13 August 2006

St.Pauli-Nacht

Gute Idee, fanden wir, als die Nachbarn vom Balkon gegenüber einen großen gefährlichen Plastikraben am Geländer befestigten – bis die Tauben anfingen, ihm auf den Kopf zu kacken.

Gute Idee, fand ich, als Opa Edi vorschlug, ich könne doch dem zu Besuch weilenden Münchner Bloggerkollegen Fellow Traveller mal den Kiez zeigen. Das allerdings blieb eine gute Idee bis zum Schluss.

Gemeinsam nämlich gewannen wir interessante Erkenntnisse. Der alte Elbtunnel (Bild) etwa schlägt den neuen in punkto Fotogenität und symmetrische Reize um Längen.

Wir bewunderten zudem die Choreografie der stolzen Huren in der Davidstraße. Immer, wenn eine aus der Phalanx ausbrach, um auf die Beute loszugehen wie eine furchtlose Taube auf einen Plastikraben, rückte sofort eine Kollegin auf. Nie entstanden Lücken. Ein Hurenballett vorm Burger King.

Dann verschlug es uns via Herbertstraße in den erstklassigen Tabledanceclub Dollhouse, und auch dort wartete eine interessante Erkenntnis: Die Silikonära ist offenbar vorbei. Man präsentierte uns überwiegend knabenhafte Brüste. „Im Gegensatz zur Herbertstraße“, merkte der inzwischen sachkundige Fellow trocken an.

Der Mann lernt schnell.

Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über Tunnel und andere Röhren
1. „Down in the tube station at midnight" von The Jam
2. „Tunnel of love" von Dire Straits
3. alles von The Tubeway Army

Gesichtszwillinge (9)

Klar, Robert Mitchum war noch längst nicht tot, als Jean Reno schon lange lebte, weshalb die Reinkarnationstheorie (die eh nur was für ängstliche Romantiker ist) schon mal flachfällt.

Außerdem ist die Ähnlichkeit zwischen beiden Schauspielern auch nicht soooo frappant. Aber sie reicht gerade so eben für die Gesichtszwillingsrubrik.

Mir zumindest.

11 August 2006

Die Fundstücke des Tages (23)

1. Bekam gerade eine Postkarte meiner knapp 13-jährigen Nichte. Sie schreibt: „Hier in Kroation ist es voll heiß und cool.“

2. Im Fremdwörterbuch auf Seite 444 steht mein Lieblingswort des Tages: Insinuationsmandatar. Das ist jemand, der berechtigt ist, Eingaben entgegenzunehmen; eine Art Notar für Beschwerden. Mein Produkt des Tages hingegen ist der sehr nützliche Mündungsschoner für Bockbüchsflinten. Kostet lachhafte 14,85 Euro. Noch – bald ist Mehrwertsteuererhöhung.


3. Die Süddeutsche Zeitung hält das fallweise vom Duden schon immer erlaubte Deppenapostroph für so empörend neu, dass sie einen leidenschaftlichen Deppenapostrophensammler dazu interviewt. Schönste Passage: „Manchmal setzen die Menschen auch statt des Deppenapostrophs ein Deppenkomma, weil sie die Apostrophtaste auf der Tastatur nicht finden.“


4. Auf einem tschechischen Server habe ich nun in perfekter Aufbereitung alle Radiosendungen von Bob Dylan entdeckt. Der reinste Präsentierteller. Und er wird jede Woche voller.

5. Der Komiker Stephen Colbert lieferte beim traditionellen Dinner, das US-Präsidenten jährlich für Korrespondenten geben, eine unglaubliche Performance ab. Die Quote an vergifteten Komplimenten für George W. Bush war derart niederschmetternd, dass der am Ende die Mundwinkel nicht mal mehr zum höflichen Lächeln hochkriegte. Ein Giftpfeil: „Dieser Mann weiß, wo er steht. Er glaubt am Mittwoch das Gleiche wie am Montag – egal, was dienstags passiert ist.“ Und Colberts vernichtende Parodie auf verschwurbelten Patriotismus ist einfach glorios: „Ich glaube an Amerika. Ich glaube, dass es existiert. Mein Bauch sagt mir, dass ich dort lebe. Ich fühle, dass es sich vom Atlantik bis zum Pazifik erstreckt. Und ich glaube felsenfest daran: Es hat 50 Staaten.“ Sein Fazit lieferte er schon mittendrin: „Misery accomplished!“ Hier folgt der erste Teil von Colberts Glanzstück im Angesicht des Opfers; die restlichen zwei gibt es dort.





Alle bisherigen Fundstücke des Tages:
1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14,
15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, Oh, my Google!


Nachtrag vom 14.8.2006: Nachricht von: Ales Pavelka – Hi Matt, I found out that some people accessing my web site directly from you blog. Because my site is not a primary source of TTRH please add to your site notice about the main server and people who are the bravest of all and thanks to them we all have possibility to listen Bob Dylan's TTRH. Please see Patrick Crosley blog http://www.whitemanstew.com/2006/05/12/bob-dylans-theme-time-radio-hour/


10 August 2006

Hornochse!

