19 Juni 2007

Einmal Hölle und zurück

Die Frau am Schalter kann englisch. „Two tickets to Hel“, sage ich und meine damit die Danzig vorgelagerte Halbinsel. Trotzdem verspüre ich aus rein phonetischen Gründen sofort das dunkle Bedürfnis, diesen Satz zu ergänzen: „And back, please!“, sage ich sicherheitshalber.

„To Hel only at weekends“, bedauert die Schalterfrau. Immerhin: Sie hätte mir ggflls. auch Rückfahrkarten verkauft. In einem erzkatholischen Land wie Polen nicht gerade selbstverständlich.

Die wahre Hölle begann übrigens in der Tat hier ganz in der Nähe, nördlich von Danzig nämlich: der Zweite Weltkrieg. Westerplatte heißt der Ort an der Weichselmündung, wo am 1. September 1939 das deutsche Schiff Schleswig-Holstein einen polnischen Militärstützpunkt anlasslos beschoss. Der Rest ist grausame Geschichte.

Wir lösten auf dem abgebildeten Dreimaster Lew zwei Karten, freilich ohne uns als Deutsche zu outen.

Am Wochenende geht es dann nach Hel, aber nur bei himmlischem Wetter.

18 Juni 2007

Dahin, wo Kinski einst wegging

Im Seebad Zoppot, nur 20 Zugminuten von Danzig entfernt, wurde Klaus Kinski geboren. Deshalb habe ich Christian Davids Biografie des Weltstars mit auf die Reise genommen und gestern Abend 200 Seiten davon weggelesen.

Natuerlich musste ich Ms. Columbo nach Zoppot verschleppen; sie wehrte sich nicht. Hier herrschte heute eine merkwürdige Atmosphäre, sie erinnert an Louis Malles Film „Atlantic City“. Dabei ist gar kein Winter mehr, sondern schon Vorsaison, das Meer hat bald 20 Grad.

Doch heute war dort die See bleigrau von den schweren Wolken, die der Wind von Westen herüberschickte, und ein halbherziger Regen benieselte lautlos die Mole.

Als wir kamen, verließ gerade die letzte Schulklasse stumm die über 500 Meter lange Brücke. Wir standen schließlich allein an der bugförmigen Spitze und schauten hinaus auf die Ostsee, wo eine Phalanx von Schiffssilhouetten am Horizont festgefroren war.

Hinter uns – fast so weit entfernt, wie die Reeperbahn lang ist – verfiel unmerklich weiter das trutzige Grand Hotel, das schon in den späten 20ern hier gestanden haben muss, als der kleine Kinski am Strand nach Bernsteinbrocken grub.

In Bahnhofsnähe liegt Kinskis Geburtshaus, dort haben sie nach langem, erbittertem Streit über den promisken Wüterich erst vor wenigen Jahren eine Gedenkstätte zugelassen und im Erdgeschoss einen schummrigen Pub mit burgunderfarbenen Wänden und Tischdecken eingerichtet.

Ich bestelle als Reminiszenz und auf eigenes Risiko ein Piwo Nosferatu von der rein polnischsprachigen Karte. Es kommt ein Bier, das mit rotem Saft (wahrscheinlich Blutorange) eingefärbt wurde; der Strohhalm im Glas erschreckt mich sehr, doch das Ganze schmeckt nicht einmal übel. Besser jedenfalls als Jungfrauenblut (wie ich vermute).

Von den Wänden schauen Kinskis in allen Posen und Rollen: als Aguirre, als Vampir, als Woyzeck und als düsterer Westernheld. Dazu läuft die ganze Zeit Massive Attack. Wahrscheinlich hätte Kinski nach Paganini gebrüllt, den CD-Spieler durch die Scheibe gepfeffert und mit brennenden Kerzen nach der Bedienung geworfen.

Außer im Pub an der Kosciuszki-Straße 10 scheint der einzige Bewohner Zoppots, der es je zu Weltruhm brachte, in der Stadt nicht präsent zu sein. An der Mole konzentrieren sich die Straßenmaler auf Karikaturen von Marilyn Monroe, Elvis Presley oder Angela Merkel, doch keiner kommt auf die Idee, auch Kinski zu malen.

Keine Zoppot-Postkarte zeigt sein Konterfei, nirgends weist ein Schild auf sein Geburtshaus hin. Die Stadt scheint sich noch immer zu schämen für ihn; was zu seinen Lebzeiten galt, gilt auch posthum: Mit Kinski kam und kommt keiner aus. Wir verlassen die Pub Galeria Kinski gegen 19 Uhr, kurz nach „Unfinished sympathy“.

Jedes Seebad der Welt lässt sich deprimieren vom Nieselregen, überall. Und so ging es heute auch Zoppot. Kinski zog mit sechs hier weg und kam nie mehr zurück.

Wir aber werden wiederkommen, mit Bikini und Badehose – sobald die Sonne die bleigraue Ostsee wieder blau färbt.

Und ich werde am Strand nach Bernstein graben.

17 Juni 2007

Taubenfutter zweckentfremdet

Warum sieht man nach einer Nacht im Liegewagen eigentlich immer so aus, als wäre man Stefan Hentschels Sandsack? Uebrigens fuehlt man sich auch genauso. Dabei ist doch nichts weiter passiert, als dass man ein paar Stunden lang sehr beengt flachgelegen hat. 

