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14 März 2009
Die große Freiheit der Talstraße
Gegen 20.30 Uhr stehe ich beim Telefonieren in der Talstraße unversehens vor der Bar Freedom. Der Name spielt möglicherweise auf Dinge an, die in der Welt stinknormaler Missionarsstellungsbevorzuger Stirnrunzeln hervorrufen könnten.
Am Ohr habe ich die Stimme Ms. Columbos, im Auge die große Scheibe der Bar. Man sieht, wie sich drinnen die Riege der Animierdamen und -herren für den Einsatz rüstet, fürs friday night fever.
Eine mit Hornbrille und kläglich versagendem Pushup-BH trägt ein schwarzes Negligé. Sie sieht aus wie meine Tante vor 25 Jahren (die damals auch schon auf die 50 zuging) und kratzt sich mit der Hand, mit der sie nicht raucht, in der Poritze. Trotzdem kostet das Bier laut Aushang nur 3 Euro.
Jetzt tritt eine passable Blonde in Lederhotpants und Spaghettitop in die Kälte und rennt mich fast um. Wo will sie hin? Sie wird sich noch erkälten.
An Telefonieren ist inzwischen kaum noch zu denken, weil ein vollbärtiger Schrat mit halb offenem Hosenlatz mich umkreist und raubauzig vor sich hin ramentert. Als ich auflege, nimmt er das sogleich zum Anlass, mir Splitter seiner Weltsicht darzulegen.
„Ha, das Internet, hä?“, ruft er zusammenhanglos, vielleicht inspiriert von meinem Handy, „gar nicht nett, hehehe.“
Ich grinse schief, wie ich schemenhaft in der Scheibe der Bar Freedom erkennen kann, durch die mich die Poritzendame dumpf anstarrt. Die Blonde huscht zurück in die Bar; es ist Zeit, nach Hause zu radeln.
An der Simon-von-Utrecht-Straße liegt ein Mann schlafend auf einem Gitter, durch das warme Abluft hochsteigt. Er trägt Turnschuhe von Adidas.
13 März 2009
Nur noch Wurst und Knochen
War heute mittags und abends mit dem Franken bei Holli & Toddi, um jeweils eine Currywurst mit Bratkartoffeln zu verspeisen.
Die Strafe folgte auf dem Heimweg: Mitten auf dem Bahnsteig in Altona lag ein riesiger abgenagter Knochen von gewiss 30 Zentimetern Länge. Er war nicht sofort einem Tier zuzuordnen, wenn überhaupt.
Alle Menschen schauten entsetzt und machten einen Bogen drumherum. Dann kam zum Glück die S-Bahn.
Vegetarismus wird mir immer sympathischer.
Die Strafe folgte auf dem Heimweg: Mitten auf dem Bahnsteig in Altona lag ein riesiger abgenagter Knochen von gewiss 30 Zentimetern Länge. Er war nicht sofort einem Tier zuzuordnen, wenn überhaupt.
Alle Menschen schauten entsetzt und machten einen Bogen drumherum. Dann kam zum Glück die S-Bahn.
Vegetarismus wird mir immer sympathischer.
12 März 2009
Krnlos
Preisschilder von türkischen Gemüseläden auf St. Pauli sind mir ein steter Quell der Freude; die hier abgebildeten Beispiele stammen samt und sonders von einem in der Wohlwillstraße ansässigen.
Ungetrübt von jeder Rechtschreibregel, ja sogar alle sowieso trübsinnigen Reformen der vergangenen Dekaden souverän beiseite wischend wie eine lästige Wespe, die im Sommer über seinen Abfällsihnen schwebt, schreibt dieser sympathische Mitbürger vom Bosporus das ganze Sprachzeugs schlicht so hin, wie es ihm in den Ohren klingelt.
Oder wie er glaubt, dass es es ihm in den Ohren klingelt. Denn wer von uns sagt schon „Zitraune“? Allerdings muss ich zugeben: Das hört sich deutlich saurer und somit kongenialer an als die phonetisch doch recht lieblich gestaltete „Zitrone“.
Und das schmeichlerisch weiche d in „Granad apfel“ entmilitarisiert das Wort geradezu; es klingt plötzlich kaum noch nach der bis dato unschön mitschwingenden Granate.
Wie der gute Mann allerdings auf die krnlosen Weintrauben kommt, ist mir rätselhaft. Vielleicht ist er ja gar kein Türke, sondern Kroate – und kommt von der Insel Krk.