„Donnerwetter!“, entfährt es heute Ms. Columbo, während sie Unterlagen studiert. Ein Ausruf, von dem ich ohne langes Nachdenken behaupten kann, ihn seit der letzten „Fix & Foxi“-Lektüre nicht mehr gehört zu haben. Und das ist gefühlte hundert Jahre her, muss also irgendwann in den 70ern gewesen sein.

Ms. Columbo amüsiert meine Irritation sehr, und sie fühlt sich bemüßigt, sie souverän mit einem „Potzblitz!“ zu verdoppeln, worauf ich nur mit einem recht lahmen „Heidewitzka!“ zu kontern imstande bin.

Wohin verschwinden eigentlich solche altgedienten Wörter? Gibt es irgendwo eine Art Seniorenresidenz für aus der Mode gekommene Vokabeln? Was zum Beispiel macht das Wörtchen „dalli“ heute? Wie geht es dem ergrauten „Gammler“? Hört er noch immer „Schallplatten“? Irgendwo in der hintersten Ecke des Wortseniorenstifts muss auch noch das gute alte „Fräulein“ einsame Tränen in seine Caprisonne weinen.

Anders als echte Rentner, deren genetisches Programm gnadenlos abläuft, könnte man ausgemusterte Worte revitalisieren, man könnte „knorke“ wie zufällig wieder einfließen lassen ins Ensemble der tagtäglich benutzten Superlative, man könnte ab und zu ein „mannigfach“ einstreuen oder zur Überraschung aller ein „behufs“.

Vor allem der Kanon der Beschimpfungen, von denen ich nachgewiesenermaßen ein feuriger Anhänger bin, erführe durch die Einbeziehung aller leichtfertig Ad-acta-Gelegten eine womöglich inspirierende Auffrischung. Nehmen wir die schöne, doch bereits fast komplett vergessene Beleidigung „Hornochse!“. Müsste nicht der mit dem Messer fuchtelnde und „Ich stech dich ab, Alda!“ krakeelende Grundschulabbrecher geradezu verblüfft verstummen angesichts dieses kapitalen Dreisilbers?

Wahrscheinlich gelänge uns das sogar mit Ms. Columbos Altersheiminsassen „Donnerwetter!“, aber drauf ankommen lassen würd’ ich's dann lieber doch nicht.

Ex cathedra: Die Top 3 der altbacken betitelten Songs
1. „Ich bin aus jenem Holze geschnitzt" von Reinhard Mey
2. „Wie schön blüht uns der Maien" von Hannes Wader
3. „Nearer my God to thee" von Pat Boone


Foto: universum.co.at

Gesichtszwillinge (8)

Es gab mal einen Westcoastrocker namens Stephen Stills, der heiratete eine französische Chanteuse namens Veronique Sanson, und die Frucht ihrer Liebe tauften sie auf den Namen Chris.

Heute ist
Chris Stills selbst ein bekannter Popsänger – und falls es mit dem neuen Album kommerziell nicht hinhaut, kann er sich einfach einen neuen Job suchen: als Doppelgänger von Jens Lehmann (Foto: abendblatt.de).

09 August 2006

Hamburger Chaostage

Zurzeit arbeite ich hart an meinem Diplom als Blödmannsgehilfe. Sehr hart. Im Fitnessclub ließ ich meinen Spind unverschlossen und dazu auch noch die Tür gähnendweit offen. Als ich zurückkam, sah ich bestürzt die Bescherung – und meine zuvor in der Hose versteckte Geldbörse auf der Sporttasche liegen.

Allerdings war noch alles drin. Was soll das? Ein anständiger Diebstahl hätte mich wahrscheinlich weniger beunruhigt. Denn es ist erstaunlich, was so eine Börse dem Interessierten alles an Informationen bereitstellt: Scheckkartennummern, Krankenkasse, wie ich mit 19 aussah (der Führerschein!), wie Ms. Columbo heute aussieht (toll!), wo wir wohnen … WO WIR WOHNEN!

Tja, und gestern habe ich mir auch noch beinah die Zungenspitze abgebissen, und zwar kurz vor Abschluss des Abendessens, als ich schon längst satt war. Gier und wilder, ungezügelter Hunger gehören gemeinhin zu den häufigsten Ursachen für Zungenspitzenabbisse; beides traf zu diesem Zeitpunkt aber nicht mehr zu. Warum also dennoch? Ich weiß es nicht.

Als der groteske Schmerz (der durch das heutige Foto treffend illustriert wird) leicht nachließ, tat der beschädigte Teil der Zunge so, als klebe ein gummiartiger Sticker drauf, und die unwillkürlichen und hochvorsichtigen Versuche, das imaginäre Geklebsel loszuwerden, bestärkten die Blutung nicht gerade darin, endlich aufzuhören.

Minutenlang kühlte ich die Stelle zu Betäubungszwecken mit einem sehr empfehlenswerten 2005er Riesling Kabinett vom Moselwinzer Kallfelz. Der Wein indes erwärmte sich recht rasch, und ich musste mehrfach nachgießen.

Am Ende saß ich blutend und bedüdelt im Sessel und wusste: Ich hab das Diplom.
Als Blödmannsgehilfe.



Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über dummes Verhalten
1. „Ooops … I did it again" von Britney Spears
2. „Living next door to Alice" von Smokie
3. „One piece at a time" von Johnny Cash

07 August 2006

Das Camillo-Felgen-Mantra

Neulich auf dem Flohmarkt an der Hoheluftchaussee stand ich versonnen vor einer alten 45er-Single von Camillo Felgen. Der Song auf der A-Seite, „Ich hab' Ehrfurcht vor schneeweißen Haaren", fand auf erstaunlich homogene Weise seine inhaltliche Fortsetzung auf der B-Seite: „Schaukelstuhl, bleib niemals stehn". Und das verpackt in ein bedenkenlos unhippes Cover.

Wow, dachte ich in meiner Versonnenheit, w
elch mutige Preisung des in unserer besinnungslos jugendvernarrten Zeit so verpönten Alters!

Doch dazu später. Zunächst einmal dieser Name, den ich schon halb vergessen hatte, so tief ist er eingesunken in die Fernseh- und Hitparadengeschichte und somit auch in mein Kindheitsgedächtnis: Camillo Felgen. Camillo. Felgen. Wenn man sich diese fünf Silben oft genug vorsagt, kommt man dem Nirwana näher, als man es je erwartet hätte. Wirklich wahr, ich hab's ausprobiert.

Dabei war das nicht mal ein Künstlername, zumindest fast nicht. Der Luxemburger, der für die Beatles deutsche Fassungen ihrer Hits textete („Sie liebt dich“; „Komm gib mir deine Hand“) hieß nämlich Camille Jean Nicolas Felgen. Man braucht nur das o aus Nicolas herzunehmen, es zu tauschen gegen das e in Camille, streiche dann den ganzen Rest bis auf Felgen, und schon landet man bei diesem Mantra. Camillofelgen. Om.

Doch ich schweife ab. Das Besondere an dieser Single von 1973 war nämlich das unverblümte Feiern und Preisen eines gesellschaftlichen Zustandes, den man damals eigentlich nicht einmal hätte erahnen dürfen: die Gerontokratie.


Erst jetzt stecken wir mitten in der Pubertät dieser Gesellschaftsform; es werden bereits Bücher über unsere dramatische Vergreisung geschrieben, niemand zeugt mehr Kinder, es gibt bereits Seniorensupermärkte, die Rente ist so realistisch wie die Apokalypse nach den Berechnungen der Zeugen Jehovas, und ich selbst erkenne mit jedem neuen grauen Haar plötzlich die wachsende Relevanz dieser beiden Lieder, ihre hellsichtige, geradezu avantgardistische Kühnheit.

Camillofelgen. Der Nostradamus der 70er Jahre. Ich glaube, es ist höchste Zeit für einen Remix, von A- und B-Seite.

Wer übernimmt – Sven Väth?

Ex cathedra: Die Top 3 der Songs übers alte Menschen
1. „Old man" von Neil Young
2. „When I'm 64" von The Beatles
3. „The ballad of Gary Glitter" von Al DeLoner

06 August 2006

Bei Fatih Akin hakt es

Ms. Columbo vertrat spontan die Auffassung, es handele sich um eine Falte im T-Shirt. Ich hatte ihr den Mopo-Artikel (Foto) hingehalten und sie gefragt, ob sie auch sähe, was ich sähe, nämlich den Namenszug „BUSH“ mit einem Hakenkreuz als S auf dem T-Shirt des Hamburger Regisseurs Fatih Akin.

Aber es ist keine Falte. Es ist wirklich ein Hakenkreuz.

Neulich vertrat jemand mir gegenüber die Einschätzung, es sei erbärmlich billig, Leute wie den Papst oder Bush zu kritisieren, weil sie ein allzu leichtes Opfer abgäben; es erfordere einfach keinen Mut. Andererseits: Wenn sich jemand allein dadurch, dass er füchterlich schlechte Politik macht, gegen jede Kritik immunisieren könnte, wüchse der Anreiz für ihn, falsche Entscheidungen zu treffen, ins Unendliche. Also muss man draufhauen auf jene, die des Draufhauens würdig sind.

Auch auf Bush natürlich. Aber nicht so, Fatih. Einerseits ist das Verwenden verfassungsfeindlicher Symbole verboten, und das Hakenkreuz gehört dazu. Selbst Antifaschisten, die mit einem durchgestrichenen Hakenkreuz gegen Nazis demonstrieren wollen, werden zurzeit rechtskräftig bestraft – dem Gesetz ist es eben pimpe, welches Motiv dahinter steckt. Zeigen ist strafbar, und Punkt.

Fatih Akin muss also mit einem Verfahren rechnen. Das ist die juristische Seite. Doch auch die politische Seite spricht gegen ihn. Klar ist Bush ein gefährlicher Fundamentalist, und wir wissen, wie bedrohlich und gnadenlos Regimes handeln können, deren Handlungsoptionen religiös motiviert sind. Aber eins ist sicher: Bush ist nicht Hitler, und die USA im Jahr 2006 sind nicht vergleichbar mit dem Dritten Reich.

Wer ein T-Shirt trägt, auf dem das S in „BUSH“ als Hakenkreuz dargestellt wird, verharmlost Hitler – denn diese Symbolik sagt auch, dass jener nicht schlimmer war als Bush. War der Holocaust also wirklich so was wie Guantanamo Bay? Ist der Irakkrieg vergleichbar mit dem Überfall auf die Sowjetunion? War die reine Willkür der Nazijustiz unter Freisler wirklich dem Obersten US-Gerichtshof ähnlich?

