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20 Mai 2008
In die Falle getappt, schon wieder
Nach einer schmerzhaften Erfahrung hatte ich mir fest vorgenommen, nie mehr rechts einen Ring zu tragen, wenn auch nur der Hauch einer Gefahr bestünde, Kalle Schwensen die Hand schütteln zu müssen.
Doch erst als GP und ich uns dem Eingang des Hafenrestaurants Indochine näherten, wo wir zu einer Party Schwensens eingeladen waren, fiel mir dieser weise Vorsatz wieder ein. Also zu spät.
Wir sahen Schwensen schon von weitem, sein ikonografisches Gesicht (Schnauzer, Sonnenbrille) stach deutlich heraus aus der Menge der Promotionmodels in silbernen Jacken, es gab kein Entkommen.
Zwar hätte sich noch alles zum Guten wenden können, doch ich war wie paralysiert vom bevorstehenden Händeschütteln – und vergaß es einfach, meinen Ring noch schnell heimlich in der Hosentasche verschwinden zu lassen oder ihn wenigstens an einen Finger der linken Hand zu stecken.
Als es vorbei war, schaffte ich es erstaunlicherweise trotzdem noch, mein Weinglas wie gewohnt mit rechts zu halten. Sie zitterte nur leicht, und ich musste zwecks Gewichtsreduktion schneller trinken als gewöhnlich, doch das funktionierte recht gut. Hafenblick wirkt lindernd.
Zudem lenkte GP mich ab, indem er die Sprache nach- und durcheinander auf folgende Themen brachte: die schwankende Qualität der „Alien“-Quadrologie, Jagdflieger im Zweiten Weltkrieg, Hegel (den er kurzzeitig mit Kant verwechselte), meine unmögliche Sockenfarbe, die Vorzüge dunkelhäutiger Promotionmodels, Italowestern, die Ähnlichkeiten von tibetischer und thailändischer Küche, Robert Mitchum, ein 100.000-Euro-BMW-Cabrio, Schwensens Rolex und das Siezen in Weblogs. Diese Auswahl ist wahllos und nicht repräsentativ.
Übrigens ging das Tippen dieses Eintrags bereits wieder erstaunlich schmerzfrei vonstatten.
PS: Ich glaubte meine Kamera vergessen zu haben und versäumte es daher, Fotos anzufertigen. Deshalb folgt hier bald ein Platzhalterbild, das in der Nähe des Indochine entstand – und zwar sobald das Hochladen wieder funktioniert, verdammt noch mal.
19 Mai 2008
Die Entdeckung des Kopfnacktmulls
Ich führe Ms. Columbo die bahnbrechende Erfindung am eigenen Leibe vor: eine tief über die Ohren lappende Mütze mit eingebauten Kopfhörern.
„Darauf habe ich mein Leben lang gewartet!“, rufe ich euphorisiert aus, während ich die Mütze aufsetze. „Wie findest du sie?“
Ms. Columbos spontanes Losprusten gehört keineswegs zum Repertoire der Reaktionen, die ich auf der Rechnung hatte. „Was ist denn?“, frage ich betont verärgert, was ihr Verhalten als mindestens ungebührlich, wenn nicht empörend denunzieren soll.
„Es sieht dämlich aus“, kichert sie. Ich renne zum Spiegel. Sie hat Recht: Darin sehe ich etwas ungeheuer Dämliches.
Nach einer Zeit der inneren Einkehr beschließe ich, trotzdem erst mal den Winter abzuwarten. Ms. Columbos unausgesprochenes „BITTE versteigere diesen Kopfnacktmull SOFORT auf Ebay!“ überhöre ich jedenfalls mit der Souveränität dessen, der sich einen wichtigen Lebenstraum nicht kaputtmachen lassen will.
Zumindest nicht sofort.
„Darauf habe ich mein Leben lang gewartet!“, rufe ich euphorisiert aus, während ich die Mütze aufsetze. „Wie findest du sie?“
Ms. Columbos spontanes Losprusten gehört keineswegs zum Repertoire der Reaktionen, die ich auf der Rechnung hatte. „Was ist denn?“, frage ich betont verärgert, was ihr Verhalten als mindestens ungebührlich, wenn nicht empörend denunzieren soll.
„Es sieht dämlich aus“, kichert sie. Ich renne zum Spiegel. Sie hat Recht: Darin sehe ich etwas ungeheuer Dämliches.
Nach einer Zeit der inneren Einkehr beschließe ich, trotzdem erst mal den Winter abzuwarten. Ms. Columbos unausgesprochenes „BITTE versteigere diesen Kopfnacktmull SOFORT auf Ebay!“ überhöre ich jedenfalls mit der Souveränität dessen, der sich einen wichtigen Lebenstraum nicht kaputtmachen lassen will.
Zumindest nicht sofort.
17 Mai 2008
Der wichtigste Job
Wer schon immer das Gefühl hatte, die Kompetenz über die Aufstellung der Fußballnationalmannschaft sei in Deutschland bedeutsamer als die Entscheidung über Auslandseinsätze der Bundeswehr, wurde gestern vom oben dokumentierten Freud’schen Verschreiber auf Spiegel online in seiner Auffassung bestätigt.
Ich gehöre übrigens auch zu denen, die schon immer dieses Gefühl hatten. Aber ich weiß, dass es falsch ist, ganz falsch.
Suzie und die Pimpinelle
Ein Abendessen im Edelrestaurant Nil am Neuen Pferdemarkt, und zwar mit einer meiner Lieblingsbands: Klee.
Ich als Anhänger des 1. FC Köln gerate binnen kürzester Zeit mit dem Keyboarder Sten aneinander, einem Gladbachfan. Er stopft mir das Maul, indem er sich schon jetzt präventiv für die sechs Punkte bedankt, die wir in der nächsten Saison an Gladbach abgeben müssen. Nein!, schreit es innerlich in mir und dann auch äußerlich, doch wahrscheinlich wird er recht behalten – so war es immer, so wird es immer sein.
Genug Grund jedenfalls, um mich im weiteren Verlauf des Abends ausschließlich der aparten Sängerin Suzie Kerstgens (1. FC Köln) zu widmen. Befeuert vom ausgezeichneten 2007er Château Lamothe Blanc de Blancs entwickle ich anscheinend derart viel Esprit, dass Suzie mich nach dem Dessert um ein Autogramm bittet. Überraschend zwar, doch – wie ich finde – ein erheblich adäquateres Verhalten mir gegenüber, als es dieser Sten an den Tag legte.
Davon und auch vom Lamothe halb trunken sowie beseelt vom zweiten Gang, einer Nudelmorchelroulade mit Mairübe und Pimpinelle, schweben wir später hinüber ins Uebel & Gefährlich, wo Suzie & Co. noch arbeiten müssen (siehe Clip), wohingegen ich mich dem Vergnügen des halblegalen Mitfilmens widmen kann.
Auf diese Weise darf der Job ruhig öfter ins Private lappen, ehrlich wahr.
16 Mai 2008
Smoke near the water(closet)
Im Schwenders am Großneumarkt zum Matjesessen.
Große Überraschung beim Abstieg zum Herrenklo: Neben einem schmucklosen Heizungsrohr hängen zwei originale Platinscheiben. Es sind jene, die Deep Purple 1972 für ihr legendäres Doppelalbum „Made in Japan“ verliehen bekamen.
Wie in Richie Blackmores Namen kommen diese einmaligen Kulturgüter an die Wand des Klogangs im Schwenders am Großneumarkt in Hamburg?
Von Gottes Wegen wusste ich wenigstens, dass sie unergründlich sind.
Große Überraschung beim Abstieg zum Herrenklo: Neben einem schmucklosen Heizungsrohr hängen zwei originale Platinscheiben. Es sind jene, die Deep Purple 1972 für ihr legendäres Doppelalbum „Made in Japan“ verliehen bekamen.
Wie in Richie Blackmores Namen kommen diese einmaligen Kulturgüter an die Wand des Klogangs im Schwenders am Großneumarkt in Hamburg?
Von Gottes Wegen wusste ich wenigstens, dass sie unergründlich sind.
14 Mai 2008
Lose Zusammengekehrtes (3)
1. Du merkst endgültig, dass du allmählich alt wirst, wenn Helmut Kohl, der älter ist als dein Vater, eine Frau heiratet, die jünger ist als du.
2. Andererseits: Sie haben schon vor Jahren das Sterbegeld gestrichen. Jetzt müssen wir eh alle ewig leben.
3. Einen kümmert das alles natürlich selbst in Pakistan nicht: Dracula (entdeckt im Schaukasten des 3001-Kino).
2. Andererseits: Sie haben schon vor Jahren das Sterbegeld gestrichen. Jetzt müssen wir eh alle ewig leben.
3. Einen kümmert das alles natürlich selbst in Pakistan nicht: Dracula (entdeckt im Schaukasten des 3001-Kino).
13 Mai 2008
Ins Netz gegangen – leider
Nein, es ist alles andere als ein Riesenspaß, morgens um vier schlafbesoffen das seit letztem Sommer verpackte Moskitonetz a) zu finden, b) auszurollen, c) herzurichten, d) aufzuhängen – und es dann e) doch nicht richtig dicht zu kriegen.
Ein solches Netz nämlich nützt nur dann etwas, meine Damen und Herren, wenn der Moskito aus- und nicht eingesperrt wird. Immerhin haben wir ihm so seine wagemutige und gefährliche Arbeit immens erleichtert.
Übrigens bringt ein Moskito nach meinen Berechnungen ein halbes Gramm (Schätzwert) auf die Waage, Ms. Columbo und ich zusammen hingegen 270.000-mal so viel (Messwert).
Warum man sich von einem solchen Winzling trotzdem stundenlang terrorisieren lassen muss, soll mir BITTE mal Darwin erklären.
Ein solches Netz nämlich nützt nur dann etwas, meine Damen und Herren, wenn der Moskito aus- und nicht eingesperrt wird. Immerhin haben wir ihm so seine wagemutige und gefährliche Arbeit immens erleichtert.
Übrigens bringt ein Moskito nach meinen Berechnungen ein halbes Gramm (Schätzwert) auf die Waage, Ms. Columbo und ich zusammen hingegen 270.000-mal so viel (Messwert).
Warum man sich von einem solchen Winzling trotzdem stundenlang terrorisieren lassen muss, soll mir BITTE mal Darwin erklären.
12 Mai 2008
Programmierersprech
Dicke Luft im Backhus
Die Bäckerei Dat Backhus im neuen Brauhausquartier auf der anderen Seite der Reeperbahn ist erfreulich leer, das sehe ich durch die großen Schaufenster.
Vor mir betritt noch eine Frau den Laden. Macht nichts, ist sogar besser: So bleibt mir etwas mehr Zeit, mich der optischen Brötchenprüfung zu widmen. Es gilt nämlich gerüstet zu sein für das Entscheidungsfreude verlangende Backhusangebot „Fünf Brötchen nach Wahl für 2 Euro“.
Mit einem Ohr höre ich, wie die Frau irgendetwas bestellt. „Welches?“, fragt der stoppelhaarige Backhusverkäufer hinter der Theke. „Na, das von der Tafel!“, schnappt die Frau überraschend ungehalten.
Das lenkt meine Aufmerksamkeit augenblicks weg von den Backwaren und hin zur sich schlagartig verdüsternden Stimmungslage im Backhus. „Ruhig …“, sagt der Verkäufer und bewegt beide Handflächen mehrmals parallel Richtung Boden – eine besänftigend scheinende, aber dank ihrer kühlen Ausführung durchaus ungehalten, ja vorwurfsvoll wirkende Geste.
Die Frau geht sofort in die Luft. „Sie haben mich warten lassen!“, zetert sie. „Erst lesen Sie Zeitung, und dann holen Sie auch noch Brötchen aus dem Ofen!“ Harter Tobak. Noch ehe der Angegriffene sich rechtfertigen kann, tritt aus dem Hintergrund ein kompakter kinnbärtiger Kollege hinzu und übernimmt die Verhandlungsführung.
„Das muss er tun“, bescheidet er der Frau kühl und ohne sie anzusehen, „sonst wären sie verbrannt.“ Die Kundin spürt endgültig: Hier ist sie keineswegs Königin. Und mit einem verächtlichen „Pah!“ dampft sie so umstands- wie umsatzlos ab. Sie wird nie mehr wiederkommen, das ist uns drei Verbliebenen insgeheim klar.
Etwas belämmert stehe ich da, nun der einzige Repräsentant der Kundschaft. Als solcher empfinde ich absurderweise so etwas wie Verantwortung für die atmosphärische Verfahrenheit der Situation.
Schließlich bin ich auch einer von denen, die abends, wenn die Backhusleute ein Fazit ihres Elends ziehen, in der Schublade „Diese Kunden!“ abgelegt werden, gemeinsam mit einer ordentlichen Portion Verachtung.
Trotzdem schaffe ich es unfallfrei, meine fünf Brötchen für zwei Euro zusammenzustellen. Als der Kinnbart mir die Tüte reicht, sagt er, ohne es zu meinen: „Ich wünsche Ihnen schöne Pfingsten.“
Er lächelt nicht einmal dabei.
PS: Statt eins der Brötchen abzulichten, fiel meine Wahl aus rein ästhetischen Gründen auf einen Hafengeburtstagsheißluftallon.
Vor mir betritt noch eine Frau den Laden. Macht nichts, ist sogar besser: So bleibt mir etwas mehr Zeit, mich der optischen Brötchenprüfung zu widmen. Es gilt nämlich gerüstet zu sein für das Entscheidungsfreude verlangende Backhusangebot „Fünf Brötchen nach Wahl für 2 Euro“.
Mit einem Ohr höre ich, wie die Frau irgendetwas bestellt. „Welches?“, fragt der stoppelhaarige Backhusverkäufer hinter der Theke. „Na, das von der Tafel!“, schnappt die Frau überraschend ungehalten.
