Bisher wurde ja der Plan, eine Seilbahn zwischen Millerntor und Musicaltheater im Hafen einzurichten, vom Bezirksamt Mitte abgelehnt. Begründung: Die Mehrheit der St. Paulianer sei dagegen.
Uns, St. Paulianer seit 1996, hat allerdings keiner gefragt. Deshalb, Bezirksamt Mitte, nimm das: Sobald die Seilbahn fertig ist, kauf ich mir ne Dauerkarte. Und Ms. Columbo auch.
Foto: Handelskammer Hamburg
„3000 Plattenkritiken“ | „Die Frankensaga – Vollfettstufe“ | RSS-Feed | In memoriam | mattwagner {at} web.de |
05 April 2013
04 April 2013
Ein Paket, drei Planeten
Das Paket, welches da mit allem gängigen DHL-Pipapo (Bote in Gelb, Funkerfassungsgerät, Unterschrift) zugestellt wurde, gab keinerlei Hinweise auf seinen Inhalt.
Was bloß hatte ich da wohl mal wieder bestellt in diesem Internet?
Nun, es war ein USB-Stick.
Die versendende Firma Conrad hatte es opportun gefunden, ihn in einen umbauten Pappraum von etwa sechs Litern Fassungsvermögen zu packen und inmitten von Pi mal Daumen zweitausend Styropornupsies stoßfest zu lagern.
Einen USB-Stick.
An dieser Stelle müsste ich jetzt eigentlich ausführen, wie mir durch diese Verpackungswahl die These veranschaulicht wurde, dass wir bei unserem Lebensstil mindestens drei Planeten brauchen.
Aber in Wahrheit habe ich mich einfach über einen schönen Karton fürs Altpapier gefreut.
Was bloß hatte ich da wohl mal wieder bestellt in diesem Internet?
Nun, es war ein USB-Stick.
Die versendende Firma Conrad hatte es opportun gefunden, ihn in einen umbauten Pappraum von etwa sechs Litern Fassungsvermögen zu packen und inmitten von Pi mal Daumen zweitausend Styropornupsies stoßfest zu lagern.
Einen USB-Stick.
An dieser Stelle müsste ich jetzt eigentlich ausführen, wie mir durch diese Verpackungswahl die These veranschaulicht wurde, dass wir bei unserem Lebensstil mindestens drei Planeten brauchen.
Aber in Wahrheit habe ich mich einfach über einen schönen Karton fürs Altpapier gefreut.
01 April 2013
Time to say goodbye (4)
Wir waren sooo knapp dran …
Der nette Mann von der Rathauspassage hatte angerufen und einen Termin mit uns vereinbart. Er wollte – wirklich wahr, kein Scherz – die Bücher abholen.
Aber dann, kurz vorm Termin, rief er wieder an: Er könne doch nicht kommen. Irgendein Unfall sei passiert, Genaues wissen wir nicht.
Aber eins wissen wir: Die Bücherwand ist immer noch da. Der große, kühne Plan, uns nach und nach vom Ballast irdischer Güter zu trennen: Er wird immer wieder torpediert, wahrscheinlich vom Universum.
Aus Frust spazierten wir am Wochenende stundenlang kreuz (sic!) und quer durch Hamburg und entdeckten dabei überall Hinweise auf den uns umgebenden Feiertag – siehe Fotos.
Doch als wir wieder nach Hause kamen, war immer noch da und nicht gen Himmel gefahren: die Bücherwand.
29 März 2013
Der Cheesecake reicht für zwei
Diese lustige Deckendeko dürfte in Rinderkreisen als nicht sonderlich amüsant empfunden werden.
Beim Humor ist das Restaurant The Bird halt generell mit einer gewissen Hemdsärmeligkeit gesegnet, wie hiesige Blogleser spätestens seit dem Eintrag vom 3. März wissen. Doch „Nashville Nutte“ hin oder her: Von einem Besuch hält uns so was ja nicht ab, im Gegenteil. Und zum Glück.
Denn mein von dezenten Röstaromen geprägtes dickes Ribeye, das sie dem Rind dort nur in mindestens 400-Gramm-Stücken aus den Rippen schneiden, war von genau jener Zart-, Rosa- und Saftdurchdrungenheit, die auch einen Preis von 34 Euro gut verschmerzbar macht.
Zum Nachtisch bestellten wir Käsekuchen, der es sich seit einiger Zeit gefallen lassen muss, zum neudeutschen „Cheesecake“ transformiert zu werden. Der tätowierte Kellner empfahl uns, am besten nur ein Stück, dafür aber zwei Gabeln zu nehmen, denn es sei doch „sehr groß und mächtig“. Und er wusste natürlich, wovon er sprach, verdammt.
Ungebetene Insidertipps wie diese finde ich persönlich ja hinreißend. Ein Restaurant, welches den Gästen solche scheinbar kontraproduktiven Empfehlungen zuflüstert, verzichtet dadurch heute Abend natürlich auf einen kleinen Zusatzgewinn, gewinnt mich aber mit hoher Wahrscheinlichkeit als Stammkunden, weil es den Eindruck erweckt, als wollte es mich auch in allen anderen Hinsichten nicht übers Ohr hauen.
Und auch in Cheesecakekreisen kommt so was wahrscheinlich super an.
Beim Humor ist das Restaurant The Bird halt generell mit einer gewissen Hemdsärmeligkeit gesegnet, wie hiesige Blogleser spätestens seit dem Eintrag vom 3. März wissen. Doch „Nashville Nutte“ hin oder her: Von einem Besuch hält uns so was ja nicht ab, im Gegenteil. Und zum Glück.