Wenn ja – und all das ist latent mitgemeint, wenn man BUSH mit Hakenkreuz-S schreibt –, dann waren die zwölf Jahre des 1000-jährigen Reiches nicht so furchtbar, wie uns die Geschichtsbücher weismachen wollen.

Natürlich hat Akin das alles ganz anders gemeint. Nützt aber nichts.

05 August 2006

Zweiradsex

Vielleicht liegt es am Christopher Street Day, der heute halb Hamburg (unter Verschonung St. Paulis) mit bizarr kostümierten Wesen allerlei Geschlechts ausstattet – aber das abgebildete Motorrad am Bahnhof Altona kommt mir irgendwie … schwul vor.

Und wenn wir an dieser Stelle schon mal so hirnrissig kühn sind und Zweirädern sexuelle Bedürfnisse unterstellen, so darf man die beiden eingewachsenen Drahtesel in der Beckers Passage wohl mit Fug und Recht als in dieser Hinsicht krass unterversorgt betrachten. Wer sich derart lange nicht reiten lässt, darf sich eben nicht wundern, wenn irgendwann Gras über die ganze Sache wächst.

Die Kleinanzeigenrubrik „Fisch sucht Fahrrad“ bekommt übrigens in meiner verqueren Fantasie gerade eine ganz seltsame Nebenbedeutung.


Ex cathedra: Die Top 3 der Songs übers Reiten
1. „Night ride home" von Joni Mitchell
2. „Ride a white swan" von T. Rex
3. „Ballad of Jolly Jumper" von Mardi Gras.BB

Alles wird gut

Die Five-Bar an der Reeperbahn. Von draußen sieht man, wie erschreckend leer der Laden ist. Nur am Tresen sitzt eine junge Frau.

Doch etwas stimmt nicht am Gesamtbild.

Die Frau nämlich trägt ein Kopftuch, welches ihr Haar komplett verdeckt. Ihre Kleidung lässt bis auf Gesicht und Hände keine Haut sehen.

Eine Muslimin. Und sie sitzt in der Five-Bar am Tresen und unterhält sich giggelnd mit der Barkeeperin. Ein surrealistisches Bild.

Vielleicht wird doch noch alles gut.

03 August 2006

Der Sitzfreund

Die Bedienung im Restaurant Freudenhaus (Foto: max-online) ist aufgedreht wie ein Brummkreisel. Jede unserer Antworten auf ihre Fragen kommentiert sie mit einem juchzenden „Super!“, wahlweise auch „Supi!“.

Und bevor sie Wein nachschenkt, legt sie dir jovial die Hand auf die Schulter wie einem alten Freund.

Ihr Energielevel amüsiert uns, wir fühlen uns wohl in ihrer Nähe. Am Ende des Dinners gehe ich zur Kasse und möchte zahlen.

„Von welchem Tisch kommst du?“, fragt sie.

Ich bin überrascht, sogar enttäuscht. Bis vor einer Sekunde habe ich mich noch gefühlt wie ihr alter Freund; sie saß doch gleichsam mit uns am Tisch!

„Du musst entschuldigen“, ergänzt sie eilig, „ich erkenne meine Gäste nur im Sitzen.“

Offenbar sehe ich von unten anders aus als von oben.


Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über Kneipenbedienungen
1. „Highlands” von Bob Dylan
2. „Dear catastrophe waitress” von Belle & Sebastian
3. „Waiter there's a yawn in my ear" von Manfred Mann's Earthband

Eeeeebola!

Die Hamburger Hochbahn ließ im Mai einen „Haar Styling Zug“ übers Schienennetz tuckern, original mit Deppenleerzeichen. Leider habe ich die nur viertägige Aktion verpasst, sonst hätte ich meine drei Haare mal dem sogenannten Szenefriseur und Modelabelchef Michael Jung und seinem hochmotivierten Team hingehalten. Ich bin nämlich schon lange unzufrieden sowohl mit der Üppigkeit meines Haupthaars als auch mit der zunehmend verblassenden Kolorierung des verbliebenen Restes.

Vor allem aber hätte mich interessiert, wie das Team Jung die üblichen Zottelbärte auf den hintersten U-Bahnsitzen angegangen wäre, bei denen milieubedingte Spezifika eine Stilberatung erschweren. Zum Beispiel bei jenen Gesellen, die dazu neigen, in ihrer eigenen Kotze einzuschlafen. Oder die, welche statt Haaren eine festgebackene Filzmasse hutartig herumtragen, der sich selbst die hartgesottenen Mikrobiologen vom Tropeninstitut wohl nur mit Handschuhen und Mundschutz zu nähern wagten.

Andererseits hätten ja gerade Herrschaften mit Naturfilzhut das segensreiche Wirken des Teams Jung und der kooperierenden Körperpflegemarke besonders nötig gehabt. Aber egal: Ich hab die sicher sehr unterhaltsame Aktion eh komplett verpasst.