11 März 2009
Gesichtszwillinge (18)
Wahrscheinlich bin ich wieder mal der Einzige, der die optische Verwandschaft sieht, doch mal ehrlich:
Sehen der Kannibale von Rohtenburg, Armin Meiwes (l.), und der Gigolo der Klatten, Helg Sgarbi, nicht ein bisschen so aus, als seien sie dereinst aus derselben Mutter geschlüpft?
Wenn nicht, dann nehme ich alles zurück.
10 März 2009
Der Schuft
Damals, als Udo Lindenbergs Stern ins Pflaster der Reeperbahn eingelassen wurde, residierte der Quatsch Comedy Club noch ein paar Meter weiter im Imperialtheater.
Später zog Thomas Hermanns Lachveranstaltung ins Café Keese an der Reeperbahn. Genau vor der Eingangstür ist Udos Stern angebracht. Und jetzt gibt es dort einen semantischen Akkord, der dem Echo-Gewinner Lindenberg nicht sonderlich schmecken dürfte.
Er sollte sich trösten mit dem klassischen Motto des Café Keese, das auch den Einzug des Quatsch Comedy Club bislang schadlos überstanden hat: „Honi soit qui mal y pense“ – übersetzt: ein Schuft, der Böses dabei denkt.
Ich weiß auch, wen das Keese damit meint.
09 März 2009
Lost in desorientation 2?
Wollte auf dem Flohmarkt im Real-Parkhaus (Foto) eine Festplatte mit einem Terabyte Speicher für sagenhaft günstige 50 Euro kaufen, doch ich hatte zu wenig Geld dabei.
Nachdem ich durchs ganze Schanzenviertel geirrt war, ehe ich endlich am Schulterblatt einen Bankautomaten entdeckte, musste ich nach meiner Rückkehr zu Real feststellen, dass der Verkäufer längst seinen Tisch abgebaut und sich ins Wochenende empfohlen hatte.
Eine andere mögliche Erklärung lautet: Ich habe schlicht seinen Stand nicht mehr gefunden.
Die ist aber extrem unplausibel.
Nachdem ich durchs ganze Schanzenviertel geirrt war, ehe ich endlich am Schulterblatt einen Bankautomaten entdeckte, musste ich nach meiner Rückkehr zu Real feststellen, dass der Verkäufer längst seinen Tisch abgebaut und sich ins Wochenende empfohlen hatte.
Eine andere mögliche Erklärung lautet: Ich habe schlicht seinen Stand nicht mehr gefunden.
Die ist aber extrem unplausibel.
08 März 2009
Die letzte Reise ist rosa
Eine herzförmige rosa Urne mit gleichfarbiger Schleife drumrum.
Darin wird Domenica, die barocke Exkönigin der Herbertstraße, am Mittwochmorgen der Hamburger Erde überantwortet.
Nichts weniger als: kongenial.
(Foto mit freundlicher Genehmigung von Günter Zint)
Darin wird Domenica, die barocke Exkönigin der Herbertstraße, am Mittwochmorgen der Hamburger Erde überantwortet.
Nichts weniger als: kongenial.
(Foto mit freundlicher Genehmigung von Günter Zint)
07 März 2009
Und dann passiert – fast nichts
Gegen 18 Uhr, eine Stunde vorm Spiel, hatte der Kiez allmählich begonnen, die Bürgersteige hochzuklappen.
Denn St. Pauli gegen Rostock, das bedeutet: ein Haufen Ostnazis aus Meck-Pomm läuft durch ein Viertel, das von der Antifa dominiert wird. Nazis, Linke, dazwischen die Polizei: eine Mischung wie Nitro, Dynamit und Glyzerin.
Aber alle wollen auch ihr Geschäft machen. Sogar die kreuzbürgerlichen Thekenmatronen von Feinkost Schnalke in der Clemens-Schultz-Straße haben einen Klapptisch vor den Laden gewuchtet, und jetzt steht da eine Kiste Astra Rotlicht drauf. Das Vorglühen für die Schlacht wird einem heute Abend leicht gemacht.
Wir gehen noch schnell vorm Anpfiff einkaufen. Im Hintergrund, aus Richtung Stadion, singen schon die Polizeisirenen ihr dissonantes Lied von Drama und Schmerz.
Dann Anpfiff. Und Abpfiff. St. Pauli gewinnt 3:2 nach 0:2 Rückstand; aus Sicht der Polizei und der Meck-Pomm-Nazis wären sicherlich deeskalierendere Ergebnisse denkbar gewesen.
