Bereits seit Oktober 2006 haben wir theoretisch die Möglichkeit, den Mailverkehr über unseren Telefonanbieter Alice/Hansenet (Foto) abzuwickeln. Das taten wir aber nie; wir sind schließlich anderweitig gut versorgt.
Heute aber dachte ich wie aus heiterem Himmel, ich schaue mal rein und überlege, ob ich nicht vielleicht doch via Alice mailen sollte.
Noch niemals war, wie gesagt, von diesem Anschluss eine Elektropost versandt worden, nur zwei Testmails hatte ich anno 2006 hingeschickt. Praktisch niemand auf der ganzen weiten Welt und darüber hinaus kennt also diese Mailadresse.
Ich kenne sie ja selber nicht.
Umso frappierender war der Zustand, in dem sich mir heute dieses Mailfach präsentierte. Es war geflutet mit Spam. Mir flimmerten die Augen vor lauter Betreffs wie „Hello“, „Re:“, „Uqtvyujsoiqfgoiv“, „Hi“ oder „Your Account is Suspended For Security Reasons“.
Irgendwo mittendrin – auffindbar nur nach alphabetischer Sortierung – dümpelten meine zwei alten Testmails herum und piepsten ersterbend um Hilfe. Ich löschte rettete sie und beschloss, nie mehr zurückzukehren an diesen Ort, der jungfräulich hätte sein sollen und doch einer der Scham und Schande war.
Dann ritt ich in den Sonnenuntergang.
Ist es nicht sehr sarkastisch, aber auch ziemlich platt vom Schicksal, dem bisher so unfassbar unverwüstlichen Medienmogul Leo Kirch nur wenige Wochen, nachdem er sich erneut des deutschen Fußballs bemächtigte, einen Fuß zu rauben?
Dem kann der gesunde Menschenverstand doch nur mit Unverständnis begegnen.
Die Aufsteckbürstenaffäre geht in die letzte Runde.
Heute erhielt ich ein mehrseitiges Schreiben der in Bremen ansässigen Rechtsanwälte von Procter & Gamble. Bei den auf Ebay ersteigerten Bürsten aus China, eröffnete man mir ohne Umschweife, handele es sich definitiv um Fälschungen.
Wenn ich nicht schriftlich innerhalb einer eng gesetzten Frist, am besten augenblicks, die unverzügliche Vernichtung der bereits seit Wochen zollseits konfiszierten Bürsten beantrage, brächten sie den Fall vor Gericht.
Das freiwillige Vernichtenlassen der Mundhygieneartikel sei also für mich sehr viel kostengünstiger, weshalb sie mir dringlich dazu rieten. Das hatte ich kommen sehen und bereits am 7. Januar in nicht unharschen Worten beim in Berlin gemeldeten Verkäufer dieses Szenario durchdiskutieren wollen.
Er antwortete auch.
Von: Kemal P.
Betreff: Re: 16 x Aufsteckbürsten Oral B FELXISOFT EB NEU OVP
Datum: 10. Januar 2008 02:40:24 MEZ
An: MattWagner
Ok alles klar, Nein das ist Definitiv keine fälschung ist schon merkwürdig aber ok kein problem. sollten die vom Zollamt probleme machen erstatte ich Ihnen gerne Ihr geld zurück.
mfg
Der Wahrheitsgehalt dieser handzahmen Mail von Herrn P. erwies sich dank der neusten Entwicklungen als ähnlich ausgeprägt wie die Echtheit seiner Oral-B-Aufsteckbürsten. Sie erforderte somit heute eine Antwort.
Von: MattWagner
Betreff: Re: 16 x Aufsteckbürsten Oral B FELXISOFT EB NEU OVP
Datum: 15. Januar 2008 22:10:52 MEZ
An: Kemal P.
Hallo, Herr P.,
es handelt sich bei den Aufsteckbürsten, die Sie mir verkauft haben, doch um Fälschungen. Das teilte mir heute das Anwaltsbüro B. in Bremen mit. Allerdings kann ich von einem Betrüger wohl kaum erwarten, dass er ausgerechnet auf dem Gebiet der Lüge mehr Taktgefühl walten lässt.
Wie auch immer: Ich wurde von Procter & Gamble gezwungen, die Vernichtung der Aufsteckbürsten zu beantragen. Damit ist der Fall eingetreten, für den Sie mir eine Rückerstattung angeboten haben. Bitte überweisen Sie also den Betrag von 21,80 Euro auf mein Paypalkonto; die Adresse kennen Sie ja. Ich nehme an, Sie werden das umgehend erledigen. Bei Paypal geht das ja innerhalb von Sekunden. Vielen Dank.