Apropos Tropeninstitut: Es ist weltberühmt und befindet sich nur wenige Fußminuten von hier in der Bernhard-Nocht-Straße. Gar nicht so selten fällt mir schaudernd ein, welch possierliche Kleinstlebewesen dort liebevoll in Kost und Logis gehalten werden. Zum Beispiel das Ebolavirus: keine hundert Meter Luftlinie von hier. Marburgvirus, Gelbfieber, HIV – die Tropeninstitutler sagen allmorgendlich herzhaft hallo zu diesen Schlawinern, natürlich im Schutzanzug.

Ms. Columbo und ich haben uns übrigens mal eine Zeitlang mit dem kleinen makabren Scherz vergnügt, den Werbespot eines schweizer Hustenbonbonherstellers virologisch anzuverwandeln – und statt des typischen „Riiiiicola!“ ein genau ins Versmaß passendes „Eeeeebola!“ zu jubilieren. Inzwischen gucken wir aber keine Fernsehwerbung mehr.

Von hinten übrigens sieht der Gebäudekomplex, in dem sich auch das Tropeninstitut befindet, streckenweise so aus wie auf dem heutigen Foto. Da sollte unbedingt auch mal ein Hair Styling Team drübergehen.

Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über Kleinstlebewesen
1. „Language is a virus" von Laurie Anderson
2. „Die Wahrheit ist ein Virus" von Rainer von Vielen
3. und alles von Biohazard

01 August 2006

Kollateralschäden der Klimakatastrophe

Jetzt, wo die Hitze Atempause macht, ist die Gelegenheit günstig, über ihre Nachteile zu sprechen. Hitze nämlich ist gefährlich. Nicht nur unmittelbar, auch indirekt.

Kramer zum Beispiel schlurft seit Tagen nur noch barfuß durch die Räume, und gestern rollte ihm der Franke mit seinem Stuhl versehentlich über den linken großen Zeh.

Hätte Kramer Gummistiefel getragen oder eisenbeschlagene Straßenschuhe, wie es etwa winters durchaus Usus ist, nichts wäre geschehen. So aber brüllte er auf wie Godzilla, der gerade einen Panzerfausteinschlag im Schritt wegstecken muss.

Bestürzt stürmte ich rüber ins Nachbarbüro. „Nicht lachen“, mahnte der Franke bei meinem Eintritt beschwörend und mit ernster Miene, während Kramer durch wildes Fluchen und Herumspringen die Phase des akuten Schmerzgebrülls zu überbrücken suchte.

Keine Stunde später drang erneut ein urtümlicher Schrei aus diesem Abu Ghureib Ottensens, und wieder war unverkennbar Kramer das Opfer. Diesmal gemahnten Timbre und Ausdruckskraft seiner vokalen Eruptionen eher an King Kong auf dem Empire State Building (Remakefassung). Was war denn jetzt schon wieder passiert?

Gelassener als beim ersten Mal begab ich mich zur Erkundung der näheren Umstände hinüber. Der Franke hatte erneut diesen warnenden „Bloß nicht lachen!“-Blick, während Kramer durchs Büro marodierte wie eine amoklaufende Abrissbirne. Offenbar war er intuitiv zu der Überzeugung gelangt, es sei ein probates Mittel zur Linderung seines Leids, unschuldige Gegenstände wie Bücher, Sandalen oder halbplatte Minilederbälle in alle Büroecken zu pfeffern. Mir schien zwar spontan eine Packung Thomapyrin geeigneter, doch ich hielt schön den Mund.

Kramer jedenfalls hüpfte auf dem vor einer Stunde noch immobilen Fuß herum, was diesmal klar das rechte Pendant als geschädigt auswies. Allmählich kristallisierten sich auch vage die Details des Zwischenfalls heraus. Eine seiner Lautsprecherboxen war wohl durch letztlich unklärbare Umstände vom Tisch gerutscht und ihm dann direkt auf den rechten großen Zeh gedonnert – offenbar mit der Ecke voran, so dass sich die kinetische Energie der Box sehr effizient auf einer kleinen Stelle der Kramerschen Gesamtkonstruktion entladen konnte.

Den genauen Verlauf durch Rückfragen zu klären, kam keinesfalls in Frage. Dazu fehlte sowohl dem Franken als auch mir der Mut. So betrachteten wir stumm unser geschundenes Mitgeschöpf, welches seiner schmerzbefeuerten Wut auf Gott und die Welt und jedes Grad Celsius freien Lauf ließ und keinerlei Ansprache mehr zugänglich war.

Später, als ich noch einmal vorsichtig um die Ecke ins Nachbarbüro lugte, sah ich Kramer auf seinem Stuhl kauern und mit einem Eisbeutel hantieren. Für ein freundliches Wort war es aber immer noch zu früh. Und schuld ist wer? Die Klimakatastrophe.

Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über Schmerz
1. „Hurt" von Johnny Cash
2. „Pain killer" von Turin Brakes
3. „A pain that I'm used to" von Depeche Mode

31 Juli 2006

Ein selbstreferenzielles Stöckchen

(erwischt haben mich Stefan und David)

Warum bloggst du?

Krankhaftes Mitteilungsbedürfnis. Wortdiarrhö. Ruhmsucht.


Seit wann bloggst du?

Moment, seit … 16. September 2005.