Denn mein von dezenten Röstaromen geprägtes dickes Ribeye, das sie dem Rind dort nur in mindestens 400-Gramm-Stücken aus den Rippen schneiden, war von genau jener Zart-, Rosa- und Saftdurchdrungenheit, die auch einen Preis von 34 Euro gut verschmerzbar macht.
Zum Nachtisch bestellten wir Käsekuchen, der es sich seit einiger Zeit gefallen lassen muss, zum neudeutschen „Cheesecake“ transformiert zu werden. Der tätowierte Kellner empfahl uns, am besten nur ein Stück, dafür aber zwei Gabeln zu nehmen, denn es sei doch „sehr groß und mächtig“. Und er wusste natürlich, wovon er sprach, verdammt.
Ungebetene Insidertipps wie diese finde ich persönlich ja hinreißend. Ein Restaurant, welches den Gästen solche scheinbar kontraproduktiven Empfehlungen zuflüstert, verzichtet dadurch heute Abend natürlich auf einen kleinen Zusatzgewinn, gewinnt mich aber mit hoher Wahrscheinlichkeit als Stammkunden, weil es den Eindruck erweckt, als wollte es mich auch in allen anderen Hinsichten nicht übers Ohr hauen.
Und auch in Cheesecakekreisen kommt so was wahrscheinlich super an.
25 März 2013
Pareidolie (58)
Man kann hinfahren, wohin man will: Sie sind immer schon da. Auch in Portofino an der ligurischen Küste.
Dort beobachtete uns ein turmartiger Bau derart aufmerksam, dass mir das Fotografieren beinah peinlich war.
Aber was tut man nicht alles für diese Rubrik.
PS: Eine ganze Pareidoliegalerie gibt es bei der Pareidolie-Tante. Und hier die Sammlung aller hiesigen Beispiele.
Dort beobachtete uns ein turmartiger Bau derart aufmerksam, dass mir das Fotografieren beinah peinlich war.
Aber was tut man nicht alles für diese Rubrik.
PS: Eine ganze Pareidoliegalerie gibt es bei der Pareidolie-Tante. Und hier die Sammlung aller hiesigen Beispiele.
23 März 2013
An die Heimatfront (4)
Nach der Weinprobe im Gut Poggio Allore mit Käse, Olivenöl, Salami und Blick auf die Skyline des mittelalterlichen Städtchens San Gimignano (ioben) karriolten wir fröhlich mit dem Bus durch die toskanischen Hügel, begleitet von Verdi-Arien.
Was mir vorher noch nicht so ganz klar war: Serpentinen sind geradezu perfekt, wenn man besoffen hinterm Steuer sitzt – dann fällt Letzteres nämlich überhaupt nicht mehr auf, selbst den Carabinieri nicht, die, wie ich erfuhr, gar keine Polizisten sind, sondern Soldaten.
Mit der Serpentinenbemerkung möchte ich natürlich nicht andeuten, dass auch unser Busfahrer mitgezecht hätte. Aber man gewinnt halt so seine Erkenntnisse, wenn man sanft angetütert zwischen Olivenhainen, Weinbergen und ockerfarbenen Steinvillen dahinschwebt.
Bevor wir zurückkehren auf den Kiez, möchte ich übrigens dringend darum bitten, dort ein akklimatisierungsfreundliches Wetter vorzubereiten. Schnee, Eis und Sturm sind dabei strikt untersagt. Wir würden uns auf maximal 13 Grad bei leichter Schleierbewölung runterhandeln lassen.
Wäre das machbar? Entzückend. Dann bis morgen.
21 März 2013
An die Heimatfront (3)
Allerdings hilft es mir kaum weiter bei der Frage, wie ich mit dem Sonnenbrand umgehen soll, den ich mir heute in La Spezia (wolkenlos, 20 Grad) zugezogen habe. Oder ob ich die Hose noch mal anziehen soll, die untenrum nass wurde, als ich am Strand von Monterosso (wolkenlos, 17 Grad) erstmals im Leben in die Riviera stieg.
Dort, in Monterosso, liegen übrigens herrlich flache, an den Ecken kongenial gerundete Steine im Sand, die bei entsprechender Wurftechnik ausgelassen übers silbrig glitzernde Meer hüpfen.
Aber all das interessiert Sie bestimmt kein bisschen. Deshalb mach ich an dieser Stelle auch Schluss.
Zumindest für heute.
20 März 2013
An die Heimatfront (2)
Heute Regen in Portofino!
Aus Protest fallen die Mandarinen von den Bäumen, und die bis dato begeistert vor sich hin blühenden Kirsch- und Mandelbäume sind auch nicht amüsiert.
Gleichwohl bleibt die Stimmung bei uns blendend – vor allem, weil wir herausgefunden haben, wie sie hierzulande die Schlümpfe nennen: „i Puffi“.
Erinnert mich irgendwie an den Kiez, weiß auch nicht warum.
Aus Protest fallen die Mandarinen von den Bäumen, und die bis dato begeistert vor sich hin blühenden Kirsch- und Mandelbäume sind auch nicht amüsiert.
Gleichwohl bleibt die Stimmung bei uns blendend – vor allem, weil wir herausgefunden haben, wie sie hierzulande die Schlümpfe nennen: „i Puffi“.
Erinnert mich irgendwie an den Kiez, weiß auch nicht warum.
19 März 2013
An die Heimatfront (1)
Erster Statusbericht der Kiezaußenstelle Toskana, Station Forte dei Marmi:
17 Grad, wolkenarmer Himmel, Pinien im Gegenlicht. Meer sehr bewegt, die linde Luft satt vor frühlingshaften Nadelbaumaromen. In der Ferne leuchtet Carraramarmor.
Werde die Lage weiter beobachten; Balkon bietet beste Voraussetzungen. Rauschen der Brandung verfälscht Erkenntnisse nur unwesentlich.