Das lenkt meine Aufmerksamkeit augenblicks weg von den Backwaren und hin zur sich schlagartig verdüsternden Stimmungslage im Backhus. „Ruhig …“, sagt der Verkäufer und bewegt beide Handflächen mehrmals parallel Richtung Boden – eine besänftigend scheinende, aber dank ihrer kühlen Ausführung durchaus ungehalten, ja vorwurfsvoll wirkende Geste.
Die Frau geht sofort in die Luft. „Sie haben mich warten lassen!“, zetert sie. „Erst lesen Sie Zeitung, und dann holen Sie auch noch Brötchen aus dem Ofen!“ Harter Tobak. Noch ehe der Angegriffene sich rechtfertigen kann, tritt aus dem Hintergrund ein kompakter kinnbärtiger Kollege hinzu und übernimmt die Verhandlungsführung.
„Das muss er tun“, bescheidet er der Frau kühl und ohne sie anzusehen, „sonst wären sie verbrannt.“ Die Kundin spürt endgültig: Hier ist sie keineswegs Königin. Und mit einem verächtlichen „Pah!“ dampft sie so umstands- wie umsatzlos ab. Sie wird nie mehr wiederkommen, das ist uns drei Verbliebenen insgeheim klar.
Etwas belämmert stehe ich da, nun der einzige Repräsentant der Kundschaft. Als solcher empfinde ich absurderweise so etwas wie Verantwortung für die atmosphärische Verfahrenheit der Situation.
Schließlich bin ich auch einer von denen, die abends, wenn die Backhusleute ein Fazit ihres Elends ziehen, in der Schublade „Diese Kunden!“ abgelegt werden, gemeinsam mit einer ordentlichen Portion Verachtung.
Trotzdem schaffe ich es unfallfrei, meine fünf Brötchen für zwei Euro zusammenzustellen. Als der Kinnbart mir die Tüte reicht, sagt er, ohne es zu meinen: „Ich wünsche Ihnen schöne Pfingsten.“
Er lächelt nicht einmal dabei.
PS: Statt eins der Brötchen abzulichten, fiel meine Wahl aus rein ästhetischen Gründen auf einen Hafengeburtstagsheißluftallon.
11 Mai 2008
St. Pauli von hinten
Treffe bei prachtvollstem Sommerwetter vorm Fahrradladen zufällig Renate, die Käsehändlerin meines Vertrauens.
Es handelt sich um eine nicht unheikle Begegnung, denn ich war seit Wochen nicht mehr bei ihr, weil der gewaltige Fischmarktvorrat einfach nicht zur Neigung gehen will.
Dieses Kaufmoratorium ist ihr auch schon aufgefallen. Sie fragt:
Es handelt sich um eine nicht unheikle Begegnung, denn ich war seit Wochen nicht mehr bei ihr, weil der gewaltige Fischmarktvorrat einfach nicht zur Neigung gehen will.
Dieses Kaufmoratorium ist ihr auch schon aufgefallen. Sie fragt:
Das habe ich danach zu Hause auch getan. Und siehe da: Man findet die Rückseite der Reeperbahn auch mit Renates Suchabfrage – auf Platz 82 der Trefferliste.
„Kaufen Sie jetz Ihren Keese woannärs?“
„Ähm, nein, also ja, ich meine, äh … Auf dem Fischmarkt habe ich vor Wochen morgens im Ausverkauf billig einen Berg Käse erwischt (mache mit den Armen einen großen Kreis), und daran essen wir immer noch.“
„Aha. Schreiben Sie noch Ihr Tagebuch ins Innerned?“
(Heilfroh über den Themenwechsel) „Ja, ja, tue ich.“
„Sagen Sie mol, ich hab jetz Combjudeer und kenn mich gornich aus damit, aber Gugel kann ich. Ich hab Sie aber nich gefunden. Was muss ich denn eingeben bei Gugel?“
„Rückseite der Reeperbahn.“
„Ach sou! Und ich hab gesucht nach St. Pauli von hinten!“
09 Mai 2008
Die Tücken des Einzelhandels
Freitag ist Einkaufstag. Ich stehe bei Real an der Schnellkasse. Man qualifiziert sich dort fürs Anstehen, indem man höchstens zehn Artikel im Wagen hat. Ich habe zwar elf darin, doch jeweils mehrere von einer Sorte, so dass sich das Gesamtsortiment nach meiner Rechnung auf lediglich fünf beläuft.
Klingt logisch. Gleichwohl bin ich auf einen knappen Disput mit der Kassiererin eingestellt. Soweit sind wir aber noch lange nicht, denn die Schnellkassenschlange entwickelt die Dynamik eines Grönlandgletschers. Die Schlangen an den Kassen links und rechts (die man analog eigentlich „Langsamkassen“ nennen müsste) ziehen mühelos an uns vorbei.
Starke Indizien für die Öffnung einer weiteren Zahlstelle in unmittelbarer Nähe nehme ich zwar wahr, traue ihnen aber zunächst nicht über den Weg, und als die Indizien zu Beweisen werden, ist es zu spät: Geier sonder Zahl haben sich bereits vor mir aufs neue Opfer gestürzt.
Mein Platz soll also offenkundig hier sein, in der Schnellkassenschlange, bis zum bitteren Ende. Irgendwann komme ich doch noch bei der Kassiererin an. Sie zieht alles ab und beginnt dann mit der vorausgesehenen Standpauke.
Ich hätte, schimpft sie, gegen das eherne Schnellkassengesetz verstoßen und ihr, der Hüterin der richtigen Zahl, mehr als zehn Artikel aufgetischt. Mein Gegenargument, mehrere gleiche Artikel dürfe man ja wohl nur einmal zählen, zumal unmittelbar vor Pfingsten, lässt sie auf erstaunlich kategorische Weise nicht gelten.
Egal: Sie hat ja eh schon alles eingescannt. Ich zahle, nicke schuldig, damit sie sich besser fühlt, und packe meine Sachen ein. Daheim beim Auspacken bemerke ich allerdings das Fehlen zweier Päckchen marinierter Krabben; anscheinend ließ ich sie im Einkaufswagen liegen.
Damit hat sich de facto mein Einkauf auf neun Artikel reduziert, was mich zumindest a posteriori doch wieder für die Schnellkasse qualifiziert hätte. Verdammt.
Bei Aldi treffe ich Wolle (bzw. Mütze; s. Kommentare), jenen Wirt, der damals bei Günter Jauch eine halbe Million Euro (oder weniger; s. Kommentare) abräumte. Doch Wolle/Mütze ist auf dem Teppich geblieben, die treue Seele kauft immer noch bei Aldi und nicht bei Mövenpick.
Gedankenverloren nehme ich trotz fehlenden Bedarfs einen Tacker in Augenschein – und bin plötzlich beschmiert. Ein vorsichtiger Geruchstest ergibt: Die Tackerpackung war aus unbegreiflichen Gründen mit Mayonnaise kontaminiert.
War einfach nicht mein Tag heute, echt nicht.
Klingt logisch. Gleichwohl bin ich auf einen knappen Disput mit der Kassiererin eingestellt. Soweit sind wir aber noch lange nicht, denn die Schnellkassenschlange entwickelt die Dynamik eines Grönlandgletschers. Die Schlangen an den Kassen links und rechts (die man analog eigentlich „Langsamkassen“ nennen müsste) ziehen mühelos an uns vorbei.
Starke Indizien für die Öffnung einer weiteren Zahlstelle in unmittelbarer Nähe nehme ich zwar wahr, traue ihnen aber zunächst nicht über den Weg, und als die Indizien zu Beweisen werden, ist es zu spät: Geier sonder Zahl haben sich bereits vor mir aufs neue Opfer gestürzt.
Mein Platz soll also offenkundig hier sein, in der Schnellkassenschlange, bis zum bitteren Ende. Irgendwann komme ich doch noch bei der Kassiererin an. Sie zieht alles ab und beginnt dann mit der vorausgesehenen Standpauke.
Ich hätte, schimpft sie, gegen das eherne Schnellkassengesetz verstoßen und ihr, der Hüterin der richtigen Zahl, mehr als zehn Artikel aufgetischt. Mein Gegenargument, mehrere gleiche Artikel dürfe man ja wohl nur einmal zählen, zumal unmittelbar vor Pfingsten, lässt sie auf erstaunlich kategorische Weise nicht gelten.
Egal: Sie hat ja eh schon alles eingescannt. Ich zahle, nicke schuldig, damit sie sich besser fühlt, und packe meine Sachen ein. Daheim beim Auspacken bemerke ich allerdings das Fehlen zweier Päckchen marinierter Krabben; anscheinend ließ ich sie im Einkaufswagen liegen.
Damit hat sich de facto mein Einkauf auf neun Artikel reduziert, was mich zumindest a posteriori doch wieder für die Schnellkasse qualifiziert hätte. Verdammt.
Bei Aldi treffe ich Wolle (bzw. Mütze; s. Kommentare), jenen Wirt, der damals bei Günter Jauch eine halbe Million Euro (oder weniger; s. Kommentare) abräumte. Doch Wolle/Mütze ist auf dem Teppich geblieben, die treue Seele kauft immer noch bei Aldi und nicht bei Mövenpick.
Gedankenverloren nehme ich trotz fehlenden Bedarfs einen Tacker in Augenschein – und bin plötzlich beschmiert. Ein vorsichtiger Geruchstest ergibt: Die Tackerpackung war aus unbegreiflichen Gründen mit Mayonnaise kontaminiert.
War einfach nicht mein Tag heute, echt nicht.
08 Mai 2008
Ein bisschen zynisch
Wie ich heute erstaunt erfuhr, finanziert dir die Krankenkasse nur dann ein künstliches Knie, wenn sie sehr sicher sein kann, dass du gestorben bist, ehe es kaputt gehen kann.
So ein künstliches Gelenk hält nämlich rund 15 Jahre. Bist du unter 70, dann heißt es weiterhumpeln, bis 70. Nicht, dass ich ein neues Kniegelenk bräuchte. Aber ein bisschen zynisch, liebe Krankenkasse, darf man das selbst dann finden, wenn man (noch) nicht zur Zielgruppe gehört.
Als ich vorgestern ein Hermespaket in der kleinen Frühstückskneipe an der Talstraße abgab, saßen draußen am Tisch vier Transen. Es waren Latinos, wahrscheinlich Brasilianer.
Sie waren fix und fertig von irgendwas, wohl von den Herausforderungen der vergangenen Nacht. Müde wie Maurer nach der Schicht hockten sie wortlos rauchend am Tisch, vor sich einen Kaffee und den lieben langen tristen Tag.
Es wirkte so … stinknormal. Wahrscheinlich waren sie alle krankenversichert, in irgendeiner BKK. Ich lächelte ihnen unmerklich komplizenhaft zu, doch sie starrten nur dumpf in ihren Kaffee.
Es sah so aus, als hätten sie alle tadellose Kniegelenke.
PS: Das Foto zeigt natürlich nicht die erwähnte Frühstückskneipe, sondern andere interessante Gebäude ein paar Häuser weiter.
So ein künstliches Gelenk hält nämlich rund 15 Jahre. Bist du unter 70, dann heißt es weiterhumpeln, bis 70. Nicht, dass ich ein neues Kniegelenk bräuchte. Aber ein bisschen zynisch, liebe Krankenkasse, darf man das selbst dann finden, wenn man (noch) nicht zur Zielgruppe gehört.
Als ich vorgestern ein Hermespaket in der kleinen Frühstückskneipe an der Talstraße abgab, saßen draußen am Tisch vier Transen. Es waren Latinos, wahrscheinlich Brasilianer.
Sie waren fix und fertig von irgendwas, wohl von den Herausforderungen der vergangenen Nacht. Müde wie Maurer nach der Schicht hockten sie wortlos rauchend am Tisch, vor sich einen Kaffee und den lieben langen tristen Tag.
Es wirkte so … stinknormal. Wahrscheinlich waren sie alle krankenversichert, in irgendeiner BKK. Ich lächelte ihnen unmerklich komplizenhaft zu, doch sie starrten nur dumpf in ihren Kaffee.
Es sah so aus, als hätten sie alle tadellose Kniegelenke.
PS: Das Foto zeigt natürlich nicht die erwähnte Frühstückskneipe, sondern andere interessante Gebäude ein paar Häuser weiter.
07 Mai 2008
06 Mai 2008
Im Bann des Elektrophallus
Im Kukuun am Spielbudenplatz, direkt gegenüber vom Hotel Monopol, soll uns heute Abend das hochgeheime neue Album der Band Coldplay vorgespielt werden.
Mich werden Sicherheitsvorkehrungen erwarten, als wollte ich Guantanamo Bay verlassen. Deshalb kleide ich mich knapp über nackt, also ohne Jacke, Handy, Kamera und Panzerfaust.
Am Eingang erwartet mich ein pferdebeschwänzter Sicherheitsmann mit einem dieser elektronischen Gummiknüppel, die jedes Stück Metall aufspüren, das du am Körper trägst. Wahrscheinlich musst du auch deine künstliche Hüfte abgeben, um das neue Coldplay-Album hören zu dürfen.
Ich informiere den Sicherheitsmann über meine gleichsam jungfräuliche Ausstattung, die auch eine fehlende künstliche Hüfte einschließt, doch er will mich trotzdem mit diesem Ding da scannen.
„Hey, ich habe doch gesagt: Ich habe nichts dabei“, gebe ich mich bewusst störrisch. „Die Sicherheitsvorkehrungen erfordern das aber“, mault er und fingert mir mit seinem Leuchtstab vorm Gemächt herum, während ich mich schrittweise zurückziehe und er auf entwürdigende Weise hinter mir her wedelt mit seinem piepsenden Elektrophallus.