Wir werden jedenfalls einen Tag brauchen, um hier in Danzig die Sandsackexistenz wieder einzutauschen gegen etwas Menschenaehnlicheres. Dabei hat es schon mal geholfen, den kleinen Jungen auf dem Marktplatz zu beobachten. 

Seine Eltern hatten ihm Taubenfutter gekauft, was auf St. Pauli strafbar wäre, hier aber als Touristenattraktion sogar gefoerdert wird. Der Kleine hatte aber eine bessere Idee: Er aß das Zeugs lieber selber. Aufschrei bei Mama, feixen bei Matt und Ms. Columbo. 

So kann es weitergehen.

16 Juni 2007

Ciao, Edi!


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Nachmittags radelte ich die Reeperbahn westwärts, bog am Albersplatz illegal links ab auf den Gehweg, umkurvte kühn die schon erstaunlich zahlreichen Flaneure, stoppte jäh vorm Nuttenturm und wurde augenblicks wehmütig.

Zum letzten Mal nämlich würde ich im klapprigen Lift die 14 Stockwerke hochjuckeln und Edi besuchen. Zum letzten Mal würde ich jenen speziellen, rheumabedingten Handschlag auf Schulterhöhe mit ihm austauschen. Und mich zum letzten Mal mit ihm kabbeln über meine Vorliebe, lieber an seinen Astraplastikflaschen zu nuckeln, statt das Bier ins Glas zu gießen.

„Flaschenbier trinkt man aus der Flasche!“, würde ich erneut eine uralte dogmaähnliche Weisheit zum Besten geben, die mich bisher glänzend durchs Leben gebracht hat, und er würde lächelnd den Kopf schütteln und mich unter Verweis auf den plastikverdorbenen Geschmack des Biers umzustimmen versuchen – als wenn es diesen Geschmack (so es ihn überhaupt gibt) beim Gießen ins Glas verlöre.

Und dann würden wir hinaustreten auf seinen lärmumtosten Balkon („Hier oben“, würde Edi wieder einmal unvermindert fassungslos erläutern, „ist es lauter als unten!“), er würde sich eine Zigarette drehen, derweil er die Stärken und Schwächen deutscher Kanzler abwöge und die Authentizität der Tagebücher Thomas Manns bezweifelte; und er würde vor den politischen Fettnäpfchen warnen, in die Ms. Columbo und ich in Danzig tappen könnten, wo wir ab morgen unseren Urlaub verbringen werden.

Ich würde ein wenig mit der Kamera herumspielen und kleine Filmchen von Edi und seiner neuen Piratenflagge drehen, die noch unzerzaust ist vom Kiezwind und stolz und schwarz den in naher Ferne einlaufenden Pötten Grüße hinüberweht.

Unten auf der Kreuzung würden plötzlich Reifen quietschen und es praktisch gleichzeitig gewaltig krachen, was uns unisono an die Brüstung hechten ließe, wo wir uns das kleine große Chaos in der Tiefe genüsslich anschauten wie einen Film von Jacques Tati.

Und dann würden wir uns irgendwann verabschieden, und zwar für lange, denn Edi, der alte Oberfunkmeister,
zieht weg, von der Elbe an die Alpen.

Ich hätte ihn gern früher kennengelernt, würde ich ihm noch sagen. Und er würde mich wie immer warnen vorm klapprigen Lift, der immer wieder steckenbliebe („Das ist ein Abenteuer, das kann ich dir sagen!“), was mich wiederum bewöge, heute lieber alle 14 Stockwerke des Nuttenturms zu Fuß hinabzusteigen, weil meine Stimmung nun mal wehmütig ist und nicht abenteuerlustig.

Und genauso, wie ich es vermutet hatte, kam es auch heute Nachmittag. All das Geschilderte geschah, nichts traf nicht ein.

So denn: Ciao, alter Oberfunkmeister! Bis irgendwann einmal im Allgäu.
Ich hätte dich wirklich gerne früher kennengelernt.

15 Juni 2007

Hentschel revisited

Heute Abend um 22 Uhr sendet Vox eine neue Dokumentation (Foto: Spiegel TV) über den Kiezluden Stefan Hentschel.

Der Mann hat mir auch schon mal Ärger gemacht – allerdings posthum.



Auf Tour de Hur

Die Werbeaufschrift dieses am Hambuger Berg parkenden Kleinwagens weckte spontan derart mein Interesse, dass ich sie vor lauter Aufregung nur verwackelt knipsen konnte.

Das Interesse erlahmte auch nach dem Besuch der Hurentour-Webseite kaum. Gleichwohl scheinen mir 25 Euro recht happig für gute zwei Stunden begleitetes Schlendern durch St. Pauli – zumal dies auf manch schwankendes Gemüt höchst appetitanregende Wirkung haben dürfte, doch am Ende wird es bloß mit einem Hurenschnaps ruhiggestellt.

Man raunt aber auch von der Reichung einer Currywurst, was natürlich eine sehr sinnige Idee ist, allein schon
wegen der Form.

Immerhin steht beim Rundgang auch der Besuch eines einschlägigen Reeperbahn-Kaufhauses auf dem Programm. „Der Besuch des Sexshops“, schwärmt denn auch ein Hurentourtourist auf der Webseite, „hat bei allen Schweizern tiefe aber schöne Spuren hinterlassen.“

Ich glaube, ich frage mal nach einer Presseakkreditierung. Bericht folgt ggflls.