Und bei Ihnen so?
17 Grad, wolkenarmer Himmel, Pinien im Gegenlicht. Meer sehr bewegt, die linde Luft satt vor frühlingshaften Nadelbaumaromen. In der Ferne leuchtet Carraramarmor.
Werde die Lage weiter beobachten; Balkon bietet beste Voraussetzungen. Rauschen der Brandung verfälscht Erkenntnisse nur unwesentlich.
Und bei Ihnen so?
18 März 2013
Time to say goodbye (3)
Der Versuch, die von den unverlässlichen Freunden bisher verschmähten Bücher komplett an einen Profihöker zwecks Vermarktung zugunsten eines sog. „sozialen Projektes“ zu verschenken, scheiterte heute Mittag kläglich.
Dabei hatte der Ankäufer überall Kiezlaternenpfähle und -hauseingänge mit Zetteln bepflastert, auf denen ebenso großspurig wie offenkundig widerrechtlich behauptet wurde, er käme mit Freuden vorbei und nähme die ganze Sammlung mit – sofern „gut erhalten“.
Ja, Pustekuchen! Nach einem Blick auf die oben abgebildete Bücherwand verzog das überpünktlich hereinschneiende mittelalte Paar beinah angewidert das Gesicht und murmelte etwas von „maximal zwei bis drei Prozent interessant“. Die feinen Herrschaften vermissten plötzlich Sciencefiction und Krimis und waren derart schnell wieder draußen, dass Ms. Columbo und ich uns ungläubig schief angrinsten.
Ja, wo sind wir denn, dass diesen Leuten auf einmal Schiller, Lessing (Doris und G. E.), Houellebecq, Melville oder Foster Wallace nicht mehr gut genug sind? Ja, wo denn??
Das Foto oben war eigentlich als Erinnerungsstück gedacht, an dem sich dereinst Wehmut und Nostalgie entzünden könnten, sofern der bald losbrechende Sonnensturm der X-Klasse alle Daten der Welt hinwegrafft, auch die auf unseren elektronischen Lesegeräten. Wobei auch das Foto weggeblitzt werden würde, aber das ist jetzt mal kurz egal. (So funktioniert Dialektik.)
Erst neulich erst musste ich ja die Demütigung des Weggeschicktwerdens verdauen, als ein Plattenhändler angesichts meiner Tasche mit alten CDs quasi einen Lachanfall bekam. Und jetzt das. Kann man sich denn heutzutage nicht mehr ordnungsgemäß von seinen Besitztümern trennen, ohne zum Gespött zu werden? Kann man im 21. Jahrhundert nicht mehr vom Jäger und Sammler zum Abschaffer umschulen, ohne gesellschaftliche Ächtung zu riskieren?
Es war jedenfalls viel leichter, den ganzen Kram herbeizuschaffen, als ihn jetzt wieder loszuwerden. Wir müssen uns also wohl oder übel über kurz oder lang der charakterlichen Fragwürdigkeit des schnöden Wegwerfens schuldig machen. Mit dieser Schuld werden die Händler der Welt leben müssen. Und unsere feinen Freunde natürlich.
Als die unwilligen Höker entflohen, riefen sie uns noch einen Tipp zu. „Gehen Sie zur Rathauspassage“, schallte es schon halb aus dem Treppenhaus, „die nehmen ALLES.“
Der Subtext dieses Ratschlags gefällt mir übrigens ganz und gar nicht.
Dabei hatte der Ankäufer überall Kiezlaternenpfähle und -hauseingänge mit Zetteln bepflastert, auf denen ebenso großspurig wie offenkundig widerrechtlich behauptet wurde, er käme mit Freuden vorbei und nähme die ganze Sammlung mit – sofern „gut erhalten“.
Ja, Pustekuchen! Nach einem Blick auf die oben abgebildete Bücherwand verzog das überpünktlich hereinschneiende mittelalte Paar beinah angewidert das Gesicht und murmelte etwas von „maximal zwei bis drei Prozent interessant“. Die feinen Herrschaften vermissten plötzlich Sciencefiction und Krimis und waren derart schnell wieder draußen, dass Ms. Columbo und ich uns ungläubig schief angrinsten.
Ja, wo sind wir denn, dass diesen Leuten auf einmal Schiller, Lessing (Doris und G. E.), Houellebecq, Melville oder Foster Wallace nicht mehr gut genug sind? Ja, wo denn??
Das Foto oben war eigentlich als Erinnerungsstück gedacht, an dem sich dereinst Wehmut und Nostalgie entzünden könnten, sofern der bald losbrechende Sonnensturm der X-Klasse alle Daten der Welt hinwegrafft, auch die auf unseren elektronischen Lesegeräten. Wobei auch das Foto weggeblitzt werden würde, aber das ist jetzt mal kurz egal. (So funktioniert Dialektik.)
Erst neulich erst musste ich ja die Demütigung des Weggeschicktwerdens verdauen, als ein Plattenhändler angesichts meiner Tasche mit alten CDs quasi einen Lachanfall bekam. Und jetzt das. Kann man sich denn heutzutage nicht mehr ordnungsgemäß von seinen Besitztümern trennen, ohne zum Gespött zu werden? Kann man im 21. Jahrhundert nicht mehr vom Jäger und Sammler zum Abschaffer umschulen, ohne gesellschaftliche Ächtung zu riskieren?
Es war jedenfalls viel leichter, den ganzen Kram herbeizuschaffen, als ihn jetzt wieder loszuwerden. Wir müssen uns also wohl oder übel über kurz oder lang der charakterlichen Fragwürdigkeit des schnöden Wegwerfens schuldig machen. Mit dieser Schuld werden die Händler der Welt leben müssen. Und unsere feinen Freunde natürlich.