Für Ihren weiteren Lebensweg wünsche ich Ihnen alles Gute. Es kann ja im Grunde nur besser werden.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Wagner
Bisher kam noch keine Antwort.
Es ist übrigens schon ein recht merkwürdiges Gefühl, die Vernichtung einer Ware zu beantragen, die man ordnungsgemäß bezahlt, aber dank eines staatlichen Eingriffs nie genutzt hat.
Als müsste man sich selbst ohrfeigen.
Edit 27.1.2008: Der Bürstenverkäufer hat mir nach zwei weiteren Erinnerungsmails das Geld zurückerstattet.
Gut, vielleicht ist meine Erfindung nicht vergleichbar mit der des Rades. Aber fast: Vorm Einfüllen des Espressos toaste ich nämlich neuerdings Gläser oder Tassen, um das Getränk möglichst lange heiß zu halten.
Eine sehr effiziente Methode zur Erhitzung auch solcher Materialien, denen der Umgang mit Toastern nicht in die Wiege gelegt wurde. Es hilft übrigens sehr, wenn der Henkel (wie in der heutigen Fotodokumentation zu sehen) über den Rand des Gerätes hinweg ragt, sonst toastet man sich nämlich auch noch die Fingerkuppen, wenngleich indirekt.
Auch sollte man Glas oder Tasse nach der Hälfte der Zeit einmal drehen, um eine gleichmäßige Hitzeverteilung über das gesamte Gefäß zu erreichen.
Es empfiehlt sich nach Abschluss der Prozedur zunächst eine kurze taktile Prüfung des Glas- oder Tassenrandes mit den Fingern, bevor man optimistisch den Lippenkontakt sucht. Doch das ist auch schon alles, was man bei dieser neuartigen Espressotassenerhitzungsmethode beachten muss. Sie funktioniert sogar bei Teepötten und kleineren Tellern.
Das Verfahren stelle ich hiermit unter einer Creative-Commons-Lizenz der Weltöffentlichkeit zur Verfügung.
Merkwürdig: Auch das „Sonntag-Morgenmagazin“ im strenggläubigen Dillkreis, wo ich das Wochenende verbringe, druckt unverblümte Sexanzeigen.
Tja, wo immer ich hinfahre: St. Pauli – das Foto zeigt ein von mir persönlich verewigtes Motiv des dort legendären Tittenmalers Erwin Ross – ist schon da.
Unter den einschlägigen Angeboten im „Sonntag-Morgenmagazin“ findet sich auch eins von „Gerda“. Sie offeriert „Haubesuche“.
Hmm … Tippfehler oder Domina?
Man muss die gute Gerda wohl buchen, um es zu erfahren. Aber dazu bleibe ich nun wirklich nicht lange genug hier.
Sah heute am Hauptbahnhof (Gleis 13 a/b), wie zwei südländisch (!) aussehende Nonnen einem alten Bettler nichts gaben.
Erster Gedanke: Sofort ausweisen! (Die Nonnen.)
Gut, ich habe dem Graubart auch nichts gegeben. Aber ich bin Deutscher! Zumindest im Sinne Roland Kochs.
Deutsche Straftäter sollten übrigens ebenfalls ausgewiesen werden. Und zwar nach Hessen.
Dass ich heute in ebendieses Bundesland gereist bin, hat mit dieser Forderung gleichwohl nichts zu tun. Und auch nichts damit, dass ich dem Bettler nichts gegeben habe.
Sondern mit was ganz anderem.
Mir ist mal wieder eine Meisterleistung gelungen, die jedem, der dies hier in den nächsten Minuten liest, grenzenlose Bewunderung abnötigen wird. Doch der Reihe nach.
Neulich entschloss ich mich, alte Software bei Ebay zu versteigern. Auf dem neuen Rechner läuft sie eh nicht mehr, teils hat sie schon zehn Jahre auf dem Buckel. Wie man weiß, sind Softwarejahre Hundejahre, also mal sieben. 70 Jahre alte Software!
Aber vielleicht, so meine aus eigener Sammlererfahrung gespeiste Überlegung, gibt es irgendwo da draußen noch liebevolle Hätschler alter Rechnermühlen, die sich seufzend der patinösen Aura solcher Klassiker wie „Guinness Buch der Rekorde 1995” hingeben möchten.
Also wühlte ich in allen Kisten, suchte dies zusammen und das, packte schließlich 20 CDs mit Programmen und Lexika in eine Auktion, legte das Startgebot auf einen Euro fest, kalkulierte die auf Kante genähten Versandkosten mit brutto 2,35 Euro für einen gepolsterten Maxibrief und wartete wohlgemut ab.
