zu tragen: Ich bin ein Fan des 1. FC Köln. Ja, ja, ich weiß: Es gibt angenehmere Schicksale. Aber auch noch schlimmere, damit tröste ich mich immer. (Mir fällt nur gerade keins ein.)

Wenn die Kölner also mal wieder in Hamburg spielen, gehe ich auf die HSV-Webseite und kaufe mir für rund 40 Euro eine Eintrittskarte. Das ist ungefähr so, als würde ich in der Herbertstraße eine Domina aufsuchen – allerdings ohne ein Masochist zu sein.

Beim letzten Mal blechte ich die rund 40 Euro, um mir eine 2:6-Klatsche einzufangen. Ich ließ mich also gleichsam auspeitschen und löhnte auch noch dafür.

Entsprechend angespannt schlich ich heute in die sogenannte Imtech-Arena – und erlebte ein nervenzerrüttendes Spiel mit viermal wechselnder Führung, aber – o Wunder – auch einem unverhofft gloriosen Ende. 3:4! Die Domina blieb arbeitslos, meine Heimfahrt war ein einziger innerer Triumphzug. Schon im Shuttlebus war es wunderbar, den Gesprächen der HSV-Fans zu lauschen.

„Pass auf“, sagte ein Vollschlanker mit Schal zu seinem Kumpel, einem viereckigen Trumm mit Petric-Trikot, „St. Pauli steigt auf und wir steigen ab.“
„Nicht so lange ich lebe!“, jaulte sein Kollege waidwund auf.
„Wart mal ab, nächsten Sommer!“, bekräftigte Kassandro mit düsterer Miene.
„Dann bin ich dout“, rief sein Kumpel, „dann sterb ich!“

Ich gluckste und fühlte mich pudelwohl. Inmitten dieser Dunstglocke aus Frust und Verzweiflung unerkannt mit den HSV-Fans unterwegs zu sein, klammheimlich ihre Niedergeschlagenheit zu genießen: Das macht mich sicherlich zu einem schlechten Menschen, doch das Recht darauf habe ich mir auch teuer erkauft – siehe oben. Heute jedenfalls hatte ich die Peitsche geschwungen, statt mit wundem Rücken heimzuschlurfen.

Auf dem Bahnsteig fing einer in Blauweiß fatalistisch an zu singen. „Wir steigen niemals ab“, sang er, „wir wechseln nur die Liiiiiga!“ Respekt: So viel sarkastisch abgefederten Fatalismus hätte ich einem HSVler gar nicht zugetraut. Eine gute Übung für das, was da noch kommen kann.


PS: Kurz vorm Anpfiff hatte ich im Tippspiel meinen Tipp noch hasenfüßig von 0:1 auf 1:1 korrigiert. Aber irgendwas ist ja immer.

PPS: Das Foto zeigt Kölner Freudenbengalos bereits
vor dem Anpfiff. Anscheinend hatten die eine bessere Glaskugel als ich.