Selbstporträt



Warum lesen deine Leser dein Blog?
Da fragst du den Falschen.


Welche war die letzte Suchanfrage, über die jemand auf deine Seite kam?

„heidi klum kinder fotos“. Jetzt fühle ich mich wie die Gala.


Welcher deiner Blogeinträge bekam zu Unrecht zu wenig Aufmerksamkeit?

„Zu Unrecht“ klingt so vorwurfsvoll … Wenig Aufmerksamkeit bekamen natürlich die frühen; man bloggte ins Nichts, es gab nur wenige Kommentare. Vielleicht hätte ich mir besonders für den Eintrag „Der Verdächtige“ mehr Feedback gewünscht. Der war wenigstens mal unironisch.


Dein aktuelles Lieblingsblog?

wirres, wegen der tollen Urlaubsvertretung.


Welches Blog hast du zuletzt gelesen?

Poodle


An welche vier Blogs wirfst du das Stöckchen weiter und warum?

An den Club der scheintoten Dichter, weil der Clubpräsident in jeder Hinsicht eine Ausnahmeerscheinung in der Blogosphäre ist; an Julia, weil sie zwischendurch schon mal aufgehört hatte und bestimmt besonders interessante Dinge zum Bloggen beisteuert; an Nirgendwo, damit sie mal die Chance bekommt, längere Sätze zu schreiben; und an Mark, weil es gut sein kann, dass er die Antworten REIMT.

30 Juli 2006

Zickezacke Hunde…

Entdeckt vor der Postfiliale in der Seilerstraße; das Braune ist ein Hundehaufen.

Was bedeutet das für den neuen Patriotismus?

Post von Postel

Nach der Posse um Postel vom 25. Juli entspann sich eine kleine Mailkorrespondenz mit dem begabtesten aller Scharlatane, dem Hochstapler Gert Postel.

Diesen Schriftverkehr möchte ich dem Blogpublikum natürlich nicht vorenthalten. Schließlich werden darin weitere Heldentaten angekündigt, auf die wir uns schon freuen dürfen. Keep on going, Gert!

Der Dialog beginnt mit dem Ende meines oben erwähnten Blogeintrags, denn der Pseudopsychiater bezieht sich in seiner ersten Mail direkt darauf.

Matt: … Steckt etwa der in Marburg abgetauchte Postel selbst hinter den Anrufen und der Verfälschung von Wikipedia? Suchte er mal wieder nach einer Gelegenheit, seine Fingerfertigkeit unter Beweis zu stellen und sich anschließend ins Fäustchen zu lachen? Wenn ja, dann müsste man enttäuscht konstatieren: Der Mann hat schon größere Coups gelandet.

Postel: Danke für den schönen Artikel! Keine Sorge, die größeren Aktionen eignen sich nur nicht für eine Erörterung in der Öffentlichkeit …

Matt: Sie lernen wohl nicht dazu, was? ;-)

Postel: Ich lerne nur das nicht, was offenbar Sie zu lernen als notwendig erachten, mehr ist es nicht …

Matt: Ihre Spitzfindigkeit scheint mir eine andere Umschreibung für „nicht resozialisiert“ zu sein. Oder sogar für „nicht resozialisierbar“, was natürlich sehr schade wäre. Waren Sie das eigentlich mit der kleinen Manipulation des Wikipediaeintrags von Herrn Haußmann? Immerhin erörtern Sie ja nur die „größeren Aktionen“ nicht in der Öffentlichkeit; aber die hier war ja nun wirklich Pipifax.

Postel: Wissen Sie, mit Etikettierungen beweist man nichts als Denkfaulheit, oder, schlimmer noch, mangelnde Denkfähigkeit. Machen Sie das ruhig so: mir ist es vollkommen einerlei, ob Sie das Etikett „nicht resozialisierbar“ oder gerne auch „Sahnetorte“ verwenden. Das sagt ja gar nichts über mich aus, aber vielleicht etwas über Sie. Ich betrachte die Korrespondenz mit Ihnen als beendet. Wichtigere Dinge warten …

Matt: Gut, auf das Etikett „Gert Postel ist Sahnetorte“ können wir uns einigen. ;-) Ich wünsche Ihnen viel - ähem - Erfolg bei Ihren Unternehmungen. Und ein glücklicheres Leben.

Postel: Letzte Nachricht: Mein Leben könnte glücklicher kaum sein.

Matt: Wow … Damit haben Sie praktisch allen Menschen auf diesem Planeten etwas voraus. Wenn Sie vielleicht als letztes Geschenk an die Erdbewohner diese Glücksformel noch veröffentlichen würden? Das wäre überaus reizend, geradezu philantrophil. Ach ja: Meiner Frage nach dem Wikipediaeintrag sind Sie bisher ausgewichen, und ich möchte diese kleine Korrespondenz natürlich nicht abgeschlossen wissen, ohne Sie noch einmal danach gefragt zu haben (obgleich ich allen Grund hätte zu schmollen, schließlich haben Sie mir die Denkfähigkeit abgesprochen; aber ich bin zum Glück nicht nachtragend). Also: Wieso ist Ihnen dieser Tippfehler beim Namen „Haussmann“ unterlaufen? Eine solche Nachlässigkeit passt nicht zu Ihnen. Wo lag das Problem? Oder WOLLTEN Sie, dass man es bemerkt?