Sieben Tage später stand das Höchstgebot fest. Zwei Leute hatten sich eine erbitterte Bieterschlacht geliefert, bis dem einen schließlich die Luft zu dünn wurde. Die unerhört dramatische Auktion endet bei exakt … einsfuffzig.
Damit wäre ich bestimmt 1995 im „Guinness Buch der Rekorde“ gelandet, hätte es damals Ebay schon gegeben. Doch ich schweife ab. Ich muss ja endlich zum Kern meiner Ausführungen kommen, nämlich dem Grund für die gleich einsetzende grenzenlose Bewunderung.
Heute also, nach Eingang der Überweisung in Höhe von brutto 3,85 Euro, verpackte ich die geronnene Arbeitskraft ganzer Entwicklergenerationen in den erwähnten Polsterumschlag und taperte zu Edis Lieblingspostfiliale in der Nachbarschaft.
Der Postmann nahm den Brief und wog ihn. „Tja“, sagte er dann, „über zwei Kilo. Geht nur als Päckchen. Macht 3,90 Euro.“
3,90 Euro. Fünf Cent mehr, als ich überwiesen bekommen habe. Eine echte Meisterleistung.
Grenzenlose Bewunderung bitte in den Kommentaren.
Sagt mal, hört das denn gar nicht mehr auf mit diesen Eisbärbabys? Werden die nie mal alle?
Meines Erachtens sollten all jene Vertreter dieser respektablen Spezies, die in Zoos gepfercht sind, das Schnackseln komplett einstellen, schon aus Protest.
Doch ganz im Gegenteil. Der deutsche Eisbär geriert sich unverdrossen geil. Und deshalb sind selbst seriöse Nachrichtensendungen seit dieser Woche erneut zottelfellkontaminiert.
Wider Willen weiß ich nun, wie der Pfleger des neuen Nürnberger Eisbärbabys das neue Nürnberger Eisbärbaby ruft, nämlich „Flocke“. Ich will so etwas nicht wissen!
An genau der Stelle meiner hier oben eingebauten Festplatte, wo nunmehr „Flocke“ abgespeichert ist, sollte besser eine sinnvollere Information zu finden sein. Zum Beispiel das Wort „Zerknalltreibling“.
Mit dieser Neuschöpfung versuchten angeblich einst die Nazis das undeutsche Wort „Motor“ heim ins Reich zu holen. Das ist sehr, sehr witzig.
Selbst das Wissen, wann Don Alphonso gestern Abend in der zweistündigen DJV-Podiumsdiskussion zum Webjournalismus erstmals ungeduldig, vielleicht sogar schon verärgert mit dem rechten Fuß zuckte (nämlich nach 26 Minuten 38 Sekunden), hielte ich für eine sinnvollere Belegung des aber noch immer von „Flocke“ zäh verteidigten Speicherplatzes.
Also, Eisbären: Hört endlich auf mit dem ihr wisst schon! Gebt Speicherplatz frei! Lasst wenigstens 2009 als eisbärenbabyloses Jahr in die Geschichte der deutschen Zoos eingehen!
Machbar?
Foto: cl-mz, Photocase
Die Kreuzung Barner Straße und Friedensallee ist verkehrstechnisch von großer Tücke, obgleich ihre HVV-Anbindung geradezu obszön grandios ist.
Diverse Buslinien durchkreuzen die Gegend, doch sind die Haltestellen etwas verstreut gelegen. An der Barner Straße kommt die 37 vorbei, hundert Meter weiter in der Friedensallee öffnet die 150 dir gern die Tür, und auf der anderen Seite des Häuserblocks in der Bahrenfelder Straße lockt die Linie 2.
Alle fahren in die richtige Richtung, nämlich zum Bahnhof Altona. Mein Ehrgeiz besteht nun in der Regel darin, den nächsten eintreffenden Bus zu erwischen, unabhängig von der Haltestelle. Dadurch erhoffe ich mir ein frühestmögliches Eintreffen zu Hause.
Dazu muss ich anmerken: Ich kann mir keine Abfahrtzeiten merken, aber das nur nebenbei. Zuerst probiere ich es stets mit dem 37er, der mich aber regelmäßig in den Wahnsinn treibt, weil er einfach nicht kommt.
Natürlich warte ich ein paar Minuten über die turnusmäßige Abfahrtzeit hinaus, bin ja kein Anfänger, doch dann keimt auch schon der erste dämonische Gedanke, der sich alsbald zur Zwangshandlung auswächst: Los, lauf rüber zur 150, flüstert der Dämon, die kommt bestimmt gleich!