Als die unwilligen Höker entflohen, riefen sie uns noch einen Tipp zu. „Gehen Sie zur Rathauspassage“, schallte es schon halb aus dem Treppenhaus, „die nehmen ALLES.“
Der Subtext dieses Ratschlags gefällt mir übrigens ganz und gar nicht.
14 März 2013
Ich muss mich dringend reformieren
Am Brustmuskeltrainingsgerät schuftet ein panzerschrankbreiter Glatzendeutscher.
Er trägt ein schwarzes T-Shirt mit Doom-Metal-Motiv, und wenn er zum nächsten Gerät wechselt, richtet er sich auf dem Weg dorthin ausgiebig die wahrscheinlich kirchenglockengroßen Kronjuwelen.
Seine Kumpels sind von ähnlichem Zuschnitt. Einem sprengen die Muskelwülste fast das Shirt. Dessen Ärmelansätze sind derart knapp bemessen, dass keins der zahlreichen Bizepstattoos Gefahr läuft, davon bedeckt zu werden.
Und plötzlich sagt der Panzerschrank zum Tattooberg: „Wegen dir verpasse ich gerade die Simpsons!“
Er hat wahrhaftig „Simpsons“ gesagt. Er meint also jene Serie, die gelobt wird für ihre „hintergründige kritische Kommentierung sozialer, politischer und gesellschaftlicher Phänomene“ und sich gesellschaftskritisch mit „Umweltzerstörung, dem Bildungssystem, den Medien, religiöser Doppelmoral oder patriarchalen Familienverhältnissen“ auseinandersetzt, wie es bei Wikipedia heißt.
Und ich dachte, der Brocken interessiert sich nur für Walhalla. Ich sollte dringend meine Vorurteile reformieren.
„Nächste Woche hole ich mir den Wagen“, sagt er versöhnlich zu seinem Kumpel. „Ich hatte noch nie ein weißes Auto – und noch nie ne weiße Weste.“ Kumpel grinst. „Die kannste dir doch auch kaufen.“
Die beiden sind reif für einen Simpsons-Gastauftritt, finde ich.
PS: Aus naheliegenden Gründen gibt es heute mal wieder ein Platzhalterbild – aber, wie findige Beobachter sicher gleich bemerkt haben, mit einem gewissen Fitnessbezug.
Er trägt ein schwarzes T-Shirt mit Doom-Metal-Motiv, und wenn er zum nächsten Gerät wechselt, richtet er sich auf dem Weg dorthin ausgiebig die wahrscheinlich kirchenglockengroßen Kronjuwelen.
Seine Kumpels sind von ähnlichem Zuschnitt. Einem sprengen die Muskelwülste fast das Shirt. Dessen Ärmelansätze sind derart knapp bemessen, dass keins der zahlreichen Bizepstattoos Gefahr läuft, davon bedeckt zu werden.
Und plötzlich sagt der Panzerschrank zum Tattooberg: „Wegen dir verpasse ich gerade die Simpsons!“
Er hat wahrhaftig „Simpsons“ gesagt. Er meint also jene Serie, die gelobt wird für ihre „hintergründige kritische Kommentierung sozialer, politischer und gesellschaftlicher Phänomene“ und sich gesellschaftskritisch mit „Umweltzerstörung, dem Bildungssystem, den Medien, religiöser Doppelmoral oder patriarchalen Familienverhältnissen“ auseinandersetzt, wie es bei Wikipedia heißt.
Und ich dachte, der Brocken interessiert sich nur für Walhalla. Ich sollte dringend meine Vorurteile reformieren.
„Nächste Woche hole ich mir den Wagen“, sagt er versöhnlich zu seinem Kumpel. „Ich hatte noch nie ein weißes Auto – und noch nie ne weiße Weste.“ Kumpel grinst. „Die kannste dir doch auch kaufen.“
Die beiden sind reif für einen Simpsons-Gastauftritt, finde ich.
PS: Aus naheliegenden Gründen gibt es heute mal wieder ein Platzhalterbild – aber, wie findige Beobachter sicher gleich bemerkt haben, mit einem gewissen Fitnessbezug.
09 März 2013
Die gemütlichsten Ecken von St. Pauli (82)
Schon wieder avanciert der samstägliche Flohmarkt auf dem Schlachthofgelände zur gemütlichsten Ecke – aber was soll ich machen, wenn diese arm- und beinlose Puppe sich derart pittoresk vom Märzschnee überzuckern lässt?
07 März 2013
Ein Alien auf der Reeperbahn
Da steht einmal ein Ufo über St. Pauli, und ich krieg’s nicht mit. Wie ich überhaupt das meiste nicht mitkriege, was auf St. Pauli so passiert. Keine Messerstechereien, nichts.
Ich habe auch noch nie jemand live kotzen sehen, sondern immer nur das traurige Ergebnis weiträumig umschifft. Und jetzt kriege ich natürlich auch das Ufo nicht mit.
Es stand überm Heiligengeistfeld, die Polizei rückte aus, alle waren ganz aufgeregt. Nur ich nicht, weil ich’s ja nicht mitgekriegt hab.
Natürlich war’s am Ende wieder der übliche Lenkdrachen mit Leuchtdioden, aber trotzdem. Hätte ich es mitgekriegt und auch noch zufällig an der Reeperbahn mit den Leuten zusammengestanden, die den oben verlinkten Film aus dem Off kommentieren, wäre das für mich allerdings noch schlimmer gewesen als so. Und zwar aus Fremdschämgründen.
Ein Schlaumeier nämlich sagt peinigenderweise den Satz: „Es ist für uns Menschen unmöglich, Batterien da hoch zu bringen, die so eine Leuchtkraft haben.“
Ich hoffe mal, das war kein St. Paulianer, der das gesagt hat, sondern ein Tourist. Oder ein Alien. Allerdings fällt mir keine Herkunftsregion ein, der ich spontan so was Rumpeldummes zutrauen würde.