Es ist grotesk. Es ist lächerlich. Es ist die Musikbranche.
Später, während das Coldplay-Album gespielt wird, halte ich meinen USB-Stick am Schlüsselbund hoch wie ein Mikrofon, aber es fällt außer zwei kichernden Kolleginen von Konkurrenzzeitschriften niemandem auf. Trotzdem fühle ich mich auf schäbige Weise ein klein wenig besser.
Mal schauen, wie die Rezension ausfällt.
Mich werden Sicherheitsvorkehrungen erwarten, als wollte ich Guantanamo Bay verlassen. Deshalb kleide ich mich knapp über nackt, also ohne Jacke, Handy, Kamera und Panzerfaust.
Am Eingang erwartet mich ein pferdebeschwänzter Sicherheitsmann mit einem dieser elektronischen Gummiknüppel, die jedes Stück Metall aufspüren, das du am Körper trägst. Wahrscheinlich musst du auch deine künstliche Hüfte abgeben, um das neue Coldplay-Album hören zu dürfen.
Ich informiere den Sicherheitsmann über meine gleichsam jungfräuliche Ausstattung, die auch eine fehlende künstliche Hüfte einschließt, doch er will mich trotzdem mit diesem Ding da scannen.
„Hey, ich habe doch gesagt: Ich habe nichts dabei“, gebe ich mich bewusst störrisch. „Die Sicherheitsvorkehrungen erfordern das aber“, mault er und fingert mir mit seinem Leuchtstab vorm Gemächt herum, während ich mich schrittweise zurückziehe und er auf entwürdigende Weise hinter mir her wedelt mit seinem piepsenden Elektrophallus.
Es ist grotesk. Es ist lächerlich. Es ist die Musikbranche.
Später, während das Coldplay-Album gespielt wird, halte ich meinen USB-Stick am Schlüsselbund hoch wie ein Mikrofon, aber es fällt außer zwei kichernden Kolleginen von Konkurrenzzeitschriften niemandem auf. Trotzdem fühle ich mich auf schäbige Weise ein klein wenig besser.
Mal schauen, wie die Rezension ausfällt.
04 Mai 2008
Wie man zeitgemäß Schluss macht
Manchmal meint man es mit Irren zu tun zu haben, doch sie telefonieren nur öffentlich mit Headset.
Die scheinbar mit sich selbst plappernde Frau in der Friedensallee halte ich denn auch zunächst für komplett plemplem, als ich sie mit geradezu breitärschigem deutschen Akzent auf Englisch sagen höre: „Dound lai tu mii! Stopp itt!“
Ich schaue mich um, doch nur wir beide halten uns im kommunikationsrelevanten Radius auf; mich kann sie aber nicht meinen. Und das tut sie auch nicht: Sie telefoniert nur, halt mit weitgehend unsichtbaren Utensilien.
Die Frau ist eine rustikale Blondine im grünen Parka, und jetzt nimmt sie gut hörbar ihrem fernen Gegenüber jede Hoffnung auf Versöhnung: „Ei dount wonn’tu sey guttbai!“, ruft sie erregt ins Nirgendwo, „ju nou sätt!“
Das alles absolviert sie im gemütlichen Schlendermodus und mit lässig vorm Mund schwebendem Mikro. Keine Irre also. Einfach nur eine rustikale Blondine im Parka, die gerade öffentlich Schluss macht – endgültig, unwiderruflich und mithilfe zeitgemäßer Technik.
Schon komisch, dieses 21. Jahrhundert.
PS: Das heutige Foto hat natürlich nicht das Geringste mit der Geschichte zu tun. Es zeigt ein blauäugiges Finkenwerder Hausgesicht, das uns heute kackfrech angrinste. Erinnert mich an Bernd das Brot.
Die scheinbar mit sich selbst plappernde Frau in der Friedensallee halte ich denn auch zunächst für komplett plemplem, als ich sie mit geradezu breitärschigem deutschen Akzent auf Englisch sagen höre: „Dound lai tu mii! Stopp itt!“
Ich schaue mich um, doch nur wir beide halten uns im kommunikationsrelevanten Radius auf; mich kann sie aber nicht meinen. Und das tut sie auch nicht: Sie telefoniert nur, halt mit weitgehend unsichtbaren Utensilien.
Die Frau ist eine rustikale Blondine im grünen Parka, und jetzt nimmt sie gut hörbar ihrem fernen Gegenüber jede Hoffnung auf Versöhnung: „Ei dount wonn’tu sey guttbai!“, ruft sie erregt ins Nirgendwo, „ju nou sätt!“
Das alles absolviert sie im gemütlichen Schlendermodus und mit lässig vorm Mund schwebendem Mikro. Keine Irre also. Einfach nur eine rustikale Blondine im Parka, die gerade öffentlich Schluss macht – endgültig, unwiderruflich und mithilfe zeitgemäßer Technik.
Schon komisch, dieses 21. Jahrhundert.
PS: Das heutige Foto hat natürlich nicht das Geringste mit der Geschichte zu tun. Es zeigt ein blauäugiges Finkenwerder Hausgesicht, das uns heute kackfrech angrinste. Erinnert mich an Bernd das Brot.
Schnauze!
Ms. Columbo und ich überqueren dort, wo die Reeperbahn in die Königstraße übergeht, schwatzend den Fußgängerüberweg. Uns kommt ein heillos verdreckter Graubartzausel entgegen.
Als wir uns begegnen, sagt er zu mir: „Halt die Schnauze!“
Eine ungebührliche und zudem vollkommen grundlose Frechheit, die zwar möglicherweise einem prekären Schicksal geschuldet ist, der aber ein Mann von Welt gleichwohl mit schneidender Eloquenz entgegenzutreten verpflichtet ist.
Mehr noch: Gefragt ist nun die überlegene Kraft des rhetorischen Floretts, eine abgeklärte Kühle, die den ungehobelten Widerpart seinen Fauxpas nicht nur bitterlich bereuen, sondern eine Wiederholung desselben ein für alle Mal verunmöglichen wird.
Und noch während mir all diese Handlungsoptionen durch den Kopf gehen sollten, höre ich mich schreien: „HALT DU DOCH DIE SCHNAUZE!“
Soviel zum Unterschied zwischen Theorie und Praxis.
02 Mai 2008
Mit einem Bein im Knast
Es ist kurz vor Mitternacht, als es endlich losgeht.
Die Discokugel des Nachtasyls verstreut huschende Lichtflecken im Raum, und weil die Wand hinter der Bühne gewellt ist, fangen die Flecken dort zu flattern und zu tanzen an wie Schmetterlinge auf einer Frühlingswiese – das perfekte visuelle Ambiente für die zwei wunderbaren kalifornischen Folksängerinnen Mariee Sioux und Alela Diane.
Ich hocke zu Füßen der Grazien auf dem Boden vor der Bühne, versuche mein Glas vor unbekümmerten Füßen zu schützen und zugleich im Rotschummerlicht ein passables Filmchen auf den Chip zu kriegen.
Was natürlich nicht gelingt; trotzdem gibt es hier einen kleinen miesen Clip. Schließlich hat mich Alelas Promoter inständig gebeten, das zu tun – eine erstaunliche Alternative zu den üblichen Knastandrohungen der Musikbranche für dieses Vergehen.
Sollte ich dennoch demnächst aus Fuhlsbüttel bloggen, war ich zu naiv.
01 Mai 2008
Unterm Tisch in Nordfriesland
Selbst der Nordfriese, gemeinhin nicht der schnellsten einer, hat inzwischen erfolgreich das von Süden her gen Küste kriechende Neuschreib verinnerlicht.
Und nicht nur das: Seine Leistung, in nur sechs Wörtern fünf Fehler unterzubringen, befördert ihn sogar schnurstracks an die Spitze der Dummdeutschbewegung.
Umgekehrt verhält es sich allerdings mit dem nordfriesischen Computer in der Hotellobby; der ist eher hintendran. Als ich mich unterm Tisch auf die Suche nach einem USB-Port begebe, stoße ich auf lauter wunderliche Zugänge und Schubladen, deren Funktion wohl nur noch Hardwarearchäologen dechiffrieren können. Oder weiß etwa jemand, was ein sogenanntes „Diskettenlaufwerk“ sein soll?
Schon schräg, diese Nordfriesen.
29 April 2008
Am Ende Wohlweh
Wir treiben ein wenig Sport an der Nordseeküste. Der Sport muss sein, denn die Krankenkasse sponsert die Reise beträchtlich, und wenn wir schwänzten, ginge der Zuschuss flöten.
Die Reise begann im Intercity. Wir fanden vor: einen leeren Wagen ohne reservierte Plätze – der feuchte Traum eines jeden Bahnkunden. Wir sicherten uns den Tisch mit Stromanschluss für den Laptop. Besser konnte es nicht laufen.
So blieb es auch selige zehn Minuten lang – bis die Schulklasse einfiel. Es handelte sich um ungefähr 30 Drittklässler, die von ihren Betreuerinnen längst aufgegeben worden waren. Zumindest fiel keine der drei hilflosen Lehrkräfte den hinfort über Sitze, Lehnen und meine Beine marodierenden Horden in die Arme.
An Lesen war nicht zu denken, und die Kopfhörerlautstärke, die nötig war, um die infernalischen Kreischkids zu übertönen, werden wir wahrscheinlich mit Tinnitus nicht unter drei Jahren bezahlen.
Leider wollte die minderjährige Terrortruppe dorthin, wo auch wir hin wollten. Das wurde drei schwere Stunden später klar. Selbst mein Besuch auf der Toilette, wohin es mich u. a. wegen der Hoffnung auf Kontemplation verschlagen hatte, wurde beeinträchtigt: Als ich die Tür öffnete, fielen mir mehrere Steppkes entgegen, und was taten sie dabei? KREISCHEN.
Wir erreichten die Nordsee urlaubsreif. Doch seit der ersten Nordic-Walking-Einheit durch die Dünen sind wir wieder fit. Dann deklarierte unsere Kursleiterin Linde (wie Eiche, Buche etc.) den leichten Schmerz beim Dehnen auch noch als „Wohlweh“, und seit diesem entzückenden Neologismus ist alles wieder bestens, auch mental.
Die Reise begann im Intercity. Wir fanden vor: einen leeren Wagen ohne reservierte Plätze – der feuchte Traum eines jeden Bahnkunden. Wir sicherten uns den Tisch mit Stromanschluss für den Laptop. Besser konnte es nicht laufen.
So blieb es auch selige zehn Minuten lang – bis die Schulklasse einfiel. Es handelte sich um ungefähr 30 Drittklässler, die von ihren Betreuerinnen längst aufgegeben worden waren. Zumindest fiel keine der drei hilflosen Lehrkräfte den hinfort über Sitze, Lehnen und meine Beine marodierenden Horden in die Arme.
An Lesen war nicht zu denken, und die Kopfhörerlautstärke, die nötig war, um die infernalischen Kreischkids zu übertönen, werden wir wahrscheinlich mit Tinnitus nicht unter drei Jahren bezahlen.
Leider wollte die minderjährige Terrortruppe dorthin, wo auch wir hin wollten. Das wurde drei schwere Stunden später klar. Selbst mein Besuch auf der Toilette, wohin es mich u. a. wegen der Hoffnung auf Kontemplation verschlagen hatte, wurde beeinträchtigt: Als ich die Tür öffnete, fielen mir mehrere Steppkes entgegen, und was taten sie dabei? KREISCHEN.
Wir erreichten die Nordsee urlaubsreif. Doch seit der ersten Nordic-Walking-Einheit durch die Dünen sind wir wieder fit. Dann deklarierte unsere Kursleiterin Linde (wie Eiche, Buche etc.) den leichten Schmerz beim Dehnen auch noch als „Wohlweh“, und seit diesem entzückenden Neologismus ist alles wieder bestens, auch mental.
27 April 2008
Sie hat ja kein Handy
Unter der Plakatwand an der Simon-von-Utrecht-Straße lagert regelmäßig eine Gruppe heimatloser Russen. Einer von ihnen liegt langgestreckt auf dem Gehweg in seinem Blut und rührt sich nicht. Eine Passantin mit Zahnlücke und unvorteilhafter gelber Jacke steht dabei. Ich halte an und frage: „Hat schon jemand Hilfe gerufen?“
Sofort umringen mich zwei Russen und bedeuten mir, dies sei noch nicht geschehen. Ich zücke mein Handy. Die Passantin sagt: „Ich finde es gut, dass Sie anrufen. Ich habe ja kein Handy.” Ich wähle 110. Was falsch ist. 112 wäre richtig: die Feuerwehr. Das für alle, die dies lesen und in eine ähnliche Situation geraten. Die Polizei stellt mich durch zur 112. Ich schildere die Lage.
„Atmet der Mann?”, fragt mich eine männliche Stimme.
„Kann ich nicht sagen.”
„Versuchen Sie es festzustellen.”
Ich beuge mich über den reglosen Mann, der mit dem Gesicht in seinem Blut liegt, und stupse ihn leicht an. An der Schulter. Ein flatterndes Blinzeln ist die Folge. Nicht tot: Das ist gut.
„Er blinzelt”, sage ich.
„Atmet er?”
„Hören Sie, wenn er blinzelt, atmet er ja wohl auch.”
„Atmet er normal?”
„Das weiß ich nicht! Warum kommen Sie nicht einfach?”
„Weil ich hier ein Abfrageprotokoll habe, das ich ausfüllen muss.”
Klar, muss er wohl, aber ich zittere vor Aufregung und allmählich auch vor Ärger.