Das tat ich auch schon mehrfach, nur um in der Ferne sogleich den 37er an meiner alten Haltestelle vorfahren zu sehen, während nunmehr der 150er geruhte, eine kleine Auszeit vom harten Tagwerk zu nehmen.
Einmal ging ich am Ende auch noch rüber zur Haltestelle der 2 und durfte frustriert der 150 hinterherwinken, die nur eine Minute nach meinem Verlassen der Station frohgemut eingetroffen war. Die 2 hingegen kam laut Fahrplan erst in zehn Minuten. Also lief ich gesenkten Kopfs zum Bahnhof (sieben Minuten) und traf spätestmöglich zu Hause ein.
Inzwischen bin ich aber auf buddhaeske Weise gleichmütiger geworden. Ich warte einfach auf die 37, wann immer sie kommt. Wozu habe ich 8133 Songs auf dem iPod?
Heute stehe ich dergestalt in mir ruhend an der Haltestelle, als eine leicht atemlose Mittfünfzigerin angerauscht kommt und mich fragt, ob der 37 schon durch sei. Ich verneine das, und die Dame stellt sich erleichtert zu mir.
Doch nur fünf Minuten später verliert sie schnaufend die Geduld und dampft ab zur 150. Jetzt, vorfreue ich mich diebisch, werde ich die ganze trickreich inszenierte Aufführung der hiesigen Verkehrsbetriebe also mal live an der richtigen Bushaltestelle erleben.
Denn das Abdampfen der Frau muss nach meiner Erfahrung und kosmischer Logik das sofortige Eintreffen der 37 bedingen. Sie hingegen darf das ganze Elend aus hundert Meter Entfernung hilflos fluchend mitansehen, während ich fröhlich pfeifend in den Bus steige und mir stumm gratuliere zu einer taktischen Meisterleistung.
Klasse Plan. Doch der Bus kommt nicht. Nicht nach fünf und nicht nach acht Minuten, sondern erst nach zwölf. Trotz der geflohenen Frau.
Man kann sich einfach auf nichts mehr verlassen. Nur auf den dauermelancholischen Blick der abgebildeten Statue. Ich kenne sie nur zu gut: Sie steht auf halbem Weg zwischen der 37er-Haltestelle und dem Bahnhof Altona.
Neulich erhielt Ms. Columbo vom Klamottenversand Lands’ End eine Weihnachtskarte. Es stehen unzählige Namen drauf, handschriftlich. Die ganze Belegschaft muss rangekarrt worden sein, wegen Ms. Columbo. Es ist fast so wie bei mir vor ein paar Tagen.
„Ich habe“, analysiert sie nachdenklich die Lage, „wohl doch ein wenig zu viel bei Lands’ End bestellt.“ Sie betrachtet die Karte skeptisch. „Wahrscheinlich“, vermute ich, „steht sogar eine Aktskulptur von dir als Denkmal in der Lands’-End-Eingangshalle.“
Sollte ich übrigens jemals auf die Idee kommen, freiwillig eine Firma zu empfehlen – und das geht nur freiwillig, denn sich dafür bezahlen zu lassen, wäre genauso eklig wie klebrig –, dann wäre es mit Sicherheit Lands’ End. Das liegt nicht an Ms. Columbos Karte, sondern am Schicksal meiner wind- und wasserdichten Winterjacke.
Nach rund siebenjährigem Gebrauch hatte ihr bis dato sehr robust wirkender Reißverschluss erschöpft aufgegeben. Lands’ End wirbt ja mit lebenslanger Garantie und untermalt das gern mit dem selbstbewussten Ausruf: „Guaranteed. Period.“ Na gut, dann lasse ich mir von Lands’ End eben den Reißverschluss reparieren, dachte ich, und schickte die Jacke weg.
Wenige Tage später rief Lands’ End an. Sie reparierten leider keine Jacken, eröffnete mir eine Mitarbeiterin, auch ein Austausch des Reißverschlusses sei nicht machbar. „Aber …“, wollte ich gerade anheben und meinen Protest argumentativ um das griffige „Guaranteed. Period.“ herum aufbauen, als sie selbst „Aber …“ sagte und hinterschob: „… Sie bekommen natürlich eine neue Jacke.“
Ähm, gut, das ist … nett, stammelte ich. Wenige Tage später ging mir eine neue Jacke zu. Im Paket lag zudem ein Umschlag. Ich öffnete ihn und entdeckte einen Scheck. Über acht Euro. Ein begleitender Brief erläuterte den Grund: Das Jackenmodell sei inzwischen billiger, deshalb.