Und dann passiert – fast nichts.
Die Seilerstraße liegt verträumt im Nieselregen, das Balkonkino fällt aus, warum auch immer. Erst nach Mitternacht brandet Heidenlärm auf, allerdings auf Türkisch. Vor der Disco schräg gegenüber wollen sich halbnackte Testosteronendlager die Nasen einschlagen.
Nervös blinkende Autos stehen quer, Taxis kommen nicht durch, verzweifelte Miniplihupfdohlen hängen kreischend an den Bizeps ihrer Macker. Blaulicht, Streifenwagen, dunkel gekleidete Männer springen heraus.
Na also. Endlich ist alles wieder normal. Man kann beruhigt schlafen gehen.
06 März 2009
05 März 2009
Thresen, wir kommen!
Keine Ahnung, wann man zuletzt Tresen mit th schrieb; das muss circa zu Goethes Zeiten gewesen sein.
Damals schrieb man wahrscheinlich auch Thelephon noch mit th, Therabythefesthplaththe ebenfalls und Thriebthäther sowieso.
Jedenfalls klingt es schön alt, und deshalb trägt die altehrwürdige Kneipe in der Talstraße bauernschlau ein th im Tresen.
Für die allwochenendlich hier einfallende Partycrowd dürfte das allerdings nicht gerade das Killerargument dafür sein, Susis Show Bar zu verschmähen. Irmgard Kruses vererbte Kneipe scheint demnach eher Kiezbewohner als Zielpublikum im Auge zu haben.
Also mich. Demnächst werde ich daher Andreas und A. mal hinschleppen, denen ich eh noch je ein Bier schulde.
Hoffentlich ist es auch phrisch.
03 März 2009
Wichtiges Memo!
Erst war ich kurz im Schmidt-Theater (Foto), wo eine Geigerin mitten in der Bar via Monitor von Simone Young dirigiert wurde, die auf dem Turm des Michel stand (es gab noch 99 weitere Musiker in der ganzen Stadt, denen es ähnlich erging). Danach schlurfte ich hinüber zur Prinzenbar, wo Rachael Yamagata konzertierte.
Summa summarum veranlasst mich beides nun zu folgendem Memo, das ich hinfort zu beherzigen gelobe:
Geh niemals auf ein Konzert, wenn du erkältet bist und zudem Zahnschmerzen hast. Du glaubst, den Künstler zu hassen, dabei hasst du nur deinen eigenen Zustand.
Und wenn auch noch die Luft so dick ist wie nasse Watte, dann geh nach Hause, spül den Zahn mit Trester und guck schnuffelnd eine Folge „Lost“.
Amen.
Summa summarum veranlasst mich beides nun zu folgendem Memo, das ich hinfort zu beherzigen gelobe:
Geh niemals auf ein Konzert, wenn du erkältet bist und zudem Zahnschmerzen hast. Du glaubst, den Künstler zu hassen, dabei hasst du nur deinen eigenen Zustand.
Und wenn auch noch die Luft so dick ist wie nasse Watte, dann geh nach Hause, spül den Zahn mit Trester und guck schnuffelnd eine Folge „Lost“.
Amen.
02 März 2009
Der Hammer
Vorm Haus fotografierte ich Sonntagmittag übliche Reste einer St.-Pauli-Nacht: eine achtlos zurückgelassene leere Sektflasche und die in friedlicher Nachbarschaft bläulich schimmernden Splitter einer eingeschlagenen Autoscheibe.
Insignien eines typischen Kiezstilllebens, das stets anspielen muss auf Suff und Sachbeschädigung; meistens ist das eine übrigens die Folge des anderen.
Wir passierten diese Stelle gleichwohl ungerührt, fuhren mit dem 36er runter bis Teufelsbrück und liefen elbaufwärts zurück in die Stadt. (Hamburgtouristen: Das war ein Geheimtipp!)
Unterwegs diskutierten wir im diffusen Licht des Beinahfrühlings die Schwierigkeiten idiomatischer Übersetzungen. Im Web war ich nämlich auf eine Beschreibung des bekifften Sam Phillips gestoßen: „He was high as a kite“, hatte der Autor ein sehr schönes, aber nicht direkt übertragbares Bild gefunden.
Nach einigem Überlegen einigten wir uns auf „Breit wie ein Hammerhigh“.
