Eigentlich wollten wir nur über den Panoramaweg spazieren und die Aussicht auf den ins erste Frühlingsabendlicht getunkten Hafen genießen. Doch dann sahen wir dieses Schiff an den Landungsbrücken – und mussten hinabsteigen für nähere Inaugenscheinnahme.
Es handelte sich um die Privatyacht Radiant. Eigentlich gehört so ein Prachtstück gar nicht an die Landungsbrücken, wo sie die Gesellschaft von „König der Löwen“-Fähren erdulden muss. Doch sie ist schlicht zu lang für den Yachthafen.
Jeder Meter dieses atemberaubend schnittigen Gerätes kostet eine Million Euro; die Radiant misst 110 davon. Damit ist sie angeblich die sechstteuerste Yacht, die je gebaut wurde. Ein arabischer Scheich soll sie besitzen, arbeiten lässt er aber augenscheinlich nur Asiaten.
Einer feudelte die putzige Gangway, und er tat das wie einer, der das Feudeln lediglich imitiert, nämlich einhändig. Wahrscheinlich sollte nicht sofort auffallen, dass er gerade gar nichts zu tun hatte und sich einfach nur sonnen wollte in der Aufmerksamkeit von Ms. Columbo und mir. Das gelang ihm freilich nicht, wie der letzte Satz beweist.
Während wir dem Feudler zuschauten, fragten wir uns, ob es wirklich glücklich machen kann, eine 110-Millionen-Euro-Yacht mit zwei Pools, Hubschrauberlandeplatz, Wasserkanone und Feudelimitator zu besitzen.
Nun, ich denke schon.
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19 Mai 2010
18 Mai 2010
Frau M. im Glück
Gestern Nachmittag um zwanzig nach fünf fand ich mitten auf der Clemens-Schulz-Straße in der Nähe der abgebildeten Bausünde (barocker Dunkelholzkitsch an Graffitiklinker – hallo???) eine prallgefüllte Börse.
Geld war bis auf ein paar Münzen keins drin, aber sonst alles, vom Führerschein über Krankenkarte bis zum Adressbüchlein und Sportspaßpass. Alles, nur keine Telefonnummer der jungen Besitzerin, einer gewissen Katarzyna M.
Also rief ich bei Sportspaß an und bat darum, Katarzyna M. anzurufen, damit sie wiederum mich anrufen und ihre Börse zurückerhalten könne. Es ging schließlich um Minuten: Ich wollte M. ersparen, alle Karten sperren zu lassen und die Börse erst danach unbeschadet zurückzuerhalten. So was ist bei aller Glimpflichkeit ja besonders ärgerlich.
Wenig später rief Sportspaß zurück: Sie hätten eine falsche Nummer, unter diesem Anschluss gäbe es keine Frau M. mehr. Also rief ich bei der BKK Mobil Oil an mit der Bitte, Frau M. anzurufen, damit sie mich anrufen etc. …
„Frau M.“, sagte die Telefonistin der BKK Mobil Oil nach kurzer Datenbankrecherche, „ist schon länger nicht mehr Mitglied bei uns. Bitte zerreißen Sie die Kundenkarte!“ Na klar, ich zerreiße fremdes Eigentum – was denkt die Öl-BKK eigentlich von mir?
Die Telefonistin, der ich das Nichtzerreißen der Kundenkarte vorsorglich verschwieg, versprach umgehend Frau M. anzurufen, und nur wenig später rief mich zwar nicht Frau M., doch immerhin ihre Mutter zurück. Mit perfektem polnischen Akzent schwankte sie wortreich zwischen „Was makt diese Kint nurr immerr!“ und „Ville, ville Dank!“.
Eine Stunde später stand schließlich M. höchstselbst vor unserer Wohnungstür, in Begleitung einer Freundin mit Gipsarm und entzückender Schneidezahnlücke. Glücklich nahm sie ihre Börse wieder in Empfang.
Ihr „Vielen, vielen Dank!“ war völlig akzentfrei. Ein sehr schönes Beispiel für gelungene Integration.
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17 Mai 2010
Whitney, der einsamste Geist der Welt
Kaputte Typen sind interessanter als perfekte. Deshalb habe ich zeitlebens lieber Tom Waits gehört als Celine Dion.
Whitney Houston ist für mich erst interessant, seit sie kaputt ist. Sollen die ganzen Oberschlauen doch zeternd rausgehen und zu Hause Katherine Jenkins auflegen, wenn Whitney die Töne nicht mehr trifft. Sollen sie doch. Ich nicht.
Jede Kunst, sofern sie ein Quentchen Relevanz hat, handelt vom Scheitern. Nichts ist langweiliger als Perfektion. Und wenn Whitney Houston schon nach zwei Stücken schwitzt wie ein Boxer, wenn sie dicklich und aufgeschwemmt und steifärschig über die Bühne walzt, wenn sie verzweifelt anfängt, Autogramme zu schreiben, weil sie einfach nicht mehr genug Luft bekommt, um weiterzusingen, dann ist das tausendmal berührender als jedes perfekt intonierte Gefühl, das sie damals in „I will always love you“ zu empfinden vorgab.
Inzwischen kämpft Whitney Houston, die heute Abend in der O2-Arena am Mikro stand wie der einsamste, bleicheste Geist der Welt, öffentlich um ihre Würde, vielleicht sogar um ihr Leben. Und das hat in seiner ganzen Kaputtheit so was wie: Größe.
(PS: Ok, wahrscheinlich würde ich anders reden, wenn ich 80 Euro bezahlt hätte. Hab ich aber nicht.)
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Whitney Houston ist für mich erst interessant, seit sie kaputt ist. Sollen die ganzen Oberschlauen doch zeternd rausgehen und zu Hause Katherine Jenkins auflegen, wenn Whitney die Töne nicht mehr trifft. Sollen sie doch. Ich nicht.
Jede Kunst, sofern sie ein Quentchen Relevanz hat, handelt vom Scheitern. Nichts ist langweiliger als Perfektion. Und wenn Whitney Houston schon nach zwei Stücken schwitzt wie ein Boxer, wenn sie dicklich und aufgeschwemmt und steifärschig über die Bühne walzt, wenn sie verzweifelt anfängt, Autogramme zu schreiben, weil sie einfach nicht mehr genug Luft bekommt, um weiterzusingen, dann ist das tausendmal berührender als jedes perfekt intonierte Gefühl, das sie damals in „I will always love you“ zu empfinden vorgab.