Postel: Ich bin nicht „ausgewichen“, sondern wollte gar nicht antworten. Lesen Sie heute in der taz Nordteil ne super Postel-Geschichte. ENDE.


Übrigens wurde der Haußmann-Eintrag bei Wikipedia inzwischen korrigiert.

(Foto: Eichborn)

28 Juli 2006

Mittendrauf statt nur dabei

Spätabends erblickt die (zumindest mit technischen Hilfsmitteln) falkenäugige Ms. Columbo von unserem Balkon aus zwei Männer, die es sich mitten auf der Kreuzung vorm Tippel II muckelig machen. Aus Gründen der Bequemlichkeit haben sie zwei Stühle dabei, und darauf sitzen sie nun.

Ungerührt ignorieren sie den abendlichen Verkehr. Wer im Auto vorbeikommt, lässt sich zwar kurz irritieren, umkurvt dann aber doch mit dem typischen Fatalismus des Großstädters das Hindernis, um es sogleich wieder zu vergessen. Diese Typen muss ich mir anschauen, klar. Ich gehe runter.

„Was seid ihr denn für welche?“, schlage ich einen leutseligen Ton an, „habt ihr eine Wette verloren?“ (Das ist übrigens Ms. Columbos Theorie.) Die beiden, das sieht man gleich, sind St.-Pauli-Fans. Der eine, ein muskulöser Mensch mit Mütze, trägt als Gesinnungsnachweis ein T-Shirt mit Stadtteilschriftzug. Der andere, ein kleiner pummeliger Mittdreißiger von schon leicht angegrauter Provenienz (vor allem an den Schläfen), brabbelt etwas vor sich, ohne die von mir vorgebrachte Theorie von Ms. Columbo zu verifizieren.

„Bissu auch Paulifan?“, fragt er. „Bin ich“, bestätige ich. Inzwischen ist ein weiterer Passant hinzugetreten, ein arabisch und zugleich derangiert wirkender Bartträger mit zerrissenen einst weißen Hosen und Bierflasche in der Hand. Letzteres eint ihn übrigens mit den beiden Herren auf den Stühlen. Der Neuankömmling (auf dem Foto verdeckt) ist begeistert von der Situation. „Ihr seid so cool, ey, so cool!“, ruft er und offenbart dabei ein völlig entspanntes Verhältnis zu seinen zahlreichen prominent platzierten Zahnlücken.

Ungerührt, geradezu huldvoll nehmen die Kreuzungssitzer die Eloge entgegen. „Haste was zu kiffen?“, versucht der Mützenträger umstandslos die Diskussion in eine für ihn günstige Richtung zu lenken. Der Araber verneint und verweist kundig auf die Hafenstraße; außerdem steht ihm eh mehr der Sinn nach weiterer Untermauerung seiner „Ihr seid so cool!“-These.

„Bissu auch Mitglied im Pauliforum?“, wendet sich der Grauschläfige nun wieder an mich. „Bissu sweiunpfirsich? Du siessaus wie sweiunpfirsich.“ Eine recht schmeichelhafte Schätzung, wie ich ihm dankbar zu verstehen gebe. Ich verzichte darauf, die an dieser Stelle eigentlich angebrachte Vertiefung der Diskussion über die Zahl 42 im Sinne Douglas Adams' anzugehen, denn von der Detlev-Bremer-Straße her hält ein Taxi auf unsere kleine Gesellschaft zu. Es bremst, und beim Umkurven dreht der wie beseelt dreinschauende Fahrer die Scheibe herunter und sagt: „Das ist so geil, so geil!“

Die Begeisterungsstürme, die zwei mit Dope unterversorgte Betrunkene mitten auf einer Kiezkreuzung auszulösen vermögen, sind wirklich erstaunlich. Der kleine Pummel entwickelt plötzlich Theorien über die Richtung, aus der die unvermeidlichen Ordnungshüter bald anrollen werden. „Gleich kommt die Schmier!“, prognostiziert er, was ich als Kiezmetapher für die Polizei deute, „und zwar von da unten“, womit er die Westrichtung der Seilerstraße meint.

Vom Tippel II dringt inzwischen durch ausgesandte Boten eine betrübliche Kunde: Die Wirtin, heißt es, würde von nun an jede Bierversorgung des exterritorialen Gebietes einstellen. Unwiderruflich. Die Stuhlbesetzer nehmen es hin mit der Gelassenheit derjenigen, denen man zuletzt mehrfach bestätigt hat, cool und geil zu sein.

„Haste wirklich nix zu kiffen?“, wendet sich der Muskelmann wieder an das Zahnlückensortiment auf zwei Beinen. Jetzt lässt sich sogar die Wirtin selber blicken. „Gleich kommt die Schmier!“, warnt sie, doch das gehört auf der Kreuzung längst zum Allgemeinwissen. Selbst ich ertappe mich dabei, wie ich sie mitleidig anlächle.

Und wirklich: Die Schmier kommt. Allerdings aus ungeahnter Richtung, nämlich der Detlev-Bremer-Straße. Die beiden biersatten Verkehrshindernisse packen erstaunlich katzenartig ihre Stühle und huschen hinüber zum Tippel II, der Araber, der Bote des Bierstopps und ich treten dezent zurück an den Straßenrand.