13 Juni 2007

In Sichtweite der Taubenstraße

Tote Tauben auf St. Pauli bieten gewöhnlich einen erbärmlichen Anblick. Meist mussten sie eine deutliche Reduktion ihres Körpervolumens hinnehmen, da ihre Mortalitätsrate vor allem von fatalen Kontakten mit Verkehrsmitteln bestimmt wird.

Nur ganz selten hingegen sieht man Taubenleichen, die eines offenbar natürlichen Todes gestorben sind. Dann sehen sie aus, als schliefen sie.

Vornübergekippt und mit dem Schwänzchen in die Höh ruhen sie auf dem Gehweg, ihre Köpfchen sind traulich zur Seite geneigt, die Taubenwängchen ruhen friedlich auf dem Stein.

Es scheint dann, als träumten sie vom Pickparadies.

Genauso lag die von heute da – und das ausgerechnet in Sichtweite der Taubenstraße. Der Kiez kann so zynisch sein.

12 Juni 2007

Besessen von Pennytüten!

Das Oberteil der rauchenden jungen Frau, die uns auf der Treppe zur U-Bahn St. Pauli begegnet, ist keineswegs maßgeschneidert, und das rotgelbe Material des Kleidungsstücks wirkt irgendwie künstlich. Nein, sie trägt nicht gerade American Apparel.

Doch erst beim näheren Hinsehen sehen wir es: Die Frau hat Löcher in die unteren Ecken einer großen Plastiktüte von Penny geschnitten und sie sich dann kopfüber angezogen.

„Nicht unoriginell“, sage ich anerkennend zu Ms. Columbo, „nur eventuell etwas kalt im Winter.“ Die rauchende Frau braucht das aber nicht zu kümmern: Zum Glück haben wir ja gerade Klimakatastrophe.

Diese kleine unwichtige Begebenheit – Achtung: Jetzt wird es sehr selbstbezüglich! – will ich zu Hause natürlich verbloggen, weil es auf der Rückseite der Reeperbahn nun mal so Sitte ist, kleine unwichtige Begegnungen zu verbloggen und so dem rechtmäßigen Vergessen zu entreißen.

Leider habe ich zur Illustration keine abknipsbare Pennytüte zur Hand. Deshalb google ich in der Bildersuche nach diesem Begriff – und sitze genau 0,06 Sekunden später schockiert blinzelnd vom Bildschirm, als erzählte mir gerade jemand, der Papst habe soeben eine Bank in Stockholm überfallen.

Was da nämlich als Suchergebnis vor meinen ungläubigen Augen die komplette Monitorfläche füllt, ist eine seitenlange Sammlung von Fotos aus diesem Blog

O Mann, ich bin ganz offensichtlich besessen von Pennytüten! Und mit diesem Beitrag lindere ich nicht gerade die Symptome.

Flohmarktpech

Wenn man auf dem Flohmarkt Platten kauft, checkt man sie natürlich vorher intensiv auf Kratzer und andere Folgen des Zahns der Zeit.

Manche Schäden aber kann man partout nur zu Hause feststellen. Also leider zu spät.

Link: sevenload.com


11 Juni 2007

Unsere Nacht im Grand Hotel Kempinski

Während der turbulenten G-8-Tage fiel es uns plötzlich wieder ein: Auch Ms. Columbo und ich nächtigten einmal exakt dort, wo just Putin, Bush und Merkel um das Schicksal der Welt rangen – im Grand Hotel Kempinski von Heiligendamm.

Dies freilich taten wir nicht aus Großmannssucht und auch nicht aufgrund jener besonderen Ausprägung übergroßer Prominenz, die sich ihrer selbst mit der Buchung eines 17-Sterne-Hotels versichern muss. Nein, auch wenn es empörend klingt: Es geschah aus purer Not.


Damals, es war kurz nach der Wende, waren wir mit unseren ungewaschenem roten Polo ins Blaue losgefahren, immer die Ostseeküste lang. Wo es uns gefiel, suchten wir uns eine Pension oder ein privates Zimmer, schritten die Seebrücken ab, aßen ein ortsübliches Fischgericht und zockelten bald weiter gen Osten.

Einmal kamen wir bei einer muffeligen Familie unter in Boltenhagen, Bad Doberan oder so, die uns das Zimmer nur unter deutlichen Anzeichen des Missmuts aufschloss. Hier war klar: Man mochte keine Wessis, doch anders kam man halt nicht über die Runden.

Entsprechend war der Service. Das Frühstück gab es in einer beängstigend überfüllten Küche, die gleichwohl sämtliche Wohnfunktionen zugleich erfüllen musste (wahrscheinlich, weil man uns das Wohnzimmer vermietet hatte). Mehrere familieneigene Blagen lümmelten sich
maulfaul mit uns an den Tisch, während Mrs. Missmut rauchend an der Spüle herumlärmte und die Waschmaschine ächzend vor sich hin öttelte.

Diese Unterkunft, so stellte es sich hinterher heraus, markierte das eine Ende des Spektrums, preislich wie in allen anderen Kategorien. Am anderen Ende lag das Grand Hotel Kempinski, natürlich.