Das Stupsen zeigt Wirkung. Ächzend setzt der Verletzte sich auf. Eine Schliere aus Blut und Schleim hängt ihm zentimeterlang aus der Nase, reißt ab und suppt lautlos auf den Gehweg, wo sie die Lache vergrößert. Sein Kopf sieht aus, als spielte er in „Hostel“ mit, als Opfer. Die Russen um uns herum schimpfen und zetern. Sie brüllen auf ihn ein. Auf Russisch.
„Er hat sich hingesetzt”, informiere ich die 112-Stimme, „das heißt ja wohl, er atmet normal.”
„Bleiben Sie dort und versorgen Sie ihn. Wir kommen.”
„Gut, ich bleibe hier.”
Die Versorgung garantiere ich lieber nicht, doch es ist vielleicht der falsche Zeitpunkt, das zu thematisieren. Ich klappe das Handy zu. „Ich finde es gut, dass Sie angerufen habe“, sagt die Passantin ihren Text auf, „ich habe ja kein Handy. Kommen die?” Ich nicke.
Dann erzählt sie von ihrem epileptischen Nachbarn und davon, dass die Notrufhotline auch mit ihr jedesmal neu das Abfrageprotokoll durchgeht, ehe sie Ärzte losschickt, selbst beim zwölften Anfall. „Ich finde es gut, dass Sie angerufen haben. Ich habe ja kein Handy.”
Zehn Meter weiter ist eine Drogerie, dort hätte sie ja mal Bescheid sagen können, denke ich. Aber ich will hier keine neue Front aufmachen. Dann kommen die Notärzte.
Sie ziehen sich Gummihandschuhe über und nehmen den Mann mit ins Krankenhaus, während sein Blut in der Sonne zu trocknen beginnt.
PS: Das Foto stammt vom Spielbudenplatz, erinnert aber sehr an die geschilderte Szenerie.
Sofort umringen mich zwei Russen und bedeuten mir, dies sei noch nicht geschehen. Ich zücke mein Handy. Die Passantin sagt: „Ich finde es gut, dass Sie anrufen. Ich habe ja kein Handy.” Ich wähle 110. Was falsch ist. 112 wäre richtig: die Feuerwehr. Das für alle, die dies lesen und in eine ähnliche Situation geraten. Die Polizei stellt mich durch zur 112. Ich schildere die Lage.
„Atmet der Mann?”, fragt mich eine männliche Stimme.
„Kann ich nicht sagen.”
„Versuchen Sie es festzustellen.”
Ich beuge mich über den reglosen Mann, der mit dem Gesicht in seinem Blut liegt, und stupse ihn leicht an. An der Schulter. Ein flatterndes Blinzeln ist die Folge. Nicht tot: Das ist gut.
„Er blinzelt”, sage ich.
„Atmet er?”
„Hören Sie, wenn er blinzelt, atmet er ja wohl auch.”
„Atmet er normal?”
„Das weiß ich nicht! Warum kommen Sie nicht einfach?”
„Weil ich hier ein Abfrageprotokoll habe, das ich ausfüllen muss.”
Klar, muss er wohl, aber ich zittere vor Aufregung und allmählich auch vor Ärger.
Das Stupsen zeigt Wirkung. Ächzend setzt der Verletzte sich auf. Eine Schliere aus Blut und Schleim hängt ihm zentimeterlang aus der Nase, reißt ab und suppt lautlos auf den Gehweg, wo sie die Lache vergrößert. Sein Kopf sieht aus, als spielte er in „Hostel“ mit, als Opfer. Die Russen um uns herum schimpfen und zetern. Sie brüllen auf ihn ein. Auf Russisch.
„Er hat sich hingesetzt”, informiere ich die 112-Stimme, „das heißt ja wohl, er atmet normal.”
„Bleiben Sie dort und versorgen Sie ihn. Wir kommen.”
„Gut, ich bleibe hier.”
Die Versorgung garantiere ich lieber nicht, doch es ist vielleicht der falsche Zeitpunkt, das zu thematisieren. Ich klappe das Handy zu. „Ich finde es gut, dass Sie angerufen habe“, sagt die Passantin ihren Text auf, „ich habe ja kein Handy. Kommen die?” Ich nicke.
Dann erzählt sie von ihrem epileptischen Nachbarn und davon, dass die Notrufhotline auch mit ihr jedesmal neu das Abfrageprotokoll durchgeht, ehe sie Ärzte losschickt, selbst beim zwölften Anfall. „Ich finde es gut, dass Sie angerufen haben. Ich habe ja kein Handy.”
Zehn Meter weiter ist eine Drogerie, dort hätte sie ja mal Bescheid sagen können, denke ich. Aber ich will hier keine neue Front aufmachen. Dann kommen die Notärzte.
Sie ziehen sich Gummihandschuhe über und nehmen den Mann mit ins Krankenhaus, während sein Blut in der Sonne zu trocknen beginnt.
PS: Das Foto stammt vom Spielbudenplatz, erinnert aber sehr an die geschilderte Szenerie.
26 April 2008
Fundstücke (37)
25 April 2008
Womma versus Euter
Zwar nutze ich keine Statistiksoftware, die mir eine überzeitliche Hitliste der heißesten Beiträge dieses Blogs zusammenstellte. Doch der gefühlte Spitzenreiter auf der Beliebtheitsskala – also quasi der Smashhit – war bisher ein Text mit dem Titel „Geile Euter im Takt der Ekstase“.
Dafür habe ich keinerlei Erklärung. Tatsache ist aber: Praktisch immer wenn ich nachschaue, wie viele Menschen sich momentan hier tummeln und was sie gerade lesen, wippt mindestens einer mit im Takt.
Bis vor kurzem. Denn neuerdings werden die geilen Euter akut bedroht vom Newcomer „Womma ficken?“. Ständig liest irgendeine(r) diesen Text, das Teil ist ein verdammter Shootingstar – natürlich auf Kosten der Euter.
Das alles ist natürlich ebenfalls nur ein gefühlter Eindruck, denn wie gesagt: Eine Statistiksoftware, die so etwas wissenschaftlich solide abklopfte, läuft hier nicht mit.
Übrigens wird dieser Eintrag, obgleich er klar auf der Metaebene angesiedelt ist, die künftigen Ergebnisse grob verfälschen. Das leite ich aus Heisenbergs Unschärferelation ab, die zwar auf dem Gebiet der Physik entwickelt wurde, hier aber kurzerhand in die Sphäre des gemeinen Googlehupfs übertragen werden soll.
Denn dieser Text hier enthält alle entscheidenden Keywords, wenn ich diesen griffigen Begriff einmal ausnahmsweise verwenden darf, sogar in kumulierter Form. Und das ist ein klarer Vorteil beim survival of the hottest.
Künftig dürfte also praktisch immer wenn ich nachschaue, wie viele Menschen sich momentan hier tummeln und was sie gerade lesen, mindestens einer dem Studium dieser verschraubten Erörterung widmen.
Vielleicht macht es ihn klüger, wer weiß. Eins jedenfalls ist seit heute sicher: Es wird Frühling – der Regen wird wärmer.
Foto: Klowand im Millerntorstadion. Dieser Sexsucher war bestimmt auch schon mal hier. Wer Handy hat, hat auch Web.
Dafür habe ich keinerlei Erklärung. Tatsache ist aber: Praktisch immer wenn ich nachschaue, wie viele Menschen sich momentan hier tummeln und was sie gerade lesen, wippt mindestens einer mit im Takt.
Bis vor kurzem. Denn neuerdings werden die geilen Euter akut bedroht vom Newcomer „Womma ficken?“. Ständig liest irgendeine(r) diesen Text, das Teil ist ein verdammter Shootingstar – natürlich auf Kosten der Euter.
Das alles ist natürlich ebenfalls nur ein gefühlter Eindruck, denn wie gesagt: Eine Statistiksoftware, die so etwas wissenschaftlich solide abklopfte, läuft hier nicht mit.
Übrigens wird dieser Eintrag, obgleich er klar auf der Metaebene angesiedelt ist, die künftigen Ergebnisse grob verfälschen. Das leite ich aus Heisenbergs Unschärferelation ab, die zwar auf dem Gebiet der Physik entwickelt wurde, hier aber kurzerhand in die Sphäre des gemeinen Googlehupfs übertragen werden soll.
Denn dieser Text hier enthält alle entscheidenden Keywords, wenn ich diesen griffigen Begriff einmal ausnahmsweise verwenden darf, sogar in kumulierter Form. Und das ist ein klarer Vorteil beim survival of the hottest.
Künftig dürfte also praktisch immer wenn ich nachschaue, wie viele Menschen sich momentan hier tummeln und was sie gerade lesen, mindestens einer dem Studium dieser verschraubten Erörterung widmen.
Vielleicht macht es ihn klüger, wer weiß. Eins jedenfalls ist seit heute sicher: Es wird Frühling – der Regen wird wärmer.
Foto: Klowand im Millerntorstadion. Dieser Sexsucher war bestimmt auch schon mal hier. Wer Handy hat, hat auch Web.
23 April 2008
„Sie sind seltsam!“
Schon wieder einmal (neudeutsch: „einmal mehr“) habe ich mich aufgeregt. Das Ergebnis meiner Schnappatmung schlug sich umgehend hier nieder.
Auch Kramer regte sich gestern Abend auf, und zwar in einer Kneipe namens Goldfischglas. Das 2,60 Euro teure Bier wird dort in Gläsern serviert, auf denen lediglich der Kneipenname „Goldfischglas“ steht, aber nicht die Biermarke.
Kramer fragte deshalb nach der Sorte und erhielt als Antwort: „Oettinger.“ Das brachte den sowieso zum Extremismus neigenden Halsbartzausel völlig aus der Fassung. Noch heute im Büro war der arme Mann auf 180+.
„Oettinger? Diese Pisse aus dem Supermarkt? Für 2,60??? Ich will ein Becks!“, will er der Bedienung, einem Mann fernöstlicher Herkunft, hocherregt entgegengeschleudert haben.
Großartig war allerdings die Reaktion des stellvertretend beschimpften Asiaten. Zunächst entzog er Kramer das Bier. Dann sagte er: „Ich bediene Sie nicht mehl. Sie sind seltsam!“
Das freilich hätte ich dem Mann auch vorher sagen können.
Auch Kramer regte sich gestern Abend auf, und zwar in einer Kneipe namens Goldfischglas. Das 2,60 Euro teure Bier wird dort in Gläsern serviert, auf denen lediglich der Kneipenname „Goldfischglas“ steht, aber nicht die Biermarke.
Kramer fragte deshalb nach der Sorte und erhielt als Antwort: „Oettinger.“ Das brachte den sowieso zum Extremismus neigenden Halsbartzausel völlig aus der Fassung. Noch heute im Büro war der arme Mann auf 180+.
„Oettinger? Diese Pisse aus dem Supermarkt? Für 2,60??? Ich will ein Becks!“, will er der Bedienung, einem Mann fernöstlicher Herkunft, hocherregt entgegengeschleudert haben.
Großartig war allerdings die Reaktion des stellvertretend beschimpften Asiaten. Zunächst entzog er Kramer das Bier. Dann sagte er: „Ich bediene Sie nicht mehl. Sie sind seltsam!“
Das freilich hätte ich dem Mann auch vorher sagen können.
Ein Nachteil des Rauchverbots (der einzige)
Im Sam's am Großneumarkt, wo ich einsam und alleine zur Fußballübertragung von Premiere auflaufe, bin ich mal wieder der Einzige weit und breit, der zum Fußball Wein trinkt.
Der diesbezügliche Spott des bierdogmatischen Franken ist mir seit Jahren gewiss und wäre es auch heute Abend, doch er hat ebenso wie A. mein Begehr nach gemeinsamem Fußballgucken ignoriert, und die beiden fremden Herren am Nachbartisch scheinen meine Marotte tapfer zu tolerieren. Solange sie weiter Bier trinken und zum Rauchen rausgehen dürfen: bitte schön, kein Problem.
Irgendwann während der zweiten Halbzeit scheinen sie den Tisch endgültig zu verlassen, was mich zum entschlossenen Entern der deutlich näher am Plasmamonitor gelegenen Sitzgelegenheit animiert. Doch erneut waren sie nur zum Rauchen draußen.
Sie kommen zurück, und ich muss weitschweifig um Erlaubnis bitten, an ihrem angestammten Tisch sitzen bleiben zu dürfen. Es sind freundliche Herren, sie dulden die Bedrückung meiner Anwesenheit klaglos, ja sogar mit hanseatischer Würde, doch früher – vor dem Rauchverbot – war das alles anders und einfacher.
Wer damals seinen Tisch verließ, der war gegangen, definitiv, der kam nicht wieder, dort konnte man ungeschoren und undiskutierbar Platz nehmen. Jetzt aber ist alles ungewiss, im Schwange, jederzeit widerrufbar.
Das stört mich am Rauchverbot. Alles andere freilich freut mich. Darauf noch einen Wein, trotz des imaginären Spotts des Franken. Aber er ist ja nicht da, er hat meine Bitte ums gemeinsame Champions-League-Übertragungsgucken abschlägig beschieden.
Dafür verpasst er zu recht ein Ausgleichseigentor in der 95. Minute, und das gönne ich ihm, von Herzen.
Der diesbezügliche Spott des bierdogmatischen Franken ist mir seit Jahren gewiss und wäre es auch heute Abend, doch er hat ebenso wie A. mein Begehr nach gemeinsamem Fußballgucken ignoriert, und die beiden fremden Herren am Nachbartisch scheinen meine Marotte tapfer zu tolerieren. Solange sie weiter Bier trinken und zum Rauchen rausgehen dürfen: bitte schön, kein Problem.
Irgendwann während der zweiten Halbzeit scheinen sie den Tisch endgültig zu verlassen, was mich zum entschlossenen Entern der deutlich näher am Plasmamonitor gelegenen Sitzgelegenheit animiert. Doch erneut waren sie nur zum Rauchen draußen.