Ich hatte also eine sieben Jahre alte kaputte Jacke zurückgeschickt und verfügte jetzt über eine futschneue; außerdem war ich um acht Euro reicher, die ich am nächsten Tag in ein mittägliches Nudelgericht an der Pasta Bar im Ottenser Mercado zu investieren beschloss. Genauso kam es auch. Es schmeckte köstlich.
Wie gesagt: Sollte ich jemals freiwillig eine Firma empfehlen, dann wäre das Lands’ End.
Aber so etwas tue ich grundsätzlich nicht hier im Blog.
Auf einer Betriebsfeier testete unlängst eine bekannte Sommelière unseren Geschmackssinn. Wir mussten an zehn schwarzen Bechern schnuppern, die jeweils andere Duftnoten enthielten.
War ich während des Tests noch selbstbewusst und gegenüber dem Franken sogar arrogant („Das riechst du nicht??? Das ist Rosmarin, Franke! Rosmarin!“), so lag ich nach der Aufklärung völlig zerschmettert darnieder.
Denn was ich für Zitronengras gehalten hatte, entpuppte sich als Ingwer. Das zweifelsfrei identifizierte Lakritz verlachte mich als Soja, die Seife als Rosenwasser. Dafür kam der sofort und selbstbewusst öffentlich benannte Odeur des Marzipans (eins meiner Leibgerichte!) zu meiner totalen Verblüffung von der Haselnuss.
Der Duft, bei dem ich die Verdächtigen umstandslos auf Kirsche oder Schwarze Johannisbeere eingrenzen konnte, erwies sich als olfaktorische Folge einer Maracuja, während sich die echte Johannisbeere meiner Nase als Minze vorgestellt hatte.
Die von Wunderschnüffler Matt ohne jeden Anflug von Unsicherheit enttarnte Rote Grütze hingegen hob hämisch das Röckchen und rief: „Vanille!“
Richtig lag ich lediglich bei Kaffee und Paprika, und das war ungefähr so, als hätte ich beim Fußball kurz vor Schluss noch den Ehrentreffer erzielt – zum 1:8-Endstand.
Die bekannte Sommelière versuchte mir das Desaster mit unverbundenen Hirnregionen zu erklären, doch sie erreichte mich längst nicht mehr.
Übrigens war mein Rosmarin Pfeffer. Beim Franken habe ich danach das Thema einfach nicht mehr angesprochen.
„Ich weiß nicht genau, wie der Autor heißt“, sagt die Kundin zur Verkäuferin, „aber ich hätte gern das Buch über Gott.“
„Über Gott?“, staunt die Verkäuferin Buchstützen, ohne naheliegenderweise an Manfred Lütz’ „Gott – Eine kleine Geschichte des Größten“ zu denken, das gefühlt seit dem Auszug der Israeliten aus Ägypten die Büchercharts verstopft wie ein Haarbüschel den Abfluss.
Aber das fällt der Fachverkäuferin gerade nicht ein.
„Wenn ich Gott in den Computer eingebe“, sagt sie stattdessen, „dann hängt der sich auf!“
PS: Sie meinte den Computer.
Das Foto zeigt (mal wieder) das Gebäude der Heilsarmee in der Talstraße.
Meine aktuell liebste Müllmail schneit regelmäßig mit dem Betreff „Wir wissen, was Frauen wollern“ herein; und immer wieder frage ich mich, ob sie nicht eher nach dem „Wie“ des Wollerns fragen müsste.
Schließlich handelt es sich beim Wollern um eine (zumindest für mich) durchaus geheimnisvolle Tätigkeit, deren genaue Ausführung doch gerade das Interessante wäre – also das Wie.
Jedoch vermeidet es der Spambetreff sorgsam, dem Wollern selbst auf den Grund zu gehen. Vielmehr verdunkelt er es geradezu aufreizend reizvoll; und selbst der Text der Mail trägt semantisch kaum Erhellendes bei.
Wollernde Frauen – das klingt jedenfalls interessant. Auch gebeugt: Er/sie/es wollert. Wollen wir nicht mal wieder wollern? Alles denkbar, alles von dunkler, verheißungsvoller Strahlkraft.
Für den Werbeslogan des Friseurladens in Stade gilt das deutlich weniger. „Dreht sich die Säule hell und klar / schneiden wir sofort Ihr Haar“: Das ist doch zweifellos aus den letzten Kriegstagen übriggeblieben.
Die Säule übrigens drehte sich kein Stück. Ja, sie wollerte nicht mal.