Dabei planten wir in Heiligendamm die gleiche Vorgehensweise wie bisher: ankommen, durchs Dörfchen gurken, „Zimmer frei“-Schilder orten, klingeln, einziehen, Seebrücke, Fischgericht. Doch wir fanden keine „Zimmer frei“-Schilder. Heiligendamm war ausgebucht, auch ohne G 8.

Nur das Grand Hotel Kempinski nicht, wo wir uns schließlich verzagt an der Rezeption wiederfanden. Dort war man sehr gerne bereit, uns zu beherbergen, doch forderte man dafür einen geradezu empörenden Preis. Allein: Was blieb uns übrig?

Ich glaube, wir zahlten schmerzverzerrt umgerechnet 80 Euro für die Nacht; ein Preis, bei dem der heutige Hoteldirektor gewiss in Lebensgefahr geriete, wegen seines Lachanfalls.

Jedenfalls war es toll. Wir frühstückten an einem weißen Tisch auf englischem Rasen, die Ostsee fächelte uns eine bedeutungsvolle Brise zu, als huldigte sie unserer übergroßen Prominenz, und den Nachmittagskaffee nahmen wir im hoteleigenen Strandkorb zu uns, umhegt von behandschuhten Livrierten, wenn ich mich recht entsinne.

Doch wie gesagt: Das alles geschah aus purer Not. Ehrlich wahr.

10 Juni 2007

Die Puppenfrage

Heute stand mir schier aus dem Nichts eine Frage klar vor Augen, nämlich die, ob das Heer der Kölner Prostituierten während des Evangelischen Kirchentages womöglich Extraschichten schieben muss. Oder ob vielleicht gar hiesige Kiezhuren an den Rhein gereist sind, um Bedarfslücken zu schließen, ähnlich wie sie es alljährlich beim Oktoberfest in München tun.

Solch häretischen Gedanken hing ich nach während einer ausgiebigen Radtour über drei Flohmärkte; wahrscheinlich kamen sie auf dank der immensen Hitze und einer Begegnung auf dem Promenadenweg hinterm Tropeninstitut, wo mir fünf starke Jungs in Shorts und Bierlaune entgegenkamen.

Einer von ihnen trug eine prall aufgeblasene Gummipuppe mit willig geöffnetem Mund unterm Arm. Sie sah aus wie die abgebildete Munch-Variante, und auf ihrer Brust stand „Dolly“.

„Du und Dolly, ihr seid ein gutes Team!“, lobte ihn einer seiner Kumpels, und ich will gar nicht wissen, was genau er damit meinte. Doch ehe ich es trotzdem erfahren hätte, war ich auch schon vorübergerollt.

Gleichwohl fragte ich mich auf dem Weg zum Flohmarkt am Hein-Köllisch-Platz, wer solche Puppen wohl in der Entwicklungsphase auf naturgetreue Funktionalität testet – ist es der Chemiker, der ihre Kunststoffhaut entwickelt hat? Der Designer, der die äußere Form entwarf? Oder besteht der Vertriebschef auf dem Jus primae noctis?

Denn obwohl es kongenial erscheint: Man kann eine solche Puppe kaum mit einem Dildo zur Marktreife bringen.

08 Juni 2007

Das Rot von Ochsenblut

Hm, hat der Hauseigentümer die Farbe seines Wagens nun auf die Immobilienfassade abgestimmt oder umgekehrt?

Jedenfalls alles sehr stilbewusst hier in der Thadenstraße. Dort haben wir uns heute Abend ein italienisches Restaurant gesucht, um ein kleines Jubiläum zu begehen, und sogar die Farbe der Tomaten auf unserer Bruschetta schien mit dem Umgebungston harmonieren zu wollen.

Als ich nach der Penne arrabiata aufsah, war der ochsenblutrote Wagen vor dem ochsenblutroten Haus mit dem ochsenblutroten Graffito allerdings verschwunden.

Vielleicht war also alles nur ein Zufall. Vielleicht sind wir doch keine Deppen in der Matrix, denen man ab und zu mal kleine ästhetische Irritationen vorsetzt, um zu sehen, ob und was sie darüber bloggen.

Sehr beruhigend.

07 Juni 2007

Wie ich heute Abend den deutschen Sieg herbeigepinkelt habe

In der 42. Minute des Spiels Deutschland-Slowakei entschließe ich mich auf gewissen Druck von innen, dem Halbzeitansturm auf die Toiletten zuvorzukommen und eile schon mal treppab.

Ich habe noch nicht einmal die Hose auf, da wogt natürlich verdammt noch mal der Jubel übers 2:1 (Hitzlsperger per Kopf, wie ich später erfahren soll) auch in die hinterste Kabine. Den Toilettengang absolviere ich routiniert, doch innerlich fluchend; manche meiner Schicksalsgenossen hier belassen es hingegen nicht bei stiller Kontemplation.

Zurück auf der Tribüne erwartet mich der fröhlich feixende Franke, der mir genussvoll Entwicklung und Vollendung des Tores unter die Nase reibt. Dabei schält sich eine fränkische Theorie heraus, die offensichtlich Folge temporärer Umnachtung ist.