Übrigens hat Curiosity oben auf dem Mars seit ein paar Tagen ein Computerproblem, und die in Houston resetten gerade das System.
03 März 2013
Sie haben das N-Wort gesagt!
In den Seitenstraßen von St. Pauli entdeckt man auch nach vielen Jahren immer wieder Neues, zum Beispiel überraschend auftauchende Essgelegenheiten.
Unlängst stolperte ich in der Trommelstraße über ein mir bis dato völlig unbekanntes Steakhaus namens The Bird. Laut Speisekarte befleißigt es sich der gehobenen US-Küche und versucht sie dem Gast mit allerhand Allegorien schmackhaft zu machen.
So bewirbt The Bird eins seiner T-Bone-Steaks mit einem Vergleich, den selbst Brüderle höchstens denken, aber niemals sagen würde: „Fleischig und saftig wie eine hochbezahlte Nashville Nutte“.
Wenn ich eins auf dem Kiez gelernt habe (danke, Miele!), dann das: Nenn eine Prostituierte meinethalben Hure, aber nie, nie, niemals Nutte. Ersteres trägt sie wie ein Ehrenabzeichen, Letzteres dir ewig nach.
Dass nun ausgerechnet ein Restaurant auf St. Pauli eine in seiner Nachbarschaft überproportional stark vertretene Berufsgruppe pauschal schwerst beleidigt, scheint mir doch recht unklug.
Am empörendsten aber – und da sind wir uns sicher sofort einig – ist das hirnlose Deppenleerzeichen in „Nashville Nutte“.
Spätestens dieser Klopper dürfte in orthografisch gebildeten Ludenkreisen das Fass zum Überlaufen bringen. The Bird sollte schon mal die Fenster verrammeln.
Oder schnell die Speisekarte überarbeiten. Vielleicht ist es ja noch nicht zu spät.
27 Februar 2013
Wo die Dirndl wirklich voll sind
Einige Bedienungen im Hofbräuhaus am Speersort, wo wir das Pokalspiel Bayern-Dortmund verfolgen, interpretieren die berühmte Brüderle-Vermutung nicht nur konjunktivisch. Und zwar ganz und gar nicht.
Vor allem, wenn es ans Bezahlen geht und sie sich tief über den Tisch beugen, um wunderbare Zeichen auf ihre hinreißenden Rechnungen zu malen, wird das ausnehmend evident.
„Das ist doch alles nicht echt, das ist doch gepuscht!“, mokiert sich Kramer aus purem Selbstschutz. Ich muss den armen Wirren allerdings darauf hinweisen, dass vor allem das Echte gern gepuscht wird und gerade das Falsche darauf frohen Herzens verzichten kann.
Kramer hingegen zweifelt weiter und fantasiert von einer manuellen Überprüfung des Sachverhaltes, woraufhin der Franke ihm androht, in circa zwei Jahren einen Artikel darüber zu schreiben, was unweigerlich zu einer Popularisierung der Kramer-Vermutung führen und all seine politischen Ambitionen augenblicklich beenden würde, so er welche hätte.
Der Franke hat zwischendurch ganz andere Probleme, nämlich eine halbe Stunde lang keinen Biernachschub auf dem Tisch. Als er die Bedienung endlich zu „fassen“ kriegt, erlischt seine erstaunlich hoch aufgestaute Wut sofort – wegen der kalmierenden Wirkung ihres Dekolletés, wie ich unwidersprochen schlussfolgere.
Übrigens gehört „Dekolleté“ zu jenen durchaus rar gesäten Wörtern, die ich immer wieder im Duden nachschlagen muss, ohne dass je eine endgültige Verankerung der Schreibweise in meinem Langzeitgedächtnis die Folge wäre.
Und jetzt sind Sie dran, Dr. Freud.
Vor allem, wenn es ans Bezahlen geht und sie sich tief über den Tisch beugen, um wunderbare Zeichen auf ihre hinreißenden Rechnungen zu malen, wird das ausnehmend evident.
„Das ist doch alles nicht echt, das ist doch gepuscht!“, mokiert sich Kramer aus purem Selbstschutz. Ich muss den armen Wirren allerdings darauf hinweisen, dass vor allem das Echte gern gepuscht wird und gerade das Falsche darauf frohen Herzens verzichten kann.
Kramer hingegen zweifelt weiter und fantasiert von einer manuellen Überprüfung des Sachverhaltes, woraufhin der Franke ihm androht, in circa zwei Jahren einen Artikel darüber zu schreiben, was unweigerlich zu einer Popularisierung der Kramer-Vermutung führen und all seine politischen Ambitionen augenblicklich beenden würde, so er welche hätte.
Der Franke hat zwischendurch ganz andere Probleme, nämlich eine halbe Stunde lang keinen Biernachschub auf dem Tisch. Als er die Bedienung endlich zu „fassen“ kriegt, erlischt seine erstaunlich hoch aufgestaute Wut sofort – wegen der kalmierenden Wirkung ihres Dekolletés, wie ich unwidersprochen schlussfolgere.
Übrigens gehört „Dekolleté“ zu jenen durchaus rar gesäten Wörtern, die ich immer wieder im Duden nachschlagen muss, ohne dass je eine endgültige Verankerung der Schreibweise in meinem Langzeitgedächtnis die Folge wäre.
Und jetzt sind Sie dran, Dr. Freud.