Inzwischen kämpft Whitney Houston, die heute Abend in der O2-Arena am Mikro stand wie der einsamste, bleicheste Geist der Welt, öffentlich um ihre Würde, vielleicht sogar um ihr Leben. Und das hat in seiner ganzen Kaputtheit so was wie: Größe.
(PS: Ok, wahrscheinlich würde ich anders reden, wenn ich 80 Euro bezahlt hätte. Hab ich aber nicht.)
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15 Mai 2010
Fundstücke (81): Deppenleerzeichen galore
14 Mai 2010
Das Kabinett des (Unbe)Hagens
Zwei Tage in Bremen, zwei makabre Tage.
Während unseres gebuchten Rundgangs lenkt der Stadtführer unsere Aufmerksamkeit auf den Bleikeller. Dabei handelt es sich um eine Grabkammer mit der speziellen Marotte, automatisch Leichen zu konservieren.
Irgendwie hat das was zu tun mit Salmiak, fehlender Luft und zuviel Blei; jedenfalls liegen dort Menschen von ledriger Konsistenz aus dem 30-jährigen Krieg herum, die sich zu Lebezeiten bestimmt nicht hätten träumen lassen, irgendwann einmal in Glassarkophagen ihr schlechtes Gebiss herzeigen zu müssen.
Noch drastischer geht es allerdings in der Körperweltenausstellung des Anatomen Gunther von Hagens zu, die wir am Folgetag besuchen. Er hat seine Leichen, wie bestimmt alle Blogleser wissen, mit einem dauerhaft aushärtenden Kunststoff unverwesbar gemacht, was er „Plastination“ nennt.
Dieses Verfahren erlaubt zweifellos faszinierende Einblicke in den Auf- und Abbau unserer Anatomie. Doch von Hagens hat nicht nur didaktisches Interesse an der Laienbildung. Oft nämlich inszeniert er seine gehäuteten, entbeinten Toten als Sportler, Musiker, Wellenreiter; eine Seiltänzerin stemmt ihr komplettes Innenleben in die Höhe, während sie balanciert. Und ein Paar sitzt doch wahrhaftig da und kopuliert (sie rück- und rittlings oben).
Bei soviel rein ästhetisch motiviertem Exhibitionismus wird einem doch mulmig zumute. Hätten diese Menschen, als sie einst den Körperspendeausweis unterschrieben, sich das vorstellen können? Manche stehen sogar frei zugänglich im Raum, man kann ihnen obszön nahekommen, sie anfassen, und es gab Besucher, die entblödeten sich nicht, das auch zu tun.
Mehrfach wird man während des Rundgangs aufgefordert, sich selbst completement zu spenden, damit man später ebenfalls plastiniert, auseinandergenommen, ausgestellt und von Besuchern aus aller Welt begafft und betatscht werden kann.
Mir aber wäre dabei höchst unbehaglich zumute. Hauptsächlich wegen eines imaginierten Dialogs, den meine dunkle Fantasie einfach nicht mehr los wird. Er geht ungefähr so:
von Hagens: Hey, Quasimodo, wir brauchen für die nächste Ausstellung noch einen schlanken und doch muskulösen Mitteleuropäer in den besten Jahren. Ist da jemand in unserer Körperspenderdatei?
Quasimodo: Ja, Boss. Lebt (leider noch) in Hamburg, mitten auf dem Kiez.
von Hagens: Fantastisch, Quasimodo! Sagst du bitte German Psycho Bescheid, wir bräuchten das Exponat in spätestens drei Wochen?
Quasimodo: Klar, Boss. Aber ich würde auch gern selber mal wieder …
von Hagens: Na gut, ausnahmsweise. Aber mach nicht wieder so ne Sauerei wie beim letzten Mal. Da war ja nix mehr von zu gebrauchen.
Quasimodo: Sicher, Boss, ich pass schon auf. Hehehe.
Na ja, und deshalb habe ich mich am Ende doch gegen eine Körperspende entschieden.
Nach soviel morbidem Blogstoff ist ein erheiternder Abschluss Pflicht. Und was wäre besser geeignet, die Stimmung aufzuhellen, als der oben dokumentierte Tippfehler?
Die asiatische Lebensmitte gegen das Kabinett des (Unbe)Hagens: Da geht man doch ganz anders ins Wochenende.
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Während unseres gebuchten Rundgangs lenkt der Stadtführer unsere Aufmerksamkeit auf den Bleikeller. Dabei handelt es sich um eine Grabkammer mit der speziellen Marotte, automatisch Leichen zu konservieren.
Irgendwie hat das was zu tun mit Salmiak, fehlender Luft und zuviel Blei; jedenfalls liegen dort Menschen von ledriger Konsistenz aus dem 30-jährigen Krieg herum, die sich zu Lebezeiten bestimmt nicht hätten träumen lassen, irgendwann einmal in Glassarkophagen ihr schlechtes Gebiss herzeigen zu müssen.
Noch drastischer geht es allerdings in der Körperweltenausstellung des Anatomen Gunther von Hagens zu, die wir am Folgetag besuchen. Er hat seine Leichen, wie bestimmt alle Blogleser wissen, mit einem dauerhaft aushärtenden Kunststoff unverwesbar gemacht, was er „Plastination“ nennt.
Dieses Verfahren erlaubt zweifellos faszinierende Einblicke in den Auf- und Abbau unserer Anatomie. Doch von Hagens hat nicht nur didaktisches Interesse an der Laienbildung. Oft nämlich inszeniert er seine gehäuteten, entbeinten Toten als Sportler, Musiker, Wellenreiter; eine Seiltänzerin stemmt ihr komplettes Innenleben in die Höhe, während sie balanciert. Und ein Paar sitzt doch wahrhaftig da und kopuliert (sie rück- und rittlings oben).
Bei soviel rein ästhetisch motiviertem Exhibitionismus wird einem doch mulmig zumute. Hätten diese Menschen, als sie einst den Körperspendeausweis unterschrieben, sich das vorstellen können? Manche stehen sogar frei zugänglich im Raum, man kann ihnen obszön nahekommen, sie anfassen, und es gab Besucher, die entblödeten sich nicht, das auch zu tun.