Der völlig Verwirrte nämlich sieht meinen Toilettengang in einem unbestreitbaren Zusammenhang mit Hitzlspergers Kopfballtreffer. Geduldig erläutere ich ihm den essenziellen Unterschied zwischen Kausalität und Koinzidenz, doch barsch wischt er alles beiseite. Ich war pieseln, derweil ein Tor fiel: Das reicht dem katholisch vorgeschädigten Franken vollkommen, um eine direkte Ursache-Wirkung-Beziehung zwischen beiden Ereignissen herzustellen.

Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß: Viel mehr hat der Muffelkopf heute Abend auch nicht mehr zu bieten. Ob wir anderen 51.499 Zuschauer uns nun hinfort heiser schreien, in Rage klatschen, aufspringen oder die Welle machen: Der Franke sitzt da und rührt kaum ein Glied. „Bin doch kein Kleinkind“, grummelt er.

Stattdessen beginnt er mich ab der 60. Minute zu einem weiteren Toilettengang aufzufordern. Dabei liegen ihm keinerlei Indizien für die Notwendigkeit desselben vor. „Wir brauchen noch ein Tor“, brummt er.

Ich freilich bin höchst unwillig, mich zum bloßen Erfüllungsgehilfen eines auf meine Toilettengewohnheiten abgestimmten Schicksals degradieren zu lassen. Schließlich habe ich den Eintrittspreis im festen Willen entrichtet, mich gerade den Höhepunkten der Partie mit besonderem Genuss zu widmen. Und einen davon habe ich ja bereits verpasst, unter denkbar unwürdigen Umständen.

Ich bleibe also unbeirrt sitzen. Irritierenderweise wirkt das Spiel in der Folge wie eingefroren, es will auf dem Platz einfach nichts Spektakuläres mehr geschehen, selbst Strafraumszenen kommen inzwischen seltener vor, als Flugzeuge die Arena überqueren.

Für den Franken tragen daran jedoch nicht etwa Lahm, Frings, Gomez oder Rolfes die Hauptschuld; nein, mich klagt der Irre an. Meine störrische Weigerung, erneut die Toilette aufzusuchen, verhindert also eine ganze Halbzeit lang die Sicherheit im deutschen Spiel, die ein 3:1 zweifellos bedeutet hätte.

Ich müsste gehen, dann käme der Erfolg. Doch ich bleibe hier sitzen, und so tappt auch das Spiel entschlossen auf der Stelle. Nur der Franke entwickelt sich: Er wird immer sauertöpfischer.

Am Ende kann ich mir wenigstens den herbeigepinkelten Siegtreffer anrechnen lassen. Schönes Tor übrigens; ich habe gerade zu Hause die Aufzeichnung gesehen.

05 Juni 2007

Typischer Dialog im Frühsommer (und dann wieder im Frühherbst)

Ms. Columbo: (im Büro am Rechner) „Warum ist es hier so kalt? Ist irgendwo eine Balkontür auf?“
Matt: „Mooooment mal: Schon die Prämisse dieser Frage ist falsch. Hier ist es überhaupt nicht kalt. Deshalb ist es auch irrelevant, ob irgendwo eine Balkontür auf ist.“
Ms. Columbo: „Und warum habe ich dann so kalte Hände und Füße? Willst du mal fühlen?“
Matt: „Klar …“ (fühlt) „Ouwha … Aber warum habe ich dann so warme Hände und Füße?“
Ms. Columbo: „Weiß nicht.“ (Wärmetransfer läuft.)
Matt: „Was ist denn mit der beheizbaren Maus, die ich dir geschenkt habe?“
Ms. Columbo: „Die ist doch nur für die rechte Hand. Und was ist mit der linken und den Füßen?“
Matt: „Ähm, sag mal … Die Maus ist ja überhaupt nicht warm! Hast du denn die Mausheizung gar nicht eingeschaltet?“
Ms. Columbo: „Nein. Dann ist nämlich die Lüftung des Rechners noch lauter.“
Matt: „Ich schließe jetzt mal die Balkontür.“
Ms. Columbo: „Sehr gut.“

Dies ist kein Blogeintrag

Nein, ich sei zu müde, bescheide ich gegen halb eins im Knust (Foto: die Klodecke) der Freundesrunde.

Nach dem gestern angekündigten – und wie sich herausstellt: wunderbaren – Konzert wollen die anderen noch etwas trinken gehen. Aber nein; zu müde.

Ha, meint daraufhin GG, bestimmt schütze ich das nur vor, um zu Hause trotz angeblicher Müdigkeit noch zu bloggen; dafür würde es ja immer reichen, das kenne man ja, wenn ich behaupte, ich sei müde.

Tja, und so kommt es, dass hier und heute an dieser Stelle nicht mal der kleinste Blogeintrag zu lesen ist.

Ich war einfach zu müde.

03 Juni 2007

„There’s a critic in every crowd“

Am Montagabend sehen wir uns alle im Knust. Nicht wahr?!

Die texanische Songwriterlegende Tish Hinojosa spielt dort nämlich ab 21 Uhr ein Konzert, und die Tatsache, dass sie ebenso frisch wie überraschend mit meinem Freund Andreas verheiratet ist, wird sie zu besonderen Höchstleistungen beflügeln, das wage ich mal zu behaupten.

Obwohl Tish schon mehrfach in Hamburg spielte und sie sogar von Ms. Columbo und mir schon mal zum Blumengießen verdonnert wurde, wird das kurioserweise das erste Konzert von ihr sein, das ich leibhaftig besuchen werde.

