12 November 2009

Monochrom statt molekular



Gestern Abend wurde ich im Rahmen einer CD-Präsentation von Tim Mälzer bekocht. Natürlich nicht ich alleine, aber auch ich.

Vorher schwor der TV-Koch uns auf die Modalitäten ein: Wer den jeweils als Auftakt eines Ganges servierten
Jelly Shot nicht zu sich nähme, bekäme nichts zu essen. Punkt. „Und wenn trockene Alkoholiker dabei gewesen wären?“, gab Ms. Columbo später zu bedenken, als ich ihr davon erzählte. Tja. Soweit hatte Mälzer wohl nicht gedacht.

Bei einem Wodka Jelly Shot handelt es sich übrigens um eine Art Wackelpudding mit Umdrehungen. Scheußlich, aber knallt. Der erste war grün, weil Mälzer heute nach Farben kochte, und als erster Gang war Zander in Kräuterkruste mit Erbsenpüree dran. Das war alles sehr grün, also musste auch der Shot grün sein. Er schmeckte fern nach Waldmeister, aber darauf kam es nun wirklich nicht an.

Während Mälzer wuselte und kochte, standen wir um ihn herum, reichten ihm Pfannen oder stellten dumme Fragen. Die beantwortete er im Dampfplauderstil, während er ohne hinzusehen in einem Affenzahn Knoblauch oder Schalotten schnitt. Verstohlen musterte ich seine Fingerkuppen. Sie waren seltsamerweise alle noch dran. Oder wieder.

Beim Flambieren eines Carpaccios vom Iberico-Schwein gab er Einblick in die Ausstattung seines Restaurants Bullerei. „Ich habe eine Hightechküche, ich habe alles, ALLES!“, bellte er, „aber das Einzige, was ich bedienen kann, ist der Ofen. Und mein Herd zu Hause kann auch nur heiß werden, aber er kostet 20 000 Euro!“

Zu diesem Zeitpunkt war der zweite Wodka Jelly Shot, ein roter, schon Geschichte, und es drohte ein gelber. Denn inzwischen hatte Mälzer sich pochiertem Kabeljau mit Currysoße, Gewürzbirne und Kumquats zugewandt.

„11 Prozent aller Deutschen sagen, das liebste Tier, das sie auf dem Teller haben, sei Hack“, gluckste Mälzer, und schon stand der rosa Jelly Shot an, denn das geräucherte, gepökelte Rinderfilet auf Rote-Bete-Püree mit Rotweinrauchaalbutter war so pink, wie Floyd niemals waren.

Zwischendurch, das muss Erwähnung finden, sprachen wir übrigens kräftig den Bullerei-Hausweinen zu, die allerdings im Gegensatz zu den gepimpten Wackelpuddingvarianten nur zwei Farbnuancen aufzuweisen hatten.

Inzwischen war Mälzer richtig in Fahrt. „Kobe-Rinder werden massiert, hören klassische Musik und bekommen Bier zu saufen – das ist wie bei mir zu Hause!“, johlte er, während er daran scheiterte, die Kindersicherung am Handmixer zu deaktivieren.

Der letzte Shot (blau) war aus mindestens zwei Gründen kongenial koloriert, und nur einer davon war das Dessert (blaues Schokomus mit Blaubeeren).

Mälzer war übrigens auch schon mal in Spanien, um sich an Ferran Adriàs Molekularküche zu wagen. War aber nix für ihn. „Das ist ganz viel Kokolores. 38 Gänge, und 36 davon hättest du in die Tonne treten können. Mir war wirklich schlecht, ich musste brechen. Aber ich hab’s zweimal runtergeschluckt.“

Das hätte an diesem Abend in der Bullerei höchstens ein weiterer Wodka Jelly Shot schaffen können, doch kurz vor eins gelang mir die Flucht. Grandioser Abend.


10 Kommentare:

  1. das mit dem Iberico-Schwein scheint ja in zu sein, aber ich würde doch lieber die Holsteiner Haussau bevorzugen....

    AntwortenLöschen
  2. für einen veggie wie mich wäre der abend ja dann gar nix gewesen - weder das essen noch die jelly shots. aber ich gehe eh nicht gern bei hsvern essen... -;-p

    AntwortenLöschen
  3. ich hau mir ja gerne einen hinter die Binde und bin wahrlich kein Kostverächter, aber dieses zum Alkohol nötigen, finde ich einfach dumm und um wahrsten Sinne des Wortes "überflüssig".

    Ein Fall für den Psychologen, will mich bedünken. Prosit!

    AntwortenLöschen
  4. Hmm, sind Vodka Jelly Shots nicht ein Paradebeispiel für Molekulare Küche: etwas eigentlich flüssiges in fester Form...

    Am Mythos "Kobe-Rind" sind Zweifel übrigens angebracht, wie dieser FAZ-Artikel zeigt: http://bit.ly/9HBt3.

    AntwortenLöschen
  5. Alkohol ist keine Loesung.
    Und sowieso: nicht vergessen bei all den ueberfluessigen TV Koechen - Mutti ist die Beste.
    Es geht doch nichts ueber die gute alte hessische Traditionskueche und das Dr. Oetker Kochbuch aus den 60er Jahren.

    AntwortenLöschen
  6. Kein Alkohol ist nun abet auch keine Lösung, daher halte ich Mälzers Ansage für völlig in Ordnung. Wer lieber mit Mineralwasser vegetarisch essen will, kann ja jederzeit woanders hingehen. Ist ja ein freies Land.

    AntwortenLöschen
  7. Tommy, am Ende haben Sie doch noch ein nachvollziehbares Argument geliefert …

    Ottoerich, niemand wurde gezwungen. Man hätte ja aus Prinzip auch einfach aufs Essen verzichten können. (Es stand auch Brot parat.)

    Schanzenpolitik, danke für den interessanten Link. Wieder mal ein enttarnter Mythos.

    GP, „ich bin ganz bei Ihnen“.

    AntwortenLöschen
  8. Ohweihoweih, wer hat denn die Gläschen auf dem Foto angeordnet, sie passen weder zur Geschichte noch zu diesem FengShui. Und was die Farben angeht: Da hatte doch bestimmt die Dame, die im Fernsehen so fleißig das Sortiment des schwedischen Riesen verbastelt ihre Finger drin, hm?

    AntwortenLöschen
  9. Ich muss zugeben, die Reihenfolge ist wirr. Farbliche Abweichungen indes sind ausschließlich der Beleuchtung und einer unzulänglichen Kamera anzulasten als der Realität, denn Letztere gebärdete sich exakt so wie geschildert.

    AntwortenLöschen
  10. boaah
    staun
    arabesk, datt alles!

    AntwortenLöschen