Und als der Streifenwagen langsam über die Kreuzung gleitet wie ein witterndes Raubtier, ist das übliche Raum-Zeit-Kontinuum längst wieder hergestellt. Nichts mehr erinnert an die zwei traulichen Zecher, nichts mehr an unsere kleine Runde mitten auf der Straße, mitten im Verkehr.

Ich muss an Samuel Beckets Stück „Warten auf Godot“ denken, weiß aber nicht mehr, warum.

Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über Kreuzungen und Straßen

1. „Crossroads" von Calvin Russell

2. „Crossroads" von Robert Johnson

3. „Our house" von Madness

Die Fundstücke des Tages (22)

1. Sofern man in der Lage ist, die ganzen sprachlichen Unglücke des abgebildeten Kurztextes einen Moment lang zu ignorieren, beachte man als besonderes Bonbon bitte die messerscharfe Terminangabe. Gefunden und geknipst in der Hoheluftchaussee.

2. Die einzige Leistung, die von Lance Armstrong in Erinnerung bleiben wird, ist die: Er hat sich – anders als Ullrich, Pantani oder Floyd Landis – nie erwischen lassen. Na ja, eigentlich doch. Aber dann war die B-Probe plötzlich verschwunden. Glück happens.


3. Beim Brillendiscounter Fielmann in Ottensen fragt ein Kunde nach einer bestimmten Mitarbeiterin, die ihm versprochen habe, heute anwesend zu sein, um sich seiner speziellen Belange annehmen zu können. Wie die Kollegin denn aussehe, fragt die betreuende Fielfrau am Tresen. „So mehr der italienisch-ostasische Einschlag", sagt der Kunde wortwörtlich. „Italienisch-ostasisch?", hallt es in mir nach. Während ich dem Nachhall noch still hinterhersinniere, weiß die Fielfrau sofort, wen er meint. Guter Kundenservice.


4. Mein Wunsch fürs nächste Jahr: Ich würde gern Reichensteuer bezahlen müssen.


Alle bisherigen Fundstücke des Tages:
1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14,
15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, Oh, my Google!

27 Juli 2006

Ein vetter Push

Mensch, da kannst du mal sehen, was passiert, wenn der lawblog einen Text von dir verlinkt

Mir fehlen leider die Möglichkeiten, mich bei Udo Vetter zu revanchieren. Es sei denn, der Callboy aus Berlin verklagt mich wirklich; dann werde ich Vetter als Anwalt engagieren – natürlich.

Mal sehen, wie tief das Loch sein wird, in das ich falle, wenn der Besucherstrom wieder auf Normalmaß sinkt. Wahrscheinlich gebe ich dann weinend das Bloggen auf.


Ex cathedra: Die Top 3 der Songs mit Rechtsanwaltsbezug
1. „Lawyers, guns and money" von Warren Zevon
2. „Philadelphia lawyer" von Woody Guthrie
3. „Hurricane" von Bob Dylan

26 Juli 2006

Seyfried stinkt!

Den Comiczeichner Gerhard Seyfried (Foto: Eichborn) schätze ich schon seit damals, wenn nicht noch länger. Wie der altgediente Apo-Cartoonist seine vollverfilzten und haschsedierten Hausbesetzer „Haut die Bullen platt wie Stullen!“ säuseln ließ, wie er die Ordnungsmacht als putzig und verbalbehindert veräppelte („Pop, Stolizei!“): Das war so subversiv wie superlustig.

Jetzt allerdings leistet sich der Altlinke einen unfassbaren Ausrutscher, der mich an seinen politischen – und vor allem: ethischen – Maßstäben zweifeln lässt. In seinem Blog unterm Dach der taz veröffentlichte Seyfried vor einigen Tagen eine Karikatur zur Rechtschreibreform, die er gemeinsam mit Ziska Riemann bereits 1999 verfasst hatte. Damals wollte sie niemand veröffentlichen, und ich kann verstehen, warum. Statt sie einsichtig in die Tonne zu treten, hält Seyfried die Gelegenheit einer Veröffentlichung inzwischen wieder für günstig. Schließlich hat er sein eigenes Blog, und da kann er ja machen, was er will.

Die Zeichnung möchte ich aus nachvollziehbaren Gründen hier nicht zeigen, daher eine kurze Beschreibung: Zu sehen ist ein Scheiterhaufen aus brennenden Duden, und darunter steht der unfassbare Kalauer: „Die Endlösung der Dudenfrage“.

Wie kommt der Mann bloß auf so einen Irrsinnsvergleich?


Das schrie natürlich nach einem Kommentar. Doch leider hat Seyfried bisher nicht die cojones, meinen kurzen Text auch freizuschalten. Deshalb steht er jetzt hier: „Ich bin ja nicht zimperlich, aber das finde ich völlig daneben – einfach, weil die Zeichnung letztlich den Holocaust verharmlost, indem sie ihn kalauerisierend für so etwas vergleichsweise Läppisches wie die Rechtschreibreform heranzieht. Du stinkst, Mann.“

Und das tut er wirklich. Riecht ihr's auch?