Mehrfach wird man während des Rundgangs aufgefordert, sich selbst completement zu spenden, damit man später ebenfalls plastiniert, auseinandergenommen, ausgestellt und von Besuchern aus aller Welt begafft und betatscht werden kann.
Mir aber wäre dabei höchst unbehaglich zumute. Hauptsächlich wegen eines imaginierten Dialogs, den meine dunkle Fantasie einfach nicht mehr los wird. Er geht ungefähr so:
von Hagens: Hey, Quasimodo, wir brauchen für die nächste Ausstellung noch einen schlanken und doch muskulösen Mitteleuropäer in den besten Jahren. Ist da jemand in unserer Körperspenderdatei?
Quasimodo: Ja, Boss. Lebt (leider noch) in Hamburg, mitten auf dem Kiez.
von Hagens: Fantastisch, Quasimodo! Sagst du bitte German Psycho Bescheid, wir bräuchten das Exponat in spätestens drei Wochen?
Quasimodo: Klar, Boss. Aber ich würde auch gern selber mal wieder …
von Hagens: Na gut, ausnahmsweise. Aber mach nicht wieder so ne Sauerei wie beim letzten Mal. Da war ja nix mehr von zu gebrauchen.
Quasimodo: Sicher, Boss, ich pass schon auf. Hehehe.
Na ja, und deshalb habe ich mich am Ende doch gegen eine Körperspende entschieden.
Nach soviel morbidem Blogstoff ist ein erheiternder Abschluss Pflicht. Und was wäre besser geeignet, die Stimmung aufzuhellen, als der oben dokumentierte Tippfehler?
Die asiatische Lebensmitte gegen das Kabinett des (Unbe)Hagens: Da geht man doch ganz anders ins Wochenende.
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13 Mai 2010
Fundstücke (80): Lose Zusammengekehrtes
1. Dem von mir 2008 entdeckten Munch-Baum im Park an der Hospitalstraße hat irgendwer das Maul gestopft. Hoffe, ich war nicht schuld.
2. Wenn die Zahl der Sky-Kunden weiter im gleichen Maße wächst wie im letzten Quartal (plus 1000 …), dann braucht der mitleiderregende Sender fürs Erreichen seiner Zielvorgabe (2,8 Millionen!) nicht wie geplant bis zum Frühjahr 2011, sondern exakt bis Juni 2393. Habe ich gerade ausgerechnet.
3. Kramer gelang heute aus der Lameng ein Aphorismus, der zwar auf meine Kosten ging, doch es absolut wert ist, für die Nachwelt bewahrt zu werden: „Wer sich den Stock nicht aus dem Arsch ziehen kann, muss halt immer stehen!“, entfuhr es überraschend dem gemeinhin als Wuselkopf bekannten Kollegen. Und dann dampfte er aus dem Büro und ließ mich allein mit dem Echo. Hmpf.
4. Seit ungefähr zehn Jahren besuche ich Konzerte in der Fabrik, filme und knipse lustig mit – und entdecke nun ein genau dieses Verhalten strikt untersagendes Verbotsschild am Eingang. Jetzt weiß ich, wie sich ein rückwirkendes schlechtes Gewissen anfühlt. Na gut, eigentlich doch nicht.
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12 Mai 2010
Fundstücke (79): Immer schön scho(h)nen
Nach „Coffee to go“ (statt zum Trinken!) sowie einem kompletten „Café to go“ gibt es mitten auf St. Pauli (nämlich in der Paulinenstraße) jetzt auch einen „Gebetsteppich to go“.
Seine Zusatzfunktion als „Schuh Schohner“ erschließt sich mir nicht sofort, aber vielleicht ja den Schoschonen.
PS: Ein echtes Killerprodukt wäre hingegen ein „Gebetsteppich to fly“. Aber den baut mal wieder keiner.
Seine Zusatzfunktion als „Schuh Schohner“ erschließt sich mir nicht sofort, aber vielleicht ja den Schoschonen.
PS: Ein echtes Killerprodukt wäre hingegen ein „Gebetsteppich to fly“. Aber den baut mal wieder keiner.
11 Mai 2010
Warum Jonathan Jäger nie Nationalspieler wird
Gewidmet der verehrten Frau Nihilistin
Neulich vertrat eine ansonsten nicht sonderlich mit Fußballfachwissen gesegnete junge Frau mir gegenüber die These, Kicker mit Tiernamen hätten größere Chancen, in die Nationalmannschaft berufen zu werden als andere.
Eine verblüffende These, über die ich noch nie nachgedacht hatte. Beim ersten Check fielen mir allerdings sofort aktuelle Belege ein, Leute wie Adler, Butt oder Schweinsteiger.
„Hummels“, ergänzte die Frau. Das ist zwar nur ein Perspektivspieler, aber verdammt: Sie hat Recht. Selbst im zunächt unverdächtigen Namen Jérôme Boateng versteckt sich bei näherem Hinsehen eine Riesenschlange.
Bei anderen ist es kein Wunder, dass sie nicht spielen, denn knapp daneben ist auch vorbei, nicht wahr, die Herren Hunt (Bremen) und Pander (Schalke)? Das gilt leider, leider auch für einen erst 20-jährigen Mittelfeldmann meines FC St. Pauli, nämlich Dennis Daube.
Der Frankfurter Dauerläufer Patrick Ochs hingegen dürfte ein Mann mit Perspektive sein, während Hendrik Hahne (Hannover 96), Christian Fuchs (Bochum) und Andreas Wolf (Nürnberg) zwar nominal zu den schönsten Hoffnungen Anlass gäben, doch das Gesamtumfeld einfach nicht stimmt.
Im Lichte dieser Betrachtungen ist natürlich auch völlig klar, warum ein begabter Fußballer wie der Freiburger Jonathan Jäger unter einem Trainer Löw (!!!) niemals eine Chance kriegen wird.
Übrigens wird mir jetzt gerade bewusst, dass Messi doch nicht der beste Spieler der Welt ist. Sondern selbstverständlich …
… ROBBEN!
(Hausfassade entdeckt an der Langen Reihe in St. Georg)
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10 Mai 2010
Die Aufstiegsparty
Hunderttausend Fans sollen heute auf dem Kiez den Aufstieg des FC St. Pauli gefeiert haben. Viele davon zeigten sich vom gestrigen Blogeintrag erleichtert und starteten den Tag mit dem Düngen der Botanik.