Sie kommen zurück, und ich muss weitschweifig um Erlaubnis bitten, an ihrem angestammten Tisch sitzen bleiben zu dürfen. Es sind freundliche Herren, sie dulden die Bedrückung meiner Anwesenheit klaglos, ja sogar mit hanseatischer Würde, doch früher – vor dem Rauchverbot – war das alles anders und einfacher.
Wer damals seinen Tisch verließ, der war gegangen, definitiv, der kam nicht wieder, dort konnte man ungeschoren und undiskutierbar Platz nehmen. Jetzt aber ist alles ungewiss, im Schwange, jederzeit widerrufbar.
Das stört mich am Rauchverbot. Alles andere freilich freut mich. Darauf noch einen Wein, trotz des imaginären Spotts des Franken. Aber er ist ja nicht da, er hat meine Bitte ums gemeinsame Champions-League-Übertragungsgucken abschlägig beschieden.
Dafür verpasst er zu recht ein Ausgleichseigentor in der 95. Minute, und das gönne ich ihm, von Herzen.
21 April 2008
Vier Lesben auf der Reeperbahn
Während des Auftritts von Turner Cody in der Großen Freiheit denke ich: Jeder Künstler ist auf jeden Fall einmalig, doch nur die wenigsten sind wirklich originell. Zweifellos ein Satz fürs Poesiealbum.
Dann kommt auch schon das Hauptprogramm: Adam Green. „How do you call four lesbians on the Reeperbahn?“, fragt er uns. Keiner weiß die Antwort. Die gibt dann Green: „The Beatles!“
Keiner lacht. Warum auch? Der Green’sche Humor ist relativ hermetisch, und ich fotografiere lieber meine Füße, die auf faszinierende Weise von den Deckenspots ausgeleuchtet werden. Das Faszinierende daran erschließt sich sicherlich nur mir, was eine Verwandschaft zu Adam Greens Humor herstellt, schon klar.
Um einen Song mitfilmen zu können, stelle ich meinen Bierbecher auf einer Holzbank ab, und exakt 1,3 Sekunden danach wischt ein euphorisierter Green-Jünger ihn mit einer versehentlichen spastischen Bewegung vom Brett. Merkwürdigerweise werde ich nicht nass, das hätte gepasst.
Schon okay, lächle ich dem entschuldigend blickenden Unglücksraben ohne große Wehmut zu (ich hatte bereits zwei Bier; das dritte auszutrinken wäre eh nur schädlich gewesen). Er akzeptiert den Ablass erleichtert, und ich schwinge mich aufs Rad und karriole nach Hause.
Ausnahmsweise funktioniert sogar die Vorderlampe.
Dann kommt auch schon das Hauptprogramm: Adam Green. „How do you call four lesbians on the Reeperbahn?“, fragt er uns. Keiner weiß die Antwort. Die gibt dann Green: „The Beatles!“
Keiner lacht. Warum auch? Der Green’sche Humor ist relativ hermetisch, und ich fotografiere lieber meine Füße, die auf faszinierende Weise von den Deckenspots ausgeleuchtet werden. Das Faszinierende daran erschließt sich sicherlich nur mir, was eine Verwandschaft zu Adam Greens Humor herstellt, schon klar.
Um einen Song mitfilmen zu können, stelle ich meinen Bierbecher auf einer Holzbank ab, und exakt 1,3 Sekunden danach wischt ein euphorisierter Green-Jünger ihn mit einer versehentlichen spastischen Bewegung vom Brett. Merkwürdigerweise werde ich nicht nass, das hätte gepasst.
Schon okay, lächle ich dem entschuldigend blickenden Unglücksraben ohne große Wehmut zu (ich hatte bereits zwei Bier; das dritte auszutrinken wäre eh nur schädlich gewesen). Er akzeptiert den Ablass erleichtert, und ich schwinge mich aufs Rad und karriole nach Hause.
Ausnahmsweise funktioniert sogar die Vorderlampe.
Gesichtsdrillinge (13)
Edvard Munchs Gemälde „Der Schrei“ beeinflusste nicht nur ein Album von Tokio Hotel, sondern gilt auch als ästhetische Initialzündung fürs Design der Maske aus dem Film „Scream“. Bis jetzt.
Denn heute entdeckten wir im Park an der Hospitalstraße den Ursprung für beide Motive: den abgebildeten Baum. Er ist definitv älter als Munch.
War der Norweger vielleicht mal in Hamburg? Und wenn ja, wann? Ein klarer Fall für Kunsthistoriker.
Fotos: Amazon, Wiener Lloyd
20 April 2008
Die Schleimkur
Mir sind Schmalzherzen lieber als Halsschmerzen, doch momentan verfüge ich nur über letztere. Ms. Columbo glaubt einen Kampfstoff dagegen gefunden zu haben: Eibischwurzeltee.
Von Eibisch hatte ich bisher noch nie gehört. Man setzt ihn zunächst kalt an, erläutert mir Ms. Columbo, und dann entwickelt der Eibischwurzeltee irgendwann etwas sehr Gutes gegen Halsschmerzen. Und zwar einen „ätherischen Schleim“.
Meine kindheitstraumabedingte Teephobie wird durch einen Terminus wie „ätherischer Schleim“ kaum gedämpft, ehrlich gesagt. „Ich habe ihn extra nicht richtig aufgekocht, damit der Schleim nicht getötet wird“, sagt Ms. Columbo. „Es ist eine Medizin, kein Whiskeyersatz.“
Im Volksmund, lese ich beunruhigt bei Wikipedia, nennt man die Pflanze in schonungsloser Offenheit auch Schleimwurzel. Sogar in der Bibel findet der Eibischschleim Erwähnung, wenn auch nicht in allen Übersetzungen. Bei Hiob heißt es im 6. Kapitel: „Wird Fades ohne Salz gegessen, oder ist Geschmack im Eibischschleim?“
Hätte Hiob mich das heute Nachmittag gefragt, so hätte ich „O ja!“ geantwortet – „und zwar ein um Nuancen besserer Geschmack als befürchtet.“ Zumindest wenn man das vom Erwartungsniveau eines kindheitstraumatisierten Teephobikers aus beurteilt.
Halsschmerzen habe ich übrigens immer noch, und Ms. Columbo hat schon die nächste Kanne angesetzt. Kalt natürlich, damit der Schleim nicht getötet wird.
PS: Auf ByteFM läuft heute (So.) Nachmittag um 17 Uhr das nächste von mir konzipierte, diesmal sogar geradezu komponierte Mixtape.
18 April 2008
Ins Schleudern gekommen
Unlängst veröffentlichte die Zeitschrift Datenschleuder einen Fingerabdruck unseres Bundesinnenministers Dr. Wolfgang Schäuble zur beliebigen Verwendung – die Rückseite der Reeperbahn berichtete. Natürlich orderte ich sofort ein Exemplar.
Heute traf es ein, nach erstaunlich langer Laufzeit. Den Grund erläuterte mir ein nachträglich aufgebrachter Stempel (Foto):
Der als Büchersendung verschickte Umschlag soll also in den Stahlgewittern der Postzustellung zu Schaden gekommen sein. Mit bloßem Auge war allerdings nichts Besonderes zu erkennen; höchstens ein kleiner Einriss oben rechts (Foto unten).
Doch die Post hat da gewiss einen geschulteren Blick. Nach der sicherlich ebenso sorgfältigen wie diskreten Überprüfung des Inhalts hatte man den Brief dann in eine schützende Plastikfolie eingeschweißt und mir schließlich doch noch zugestellt.
Ich nenne so etwas Dienst am Kunden – und schimpfe jeden empört einen Schelm, der Böses dabei denkt. Schließlich war der abziehbare Fingerabdruck immer noch drin in der Datenschleuder.
Das schwöre ich aufs Grundgesetz.
Heute traf es ein, nach erstaunlich langer Laufzeit. Den Grund erläuterte mir ein nachträglich aufgebrachter Stempel (Foto):
Der als Büchersendung verschickte Umschlag soll also in den Stahlgewittern der Postzustellung zu Schaden gekommen sein. Mit bloßem Auge war allerdings nichts Besonderes zu erkennen; höchstens ein kleiner Einriss oben rechts (Foto unten).
Doch die Post hat da gewiss einen geschulteren Blick. Nach der sicherlich ebenso sorgfältigen wie diskreten Überprüfung des Inhalts hatte man den Brief dann in eine schützende Plastikfolie eingeschweißt und mir schließlich doch noch zugestellt.
Ich nenne so etwas Dienst am Kunden – und schimpfe jeden empört einen Schelm, der Böses dabei denkt. Schließlich war der abziehbare Fingerabdruck immer noch drin in der Datenschleuder.
Das schwöre ich aufs Grundgesetz.
Ein überraschendes Bockwurstvorkommen
Wir besuchen das Konzert der Songwriterlegende James Taylor in der prunkvollsten Konzertstätte Hamburgs, der Laeiszhalle. Tayor wird meine nächste Kerbe im Colt, ich habe sein „Fire and rain“ mal sehr geliebt.
Oben auf dem Balkon stellt eine Frau ihr Glas Bier auf dem schmalen Geländer ab, um ihre Jacke auszuziehen. Automatisch wandert mein Blick abwärts Richtung Parkett.
Dort, fünf Meter tiefer, sitzen sie, die Kandidaten für den Schädelbruch. Erstaunlich viele Männer mit Glatze sind dabei. Ideale Opfer.
Die Frau setzt sich und greift nach dem Glas – doch es gelingt ihr unfallfrei, der nächste „Horror-Unfall“ bleibt aus.
Er hätte auch nicht gepasst zu Taylors weichen Songs; wir sind ja nicht beim Konzert von Rage Against The Machine. In der Pause gehen wir in den sogenannten Erfrischungsraum – und was wabert da dumpf, träg und prollig durch den Saal? Eine Bockwurstwolke.
In der Tat verkauft man in der prunkvollsten Konzertstätte Hamburgs an fester Nahrung ausschließlich Bockwurst mit Senf und keine Austern mit Perlen. Wir schmunzeln uns ungläubig an und halten uns an reine Flüssigkeitszufuhr (Foto).
Bald geht es auch schon weiter, und als Zugabe spielt Taylor dann wirklich „Fire and rain“.
Ein perfekter Abend. Alle im Parkett haben überlebt.
Oben auf dem Balkon stellt eine Frau ihr Glas Bier auf dem schmalen Geländer ab, um ihre Jacke auszuziehen. Automatisch wandert mein Blick abwärts Richtung Parkett.
Dort, fünf Meter tiefer, sitzen sie, die Kandidaten für den Schädelbruch. Erstaunlich viele Männer mit Glatze sind dabei. Ideale Opfer.
Die Frau setzt sich und greift nach dem Glas – doch es gelingt ihr unfallfrei, der nächste „Horror-Unfall“ bleibt aus.
Er hätte auch nicht gepasst zu Taylors weichen Songs; wir sind ja nicht beim Konzert von Rage Against The Machine. In der Pause gehen wir in den sogenannten Erfrischungsraum – und was wabert da dumpf, träg und prollig durch den Saal? Eine Bockwurstwolke.
In der Tat verkauft man in der prunkvollsten Konzertstätte Hamburgs an fester Nahrung ausschließlich Bockwurst mit Senf und keine Austern mit Perlen. Wir schmunzeln uns ungläubig an und halten uns an reine Flüssigkeitszufuhr (Foto).
Bald geht es auch schon weiter, und als Zugabe spielt Taylor dann wirklich „Fire and rain“.
Ein perfekter Abend. Alle im Parkett haben überlebt.
16 April 2008
Wohl wahr
Heute kam mir eine wichtige Erkenntnis, natürlich auf der Arbeit. Sie lautet:
Wenn man nicht mehr weiß, wo einem der Kopf steht,
kann man ihn wenigstens nicht verlieren.
Eine Erkenntnis, die keinesfalls durch weitere Erörterungen verwässert werden darf. Höchstens buchstäblich – durch ein Foto der Elbe bei Blankenese.
15 April 2008
In Rosis Bar
„Ist das eine Lesbenbar?“, fragt GP irritiert. Das einzige (und zudem – wie ich aus Erfahrung weiß – falsche) Indiz dafür sind die beiden Frauen am Tresen, die mit der Wirtin schnacken. Nur sie bevölkern heute Abend Rosis Bar, die wir gleichwohl forsch betreten.
Die abgebildete Lampe über unserem Tisch wird im Lauf des Abends eine zunehmende Zahl leerer Astraflaschen gnadenlos ausleuchten, und für die Mehrzahl davon wird GP verantwortlich sein, das muss hier mal gesagt werden.
Sobald das Wochenende vorbei ist, fällt der Kiez in eine Art Schockstarre. Alles ruht, einsam wacht – ja, wer eigentlich? Höchstens die mächtige Discokugel, die unermüdlich ihre Runden dreht, über Heteros und Lesben, über Gut und Böse und über zwei Bloggern am Tisch neben dem Eingang, das ist ihr ganz egal.
Wir sitzen da, nuckeln am Astra, und GP erläutert mir irgendwelche komplexen Gedanken über Gutgemeintes, das effektlos bleibt, und Egoistisches, das anderen zugute kommt. Auf irgendeine Weise will er mich so von den Vorzügen des Kapitalismus überzeugten, doch es gelingt ihm nicht.
Solange durchdrehende Banker bei Wetten Milliarden einfahren und wir in dem Moment, wo der ganze Irrsinn explodiert, mit Steuergeldern die Wettschulden blechen müssen, ist die Strahlkraft des Kaptalismus von eher fahler Provenienz, in meinen Augen. Allerdings hält sich der Widerstand dagegen trotzdem in engen Grenzen – oder nimmt recht merkwürdige Pseudoformen an.