Das muss gefeiert werden. Wer mit mir ein Bier trinken möchte: An meinem Hemd sollt ihr mich erkennen.

Heute probten Tish und ihr Gitarrist Marvin Dykhuis schon mal in unserem Wohnzimmer einige Songs, darunter das hier zu hörende „Rio Grande“.

Im Hintergrund – ihr hört richtig – quiekt ab und zu ein Baby. Der Kleine ist gute vier Wochen alt und will wohl selbst mal Sänger werden. Was wahrlich kein Wunder wäre: Er gehört Senait Mehari.



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02 Juni 2007

Versuch einer Busfahrt

Seit 15 Jahren schon hat der notorische CO2-Privatproduzent und Klimawandelbeschleuniger GP keinen Bus mehr bestiegen, aus diversen Gründen: weil sie ihm immer zu voll waren und zu prollig, weil die Mitfahrer stanken und ein bestürzender Mangel an rahmengenähten Schuhen ihm jede Fahrt vergällte.

Das ist im 21. Jahrhundert alles nicht mehr so, hatte ich ihn immer mal wieder zu beruhigen versucht. Gerade im Schnellbus, trumpfte ich gelegentlich auf, seien freie Platzwahl und dezente Passagiere schier an der Tagesordnung. Es handle sich bei einer solchen Unternehmung quasi um eine Stadtrundfahrt, nur viel billiger.

Als wir nun gestern Abend eine gemeinsame Party im nicht gerade fußnahen Uhlenhorst aufsuchen wollten, ließ er sich endlich einmal breitschlagen zum Busfahren, nach 15 abstinenten Jahren. Ich stieg an der Davidstraße zu, GP saß schon drin. Mir schwante sofort Übles.

Der Bus nämlich war voll wie die Reeperbahn nachts um halb eins. GP hatte zwar noch einen Platz ergattert, fuhr allerdings rückwärts und wurde von benachbarten Passagieren räumlich eingeengt. Gleichwohl versuchte der Gentleman in ihm, den ausgestrahlten Missmut nicht als Vorwurf an mich rüberkommen zu lassen.

„Was ist denn los?“, fragte ich und versuchte meinerseits, die Bestürzung, die mich sowieso bereits ergriffen hatte, mimisch als Erlebnis einer absoluten Ausnahmesituation zu codieren, so dass GP keinesfalls dem Glauben verfallen könnte, im Bus sei es immer so, wie sich die momentane Lage darstellte (was er ja sowieso 15 Jahre lang angenommen hatte).

Eine erfahrene Hanseatin im eleganten Kostüm klärte mich auf: „Die S-Bahn fährt nicht – Personenschaden. Da weiß man ja schon, was los ist.“ Sie lächelte so schmerzlich wie verschwörerisch. Ja, das weiß man in der Tat.

Ich stellte mich in den Gang und versuchte mimische Entschuldigungssignale Richtung GP auszusenden. Er sah aus dem Fenster. Zeitgleich wurde ich abgelenkt, und zwar olfaktorisch.

Neben mir nämlich stand ein grauer älterer Herr mit Pennytüte, dessen Haare seinem hellgrauem Jacketkragen einen feinen Fettschmier aufpinselten; und von ihm ging eine warme Dunstwolke aus, die mich inzwischen schmeichelnd umschloss und ihr Volumen stetig vergrößerte, und zwar in Richtung GP.

Die Dunstwolke roch nach Urin.

In diesem Augenblick zerbrach etwas in mir, vor allem meine bereits hektisch imaginierte Argumentationskette, mit der ich GP nach dem Aussteigen einen weiteren Busfahrversuch in näherer Zukunft hatte abringen wollen.

Nein, das war’s. Die Quote rahmengenähter Schuhe brauchte ich nicht mal mehr zu ermitteln. Zumal ich auch selbst keine trug.

01 Juni 2007

Als das Virus wiederkam (Zum Start der Open-Air-Saison)

Noch Anfang dieses Jahrtausends brach jeden Sommer eine weltweite Epidemie aus, und Millionen Infizierter wankten willenlos hinaus ins Grüne, zu Musikfestivals. Inzwischen ist die Massenerkrankung besiegt. Ein Rückblick mit Schaudern – aus dem Jahr 2054.

Aus der Sicht von heute – Sommer 2054 – wirkt das Verhalten junger Leute Anfang des Jahrtausends bizarr. Schuld war ein Virus. Immer im Sommer schlug es zu und zwang die Menschen zunächst dazu, sogenannte „Vorverkaufsstellen“ aufzusuchen.


Die von solcher Hirnvernebelung Befallenen beschlossen dann wie ferngesteuert, ein ganzes Wochenende lang alle Bequemlichkeiten der Zivilisation abzustreifen und sich in eine archaische Situation zu begeben, die ihrer körperlichen und geistigen Gesundheit unbedingt abträglich war. Das Groteske: Sie bezahlten sogar dafür! Um die 100 Euro Tribut forderte das Virus pro „Open-Air-Festival“, wie man damals den Ort der Krankheitsausübung beschönigend nannte.