Am Ende aber läuft so ein Tag, so wunderschön wie heute, natürlich immer auf Tomatensoße hinaus. Doch der Reihe nach …
Am Ende aber läuft so ein Tag, so wunderschön wie heute, natürlich immer auf Tomatensoße hinaus. Doch der Reihe nach …
09 Mai 2010
Manche Leute verstehe ich einfach nicht (4): Pissoirdesigner
Bereits mehrfach wurde an dieser Stelle Kiezpinklern mit grobem Unverständnis begegnet.
Mehrfach verwies ich – wengleich ohne Hoffnung auf Gehör bei der angesprochenen Klientel – mahnend auf die inzwischen in fußläufigem Abstand erreichbaren Pissoirs entlang der Reeperbahn, die es auch Männern, die unter Druck stehen, mühelos ermöglichen, auf sozial kompatiblem Wege innere Entspannung zu finden.
Seit gestern aber bin ich etwas kleinlauter. Da saß ich nämlich auf der Reeperbahn im Bus und im Stau. Wir hielten direkt neben einem der angesprochenen Pissoirs, und der Blickwinkel aus meinem Fenster war derart, dass ich direkt hineinschauen konnte.
Drinnen stand ein unbescholtener Mann vorm Rinnbecken, der alle Hände voll zu tun hatte. Als wenn er meinen Blick im Rücken gespürt hätte, drehte er sich plötzlich um und schaute mich an. Ein peinlicher Moment, für uns beide.
Während er fahrig vorne herumnestelte, füllte sich sein Blick mit Scham und Verzweiflung; er schaute wie ein Bischof, den der Papst gerade beim Onanieren erwischt hat. Und das mit Recht: Immerhin beobachtete nicht nur ich ihn gerade beim Pieseln, sondern eine ganz Breitseite Busgäste.
Meine bisherige Begeisterung über diese Pissoirs hat sich seitdem stark abgekühlt. Ich habe ihre Milchglaskonstruktion heute noch einmal als Fußgänger in Augenschein genommen und festgestellt: Man kann wirklich auch vom Gehweg aus reinschauen, ohne sich besonders verrenken zu müssen.
Während man die ganz normalen Haus-und-Zaun-Bepinkler wenigstens noch mit genussvoller Empörung verdammen kann, bleibt einem bei den armen exhibitionierten Wichten im Glaspissoir nur verkniffene Fremdscham, und das ist ein sehr viel unschöneres Gefühl.
Wer hat diese Dinger eigentlich designt – ein Spanner?
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08 Mai 2010
Die gemütlichsten Ecken von St. Pauli (27)
Der Hamburger Hafen ist meines Wissens das weltweit einzige Geburtstagskind, dessen Wiegenfest immer auf ein Wochenende fällt. Und zwar jedesmal auf das verregnetste Maiwochenende seit Störtebekers Ableben.
Diesmal wieder. Deshalb gibt es heute zur Aufmunterung ein Foto der Landungsbrücken aus besseren Tagen.
Genau an dieser Stelle ist zurzeit übrigens kein Durchkommen mehr, trotz des kältesten Maiwochenendes seit Störtebekers Ableben.
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07 Mai 2010
Handys sind großartig – aber aus anderen Gründen
Nicht weit weg vom Levantehaus (Foto) in der Mönckebergstraße wühlt eine Frau, die buchstäblich so breit ist wie hoch, barhändig tief in einem Mülleimer. Doch was auch immer sie sucht, sie wird nicht fündig.
Dann wendet sie sich umstandslos einer offenen Telefonzelle direkt neben dem Mülleimer zu – und nimmt mit der gleichen Hand, die gerade noch tief im Müll steckte, den Telefonhörer ab, ehe sie (vergebens) nachschaut, ob Münzgeld im Ausgabefach vergessen wurde.
Der überragende Nutzen der Inidividualtelefonie ist mir noch nie so klargeworden wie in diesem Moment.
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Dann wendet sie sich umstandslos einer offenen Telefonzelle direkt neben dem Mülleimer zu – und nimmt mit der gleichen Hand, die gerade noch tief im Müll steckte, den Telefonhörer ab, ehe sie (vergebens) nachschaut, ob Münzgeld im Ausgabefach vergessen wurde.
Der überragende Nutzen der Inidividualtelefonie ist mir noch nie so klargeworden wie in diesem Moment.
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06 Mai 2010
Wie Mediamarkt den Konkurrenten Medimax auskontert
Aus der Mopo fällt mir am Montag der neue Medimaxprospekt entgegen. Er offeriert die Blu-ray-Version des zauberhaften Pixarfilms „Oben“ für noch zauberhaftere 12 Euro, und ich begebe mich schnurstracks ins Mercado nach Ottensen, um ihn zu erwerben.
Im Laden finde ich ihn nicht und wende mich an den Kassenmann. Beim Stichwort „Oben“ sackt er merklich in sich zusammen – wie jemand, dem man diese Frage heute nicht zum ersten, sondern zum hundertsten Mal stellt.
„Leider schon ausverkauft“, antwortet er erschöpft. „Dienstag oder Mittwoch kommt er wieder rein.“ Zeit für eine Belehrung. „Aber Sie bewerben das Produkt doch in Ihrem Prospekt“, sage ich, „dann sollten Sie ihn auch in ausreichenden Mengen vorrätig haben. Andernfalls“, demonstriere ich gesundes Halbwissen im Wettbewerbsrecht, „wäre das ein Lockvogelangebot.“
Der Medimaxmann sackt noch tiefer in sich zusammen, was bei seiner hageren Statur und dem farblosen Teint beinah mitleiderregend wirkt. Doch mir gelingt es ganz gut, die aufkeimende Empathie niederzukämpfen. „Wie gesagt“, seufzt er, „Dienstag oder Mittwoch.“
Na gut, dann eben nicht. Also gehe ich mal schauen, was der Mediamarkt um die Ecke zur „Oben“-Frage sagt. Unter O ist die Blu-ray aber nicht zu finden. Ich spreche einen Verkäufer an. Er sucht, blättert und findet „Oben“ schließlich ganz hinten unter P.
„Hier“, sagt er und reicht mir die Scheibe mit der gelangweilten Lässigkeit desjenigen, der einen anderen zur eigenen Freude bei einer lässlichen Dummheit ertappt hat. Ich schaue aufs Preisschild. Dort steht 22,99 Euro. Zweiundzwanzigneunundneunzig.