25 Februar 2013
22 Februar 2013
Pareidolie (57)
Hätte ich gewusst, wie standardmäßig mürrisch die Unterseite meines Bürotelefons in die Gegend guckt, wäre ich bestimmt die vergangenen fünf Jahre (so lange spreche ich ungefähr schon rein in dieses Modell) allmorgens weniger beschwingt zur Arbeit gefedert.
Ab sofort nenne ich das Gerät Matthau.
PS: Eine ganze Pareidoliegalerie gibt es bei der Pareidolie-Tante.
Ab sofort nenne ich das Gerät Matthau.
PS: Eine ganze Pareidoliegalerie gibt es bei der Pareidolie-Tante.
21 Februar 2013
Schon wieder eine Wohnung zu vermieten
Die Rückseite der Reeperbahn entwickelt sich anscheinend zum Marktplatz für freie Hamburger Wohnungen, und das auch noch erfolgreich, wenn man das blitzartig vermittelte erste Angebot zugrundelegt.
Diesmal geht es zwar nicht um eine Bleibe auf St. Pauli, sondern im schönen Ohlsdorf, und sie wird zurzeit noch von einem großartigen Kerl aus meinem Freundeskreis bewohnt, nämlich von Cinema noir.
Er ist u. a. auch Fotograf und pflegte dereinst einmal eine potentiell unendlich fortsetzbare Bilderserie mit dem programmatischen Titel „Orte, an denen noch nie das Blog von Matt Wagner gelesen wurde“. Ich hoffe immer noch auf eine Wiederbelebung dieser verdienstvollen Reihe.
Aber zurück zur Wohnung, zu deren Vermittlung wir nun endlich schreiten sollten. Die Eckdaten:
• zwei Zimmer (etwa gleich groß)
• 50 Quadratmeter
• Vollbad und Kellerraum
• rund drei Fußminuten vom S- und U-Bahnhof Ohlsdorf entfernt
• Warmmiete momentan 485 Euro monatlich
„Wenn man bedenkt, dass der St.-Pauli-Kiez alles für die Anbahnung von Nachwuchs im weitesten Sinne anbietet“, schreibt Cinema_noir in seiner antichambrierenden Begleitmail, „so befindet sich hier in Ohlsdorf ja der spezielle Kiez für den letzten Gang des Menschen. Also eine Art Beendigungskiez.“
Das meint er übrigens positiv. Und es ist ja auch wirklich so, dass die Nachbarschaft in dieser grünen Lunge Hamburgs unübertrefflich illuster ist. So wird die Gegend etwa aufgewertet durch die dauerhafte Anwesenheit von Hans Albers, Heinz Erhardt, Gustav Gründgens, Heinrich Hertz, Inge Meysel oder des oben abgebildeten Herrn mit Rose.
Gentrifizierungseffekte sind dort überhaupt nicht zu beobachten; die erwähnten alteingesessenen Bewohner ziehen garantiert nicht mehr weg. Aber Sie ja vielleicht hin – Mail genügt, ich leite weiter.
Diesmal geht es zwar nicht um eine Bleibe auf St. Pauli, sondern im schönen Ohlsdorf, und sie wird zurzeit noch von einem großartigen Kerl aus meinem Freundeskreis bewohnt, nämlich von Cinema noir.
Er ist u. a. auch Fotograf und pflegte dereinst einmal eine potentiell unendlich fortsetzbare Bilderserie mit dem programmatischen Titel „Orte, an denen noch nie das Blog von Matt Wagner gelesen wurde“. Ich hoffe immer noch auf eine Wiederbelebung dieser verdienstvollen Reihe.
Aber zurück zur Wohnung, zu deren Vermittlung wir nun endlich schreiten sollten. Die Eckdaten:
• zwei Zimmer (etwa gleich groß)
• 50 Quadratmeter
• Vollbad und Kellerraum
• rund drei Fußminuten vom S- und U-Bahnhof Ohlsdorf entfernt
• Warmmiete momentan 485 Euro monatlich
„Wenn man bedenkt, dass der St.-Pauli-Kiez alles für die Anbahnung von Nachwuchs im weitesten Sinne anbietet“, schreibt Cinema_noir in seiner antichambrierenden Begleitmail, „so befindet sich hier in Ohlsdorf ja der spezielle Kiez für den letzten Gang des Menschen. Also eine Art Beendigungskiez.“
Das meint er übrigens positiv. Und es ist ja auch wirklich so, dass die Nachbarschaft in dieser grünen Lunge Hamburgs unübertrefflich illuster ist. So wird die Gegend etwa aufgewertet durch die dauerhafte Anwesenheit von Hans Albers, Heinz Erhardt, Gustav Gründgens, Heinrich Hertz, Inge Meysel oder des oben abgebildeten Herrn mit Rose.
Gentrifizierungseffekte sind dort überhaupt nicht zu beobachten; die erwähnten alteingesessenen Bewohner ziehen garantiert nicht mehr weg. Aber Sie ja vielleicht hin – Mail genügt, ich leite weiter.
19 Februar 2013
Mein Ausflug in den Familienblock
St. Pauli gegen Köln: Als Doppelfan muss ich da hin! Dass mir dies siedendheiß erst am Abend des Spiels einfällt, verbessert indes die Chance auf Umsetzung nicht unbedingt.
Doch siehe da: „Ja, ich habe noch eine Karte für 27 Euro, aber im Familienblock“, sagt die liebreizende Frau am Kartenschalter. „Gerne!“, jubiliere ich. „Familienblock deshalb“, erläutert sie, „weil Sie dort nicht rauchen und trinken dürfen.“
Wahrscheinlich glaubt sie, für mich sei diese Karte damit gleichsam vergiftet, doch es ist geradezu das Gegenteil der Fall. Denn: Ich werde hinterher nicht stinken wie Don Draper nach einem Kundenmeeting, mir werden keine Suffköppe Plörre übern Latz kippen, und auf der Toilette werde ich nicht ausrutschen, nur weil irgendein beschwipster Schwanker sich jedwede Treffsicherheit weggesoffen hat.