Seit Wochen schon warte ich auf die bei Ebay ersteigerten Aufsteckbürsten für die Elektrische. Der von mir per Mail immer dringlicher zu einer offeneren Informationspolitik aufgeforderte Verkäufer schob das Ausbleiben der Bürsten ein ums andere Mal auf einen imaginierten adventlichen Päckchenstau.
Meine zunehmende Unleidlichkeit dämpfte das allerdings kaum. Es drohte bereits ein ernstes Zerwürfnis, da fand ich heute eine Mitteilung des Zolls im Briefkasten, dessen angetackerter Lieferschein auf China verwies. Noch dämmerte mir nichts; schließlich sitzt der Bürstenverkäufer in Berlin.
Unter den wenigen entzifferbaren englischen Wörtern des Zollzettels fanden sich allerdings auch die beiden hochverdächtigen „tooth“ und „brush“. Ein Hinweis auf meine sehnlichst erwarteten Aufsteckbürsten. Aber warum China?
Um das Rätsel zu lösen, begab ich mich unverzüglich auf eine Expedition gen Zollamt im Hamburger Osten. Als Fortbewegungsart wählte ich die bewährte Mischform aus Fahrrad und S-Bahn.
Als ich am Berliner Tor das Rad enterte, stellte sich jedoch heraus, dass meine Gangschaltung eingefroren war, und zwar in einem sehr kleinen Gang. Den Heidenkampsweg juckelte ich also runter wie ein Duracellhase auf Ecstasy. Die Leute kuckten, als säßen sie in einer Comedyshow.
Im Zollamt legte ich meinen Chinazettel vor. Der Beamte kam zurück mit einem kleinen Paket, reichte mir ein Messer und bat mich, das Paket aufzuschneiden. Das Erste, was ich aufschnitt (wenn auch versehentlich), war allerdings meine Hand, und zwar direkt unter der Zeigefingerwurzel. Irgendwann offenbarte sich aber auch der Inhalt des Pakets. Es waren in der Tat die Aufsteckbürsten.
Der Zollbeamte schaute skeptisch. Er nahm sie an sich und verschwand Richtung Computer. Nach zehn Minuten kam er zurück. Es bestehe, erklärte er, der Verdacht auf Produktfälschung. Die Bürsten müsse er der Herstellerfirma vorlegen. Falls es Nachbauten seien, würden sie vernichtet. Falls nicht, könne ich ja noch mal vorbeikommen, um sie mir abzuholen. So etwa in 14 Tagen.
Ich nickte verständig, während ich an meiner Hand nuckelte. Dann ging ich wieder hinaus in die gangschaltungsfeindliche Januarkälte, mit Wunde und ohne Bürsten.
Insgesamt ziehe ich dennoch ein positives Fazit. Zwar musste ich eine kleine Reise antreten, machte mich dank einer eingefrorenen Gangschaltung auf dem Heidenkampsweg lächerlich, tätowierte mich an der Zeigefingerwurzel, machte mich auf dem Heidenkampsweg dank der noch immer eingefrorenen Gangschaltung ein zweites Mal lächerlich – doch ich habe sie gesehen, meine Bürsten. Mit eigenen Augen. Sie existieren.
Gar keine sooo schlechte Bilanz für eine Ebayauktion, die erst am 7. Dezember zu Ende gegangen ist.
Der gestrige Beitrag hat mir viel Schimpf eingebracht. Obzwar ich dachte, mich sachlich geäußert und den Text nur hie und da mit einer feinen Prise Ironie gewürzt zu haben, halten mich nun selbst Menschen, die ich als bisher als wunderbar schätzen gelernt habe, für „kleinlich“, „niedrig“ oder gar einen „fanatischen Nichtraucher“.
Natürlich frage ich mich, ob man wirklich fanatisch nicht rauchen kann. Glaube ich eher weniger. Ich bin höchstens geradezu fanatisch kein Serienkiller. Doch solche semantischen Feinheiten spielen längst keine Rolle mehr in dieser aufgeheizten Situation.
Die Grundbereitschaft zur Hysterie bei den Rauchverbotsgegnern hat mich jedenfalls verblüfft. Dabei sind für die bisher bekannten Fälle von Militanz nach meinem Eindruck stets Raucher verantwortlich. Wahrscheinlich werden pöbelnde und marodierende Nichtraucher von der Presse einfach totgeschwiegen, deshalb …
Was mich bei der ganzen Diskussion so erstaunt: Wenn in der Kneipe jemand grundlos verprügelt wird, würdet ihr das (hoffentlich) missbilligen; wenn einem aber jemand in der gleichen Kneipe ein todbringendes Gasgemisch in die Lunge bläst, findet ihr das nicht nur tolerierbar, sondern fordert dieses Recht geradezu empört ein.