„Bei Medimax“, trumpfe ich unter geflissentlichem Verschweigen ihres dortigen Ausverkauftseins auf, „gibt’s die für 12.“ Weiterhin erstaunlich gelangweilt schaut mich der Verkäufer an. „Kein Problem“, sagt er, „dann eben 12.“
Ich bin sturzverblüfft und reiche ihm den Film, als er mir wortlos fordernd die Hand entgegenstreckt. Wir gehen zu Kasse. „Wissen Sie“, erläutert er beim Klappern auf der Tastatur, „wir sind da sehr kulant. Sobald die den Prospekt rausbringen, passen wir sofort die Preise an.“
Er zuppelt das 22,99-Schild vom Cover und reicht mir die Disc. „Im System ist der neue Preis auch schon drin. Kein Problem.“ Ich trotte zur Kasse, der Scanner blinzelt über den Strichcode, und das Display zeigt wahrhaftig 12 Euro an, nicht 22,99.
Medimax legt der Mopo also für einen wahrscheinlich fünfstelligen Betrag ein Riesenfaltblatt bei – und generiert damit wegen dilettantischer Einkaufspolitik Umsätze beim größten örtlichen Konkurrenten.
Manchmal liebe ich den Kapitalismus.
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Im Laden finde ich ihn nicht und wende mich an den Kassenmann. Beim Stichwort „Oben“ sackt er merklich in sich zusammen – wie jemand, dem man diese Frage heute nicht zum ersten, sondern zum hundertsten Mal stellt.
„Leider schon ausverkauft“, antwortet er erschöpft. „Dienstag oder Mittwoch kommt er wieder rein.“ Zeit für eine Belehrung. „Aber Sie bewerben das Produkt doch in Ihrem Prospekt“, sage ich, „dann sollten Sie ihn auch in ausreichenden Mengen vorrätig haben. Andernfalls“, demonstriere ich gesundes Halbwissen im Wettbewerbsrecht, „wäre das ein Lockvogelangebot.“
Der Medimaxmann sackt noch tiefer in sich zusammen, was bei seiner hageren Statur und dem farblosen Teint beinah mitleiderregend wirkt. Doch mir gelingt es ganz gut, die aufkeimende Empathie niederzukämpfen. „Wie gesagt“, seufzt er, „Dienstag oder Mittwoch.“
Na gut, dann eben nicht. Also gehe ich mal schauen, was der Mediamarkt um die Ecke zur „Oben“-Frage sagt. Unter O ist die Blu-ray aber nicht zu finden. Ich spreche einen Verkäufer an. Er sucht, blättert und findet „Oben“ schließlich ganz hinten unter P.
„Hier“, sagt er und reicht mir die Scheibe mit der gelangweilten Lässigkeit desjenigen, der einen anderen zur eigenen Freude bei einer lässlichen Dummheit ertappt hat. Ich schaue aufs Preisschild. Dort steht 22,99 Euro. Zweiundzwanzigneunundneunzig.
„Bei Medimax“, trumpfe ich unter geflissentlichem Verschweigen ihres dortigen Ausverkauftseins auf, „gibt’s die für 12.“ Weiterhin erstaunlich gelangweilt schaut mich der Verkäufer an. „Kein Problem“, sagt er, „dann eben 12.“
Ich bin sturzverblüfft und reiche ihm den Film, als er mir wortlos fordernd die Hand entgegenstreckt. Wir gehen zu Kasse. „Wissen Sie“, erläutert er beim Klappern auf der Tastatur, „wir sind da sehr kulant. Sobald die den Prospekt rausbringen, passen wir sofort die Preise an.“
Er zuppelt das 22,99-Schild vom Cover und reicht mir die Disc. „Im System ist der neue Preis auch schon drin. Kein Problem.“ Ich trotte zur Kasse, der Scanner blinzelt über den Strichcode, und das Display zeigt wahrhaftig 12 Euro an, nicht 22,99.
Medimax legt der Mopo also für einen wahrscheinlich fünfstelligen Betrag ein Riesenfaltblatt bei – und generiert damit wegen dilettantischer Einkaufspolitik Umsätze beim größten örtlichen Konkurrenten.
Manchmal liebe ich den Kapitalismus.
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05 Mai 2010
Die gemütlichsten Ecken von St. Pauli (26)
Dies möge als erster Versuch einer Frühlingsbeschwörung gelten. Und hoffentlich als letzter.
Zu sehen: der Palmenplatz am Pinnasberg mit Blick auf die Docks.
Zu sehen: der Palmenplatz am Pinnasberg mit Blick auf die Docks.
04 Mai 2010
Die richtige Entscheidung
Am Samstag wollte ich in Köln die Chance nutzen und spontan das letzte Saisonheimspiel des 1. FC gegen Freiburg besuchen. Dem Geißbockverein nämlich hänge ich seit Jahrzehnten bedingungslos an, in guten wie in bösen Zeiten. (Kölnfans wissen, welche Zeiten zuletzt überwogen; sie wissen aber auch, wie charakterbildend es sich auswirkt, in diesem Schicksal gefangen zu sein. Bayernfans werde das niemals begreifen.)
Das Maritim hatte für die Teilnehmer der Pressereise zwar eine Führung durch den Dom (Foto) organisiert, doch ich dachte mir, in einer Stadt mit genau zwei überzeitlichen Kulturdenkmälern – dem Dom und dem 1. FC – sei es im Grunde egal, für welches ich mich entschiede. Also schwänzte ich den Dom, schlich mich stattdessen in die Straßenbahn und landete kurz vorm Anpfiff an der Haltestelle Rhein-Energie-Stadion, wo mich nach menschlichem Ermessen bereits eine Armada Schwarzhändler mit Offerten hätte behelligen müssen.
Der Maritim-Rezeptionist hatte mir noch geraten, nicht direkt an der Haltestelle zu kaufen, sondern eher am Stadion: „Ist billijer.“ Doch hier standen nirgends konspirativ dreinschauende Dunkelmänner mit hervorblitzenden Ticketbündeln herum, mit denen ich in Last-Minute-Verhandlungen hätte eintreten können.