Nehmen wir die organisierten Spontanversammlungen namens Flashmobs: Sie stürmen Burgerläden, bestellen tausende Fleischklopse auf einmal, bezahlen ordentlich und freuen sich darüber, dass die immigrierten Mindestlohnjobber in der Küche zwei Stunden lang mal richtig ins Schwitzen kommen. Der Burgerladen bejubelt den Umsatz des Jahres – und die Kurzstreckendenker des Flashmobs glauben, ihnen wäre eine irgendwie systemkritische Aktion gelungen. Käse.
Wir ordern noch ein Astra. Draußen stöckeln zwei bonbonbunte Transen durch die Nacht, und ich sage zu GP: „Mann, bin ich froh, in einer Stadt zu leben, wo bonbonbunte Transen unbetuschelt durch die Nacht stöckeln können.“
Wir stoßen an auf diese Stadt, auf die leere Bar, auf die Frauen am Tresen, auf die Discokugel, die über uns einsam kreiselnd wacht, und dann kommt die Wirtin und räumt die leeren Astraflaschen ab, damit die ganze Szenerie ein wenig unpeinlicher aussieht.
Ich lobe sie dafür, doch sie lächelt nicht. Welch eine Stadt!
Die abgebildete Lampe über unserem Tisch wird im Lauf des Abends eine zunehmende Zahl leerer Astraflaschen gnadenlos ausleuchten, und für die Mehrzahl davon wird GP verantwortlich sein, das muss hier mal gesagt werden.
Sobald das Wochenende vorbei ist, fällt der Kiez in eine Art Schockstarre. Alles ruht, einsam wacht – ja, wer eigentlich? Höchstens die mächtige Discokugel, die unermüdlich ihre Runden dreht, über Heteros und Lesben, über Gut und Böse und über zwei Bloggern am Tisch neben dem Eingang, das ist ihr ganz egal.
Wir sitzen da, nuckeln am Astra, und GP erläutert mir irgendwelche komplexen Gedanken über Gutgemeintes, das effektlos bleibt, und Egoistisches, das anderen zugute kommt. Auf irgendeine Weise will er mich so von den Vorzügen des Kapitalismus überzeugten, doch es gelingt ihm nicht.
Solange durchdrehende Banker bei Wetten Milliarden einfahren und wir in dem Moment, wo der ganze Irrsinn explodiert, mit Steuergeldern die Wettschulden blechen müssen, ist die Strahlkraft des Kaptalismus von eher fahler Provenienz, in meinen Augen. Allerdings hält sich der Widerstand dagegen trotzdem in engen Grenzen – oder nimmt recht merkwürdige Pseudoformen an.
Nehmen wir die organisierten Spontanversammlungen namens Flashmobs: Sie stürmen Burgerläden, bestellen tausende Fleischklopse auf einmal, bezahlen ordentlich und freuen sich darüber, dass die immigrierten Mindestlohnjobber in der Küche zwei Stunden lang mal richtig ins Schwitzen kommen. Der Burgerladen bejubelt den Umsatz des Jahres – und die Kurzstreckendenker des Flashmobs glauben, ihnen wäre eine irgendwie systemkritische Aktion gelungen. Käse.
Wir ordern noch ein Astra. Draußen stöckeln zwei bonbonbunte Transen durch die Nacht, und ich sage zu GP: „Mann, bin ich froh, in einer Stadt zu leben, wo bonbonbunte Transen unbetuschelt durch die Nacht stöckeln können.“
Wir stoßen an auf diese Stadt, auf die leere Bar, auf die Frauen am Tresen, auf die Discokugel, die über uns einsam kreiselnd wacht, und dann kommt die Wirtin und räumt die leeren Astraflaschen ab, damit die ganze Szenerie ein wenig unpeinlicher aussieht.
Ich lobe sie dafür, doch sie lächelt nicht. Welch eine Stadt!
14 April 2008
Trinken, hoch und tief
Rechtzeitig zu ihrem taufrischen Ruhm als Buchautorin hat mich die alte Bekannte Jutta Vey übers Internet aufgespürt, um mit mir einen trinken zu gehen – das erste Mal seit 12 Jahren.
Wir landen in der Bar 20up im Empire Riverside Hotel (Foto). Dort, in majestätischen 60 Metern Höhe, ist der Ausblick auf den Hafen dank der gigantischen Panoramafenster so unfassbar glorios, dass sich quasi jedes Pixel des optischen Eindrucks exponentiell in den Getränkepreisen niederschlägt.
Für ein Viertel Grauburgunder berappt man hier zehn Euro, ein Preis, der sich nur durch beständiges Hinuntergucken auf den Hafen halbwegs amortisiert. Doch das tue ich natürlich nicht, wo ich doch eine taufrisch berühmte Buchautorin als Tischgast habe.
Danach verschlägt es uns in die Ritze. Sie liegt 60 Höhenmeter tiefer an der Reeperbahn, und selbstverständlich erwarten wir dort ein adäquat abgesenktes Preisniveau von zwar nicht einem 60-stel des 20up, aber doch ein erheblich niedrigeres. Für die zwei Piccolofläschchen Durchschnitts-Pinot-Grigio möchte die zentimeterdick beschminkte Wirtin Inge allerdings gloriose neun Euro pro Stück, so dass wir mit Trinkgeld exakt auf dem Riverside-Niveau landen.
Der entscheidende Unterschied liegt im Ausblick: Statt majestätischer Kreuzfahrtschiffe im Trockendock präsentiert sich uns ein Fernseher, auf dem DSF läuft, und eine Polaroidgalerie mit Autogrammen von Lisa Fitz und Jan Fedder.
Ein Grund zu gehen, zumal die im Wesentlichen von Schminke zusammengehaltene Wirtin den Stones-Song „Brown Sugar“ derart aufdreht, dass an eloquente Plaudereien nicht mehr zu denken ist.
Allerdings hatte dafür auch schon der Wein gesorgt – zumindest bei Frau Vey, deren taufrischer Ruhm sich noch ganz und gar nicht in exponentiell wachsender Trinkfestigkeit niedergeschlagen hat.
Wir landen in der Bar 20up im Empire Riverside Hotel (Foto). Dort, in majestätischen 60 Metern Höhe, ist der Ausblick auf den Hafen dank der gigantischen Panoramafenster so unfassbar glorios, dass sich quasi jedes Pixel des optischen Eindrucks exponentiell in den Getränkepreisen niederschlägt.
Für ein Viertel Grauburgunder berappt man hier zehn Euro, ein Preis, der sich nur durch beständiges Hinuntergucken auf den Hafen halbwegs amortisiert. Doch das tue ich natürlich nicht, wo ich doch eine taufrisch berühmte Buchautorin als Tischgast habe.
Danach verschlägt es uns in die Ritze. Sie liegt 60 Höhenmeter tiefer an der Reeperbahn, und selbstverständlich erwarten wir dort ein adäquat abgesenktes Preisniveau von zwar nicht einem 60-stel des 20up, aber doch ein erheblich niedrigeres. Für die zwei Piccolofläschchen Durchschnitts-Pinot-Grigio möchte die zentimeterdick beschminkte Wirtin Inge allerdings gloriose neun Euro pro Stück, so dass wir mit Trinkgeld exakt auf dem Riverside-Niveau landen.
Der entscheidende Unterschied liegt im Ausblick: Statt majestätischer Kreuzfahrtschiffe im Trockendock präsentiert sich uns ein Fernseher, auf dem DSF läuft, und eine Polaroidgalerie mit Autogrammen von Lisa Fitz und Jan Fedder.
Ein Grund zu gehen, zumal die im Wesentlichen von Schminke zusammengehaltene Wirtin den Stones-Song „Brown Sugar“ derart aufdreht, dass an eloquente Plaudereien nicht mehr zu denken ist.
Allerdings hatte dafür auch schon der Wein gesorgt – zumindest bei Frau Vey, deren taufrischer Ruhm sich noch ganz und gar nicht in exponentiell wachsender Trinkfestigkeit niedergeschlagen hat.
13 April 2008
Vice und Versa
Hier sehen wir eine perfide, mit viel Gespür für Details aufgestellte Falle für unkonzentrierte Postboten.
Positiver Nebeneffekt: ein nie erlahmender Nachbarschaftskontakt zwischen Maier und Meiers, Dietrich und Friedrich, Vice und Versa – denn gewiss dürfen und müssen alle immer wieder falsch eingeworfene Briefe austauschen.
Entdeckt in der Paul-Roosen-Straße.
PS: Natürlich, liebe Schlaumeier, stehen diese Namen nicht nur auf den Klingelschildern, sondern auch auf den Briefkästen.
12 April 2008
Die gemütlichsten Ecken auf St. Pauli (2)
Es ist schwer zu glauben, ich weiß. Doch dieser derangierte Hauseingang befindet sich nicht im stillgelegten Industrieviertel Ödmarschen-Süd oder am toten Ende von Katastrophenhausen, sondern mitten in der Stadt, mitten auf dem Kiez: in der Hein-Hoyer-Straße.
Selbst wenn man das Bedürfnis verspürte, diese Tür wenigstens einmal noch im Sinne ihres ursprünglichen Herstellungszweckes benutzen zu wollen, so hält einen doch ein leicht ungutes Gefühl davon ab.
Womöglich hängt das mit der Aufschrift „Power Slave hasst dich“ zusammen, doch das ist nur eine vage Theorie.
Selbst wenn man das Bedürfnis verspürte, diese Tür wenigstens einmal noch im Sinne ihres ursprünglichen Herstellungszweckes benutzen zu wollen, so hält einen doch ein leicht ungutes Gefühl davon ab.
Womöglich hängt das mit der Aufschrift „Power Slave hasst dich“ zusammen, doch das ist nur eine vage Theorie.
10 April 2008
Ein kleiner Anfall von Depression
Es ist furchtbar. Draußen grinst uns noch immer frech der Winter an, doch bereits in zehn Wochen werden die Tage wieder kürzer.
Dann ist der Sommer gefühlt so gut wie rum, und die Eichhörnchen in Planten un Blomen werden allmählich anfangen, Nüsse zu verstecken. Schon das allein ist zum Heulen.
Doch nur zwei Wochen nach dem Beginn des Kürzerwerdens der Tage ist auch die Europameisterschaft, auf die ich mich seit zwei Jahren freue, nur noch Erinnerung.
Es ist alles ganz furchtbar. Kann das alles mal irgendjemand stoppen, bitte?
Dann ist der Sommer gefühlt so gut wie rum, und die Eichhörnchen in Planten un Blomen werden allmählich anfangen, Nüsse zu verstecken. Schon das allein ist zum Heulen.
Doch nur zwei Wochen nach dem Beginn des Kürzerwerdens der Tage ist auch die Europameisterschaft, auf die ich mich seit zwei Jahren freue, nur noch Erinnerung.
Es ist alles ganz furchtbar. Kann das alles mal irgendjemand stoppen, bitte?
08 April 2008
Der kleine Kotzbrocken
Vom Wohnzimmerfenster aus sehen wir einen kleinen Jungen, der sich auf den Gehweg erbricht. Ms. Columbo, die auf der Heizung sitzt, sieht ihn zuerst. „Schau mal“, sagt sie, „da kotzt ein Kind auf den Gehweg. Das kannst du verbloggen.“
Normalerweise handelt es sich bei Menschen, die sich vor unserem Haus übergeben, um Erwachsene. Diesmal nicht. Das Kind ist höchstens 12. Sein etwa gleichaltriger Freund steht teilnahmslos daneben, wendet den Blick aber nicht ab. Die Faszination des Ekels. Im Umkreis von einigen Quadratmetern hat der kleine Kotzbrocken mittlerweile drei karottenfarbene Pfützen hinterlassen.
Dann kommt eine Frau – wohl seine Mutter – und führt ihn ab. Auf die Idee, die Sauerei zu beseitigen, kommt sie nicht. So etwas ist wohl auch nicht gesetzlich geregelt, im Gegensatz zu der Sache mit den Hunden.
Wenn Waldi Groß gemacht hat, muss Frauchen theoretisch alles wieder einsammeln. Habe ich auf St. Pauli allerdings noch nie gesehen. Der Hund kackt und geht weiter, Frauchen auch. Die Leute halten sich einfach nicht mehr an die Gesetze, selbst an die sinnvollen nicht.
Vielleicht sollten wir hier wegziehen.
PS: Aus Gründen der Pietät gibt es kein Bild der Szenerie selbst, sondern das einer weiteren gemütlichen Ecke auf St. Pauli: Voilà, die Treppen der Roten Flora im Schanzenviertel.
Normalerweise handelt es sich bei Menschen, die sich vor unserem Haus übergeben, um Erwachsene. Diesmal nicht. Das Kind ist höchstens 12. Sein etwa gleichaltriger Freund steht teilnahmslos daneben, wendet den Blick aber nicht ab. Die Faszination des Ekels. Im Umkreis von einigen Quadratmetern hat der kleine Kotzbrocken mittlerweile drei karottenfarbene Pfützen hinterlassen.
Dann kommt eine Frau – wohl seine Mutter – und führt ihn ab. Auf die Idee, die Sauerei zu beseitigen, kommt sie nicht. So etwas ist wohl auch nicht gesetzlich geregelt, im Gegensatz zu der Sache mit den Hunden.
Wenn Waldi Groß gemacht hat, muss Frauchen theoretisch alles wieder einsammeln. Habe ich auf St. Pauli allerdings noch nie gesehen. Der Hund kackt und geht weiter, Frauchen auch. Die Leute halten sich einfach nicht mehr an die Gesetze, selbst an die sinnvollen nicht.
Vielleicht sollten wir hier wegziehen.
PS: Aus Gründen der Pietät gibt es kein Bild der Szenerie selbst, sondern das einer weiteren gemütlichen Ecke auf St. Pauli: Voilà, die Treppen der Roten Flora im Schanzenviertel.
