Ein Showcase unterscheidet sich grundsätzlich von einem normalen Konzert. Beim Showcase zahlt niemand Eintritt, alle sind eingeladen. Anwesend sind Journalisten, die auf Häppchen und kostenlosen Wein hoffen, sowie Angehörige der zuständigen Plattenfirma.
Wenn die Journalisten genug Häppchen und kostenlosen Wein intus haben, tritt der zu promotende Künstler auf. Der träge Beifall der Journalisten wird übertönt vom enthemmten Juchzen einer homogenen Gruppe, die sich zentral vor der Bühne ballt: Es ist die Belegschaft der Plattenfirma.
Man erkennt sie vor allem daran, dass ihre Mitglieder wippen und klatschen und in rasch wiederkehrenden Intervallen schier epileptisch Begeisterung und Fassungslosigkeit heucheln, weil sie ihrem Chef, der lässig in Jeans und Jacket wippend und klatschend in ihrer Mitte steht, keinen Kündigungsgrund liefern wollen.
Dem Chef glost derweil die Panik im Auge, denn wenn sein Künstler, den er hier verzweifelt vorbildlich bewippt und beklatscht, nicht durchstartet, dann muss er die schon lang beäugte Villa auf Fehmarn abhaken und mindestens 80 Prozent dieser epileptischen Idioten um sich herum feuern.
Ja, man kann sagen: Die Jubelorgie dieser zentral vor der Bühne platzierten Gruppe steht in einem reziprok proportionalen Verhältnis zu ihren wahren Gefühlen – meistens jedenfalls, denn wann hat man schon mal einen Künstler im Portfolio, der dich wirklich zu schier epileptischer Begeisterung zwingt?
Insofern haben es die Journalisten viel leichter. Ihr stilles Sichlaben an Häppchen und Wein ist von großer Aufrichtigkeit, ihr schlaffes Applaudieren kaum minder. Und wenn sie dann heimwärts schlendern über Herbert- und Davidstraße, dank einer Begleiterin am Arm unbelästigt von allen Avancen, vorbei an Pornokinos, über Spielbudenplatz und Reeperbahn, dann stellen sie zufrieden fest: Alles ist an seinem richtigen Platz.
Das Leben ist schön.
war da nicht vor kurzem jemand ganz böse auf diese häppchen-essenden-geladenen gäste?
AntwortenLöschenNein, nein, nein: auf die häppchenessenden und das intime Konzert ZERPLAPPERNDEN Gäste. Das ist ja wohl ein Unterschied.
AntwortenLöschenAußerdem: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?
Jetzt hast du mich wirklich zum lachen gebracht. Das hat mich an die gute alte Münchener Zeit erinnert, wo es exakt so zuging, nur, dass man vorher und hinterher Bussis ausgetauscht hat. Das war aber der einzige Unterschied. Man stand hinter den Epileptikern und war mit Speis' und Trank zufrieden. Und nur sehr selten war das, was auf der Bühne stattfand auch wirklich mitreissend. Es hat ja auch nie jemand wirklich interessiert hingesehen, dazu gab es einfach zuviele dieser Veranstaltungen.
AntwortenLöschenZiemlich unfair den Künstlern gegenüber, wenn ich so zurückdenke.
Ist herrlich wenn man eine Situation "von Aussen" betrachten kann und trotzdem dabei ist. Witzigerweise erlebe ich das recht häufig in Hamburg. Mag wohl daran liegen das mache Sitiuationen mit Menschen so abstrakt sind das es einem total surreal vorkommt.
AntwortenLöschenIhrer unbestritten privilegierten Situation zum Trotz: so in etwa male ich mir die Vorhölle aus.
AntwortenLöschenMatt: Das war zynisch und sackig. Passt.
AntwortenLöschen;-)
Herr Poodle, solange man mir in der Vorhölle Lachstatar und mit Safran verfeinerte Shrimpsschnittchen reicht, komme ich mit der Situation gut zurecht.
AntwortenLöschenJoshuatree, gegen diese Exegese kann ich wenig sagen …