Am Stadion allerdings auch nicht, aber dafür Markus, ein FC-Fan von Mitte 20, dessen Blick bereits jetzt, um 15:25 Uhr, kölschvernebelt war. Er wollte ebenfalls auf den letzten Drücker noch Karten, und wir wurden sofort ein Team. Markus erzählte mir mit einer Stimme, die seinem Blick kongenial enstprach, so was hätte er noch nie erlebt. Normalerweise stünden hier immer Schwarzhändler, und 20, 25 Euro hätte er auch ausgegeben. So aber bliebe uns nur noch eine Sky-Kneipe.
Als er hörte, ich sei aus Hamburg, steigerte sich seine Begeisterung ins Unermessliche. „Aus Hamburg?“, jubelte er lauthals, „dat jibt’s nit: Meine Freundin is aus Hamburg!“ Wie sich herausstellte, stimmte das geografisch nicht ganz, sie kommt nämlich aus Ahrensburg, und das liegt in Schleswig-Holstein. Vom Rhein aus betrachtet ist das aber wahrscheinlich alles Südschweden.
Wie auch immer: Von nun an hatte ich bei Markus mindestens so viel Steine im Brett, wie der FC diese Saison Auswärtspunkte geholt hat. „Dat jibt’s nit: Du kommst aus Hamburg? Wie meine Freundin!“
Wir schlingerten zur Kneipe, wo bereits einige Dutzend Kölnfans vorm Flachbildfernseher standen, Kölsch tranken und auf ihre Mannschaft schimpften. Natürlich lief nicht die Konferenz, sondern das Kölnspiel. Bald nach unserer Ankunft fiel das 1:1 für Freiburg, was die Stimmung insgesamt verschlechterte.
Nicht so bei Markus. „Wat han wir ’n Glück, dat wir die 20, 25 Euro jespart han!“, grölte er mir freudestrahlend ins Ohr. „Dat is doch viel schönor, hier jemütlich Kölsch zu schlabborn!“ Wo er Recht hat.
Vom Spiel bekam ich nicht viel mit, denn immer wieder musste Markus seiner Begeisterung über meine Herkunft ekstatisch Ausdruck verleihen. „Dat jibt et nit, aus Hamburg!“, rief er, als müsse er eine halbe Fußballplatzlänge sonisch überbrücken, dabei sorgte er während des kompletten Spiels für eine maximale Distanz von acht Zentimetern zwischen seinem Mund und meinem Ohr.
Dann orderte er noch zwei Kölsch. „Aus Hamburg!“ Er schüttelte fassungslos den Kopf und umarmte mich ungelenk, während im Hintergrund das 1:2 fiel und das Schimpfen der Fans kurz aufwogte, um alsbald paralytisch zu verebben.
Kurz vor Schluss schoss Freis den Ausgleich. Jubel, Trubel, noch ’n Kölsch. Zwischendurch wurde ich immer wieder von Markus’ Beileidsbekundungen wegen des Ausscheidens des HSV aus der Europa League überschüttet. „Dat tut mir soooo leid, ächt“, sprühnebelte Markus.
Ich hatte es nach drei vergeblichen Versuchen aufgegeben, ihm noch einmal zu erklären, dass man als St.-Pauli-Fan auf eine HSV-Niederlage nicht gerade mit äußerster Bestürzung reagiert. „Aber für den deutschen Fußball ist dat schlächt“, hatte Markus beharrlich eingewandt, und natürlich hatte er Recht.
„Aus Hamburg, wie meine Freundin, dat jibt’s nit!“, sagte er plötzlich wieder und wollte das wiederholt mit einer Runde Kölsch begießen, doch ich wand mich aus der allmählich bedrohlichen Promillespirale mit dem wahrheitsgemäßen Argument, ich müsse abends noch auf eine Weinprobe.
„Eine Weinprobe! Is dat jeil!“, schrie Markus mir aus acht Zentimetern ins Ohr. Er hingegen, gelang es mir semantisch aus seinen weiteren Ausführungen herauszudestillieren, werde jetzt auf eine Tour durch die Brauhäuser der Altstadt gehen. Kösch schlabborn.
Im Hotel war die Weinprobe zum Glück nur eine Option. Ich entschied mich stattdessen kölschvernebelt dafür, dem Koch dabei zuzusehen, wie er 30 lebende Flusskrebse in siedendes Wasser warf.
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03 Mai 2010
Erblasser gesucht
Unfassbar wahr: Mein FC St. Pauli steigt nach dem Sieg in Fürth in die erste Liga auf! Das ist da, wo die Bayern spielen und nicht Paderborn.
Ab August werden unsere Stadtteilkicker also nun Robben an die Kette legen, Lahm live aufm Platz erklären, was Nomen est Omen übersetzt bedeutet, und Ribéry vorm Spiel aus teuflisch-taktischen Gründen die Standorte der attraktivsten scheinbar 17-jährigen Huren stecken (Davidstraße; aber nicht petzen).
Dieser Aufstieg ist praktisch noch schöner als das längst legendäre 3:1 im Schnee gegen Bremen. Prophylaktisch wurde daher heute Abend die Reeperbahn gesperrt, dabei weilt die Mannschaft noch in Franken. Was am kommenden Sonntag ab 17 Uhr nach dem letzten Heimspiel hier los sein wird, mag man sich gar nicht ausmalen. Für Kiezbewohner gibt nur zwei Möglichkeiten: fliehen oder mitfeiern. Mal sehen, was Ms. Columbo zu dieser Auswahl sagt.
Für mich allerdings tropft ins Meer der Euphorie der seit Jahren übliche Wermutstropfen: Ich werde auch für die kommende Saison keine Dauerkarte bekommen.
Wer also vererbt mir eine? Bitte nur ernstgemeinte Angebote.
Foto: FC St. Pauli
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02 Mai 2010
Das Beinahende der Oliver-Pocher-Show
Erbte ich zufällig eine Hotelkette, so böte ich direkt nach Bett, Klo und Dusche als viertes Killerfeature jedes Zimmers freies WLAN an, und zwar noch vor Minibar und Pornos.
Da ich die Maritim-Kette zufällig noch nicht geerbt habe, ist das hier aber anders, und das Hotel räumt T-Mobile die Lizenz zum Schröpfen ein. Acht Euro pro Stunde will der rosa Wucherer fürs drahtlose Web – und kriegt sie natürlich nicht, zumindest nicht von mir.