„Kein Problem“, sage ich also heiter, „aber ich muss doch kein Kind mitbringen oder so?“
„Nein, nein“, beschwichtigt sie.
„Und wenigstens Wasser gibt es dort zu kaufen?“
„Ja, ja.“
Vorfreudig schlendere ich kurz vor 8 rüber zum Stadion – und erblicke Schlangen vorm Einlass wie anno 77 in Ostberlin nach einer Bananenlieferung. Mild panisch reihe ich mich in etwa 50 Metern Entfernung vorm Eingang ein und nehme an, dass sie natürlich den Anpfiff verschieben werden. Schließlich kann man nicht Tausende draußen stehen lassen und drinnen einfach so tun, als wären sie schon drin.
Doch es geht recht zügig voran, weil vorn die Kontrolleure die Gefahr eines Aufstandes anscheinend mit einer zunehmenden Laxheit beim Abtasten zu mindern versuchen. Im Familienblock angekommen sehe ich aus dem Augenwinkel gerade noch das 0:1 und finde anschließend meine Reihe nicht.
Denn nirgends stehen Nummern, die Ordner können auch nicht helfen („Bin neu hier“). Als ich einen bereits sitzenden Fan frage, in welcher Reihe er sich befindet, glaubt er, ich wolle ihm seinen Platz streitig machen. „Ich sitze schon seit Jahrhunderten hier!“, schwört er mit Panik in der Stimme.
Immerhin finde ich heraus, dass es die richtige Reihe ist. Nur liegt mein Platz anscheinend am anderen Ende. Der seit Jahrhunderten mit seinem Schalensitz verwachsene Fan rät mir mit deutlicher Erleichterung, es vom anderen Aufgang aus zu versuchen, das sei leichter. Wahrscheinlich will er mich nur loswerden, weil er in mir einen Sargnagel für seine Sitzschalendynastie zu erblicken glaubt.
Also treppab, treppauf – und wieder das gleiche Problem: keine Reihennummern am Sockel. Deutlich zu lesen sind sie – wie ich bald herausfinde – nur auf den Lehnen der Sitzschalen, aber nur auf den Vorderseiten, und die werden ja verdeckt von denen, die draufsitzen. Ein Teufelskreis, und schuld ist der Stadionarchitekt.
Unmerklich habe ich inzwischen den Familienblock verlassen, das Spiel schreitet fort, Kalla ballert Horn an, und ich habe immer noch keinen Platz. Also gebe ich auf und setze mich einfach irgendwohin, ist ja hie und da noch was frei, trotz ausverkauft.
Ähnlich halten es auch andere Herumirrende. Keiner von ihnen findet den Platz, für den er bezahlt hat, also wird improvisiert. Ein fröhliches Hin und Her, schön chaotisch, aber hochkommunikativ. Wahrscheinlich möchte der FC St. Pauli so den Zusammenhalt der Fanbasis stärken, und das klappt auch.
Man könnte die Maßnahme vielleicht noch effizienter gestalten, indem man von vorneherein überhaupt keine nummerierten Karten mehr anbietet, sondern „freie Platzwahl“ draufdruckt. Den Rest regeln dann der Markt und die Evolution („survival of the fittest“).
Um mich herum wird übrigens wohlgemut gekifft und gesoffen, als gäbe es morgen kein Gras und auch kein Astra mehr; als Thorandth mit Gelb-Rot vom Platz fliegt (42.), tun es ihm viele volle Becher nach; die eisige Luft ist plörregesättigt, und auf der Toilette pieselt bestimmt gerade irgendein beschipster Schwanker auf die Brille und gern auch mal daneben. Als ich nach Hause komme, stinke ich wie Don Draper nach einem Kundenmeeting.
So viel also zu meinem Ausflug in den „Familienblock“. Aber kein weiteres Wort zum Ergebnis des Spiels. Da, euer Ehren, berufe ich mich auf mein Aussageverweigerungsrecht als Schwerstbetroffener.
Doch siehe da: „Ja, ich habe noch eine Karte für 27 Euro, aber im Familienblock“, sagt die liebreizende Frau am Kartenschalter. „Gerne!“, jubiliere ich. „Familienblock deshalb“, erläutert sie, „weil Sie dort nicht rauchen und trinken dürfen.“
Wahrscheinlich glaubt sie, für mich sei diese Karte damit gleichsam vergiftet, doch es ist geradezu das Gegenteil der Fall. Denn: Ich werde hinterher nicht stinken wie Don Draper nach einem Kundenmeeting, mir werden keine Suffköppe Plörre übern Latz kippen, und auf der Toilette werde ich nicht ausrutschen, nur weil irgendein beschwipster Schwanker sich jedwede Treffsicherheit weggesoffen hat.
„Kein Problem“, sage ich also heiter, „aber ich muss doch kein Kind mitbringen oder so?“
„Nein, nein“, beschwichtigt sie.
„Und wenigstens Wasser gibt es dort zu kaufen?“
„Ja, ja.“
Vorfreudig schlendere ich kurz vor 8 rüber zum Stadion – und erblicke Schlangen vorm Einlass wie anno 77 in Ostberlin nach einer Bananenlieferung. Mild panisch reihe ich mich in etwa 50 Metern Entfernung vorm Eingang ein und nehme an, dass sie natürlich den Anpfiff verschieben werden. Schließlich kann man nicht Tausende draußen stehen lassen und drinnen einfach so tun, als wären sie schon drin.