Die Folgen waren grausam: Wer unterm euphorisierenden Einfluss des Woodstockvirus (so sein wissenschaftlicher Name) Wald und Wiesen aufsuchte, neigte binnen kurzem dazu, sich zu entkleiden, selbst wenn ästhetische Erwägungen dagegen sprachen.


Im Furor des Virenfiebers nahmen die Enthemmten alkoholhaltige Getränke im Übermaß zu sich und verschmutzten ihre unmittelbare Umgebung alsbald mit Abfällen aller Art, darunter Körpersäfte und –stoffe. Abends krochen die Infizierten in feuchte Zelte statt ins heimische Bett, holten sich frohgemut Halsentzündungen mitten im Sommer und erlebten das gemeinsame Klobenutzen mit 80 000 Leidensgenossen irrigerweise als beglückend – und das, obwohl viele der Kranken ein virusbedingt sehr lockeres Verhältnis zur Körper- und Raumhygiene hatten.

Oftmals verwandelte Regen die weitläufigen Areale vor den Bühnen in schlammige Seen. Gesunde hätten darauf mit einer Mischung aus Ekel, Dusch- und Abreisezwang reagiert, doch seit dem erstmaligen Ausbruch des Virus 1969 gehörte es zur Symptomatik des Befalls, das meist nackige Sichsuhlen im Dreck als toll zu empfinden und sich zur Not lieber mit einem Trecker aus dem Schlamm ziehen zu lassen, als dieses vermeintliche Vergnügen panisch zu fliehen.

Am schlimmsten jedoch waren die Darbietungen selbst, zu deren Besuch das Virus die Menschen trieb. Wer heute Musik hört, die ja seit 2031 nicht mehr öffentlich, sondern nur noch privat abgespielt werden darf, kann sich kaum vorstellen, welches Inferno regelmäßig über die Virusträger hereinbrach.


Auf den gewaltigen Bühnen spielten sogenannte „Bands“: selbst Erkrankte, die spezielle Parallelsymptome (Kreativität, Exhibitionismus) dazu trieben, öffentlich im Freien zu lärmen. Und technisch waren die Menschen jener Ära wirklich in der Lage, Lärm zu machen, o ja!

Hoch aufragende Boxenwände prügelten mit Tausenden von Watt auf die Kranken vor den Bühnen ein, und unter dieser Tortur begannen sie verweifelt zu schreien, ihre schlammverkrusteten Extremitäten zuckten konvulsivisch, und ihre nicht mehr steuerbaren Hände schlugen brutal aufeinander ein, bis sich die Innenflächen röteten.

So zwang das Virus die Infizierten nicht nur willenlos in die Wildnis; dort erwartete sie auch noch eine rundum fürchterliche Situation aus bedrückender Beengtheit, null Hygiene und Schallterror. So konnte es natürlich nicht weitergehen, und schon einige Jahre bevor das weltweit letzte Großkonzert vor echten Zuschauern über die Bühne ging (Tokio Hotel, Maracanã-Stadion, Rio de Janeiro, 2022), zeichnete sich das Ende der Liveära ab.


Für die vielen Kranken war es immer gefährlicher geworden, allsommerlich Festivals zu besuchen. Hörschutz aus der Sprengbranche, Schienbeinschoner und Kevlarwesten gehörten spätestens seit Hurricane 2014 zur Standardausrüstung jedes Infizierten. Die Gefahr, bei einem Kreislaufkollaps von merkbefreiten Mitpatienten totgetrampelt zu werden, ließ sich dagegen nur mit dem Ganzkörperairbag (vulgo „Festivalwurst“) abwenden.

Das pfiffige Teil kam um 2015 in Mode: Sobald ein eingebauter Sensor an der Brust „horizontale Lage“ signalisierte, pumpte es sich explosiv auf wie eine Schwimmweste und verschaffte dem Kranken zugleich eine Liegefläche von anderthalb Quadratmetern. Während der Massenpanik 2017 im dänischen Roskilde, einer der europaweit größten Versammlungsstätten Viruskranker, verhinderte die Festivalwurst das Schlimmste.

Open-Air-Besuche jedenfalls mussten irgendwann geplant werden wie Himalaya-Erstbesteigungen. Doch die Erkrankten waren wegen ihrer herabgesetzten Ratio dazu einfach nicht mehr in der Lage. Ab 2016 weigerten sich zudem alle Krankenkassen, die Behandlung von Knochenbrüchen, Gehörschäden und schlammbedingter Diarrhö zu finanzieren, wenn der Patient nicht nachweisen konnte, innerhalb des letzten Monats kein Open-Air-Konzert besucht zu haben.

Die Lage geriet allmählich außer Kontrolle, der volkswirtschaftliche Schaden ging ins Unermessliche. So entschlossen sich weltweit die Gesundheitsministerien in einer dramatischen Gesetzesinitiative, globale Massenimpfungen gegen das Woodstockvirus schon bei der Einschulung durchzusetzen.
Mit Erfolg: Seit 2022 gibt es keine Freiluftfestivals mehr, in öffentlichen Innenräumen (damals: „Liveclubs“ oder einfach „Clubs“) wurde schließlich 2030 die letzte Monitorbox ausgemustert.