07 April 2008
Eine poröse graue Masse
Abends bevölkern noch merkwürdigere Menschen den Penny an der Reeperbahn als vormittags. Es sind Gestalten, wie sie im Film „Blade Runner“ durch die Straßen wanken.
Schmutzige Punkpärchen stehen am Eingang und fragen: „Möchtest du uns was schenken?“ Zwischen den Regalen schlurfen obdachlose alte Männer mit löchrigen Mützen herum. Betrunkene lehnen murmelnd an den Ständen, mit toten Kippen zwischen den Lippen. Wir sind hier in Deutschland, dem Land des Aufschwungs.
Vor mir an der Kasse steht ein vielleicht 60-Jähriger. Seine verdreckte Ballonseidenjacke wird ausgebeult von einem Rücken, der ihm in Paris einen Job als Glöckner einbrächte. Oben trägt er Glatze, darunter hängen die talgglänzenden Haare kraftlos auf dem schuppenverschneiten Kragen. Auch in seinen wuchernden weißen Koteletten hängen die Reste abgestorbener Hautzellen. Doch am schlimmsten sehen seine Hände aus.
Sie glühen nicht nur feuerrot; ihre schrundigen, mit langen gelben Nägeln verzierten Finger sind zudem an den Rändern mit einer porösen grauen Masse bewachsen; vielleicht eine Bakterienkolonie, die sich hier aus Erfahrung sicher wähnt vor Attacken durch Hygieneartikel.
Ein gruseliger Anblick. Als der Mann sich mit seiner linken Hand auf dem Band abstützt und so meinem Artikel – einem kleinen Karton mit Gefrierbeuteln – sehr nahekommt, zucke ich innerlich zusammen. Was natürlich lächerlich ist: Die Beutel, in die ich demnächst Lebensmittel unterzubringen gedenke, sind ja im Karton und somit außer Gefahr, kontaminiert zu werden.
Trotzdem rücke ich die Packung unauffällig etwas weiter weg Richtung Fließbandrand, allerdings mit einem befriedigenden Gefühl der Scham. Wie muss es Notärzten gehen, die jemand wie ihn bei Bedarf wiederbeleben müssen – mit Mund-zu-Nase-Beatmung und allen Schikanen?
Als er dem Kassierer mit seiner schrundigen, rotgrauen Hand das centgenau abgezählte Kleingeld hinhält, wird mir erst bewusst, was er einkauft. Es ist nicht etwa die erwartbare Flasche Wodka oder Doppelkorn. Sondern erstaunlicherweise eine Gebäck- und Waffelmischung sowie ein Tetrapack Ice Tea (Geschmacksrichtung: Pfirsich).
Der Kassierer ist Afrikaner und trägt ein Schild mit dem Namen Boateng. So heißt auch ein Spieler des HSV. Ich frage ihn nur deswegen nicht, ob sie miteinander verwandt sind, weil es mir peinlich wäre, der Hundertste zu sein, der ihn das fragt.
Später erlegt Ms. Columbo im Bad den ersten Moskito des Jahres.
06 April 2008
Der Fischmarkt und die Folgen
„Lass uns mal wieder zum Fischmarkt gehen“, hatte Ms. Columbo heute früh zu mir gesagt, „einfach mal gucken, nichts weiter.“
Zu diesem Zeitpunkt waren wir noch um 50 Euro reicher gewesen. Und um rund 15 Kilo verderblicher Lebensmittel ärmer.
(Die 3 Pfund Lachsfilet sind übrigens nicht Bestandteil des abgebildeten Arrangements.)
05 April 2008
Ein Stöckchen, aber das allerallerletzte!
Eigentlich dachte ich ja, die Unsitte des Stöckchenwerfens sei endlich in Vergessenheit geraten. Und dann wirft mir dieser feine Herr Lost Moon doch mal wieder eins zu. Grrrrr. Doch da es ureigene Interessen berührt, gestatte ich mir selbst eine Ausnahme von der Verweigerung – obwohl es vor zwei Jahren schon einmal ein ähnliches (und besseres) Stöckchen gab und manche Antworten sich zwangsläufig ähneln.
1. Nenne einen Song, dessen Text dich ganz besonders berührt, und begründe!
„It was a very good year“ von Frank Sinatra, weil er den Lebenshunger, die Grandezza und die Tragik der menschlichen Existenz in wenigen Strophen zu starken Metaphern verdichtet.
2. Nenne einen Song, dessen Musik dich ganz besonders berührt, und begründe!
„Troll valley“ von Wavestar, die perfekte klangliche Umsetzung solch existenzieller Gefühle wie Wehmut und Geborgenheit. (Genau genommen ist das kein Song, sondern ein elektronisches Instrumental.)
3. Welchen Song hättest du gerne geschrieben und warum?
„Wedding song“ von Bob Dylan, weil es keine schönere Liebeserklärung geben kann – „when I was deep in poverty/you taught me how to give“ …
4. Nenne fünf Songs für dein Lebens-Best-of!
„Sweet thing“ von Van Morrison, „Desolation row“ von Bob Dylan, „Mary Brown“ von Dave Avin, „The postcard“ von Stephen Duffy und „Don’t let me down“ von den Beatles.
5. Und zum Schluß: Welche Musikscheibe beschützt du wie deinen Augapfel?
Alle Platten, die mir der große, unvergleichliche und sturzbetrunkene Townes Van Zandt drei Jahre vor seinem Tod höchstpersönlich signiert und manchmal mit kakteengesäumten Landstraßen bemalt hat (Foto). Reliquien, Mann!
PS: Wenn man schon nur unter Protest annimmt, sollte man das Stöckchen auch keinesfalls anderen zuwerfen, nicht einmal Amber und Anna …
Schreiben und Kochen hängen zusammen
Aus einem bestimmten Grund, der hier überhaupt nichts zur Sache tut, will ich Ms. Columbo spontan zum Essen einladen.
Da, wo früher unser Lieblingsitaliener Pesco Mare residierte, gibt es wieder einen potenziellen Favoriten: ein neues Restaurant namens Jolie.
Als wir vom Einkaufen zurückkommen, studieren wir draußen die Speisekarte. Sie versucht uns mit einem irrwitzigen Mix aus deutschen, italienischen und thailändischen Gerichten zu charmieren.
Tom Ka Gai koexistiert friedlich neben Ziegenquarkknödeln mit Apfelchutney, das Wiener Schnitzel zu Bratkartoffeln erträgt gelassen die Gegenwart eines Doradenfilets mit Meeresfrüchterisotto, und die hausgemachten Bärlauchravioli beduften die multikulturelle Szenerie mit dem Odeur von Güte und Toleranz.
Trotz dieses kulinarischen Wirrwarrs verfalle ich plötzlich in Schnappatmung. „Hier müssen wir hin!“, japse ich aufgeregt. „Wer das Wort Sauerampferschaumsuppe unfallfrei und deppenbindestrichlos auf die Karte kriegt, dem gelingt bestimmt auch die außergewöhnliche Zubereitung eines Spanferkelrückens mit Vulcanospeck!“
Und genauso war es auch.
Da, wo früher unser Lieblingsitaliener Pesco Mare residierte, gibt es wieder einen potenziellen Favoriten: ein neues Restaurant namens Jolie.
Als wir vom Einkaufen zurückkommen, studieren wir draußen die Speisekarte. Sie versucht uns mit einem irrwitzigen Mix aus deutschen, italienischen und thailändischen Gerichten zu charmieren.
Tom Ka Gai koexistiert friedlich neben Ziegenquarkknödeln mit Apfelchutney, das Wiener Schnitzel zu Bratkartoffeln erträgt gelassen die Gegenwart eines Doradenfilets mit Meeresfrüchterisotto, und die hausgemachten Bärlauchravioli beduften die multikulturelle Szenerie mit dem Odeur von Güte und Toleranz.
Trotz dieses kulinarischen Wirrwarrs verfalle ich plötzlich in Schnappatmung. „Hier müssen wir hin!“, japse ich aufgeregt. „Wer das Wort Sauerampferschaumsuppe unfallfrei und deppenbindestrichlos auf die Karte kriegt, dem gelingt bestimmt auch die außergewöhnliche Zubereitung eines Spanferkelrückens mit Vulcanospeck!“
Und genauso war es auch.
04 April 2008
Fahndungsaufruf
Dieses Schreiben einer Nachbarin hängt seit heute bei uns im Treppenhaus. Der irre Frauenhasser schlug schon siebenmal zu.
Hinweise bitte an jede Polizeidienststelle – oder direkt an die zuständige Exekutive.
02 April 2008
Bockig
„Weißt du was?“, sage ich entschlossen zu Ms. Columbo, „solange niemand den letzten Eintrag kommentiert, blogge ich einfach nicht mehr weiter! Basta!“
Sie schaut mich an, als wäre ich 12 und wollte meinen Spinat nicht essen. „Ich weiß nicht“, antwortet sie dann, „ob du wirklich mit Bockigkeit die Herzen zurückgewinnst.“
Weiß ich natürlich auch nicht.
Sie schaut mich an, als wäre ich 12 und wollte meinen Spinat nicht essen. „Ich weiß nicht“, antwortet sie dann, „ob du wirklich mit Bockigkeit die Herzen zurückgewinnst.“
Weiß ich natürlich auch nicht.
01 April 2008
Schlange in Gefahr
Kaum stehen die ersten Frühlingstulpen auf unserem Balkon, erblüht jene Weichherzigkeit, die mir bisher oftmals Probleme, aber nur selten neue Freunde einbrachte.
Eine Frau im S-Bahnhof Altona nutzte das aus. „Entschuldigen Sie“, sprach sie mich an und zeigte auf die Gleise, wo eine buntes Etwas lag, das an eine Wollschlange erinnerte. „Meinen Sie, ich könnte da mal runter steigen? Das kommt von den Zulu aus Südafrika und ist mir wichtig.“
Still lauerte dort unten das Starkstromkabel, welches die S-Bahn antreibt. Ich hörte es förmlich brutzeln. Seine Gegenwart bewog mich, der Dame von ihrem Vorhaben abzuraten. Wie gesagt: frühlingshafte Weichherzigkeit.
Sie solle sich doch, empfahl ich ihr, besser an einen Bahnmitarbeiter wenden. Woraufhin sie eilends die Treppe erklomm und erst einmal verschwunden blieb. Dabei war hier doch auch ein Wärterhäuschen. Ich fand dort zwei dösende Uniformierte vor, die mein Klopfen aus dem Dämmer riss.
Meine Schilderung eines zwischen den Gleisen ruhenden wollschlangenähnlichen Etwas’ aus Südafrika stieß auf mäßiges Interesse, doch sie kamen mit. Inzwischen war mir die zweite Bahn davongefahren. Wir standen am Bahnsteig, unsere Blicke ruhten auf der Schlange, die sich wahrscheinlich auch nicht hätte träumen lassen, nach einer halben Weltreise mal am Bahnhof Altona die Nachbarschaft einer Starkstromleitung genießen zu dürfen.
Die Eigentümerin blieb erst mal weg und ich da. Das Uniformiertenduo stand dösig herum und wartete. Beide hatten Schiss; zu kurz sei die Taktfrequenz der einfahrenden Bahnen, erklärten sie maulfaul, als dass sie sich zur Rettungsaktion ins Gleis trauten. Wieder fuhr mir eine Bahn davon. Was tat ich hier, verdammt?
Ich beschloss, die Frau zu suchen, vergatterte die Bahnleute zur Bewachung meines Rades und stieg hoch in die Halle, um Ausschau zu halten. Natürlich fand ich die Frau nicht – dafür bei meiner Rückkehr aber mittlerweile vier Uniformierte am Gleisrand vor. Und da stand auch die Frau.
Einer der neu hinzugekommenen Bahnleute fischte mithilfe eines hakenbewehrten Stocks die Schlange aus dem Gleis und galt der strahlenden Besitzerin hinfort als anbetungswürdig. Dabei war ich doch wohl der Held, nicht wahr.
Die Schlange war rot und blau gemustert. Sie bestand nicht aus Wolle, wie es von oben schien, sondern aus Glasperlen, welche die Zulu kunstvoll zusammengefügt hatten, irgendwo tief in Südafrika, wo es wahrscheinlich nicht mal Starkstrom gab, geschweige denn eine S-Bahn.
Eine Frau im S-Bahnhof Altona nutzte das aus. „Entschuldigen Sie“, sprach sie mich an und zeigte auf die Gleise, wo eine buntes Etwas lag, das an eine Wollschlange erinnerte. „Meinen Sie, ich könnte da mal runter steigen? Das kommt von den Zulu aus Südafrika und ist mir wichtig.“
Still lauerte dort unten das Starkstromkabel, welches die S-Bahn antreibt. Ich hörte es förmlich brutzeln. Seine Gegenwart bewog mich, der Dame von ihrem Vorhaben abzuraten. Wie gesagt: frühlingshafte Weichherzigkeit.
Sie solle sich doch, empfahl ich ihr, besser an einen Bahnmitarbeiter wenden. Woraufhin sie eilends die Treppe erklomm und erst einmal verschwunden blieb. Dabei war hier doch auch ein Wärterhäuschen. Ich fand dort zwei dösende Uniformierte vor, die mein Klopfen aus dem Dämmer riss.
Meine Schilderung eines zwischen den Gleisen ruhenden wollschlangenähnlichen Etwas’ aus Südafrika stieß auf mäßiges Interesse, doch sie kamen mit. Inzwischen war mir die zweite Bahn davongefahren. Wir standen am Bahnsteig, unsere Blicke ruhten auf der Schlange, die sich wahrscheinlich auch nicht hätte träumen lassen, nach einer halben Weltreise mal am Bahnhof Altona die Nachbarschaft einer Starkstromleitung genießen zu dürfen.