Beides aber, das Prügeln und das Paffen, meine Damen und Herrn, ist schlicht und einfach Körperverletzung – wobei Prügel die deutlich harmlosere dieser beiden Varianten darstellen.
Zum Glück aber fand heute im Aurel nichts davon statt. Als der ausgewiesene Rauchverbotsverbotsbefürworter GP und ich dort um 18 Uhr eintrafen, war die Kneipe von samtiger Frischluft erfüllt – und erstaunlicherweise voller als beim letzten Treff.
Natürlich halte ich das keineswegs für repräsentativ, bitte nicht missverstehen. Doch der von Raucherkassandras als Katastrophenszenario heraufbeschworene sofortige Kneipenkollaps hat zumindest heute in Ottensen noch nicht eingesetzt.
GP übrigens ertrug die Tortur, seine (und meine) Lunge für eine Stunde mal nicht langzeitschädigen zu dürfen, tapfer wie ein Mann. Nicht alle Raucher sind also hysterische Memmen. Wieder was dazugelernt.
Neulich schlugen zwei U-Bahn-Raucher in München einen Mann halbtot, als er sie aufs Rauchverbot aufmerksam machte.
Die Hamburger Regierung empfiehlt uns Nichtrauchern das nun zur Nachahmung. Nicht das Halbtotprügeln, nein, nein, sondern das Aufmerksammachen.
Da der Senat das Rauchverbot zwar höchstselbst verhängt hat, es aber aus wahltaktischen Gründen vorerst lieber doch nicht selbst durchsetzen möchte, fordert er uns in Gestalt von Gesundheitssenatorin Birgit Schnieber-Jastram auf, ab sofort couragiert die Raucher auf ihr Fehlverhalten hinweisen.
Wir sollen also für Ole & Co. die Exekutive spielen – sprich: die Rübe hinhalten. Na ja: no risk, no fun. Ich werde also demnächst zum Raucher gehen und ihm Folgendes darlegen:
„Entschuldigen Sie, hier ist das Rauchen verboten. Auch über die reine Gesetzeslage hinaus wäre es mir lieber, Sie respektierten mein Recht auf eine durchschnittliche Lebenserwartung und setzten mich keinen krebserregenen Giften aus, nur weil Sie a) Ihre Sucht nicht in den Griff kriegen und b) auch noch darauf bestehen, Sie öffentlich ausleben zu dürfen – was es Ihrer Spezies über Jahrhunderte praktisch widerstandslos ermöglichte, öffentliche Begegnungsstätten monopolartig zu bevölkern und Menschen, denen etwas an ihrer Gesundheit sowie dem olfaktorischen Niveau ihrer Kleidung liegt, von diesen geselligen Orten fernzuhalten, auf deren risikolosen Besuch sie doch ebenfalls ein Recht hätten. Also: Wie wär’s?“
Eigentlich überzeugende Argumente. Gleichwohl könnte der Raucher eingedenk der Münchner Vorbilder zu der Überzeugung kommen, seine Fäuste und Füße seien argumentativ noch stärker aufgestellt. Doch dann zückte ich einfach überlegen lächelnd meinen stärksten Trumpf – und verwiese auf die liebsorgende Gesundheitssenatorin Schnieber-Jastram, die mir das soeben demonstrierte Vorgehen nahegelegt habe.
Wenn schon, so würde ich souverän ausführen, dann sollte der aufgebrachte Raucher doch bitte ihr seine stichhaltigen Argumente darlegen. Sie sei zu den üblichen Geschäftszeiten im Rathaus anzutreffen.
Schon morgen Abend werden Ms. Columbo und ich das übrigens alles mal testen. Wir sind schon ganz aufgeregt vor Vorfreude.
(Motiv entdeckt im Kukuun, Spielbudenplatz)
Peder sagt, er sei Däne. Außerdem ist er mit Sicherheit: einsam.
Sein Kontaktzettel an einer Straßenlaterne an der Reeperbahn ist zerzaust von der Nacht, verheert von Silvester. „Peder er is Däne“, steht darauf, genauso wie „deutsch vohne“, was möglicherweise einen Hinweis liefern soll auf seinen derzeitigem Aufenthaltsort.
„Vünsche Mänlichen Freund bis 35“, barmt Peder und dass er „mit Ihnen alles teilen“ möchte. Rührend flattern seine Zettelfetzen im Januarwind, aber die Telefonnummer ist gut lesbar.
Eine osteuropäische Matrone trägt Plastiktüten vorbei und schaut sich den Müll der letzten Nacht an. Ihr Kind trottet hinterher; ein gelehriger kleiner Schüler, schon mit ausgebildet wachem Blick für die Unterschiede zwischen wertvoll und -los.