Doch es geht recht zügig voran, weil vorn die Kontrolleure die Gefahr eines Aufstandes anscheinend mit einer zunehmenden Laxheit beim Abtasten zu mindern versuchen. Im Familienblock angekommen sehe ich aus dem Augenwinkel gerade noch das 0:1 und finde anschließend meine Reihe nicht.
Denn nirgends stehen Nummern, die Ordner können auch nicht helfen („Bin neu hier“). Als ich einen bereits sitzenden Fan frage, in welcher Reihe er sich befindet, glaubt er, ich wolle ihm seinen Platz streitig machen. „Ich sitze schon seit Jahrhunderten hier!“, schwört er mit Panik in der Stimme.
Immerhin finde ich heraus, dass es die richtige Reihe ist. Nur liegt mein Platz anscheinend am anderen Ende. Der seit Jahrhunderten mit seinem Schalensitz verwachsene Fan rät mir mit deutlicher Erleichterung, es vom anderen Aufgang aus zu versuchen, das sei leichter. Wahrscheinlich will er mich nur loswerden, weil er in mir einen Sargnagel für seine Sitzschalendynastie zu erblicken glaubt.
Also treppab, treppauf – und wieder das gleiche Problem: keine Reihennummern am Sockel. Deutlich zu lesen sind sie – wie ich bald herausfinde – nur auf den Lehnen der Sitzschalen, aber nur auf den Vorderseiten, und die werden ja verdeckt von denen, die draufsitzen. Ein Teufelskreis, und schuld ist der Stadionarchitekt.
Unmerklich habe ich inzwischen den Familienblock verlassen, das Spiel schreitet fort, Kalla ballert Horn an, und ich habe immer noch keinen Platz. Also gebe ich auf und setze mich einfach irgendwohin, ist ja hie und da noch was frei, trotz ausverkauft.
Ähnlich halten es auch andere Herumirrende. Keiner von ihnen findet den Platz, für den er bezahlt hat, also wird improvisiert. Ein fröhliches Hin und Her, schön chaotisch, aber hochkommunikativ. Wahrscheinlich möchte der FC St. Pauli so den Zusammenhalt der Fanbasis stärken, und das klappt auch.
Man könnte die Maßnahme vielleicht noch effizienter gestalten, indem man von vorneherein überhaupt keine nummerierten Karten mehr anbietet, sondern „freie Platzwahl“ draufdruckt. Den Rest regeln dann der Markt und die Evolution („survival of the fittest“).
Um mich herum wird übrigens wohlgemut gekifft und gesoffen, als gäbe es morgen kein Gras und auch kein Astra mehr; als Thorandth mit Gelb-Rot vom Platz fliegt (42.), tun es ihm viele volle Becher nach; die eisige Luft ist plörregesättigt, und auf der Toilette pieselt bestimmt gerade irgendein beschipster Schwanker auf die Brille und gern auch mal daneben. Als ich nach Hause komme, stinke ich wie Don Draper nach einem Kundenmeeting.
So viel also zu meinem Ausflug in den „Familienblock“. Aber kein weiteres Wort zum Ergebnis des Spiels. Da, euer Ehren, berufe ich mich auf mein Aussageverweigerungsrecht als Schwerstbetroffener.
18 Februar 2013
Doppelt kodiert
Mit Mark beim ausverkauften Konzert von Fraktus in der Fabrik. Die Band ist seit 30 Jahren eine absolute Legende, auch wenn sie bis vor kurzem noch niemand kannte.
Ohne sie nämlich hätte es Kraftwerk, Rammstein, Scooter (!) oder Jethro Tull (Heinz Strunks Querflöte!) nie gegeben – und natürlich auch sämtliche Technoclubs zwischen Rio und Mojo nicht. Nicht ein einziger „Café del Mar“-Sampler würde existieren – und an dieser Stelle muss man sich natürlich fragen, ob das wirklich ein Verlust für die Menschheit wäre.
Egal: Als wir nach anderthalb vergnüglichen Stunden die Halle verlassen, zetert uns unaufgefordert ein Mann an. „So’n Scheiß hab ich mein Leben noch nicht gesehen!“, zürnt er lauthals. „Das war das Schlechteste, was es überhaupt gibt!“ Der Mann sieht echt wütend aus.
„Ich glaube“, raune ich Mark zu, „er hat den Witz nicht verstanden.“
„Oder“, lächelt Mark fein, „er möchte, dass wir glauben, er habe den Witz nicht verstanden.“
Handelt es sich bei diesem Wutanfall also etwa um eine doppelt dekodierte Ironie? Um ein zweifaches Um-die-Ecke-Denken?
Nun, wir werden es niemals erfahren.
Ohne sie nämlich hätte es Kraftwerk, Rammstein, Scooter (!) oder Jethro Tull (Heinz Strunks Querflöte!) nie gegeben – und natürlich auch sämtliche Technoclubs zwischen Rio und Mojo nicht. Nicht ein einziger „Café del Mar“-Sampler würde existieren – und an dieser Stelle muss man sich natürlich fragen, ob das wirklich ein Verlust für die Menschheit wäre.
Egal: Als wir nach anderthalb vergnüglichen Stunden die Halle verlassen, zetert uns unaufgefordert ein Mann an. „So’n Scheiß hab ich mein Leben noch nicht gesehen!“, zürnt er lauthals. „Das war das Schlechteste, was es überhaupt gibt!“ Der Mann sieht echt wütend aus.
„Ich glaube“, raune ich Mark zu, „er hat den Witz nicht verstanden.“
„Oder“, lächelt Mark fein, „er möchte, dass wir glauben, er habe den Witz nicht verstanden.“
Handelt es sich bei diesem Wutanfall also etwa um eine doppelt dekodierte Ironie? Um ein zweifaches Um-die-Ecke-Denken?
Nun, wir werden es niemals erfahren.
Abonnieren
Posts (Atom)