Die Eigentümerin blieb erst mal weg und ich da. Das Uniformiertenduo stand dösig herum und wartete. Beide hatten Schiss; zu kurz sei die Taktfrequenz der einfahrenden Bahnen, erklärten sie maulfaul, als dass sie sich zur Rettungsaktion ins Gleis trauten. Wieder fuhr mir eine Bahn davon. Was tat ich hier, verdammt?
Ich beschloss, die Frau zu suchen, vergatterte die Bahnleute zur Bewachung meines Rades und stieg hoch in die Halle, um Ausschau zu halten. Natürlich fand ich die Frau nicht – dafür bei meiner Rückkehr aber mittlerweile vier Uniformierte am Gleisrand vor. Und da stand auch die Frau.
Einer der neu hinzugekommenen Bahnleute fischte mithilfe eines hakenbewehrten Stocks die Schlange aus dem Gleis und galt der strahlenden Besitzerin hinfort als anbetungswürdig. Dabei war ich doch wohl der Held, nicht wahr.
Die Schlange war rot und blau gemustert. Sie bestand nicht aus Wolle, wie es von oben schien, sondern aus Glasperlen, welche die Zulu kunstvoll zusammengefügt hatten, irgendwo tief in Südafrika, wo es wahrscheinlich nicht mal Starkstrom gab, geschweige denn eine S-Bahn.
30 März 2008
Ein Rechtsdrall, eindeutig
Wolfgang Schäubles Fingerabdruck (Quelle: CCC) macht mir Sorgen. Er hat eindeutig einen schlimmen Rechtsdrall, wie heute eine Analyse auf der Rückseite der Reeperbahn zweifelsfrei ergab.
Dieser feist grinsende Wirbel da rechts oben, zu dem jede Linie strebt, um den sich alles dreht: sehr, sehr bedenklich, wahrscheinlich sogar verfassungswidrig.
Deshalb kann ich als brutalstmöglicher Demokrat nur davor warnen, der leichtfertig veröffentlichten Kopieranleitung des „Chaos Computer Clubs“ auf den Leim und mit Schäubles Fingerabdruck shoppen zu gehen.
Obwohl: In den Läden von Thor Steinar könnte es vielleicht klappen. Erfahrungsberichte bitte in den Kommentaren.
Dieser feist grinsende Wirbel da rechts oben, zu dem jede Linie strebt, um den sich alles dreht: sehr, sehr bedenklich, wahrscheinlich sogar verfassungswidrig.
Deshalb kann ich als brutalstmöglicher Demokrat nur davor warnen, der leichtfertig veröffentlichten Kopieranleitung des „Chaos Computer Clubs“ auf den Leim und mit Schäubles Fingerabdruck shoppen zu gehen.
Obwohl: In den Läden von Thor Steinar könnte es vielleicht klappen. Erfahrungsberichte bitte in den Kommentaren.
Der ewige Kampf mit der Technik
Nach der Tastenkombination Apple p begann der notorisch verhaltensauffällige Multifunktionsdrucker ächzend und rödelnd mit der Arbeit. Also wie immer.
Allerdings ächzte und rötelte er enervierend lange. Er kam einfach nicht zu Potte und klang dabei immer verzweifelter. Das erregte schließlich meine Aufmerksamkeit.
Ich schaute nach und sah: Es lugte nur das obere Fünftel der Seite aus dem Dunkel seiner Eingeweide, und trotz seines Ächzens und Rödelns bewegte sie sich keinen Millimeter. Unter nicht unbeträchtlicher Mühe rupfte ich das Papier gewaltsam aus dem Schacht. Doch woran lag’s?
Wie sich herausstellte, trug ich selbst die komplette Schuld. Also wie immer. Ich hatte nämlich das Stromkabel des Laptops so zielgenau auf dem Rest des Leitungswirrwarrs im Büro abgelegt, dass es in den Papiereinzug des Multifunktionsdruckers rutschen konnte.
Und warum auch nicht? Aus Sicht eines vereinsamten Stromkabels war es dort angenehm kuschelig, wie gemacht also für eine unbehauste Leitung, die sich zurücksehnt in jene Trommel, der sie einst entsprang.
Als der Drucker dann losächzte, zog er so neben dem Blatt natürlich auch das Stromkabel mit ein, was schließlich zu Stau und Verstopfung führte. Jetzt steckte das Kabel drin im Drucker, eingeklemmt und jämmerlich.
Ich tat, was ein Mann tun muss. Zum Glück hat Ms. Columbo nicht gesehen, wie ich unter Ächzen und Rödeln versuchte, dem Schlund des Multifunktionsdruckers das Kabel wieder zu entwinden.
Am schmeichelhaftesten wäre es noch gewesen, wenn die Szenerie sie an den „Weißen Hai“ erinnert hätte. Die Chance auf „Mr. Bean“ war gleichwohl größer.
Allerdings ächzte und rötelte er enervierend lange. Er kam einfach nicht zu Potte und klang dabei immer verzweifelter. Das erregte schließlich meine Aufmerksamkeit.
Ich schaute nach und sah: Es lugte nur das obere Fünftel der Seite aus dem Dunkel seiner Eingeweide, und trotz seines Ächzens und Rödelns bewegte sie sich keinen Millimeter. Unter nicht unbeträchtlicher Mühe rupfte ich das Papier gewaltsam aus dem Schacht. Doch woran lag’s?
Wie sich herausstellte, trug ich selbst die komplette Schuld. Also wie immer. Ich hatte nämlich das Stromkabel des Laptops so zielgenau auf dem Rest des Leitungswirrwarrs im Büro abgelegt, dass es in den Papiereinzug des Multifunktionsdruckers rutschen konnte.
Und warum auch nicht? Aus Sicht eines vereinsamten Stromkabels war es dort angenehm kuschelig, wie gemacht also für eine unbehauste Leitung, die sich zurücksehnt in jene Trommel, der sie einst entsprang.
Als der Drucker dann losächzte, zog er so neben dem Blatt natürlich auch das Stromkabel mit ein, was schließlich zu Stau und Verstopfung führte. Jetzt steckte das Kabel drin im Drucker, eingeklemmt und jämmerlich.
Ich tat, was ein Mann tun muss. Zum Glück hat Ms. Columbo nicht gesehen, wie ich unter Ächzen und Rödeln versuchte, dem Schlund des Multifunktionsdruckers das Kabel wieder zu entwinden.
Am schmeichelhaftesten wäre es noch gewesen, wenn die Szenerie sie an den „Weißen Hai“ erinnert hätte. Die Chance auf „Mr. Bean“ war gleichwohl größer.
29 März 2008
Wohl doch ein Dobermann
Wer auf der Südseite der Elbchaussee wohnt, gilt gemeinhin als zu viel reich und verschwiegen, um sich auch noch mit so etwas Lästigem wie Humor abgeben zu können.
Umso erstaunter waren wir beim Anblick des abgebildeten Schildes, welches uns eingangs einer wuchtigen, vielleicht einem Gynäkologen gehörenden Elbchausseevilla vor allzu großer Nähe warnte und dies zugleich persiflierte.
Beim sprichwörtlichen Understatement der Elbhangbewohner ist dennoch nicht mit einem Pekinesen als Wachhund zu rechnen, sondern mit einem aus taktischen Gründen verniedlichten Dobermann. Wir wagten es daher nicht, in die Villa vorzudringen, um vom Südbalkon aus einen besseren Hafenblick zu gewinnen.
Heute übrigens gaben die Kollegen (und Kolleginnen!) der Stiftung Warentest bekannt, 50 Gynäkologen unter die – ähem – Lupe genommen zu haben.
Vielleicht war ja zufällig der Besitzer des bisschen Hunds dabei, aber das werden wir natürlich nie erfahren.
Umso erstaunter waren wir beim Anblick des abgebildeten Schildes, welches uns eingangs einer wuchtigen, vielleicht einem Gynäkologen gehörenden Elbchausseevilla vor allzu großer Nähe warnte und dies zugleich persiflierte.
Beim sprichwörtlichen Understatement der Elbhangbewohner ist dennoch nicht mit einem Pekinesen als Wachhund zu rechnen, sondern mit einem aus taktischen Gründen verniedlichten Dobermann. Wir wagten es daher nicht, in die Villa vorzudringen, um vom Südbalkon aus einen besseren Hafenblick zu gewinnen.
Heute übrigens gaben die Kollegen (und Kolleginnen!) der Stiftung Warentest bekannt, 50 Gynäkologen unter die – ähem – Lupe genommen zu haben.
Vielleicht war ja zufällig der Besitzer des bisschen Hunds dabei, aber das werden wir natürlich nie erfahren.
27 März 2008
Was ist mit Krell?
Provinzkino ist toll. Nicht wegen der Filme, die sind ja überall gleich. Sondern wegen der Provinzwerbung im Vorprogramm.
Aus Marburg etwa blieb mir die Diaschau der Glastanzdiele Hermershausen unvergesslich, vor allem wegen des Namens. Welch eine Jugend muss das sein, deren Höhepunkte (sic!) untrennbar verbunden sind mit der Glastanzdiele Hermershausen! Bis heute denke ich an diese Begegnungsstätte mit warmen Gedanken zurück, obwohl ich sie niemals aufsuchte.
Unübertroffen aber blieb jener Provinzkinospot, den ich einst im Dillenburger Gloriakino die Ehre hatte kennenlernen zu dürfen. Er kam von einer Herborner Zoohandlung namens Krell, und das Großartigste an dieser unbeholfen hintereinander drein stolpernden Bilderfolge war der wirklich unübertreffliche Claim, auf den selbst eine Spitzenagentur wie Scholz & Friends niemals gekommen wäre.
Er lautete: „Hast du ein Heimtier, liebt Krell auch dein Tier.“
Vorgestern waren wir wieder einmal im Gloria in Dillenburg. Wir warteten auf Krells neusten Werbespot. Es war klar: Er wäre der Höhepunkt des Abends. Wir warteten. Doch er kam nicht.
Das hat echt den ganzen Film überschattet.
PS: Wenigstens gelang mir danach auf der Heimfahrt irgendwo vor Hannover das abgebildete Foto, und das bei Tempo 150. Ist aber nur ein kleiner Trost.
Aus Marburg etwa blieb mir die Diaschau der Glastanzdiele Hermershausen unvergesslich, vor allem wegen des Namens. Welch eine Jugend muss das sein, deren Höhepunkte (sic!) untrennbar verbunden sind mit der Glastanzdiele Hermershausen! Bis heute denke ich an diese Begegnungsstätte mit warmen Gedanken zurück, obwohl ich sie niemals aufsuchte.
Unübertroffen aber blieb jener Provinzkinospot, den ich einst im Dillenburger Gloriakino die Ehre hatte kennenlernen zu dürfen. Er kam von einer Herborner Zoohandlung namens Krell, und das Großartigste an dieser unbeholfen hintereinander drein stolpernden Bilderfolge war der wirklich unübertreffliche Claim, auf den selbst eine Spitzenagentur wie Scholz & Friends niemals gekommen wäre.
Er lautete: „Hast du ein Heimtier, liebt Krell auch dein Tier.“
Vorgestern waren wir wieder einmal im Gloria in Dillenburg. Wir warteten auf Krells neusten Werbespot. Es war klar: Er wäre der Höhepunkt des Abends. Wir warteten. Doch er kam nicht.
Das hat echt den ganzen Film überschattet.
PS: Wenigstens gelang mir danach auf der Heimfahrt irgendwo vor Hannover das abgebildete Foto, und das bei Tempo 150. Ist aber nur ein kleiner Trost.
26 März 2008
Unter Beschuss
Jeder Kleiderkauf ist nichts anderes als ein Versprechen an den eigenen Körper, ihn in der nächsten Zeit keinen besonderen Verformungen auszusetzen.
Wenn wir – wie in den vergangenen Tagen – bei der Familie in Hessen sind, ist ein solches Versprechen gleichsam unter Artilleriebeschuss. Denn wir sehen uns einem Trommelfeuer kulinarischer Angebote ausgesetzt.
Man bombardiert uns schon zum Frühstück mit Bergen von Brot und Brötchen, Käsesorten sonder Zahl, zu schweigen von Schinken, Räucherlachs und Aufstrich. Und dort, wo wir Deckung vermuten, geraten wir augenblicklich ins Sperrfeuer der Auflauf- und Dessertangebote.
Die Flucht ins Freie wäre eine Option, doch nur eine theoretische: ein massiver Wintereinbruch hier am Fuß des Westerwalds kettet uns unerbittlich ans Haus. Wir haben also nur die Wahl zwischen Schlaraffenland und Stalingrad – und natürlich der Flucht ins kulinarisch befriedete Hamburg.
Dort werden wir sofort testen, ob noch alle Hosen passen.
Wenn wir – wie in den vergangenen Tagen – bei der Familie in Hessen sind, ist ein solches Versprechen gleichsam unter Artilleriebeschuss. Denn wir sehen uns einem Trommelfeuer kulinarischer Angebote ausgesetzt.
Man bombardiert uns schon zum Frühstück mit Bergen von Brot und Brötchen, Käsesorten sonder Zahl, zu schweigen von Schinken, Räucherlachs und Aufstrich. Und dort, wo wir Deckung vermuten, geraten wir augenblicklich ins Sperrfeuer der Auflauf- und Dessertangebote.
Die Flucht ins Freie wäre eine Option, doch nur eine theoretische: ein massiver Wintereinbruch hier am Fuß des Westerwalds kettet uns unerbittlich ans Haus. Wir haben also nur die Wahl zwischen Schlaraffenland und Stalingrad – und natürlich der Flucht ins kulinarisch befriedete Hamburg.
Dort werden wir sofort testen, ob noch alle Hosen passen.
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