Heute, ein Vierteljahrhundet nach dem Scheitelpunkt der Krise, scheint die Krankheit im Griff, das Virus eingedämmt. Und wenn mal wieder ein Fall publik wird, wo sich jemand schreiend, zuckend und mit aufgedrehtem iPod in ein Schlammloch geworfen hat, um sich mitten im Sommer eine Erkältung zu holen und ein unter falschem Namen gemietetes und sorgsam verdrecktes Dixieklo zu benutzen, dann behandeln die Gesundheitsämter das sehr diskret.


Aber auch mit aller gebotenen Härte.

Dies ist die gekürzte Fassung eines Textes, den ich für das U_mag geschrieben habe. Er ist in der aktuellen Ausgabe nachzulesen, mit viel schöneren Fotos.

30 Mai 2007

Ganz schön Wunder-bar

Am 28. April besiegte der FC St. Pauli das Team aus Ahlen mit 3:0, auch wenn der kicker zwischenzeitlich etwas ganz anderes gesehen haben wollte.

Mit im Stadion war die Hamburger Band Wunder und drehte Material für ihr neues Video „Stadionlicht“, das es hier und heute taufrisch zu sehen gibt.

Die getragene, schwelgerische Ballade passt zwar nicht ganz zur gezeigten Euphorie im Stadion, doch wahrscheinlich will die Band uns damit nur sagen, dass in jeder großen Freude schon klammheimlich das Unglück keimt.

Und umgekehrt natürlich, sonst wäre das alles ja auch gar nicht zu ertragen.




Re: Ihre Nachricht auf meinem Anrufbeantworter

Sehr geehrter Herr German Psycho,

vielen Dank für Ihre Nachricht. Ihren Hinweis auf konzeptionelle Schwächen der Aktion „Blogger helfen Schäuble“ nehme ich sehr ernst.

Sie monieren korrekterweise, bisher beschränke sich die freiwillige Kooperation mit dem Bundesinnenministerium lediglich auf die gesamtdeutsche E-Mail-Korrespondenz, die wir alle seit Pfingsten aus patriotischem Pflichtgefühl automatisch an Herrn Minister Schäuble weiterleiten.

Gleichzeitig – und für diese konstruktive Kritik muss ich Sie ausdrücklich loben – schlagen Sie ein Update der Aktion „Blogger helfen Schäuble“ vor: Auch Telefonate, so Ihre höchst interessante Anregung, sollten unbedingt Herrn Schäuble zur Kenntnis gebracht werden, denn erfahrungsgemäß seien auch dieser Kommunikationsform interessante und oftmals sogar sicherheitsrelevante Erkenntnisse abzugewinnen.

Was soll ich sagen? Sie sehen mich ebenso erfreut wie bestürzt – denn warum habe ich nicht selbst daran gedacht?

Doch so bestechend Ihr Vorschlag auch ist, Sie sehen bei der praktischen Umsetzung zu Recht gewisse Probleme auf die Deutschen zukommen. Man könne ja, führen Sie nachvollziehbarerweise aus, nicht bei jedem Gespräch eine Telefonkonferenz mit dem Innenminister auf die Beine stellen (wenn Sie mir diese saloppe Ausdrucksweise gestatten), zumal bei dem ein oder anderen Telefonpartner – im Gegensatz zum Innenministerium – die technischen Voraussetzungen womöglich (noch) nicht gegeben sind.

Nun, wo ein patriotischer Wille ist, da ist auch ein ebensolcher Weg, wenngleich ein etwas umständlicher: Wir alle könnten doch hinfort einfach unsere privaten Telefonate mitschneiden (z. B. mit einem handelsüblichen Diktiergerät, welches es schon für wenig Geld im Media Markt gibt). Danach könnten wir die so enstandenen Dateien ins weitverbreitete MP3-Format konvertieren und dem Herrn Bundesminister sodann per Mailanhang (an die bekannte Adresse wolfgang.schaeuble@bundestag.de) zusenden, so dass sie seinem sicherlich hocherfreuten Stab zu Analysezwecken zur Verfügung stünden.


Übrigens reicht eine Komprimierungsrate von 64 kb völlig aus; der Bundesserver sollte keinesfalls über Gebühr belastet werden. Das kostet sonst wieder unsere Steuergelder! Immer mitdenken.

Mitgeschnitten werden sollten – wie schon erwähnt – konsequenterweise alle Telefonate. Ich denke dabei ebenso wie bei den Mails auch und gerade an private und privateste Gespräche. Wie etwa solche:

„Hallo?“

„Hallo, Schatz, ich bin’s. Ich komme heute später.“
„Ha! Und wer kauft jetzt die Runkelrüben?“
„Könntest du das übernehmen? Ausnahmsweise? Ooooh, bitte …“
„Na gut.“
„Bist ein Schatz!“
„Ich weiß. Du aber auch.“
„Bussi!“
„Bussi!“


Ich hoffe sehr, wir sind nun in dieser Angelegenheit ein gutes Stück weitergekommen. Dank Ihnen, werter Herr Psycho, was ich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich hervorheben möchte. Ohne Menschen wie Sie hätten wir eine andere Republik.

Für Deutschland:
Matt


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Zur Information: Diese Mail geht in Kopie auch an Dr. Wolfgang Schäuble und das Bundesministerium des Innern, um sie in ihrem Dienst am deutschen Volk in optimaler Weise zu unterstützen. Ich zähle fest auf Ihr Verständnis. Es geht um so viel.

Näheres
hier.
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