Beim Maritim hat man schlicht noch nicht begriffen, dass viele Gäste ihr Hotel danach aussuchen, ob sie nach Lust und Laune im Internet surfen können. Doch auch dieses altehrwürdige Familienunternehmen wird irgendwann im 21. Jahrhundert ankommen, da bin ich mir sicher.
Lautsprecher neben dem Bett gibt es jedenfalls längst, und die wurden vergangene Nacht gegen halb 3 hochaktiv. Zunächt gab es einen Alarmton, der uns aus dem Tiefschlaf unvermittelt in eine kerzengerade Sitzhaltung zwang. Dann sagte eine Stimme ungefähr das:
„Es gibt ein technisches Problem, bitte verlassen Sie SOFORT das Hotel. Benutzen Sie NICHT die Aufzüge.“
Wortlos zogen wir uns an, trotteten raus auf den Flur und folgten schweigend einem vierschrötigen HipHop-Fan mit Kapuzensweatshirt, weil er den Weg zum Treppenhaus zu kennen schien.
Draußen röhrten die Sirenen. Als wir ins Atrium kamen, wo die Leute zusammenströmten, rasten drei Feuerwehrautos im vollen Ornat heran. Vorm Hotel versammelten sich die Gäste in illustren Kombinationen. Manche (die von der Tanz-in-den-Mai-Party) im kleinen Schwarzen, andere (die dem Tiefschlaf entrissenen) im Bademantel.
Die Feuerwehr stürmte das Hotel, lief mal hier-, mal dorthin, beriet sich flüsternd mit Sicherheitsleuten und kam schließlich zu dem Schluss: Fehlalarm. Ein übereifriger Feuermelder, der auch mal was sagen wollte.
Die mit dem kleinen Schwarzen trollten sich, die mit den Bademänteln auch, und wir erst recht. Als wir die Rolltreppe nach oben betraten, kam uns Oliver Pocher samt Entourage entgegen. Reichlich spät, Junge, dachte ich. Wäre es kein Fehlalarm gewesen, gäbe es im deutschen Fernsehen jetzt eine Lateshow weniger.
Ob das ein Verlust wäre, müssen andere entscheiden.
PS: Das Foto zeigt ein dekoratives Spargelfeld in der Umgebung – am Morgen, nachdem das Maritim Köln doch nicht abgebrannt ist.
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01 Mai 2010
Unter Vollprolls gen Köln
Als das knappe Dutzend Jungs lautstark unser Zugabteil entert, weiß ich sofort, dass die Fahrt gelaufen ist.
Schon beim Einsteigen balancieren sie ihr Gepäck aus – mit Bierflaschen. Alles was sie sagen, tun sie so, als müssten sie sich gegen eine Armada Presslufthämmer durchsetzen.
Wenn sie singen (was sie oft tun), handelt es sich um Lyrik à la „Whiskey und Kümmer-/ling-e-ling-e-ling“, und wenn sie nicht singen, dann grölen sie, und zwar „Olic! Olic! Olic!“.
In Osnabrück registrieren die Jungs durchs Fenster vergnügt eine Gruppe Mädchen mit Instrumenten auf dem Bahnsteig. „Boah“, staunt einer, als müsste er einen Presslufthammer übertönen, „die können Geige spielen!“ „Besser wäre Flöte“, ruft einer seiner Kumpel. So viel schlüpfrige Schlagfertigkeit hätte ich ihm gar nicht zugetraut, ehrlich gesagt.
Nach etwa der Hälfte der Strecke hat der Säugling auf dem Sitz vor uns genug vom Vollprollterror – und hält mit Schreien dagegen. Alles kein Ambiente, um unterm Kopfhörer ein Album von Owen Pallett zu hören oder einen Roman von Michel Houllebecq zu lesen (oder wie immer der geschrieben wird).
Unsere gemeinsame Fahrt mit den Jungs und dem Säugling dauert drei Stunden. Danach wanken wir aus dem Zug wie nach dem Ironman oder zwei schlaflosen Nächten oder beidem. Jetzt muss Köln uns retten, wo wir auf Einladung der Maritim-Kette das Wochenende verbringen.
Das Hotel liegt praktisch am Rhein und in Fußweite zum Dom. Verurteilte man mich zufällig zu lebenslänglich und dürfte ich mir aussuchen, wo ich die Strafe absitzen wollte, so wäre diese Mischung aus lichtdurchflutetem Atrium mit Mall (Foto) und Hotel drumherum gewiss nicht die letzte Wahl.
Da wir beide bisher noch nicht zu lebenslänglich verurteilt wurden, gehen wir nach dem Einchecken gleich mal die Gegend erkunden – und landen in einer Eisdiele, wo eine Frau zu einer anderen sagt: „Ich geh kurz bei Schlecker!“.
„Kölsch“, wird ein paar Stunden später der Maritim-Marketingdirektor Thomas Schüpstuhl uns mit einem Glas in der Hand erläutern, „ist die einzige Sprache, die man trinken kann.“ Und was soll ich sagen: Der Mann hat Recht.
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30 April 2010
Auf der Bundesbankfiliale (Honeckers Heiermann)
Matt: „Ich habe hier auch noch 5 Ostmark. Was kann ich damit machen?“
Bundesbankmann: „In ein Fotoalbum kleben?“
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29 April 2010
Ein Idiot mit Schüttellähmung
Seit einiger Zeit kappe ich immer mehr Taue zu den Netzwerken im Web. Kein „Wer-kennt-wen“ mehr, Schluss mit „Stayfriends“.
Ich will wieder mehr auf meine Daten achten. Was natürlich witzig klingt bei einem Blogger, der mit Klarnamen aus seinem Leben berichtet, das gebe ich zu; doch hier auf der Rückseite der Reeperbahn kann ich wenigstens der Illusion frönen, alles unter Kontrolle zu haben.
Es wäre im Lichte dieser Rückzugsstrategie natürlich höchst inkonsequent, mir nach dem baldigen Ablauf meines Personalausweises eins von diesen neuen Chipdingern aufdrücken zu lassen. Deshalb besuche ich das Ortsamt St. Pauli, um mich für acht Euro Gebühr noch mal mit einer guten, alten Plastikkarte zu versorgen – das sind zehn Jahre Aufschub!
Auf dem Antrag ist ein schwarzumrahmtes Rechteck, in das ich unterschreiben soll. Ein aufregender Akt, denn regelmäßig missrät mir meine Unterschrift. Außerdem sieht sie jedesmal anders aus. Doch diesmal gelingt sie mir, ich bin erleichtert und auch ein wenig stolz.