In der Talstraße liegen Weißbrotbrocken auf dem Asphalt, und keine einzige Taube kümmert sich darum. Auch die Vögel haben Kater.
In einer kleinen Einfahrt entdecke ich eine der gemütlichsten Ecken (auch olfaktorisch), die ich je auf St. Pauli vorfand. Noch während ich sie fotografiere, reift der Gedanke, eine entsprechende Fotoserie zu starten.
Hier ist sie, die Folge 1.
Ich weiß, ich weiß: Das habe ich alles letztes Jahr schon mal gesagt. Doch damals hat es nichts genützt.
Deshalb versuche ich es noch mal. Bitte lest also diesen Beitrag, solange ihr noch Augen habt. Erneut erwarte ich für diese guten Tipps keinen Dank; eure geretteten Gliedmaßen sind mir Lohn genug, obwohl ich von ihrer Rettung nie erfahren werde.
Einen guten Rutsch also. Möge morgen früh noch alles an euch dran sein, und zwar an den richtigen Stellen.
Cheers!
Foto: anschlaege.de
Obwohl ich von Berufs wegen mit neuen Alben überschüttet werde, kaufe ich noch immer viele Platten, vor allem im Internet. Neulich zum Beispiel beim US-Versender CD Baby.
Im Anschluss erhielt ich eine Kaufbestätigung per E-Mail. Und die erstaunte mich nicht wenig. Schon der Absendername („CD Baby loves Matthias“) schmeichelte mir, doch der Text selber steigerte sich dann noch mal erheblich.
Hier die übersetzte Mail:
Von: CD Baby loves Matthias
Betreff: Matthias - Your CD Baby Order! (#295755)
Datum: 22. Dezember 2007 22:43:00 MEZ
An: MattWagner__web.de
Matthias,
danke für Ihre Bestellung bei CD Baby!
Ihre CDs wurden mit sterilisierten und dekontaminierten Handschuhen zärtlich unserem Regal entnommen und auf ein Samtkissen drapiert. Ein Team von 50 Angestellten inspizierte Ihre CDs und polierte sie, damit sie in der denkbar besten Verfassung sind, bevor sie auf den Postweg gehen.
Unser japanischer Verpackungsspezialist entzündete eine Kerze, und das Pubikum verstummte ergriffen, als er die CDs in die beste goldverkleidete Schachtel legte, die man für Geld kaufen kann.
Danach hatten wir eine wunderbare Feier, und alle Teilnehmer zogen schließlich hinunter zum Postamt, wo sich die ganze Stadt Portland versammelt hatte, um Ihrem Päckchen ein „Bon voyage!“ hinterherzuwinken – auf seinem Weg zu Ihnen, wohin heute der CD-Baby-eigene Jet abhob.
Ich hoffe, es hat Ihnen viel Freude bereitet, bei CD Baby einzukaufen. Wir glauben es fest. Ihr Bild jedenfalls hängt an unserer Bürowand mit der Aufschrift „Kunde des Jahres“.
Jetzt sind wir alle erschöpft, können Ihre Rückkehr aber trotzdem kaum erwarten. Danke, danke, danke!
Seufz …
Derek Sivers, Präsident, CD Baby
Tja. Klingt schon anders als eine Standardmail von Ebay oder der Telekom. Der Kaufwert lag übrigens bei 26,96 Dollar.
Heute wagte ich nur einen einzigen Ausflug vor die Tür. Er reichte, um etwas sehr Unspektakuläres festzustellen: Auf St. Pauli geht alles seinen normalen Gang – und der regt mich auf.
Irgendjemand nämlich hat mir am Fahrrad mal wieder die Lampenleitung durchgeschnitten, bei Edeka ignoriert ein Merkbefreiter die Brötchenzange und wühlt mit bloßen Händen im Gebäck, von Fenstern und Balkonen bewerfen Scherzbolde die Passanten mit Knallfröschen, und auf dem Spielbudenplatz liegt unpassenderweise gestapelter Schnee herum.
Was also bleibt einem übrig, als sich zu Hause zu verkriechen, die Bude aufzuräumen und zwischendurch Aphorismen zu schmieden?
Zum Beispiel den hier:
Glorifizierung ist die nachträgliche Utopisierung der Vergangenheit; die Utopie hingegen glorifiziert vorauseilend die Zukunft.
Klingt nicht unpassabel. Doch der tristen Kiezgegenwart aus durchgeschnittenen Drähten, Brötchenbetatschern und in Kniehöhe explodierenden Sprengkörpern nützt so ein Spruch rein gar nix.