„Hm“, macht die Ortsamtsdame, als sie den Antrag inspiziert, „ist Ihnen die Unterschrift da unten nicht ein wenig ins Schwarze geraten?“ Na ja, könnte schon sein, gerade so. Aber wenn’s nach mir ginge, dann …
Zu spät: Sie hat den Antrag bereits zerrissen und zerknüllt und druckt einen neuen aus. Jetzt bin ich enorm unter Druck, und Druck wirkt sich auf meine Testierfähigkeit aus wie eine mutierte Vogelspinne auf Arachnophobiker.
Zittrig setze ich an, verkrampfe augenblicklich, versuche das Debakel mit adrenalingepeitschtem Aktionismus in letzter Sekunde abzuwenden – und gerate diesmal ins Schwarze oben. Deutlich sogar. „Meine Unterschrift“, werfe ich kleinlaut ein, „ist eben sehr vertikal.“
Das mache nichts, antwortet die einfühlsame Ortsamtsfrau, während sie mich über ihre Lesebrille hinweg mustert, den Antrag zerreißt und einen neuen ausdruckt. Diesmal gelingt mir ein Gekrakel, als hätte Picasso einen epileptischen Anfall. Und obwohl dieses Gebilde nirgendwo ins Schwarze lappt, ist uns beiden stillschweigend klar, dass es keinesfalls die nächsten zehn Jahre auf einem nichtelektronischen Ausweis von sekundenlanger Schreibinkontinenz künden sollte.
Sie knüllt und zerreißt mit zunehmender Professionalität, Gleiches gilt für die Routine ihres Ausdruckens. Ihr Blick über die Lesebrille ist dabei weiterhin von Gelassenheit und Milde geprägt, ganz so, als hielte sie mich gar nicht für einen Idioten mit Schüttellähmung. Sie sollte auf Seelsorgerin umschulen.
Also Antrag Nr. 4 – und es klappt! Ich habe mich ins Ziel gerettet! Sie ist nicht schön, diese Unterschrift, zumindest nicht so schön wie die erste, die gewiss bei genauerem Hinsehen gar nicht ins untere Schwarze gelappt und deshalb eigentlich eine Chance verdient hatte. Aber immerhin.
„So“, sagt die Ortsamtsfrau sehr sanft, „das macht dann vier mal acht Euro. Also 32.“ Ich starre sie entgeistert an.
„Nur ’n Scherz“, sagt die Ortsamtsfrau.
Hoffentlich sitzt sie in zehn Jahren noch da, wenn meine neue gute, alte Plastikkarte ablaufen wird. Irgendwie sind wir ein gutes Team.
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Ich will wieder mehr auf meine Daten achten. Was natürlich witzig klingt bei einem Blogger, der mit Klarnamen aus seinem Leben berichtet, das gebe ich zu; doch hier auf der Rückseite der Reeperbahn kann ich wenigstens der Illusion frönen, alles unter Kontrolle zu haben.
Es wäre im Lichte dieser Rückzugsstrategie natürlich höchst inkonsequent, mir nach dem baldigen Ablauf meines Personalausweises eins von diesen neuen Chipdingern aufdrücken zu lassen. Deshalb besuche ich das Ortsamt St. Pauli, um mich für acht Euro Gebühr noch mal mit einer guten, alten Plastikkarte zu versorgen – das sind zehn Jahre Aufschub!
Auf dem Antrag ist ein schwarzumrahmtes Rechteck, in das ich unterschreiben soll. Ein aufregender Akt, denn regelmäßig missrät mir meine Unterschrift. Außerdem sieht sie jedesmal anders aus. Doch diesmal gelingt sie mir, ich bin erleichtert und auch ein wenig stolz.
„Hm“, macht die Ortsamtsdame, als sie den Antrag inspiziert, „ist Ihnen die Unterschrift da unten nicht ein wenig ins Schwarze geraten?“ Na ja, könnte schon sein, gerade so. Aber wenn’s nach mir ginge, dann …
Zu spät: Sie hat den Antrag bereits zerrissen und zerknüllt und druckt einen neuen aus. Jetzt bin ich enorm unter Druck, und Druck wirkt sich auf meine Testierfähigkeit aus wie eine mutierte Vogelspinne auf Arachnophobiker.
Zittrig setze ich an, verkrampfe augenblicklich, versuche das Debakel mit adrenalingepeitschtem Aktionismus in letzter Sekunde abzuwenden – und gerate diesmal ins Schwarze oben. Deutlich sogar. „Meine Unterschrift“, werfe ich kleinlaut ein, „ist eben sehr vertikal.“
Das mache nichts, antwortet die einfühlsame Ortsamtsfrau, während sie mich über ihre Lesebrille hinweg mustert, den Antrag zerreißt und einen neuen ausdruckt. Diesmal gelingt mir ein Gekrakel, als hätte Picasso einen epileptischen Anfall. Und obwohl dieses Gebilde nirgendwo ins Schwarze lappt, ist uns beiden stillschweigend klar, dass es keinesfalls die nächsten zehn Jahre auf einem nichtelektronischen Ausweis von sekundenlanger Schreibinkontinenz künden sollte.
Sie knüllt und zerreißt mit zunehmender Professionalität, Gleiches gilt für die Routine ihres Ausdruckens. Ihr Blick über die Lesebrille ist dabei weiterhin von Gelassenheit und Milde geprägt, ganz so, als hielte sie mich gar nicht für einen Idioten mit Schüttellähmung. Sie sollte auf Seelsorgerin umschulen.
Also Antrag Nr. 4 – und es klappt! Ich habe mich ins Ziel gerettet! Sie ist nicht schön, diese Unterschrift, zumindest nicht so schön wie die erste, die gewiss bei genauerem Hinsehen gar nicht ins untere Schwarze gelappt und deshalb eigentlich eine Chance verdient hatte. Aber immerhin.
„So“, sagt die Ortsamtsfrau sehr sanft, „das macht dann vier mal acht Euro. Also 32.“ Ich starre sie entgeistert an.
„Nur ’n Scherz“, sagt die Ortsamtsfrau.
Hoffentlich sitzt sie in zehn Jahren noch da, wenn meine neue gute, alte Plastikkarte ablaufen wird. Irgendwie sind wir ein gutes Team.
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