Der Tag – vom gemeinsamen Spaziergang mit Ms. Columbo eh mit güld’nem Schimmer überzuckert – war endgültig gerettet.
Insignien eines typischen Kiezstilllebens, das stets anspielen muss auf Suff und Sachbeschädigung; meistens ist das eine übrigens die Folge des anderen.
Wir passierten diese Stelle gleichwohl ungerührt, fuhren mit dem 36er runter bis Teufelsbrück und liefen elbaufwärts zurück in die Stadt. (Hamburgtouristen: Das war ein Geheimtipp!)
Unterwegs diskutierten wir im diffusen Licht des Beinahfrühlings die Schwierigkeiten idiomatischer Übersetzungen. Im Web war ich nämlich auf eine Beschreibung des bekifften Sam Phillips gestoßen: „He was high as a kite“, hatte der Autor ein sehr schönes, aber nicht direkt übertragbares Bild gefunden.
Nach einigem Überlegen einigten wir uns auf „Breit wie ein Hammerhigh“.
Der Tag – vom gemeinsamen Spaziergang mit Ms. Columbo eh mit güld’nem Schimmer überzuckert – war endgültig gerettet.
27 Februar 2009
Der weise Eisbär
Die Trauerfeier für Domenica brachte es zu einem angemessen barocken Artikel auf Spiegel online.
Allerdings scheint die Autorin Annette Langer eher kiezfremd zu sein, denn verwundert stellt sie fest: „Gespenstisch leer sind die Bürgersteige – kein einziges Freudenmädchen ist zu sehen.“
Nun, die Feier fand am hellichten Nachmittag stand, und Huren dürfen sich hier erst ab 20 Uhr auf den Straßen blicken lassen. Langers Text brachte dennoch Erhellendes.
Nachmittags zum Beispiel, als ich aus dem Büro kam, sah ich eingangs der Talstraße eine seltsame Gestalt am Straßenrand stehen, die ich später – nach der Lektüre des Artikels – identifizieren konnte, denn Langers Beschreibung traf in entscheidenden Teilen auf sie zu.
Es handelte sich um einen blonden Mann mit Tolle, dessen schneeweißer Kunstpelzmantel hinabreichte bis zu den weißgrauen Stiefeletten. Diese wiederum verjüngten sich nach vorn schier endlos, ehe sie in eine injektionsnadelscharfe Spitze übergingen, die sich keck hochwölbte, als wollte sie die momentane Regenwahrscheinlichkeit erschnüffeln.
Ich dachte innerlich schmunzelnd das Übliche: typisch Kiez. Dank Spon-Autorin Langer weiß ich nun auch, dass es sich bei diesem humanoiden Eisbärenimitat weder um einen Luden noch um einen kostümierten Mimen handelt, sondern um einen Designer namens Götz Barner.
Auch er hatte also an Domenicas Trauerfeier teilgenommen, traf dort auf Langer und wird nun zitiert mit dem phrasennahen Satz: „Originale wie Domenica sterben aus, es geht nur noch um Kohle.“
Ein besinnliches Fazit, mit dem ich euch nun in die Nacht entlasse.
PS: Das Foto des Michels ist selbstverständlich off topic, doch immerhin von heute.
Allerdings scheint die Autorin Annette Langer eher kiezfremd zu sein, denn verwundert stellt sie fest: „Gespenstisch leer sind die Bürgersteige – kein einziges Freudenmädchen ist zu sehen.“
Nun, die Feier fand am hellichten Nachmittag stand, und Huren dürfen sich hier erst ab 20 Uhr auf den Straßen blicken lassen. Langers Text brachte dennoch Erhellendes.
Nachmittags zum Beispiel, als ich aus dem Büro kam, sah ich eingangs der Talstraße eine seltsame Gestalt am Straßenrand stehen, die ich später – nach der Lektüre des Artikels – identifizieren konnte, denn Langers Beschreibung traf in entscheidenden Teilen auf sie zu.
Es handelte sich um einen blonden Mann mit Tolle, dessen schneeweißer Kunstpelzmantel hinabreichte bis zu den weißgrauen Stiefeletten. Diese wiederum verjüngten sich nach vorn schier endlos, ehe sie in eine injektionsnadelscharfe Spitze übergingen, die sich keck hochwölbte, als wollte sie die momentane Regenwahrscheinlichkeit erschnüffeln.
Ich dachte innerlich schmunzelnd das Übliche: typisch Kiez. Dank Spon-Autorin Langer weiß ich nun auch, dass es sich bei diesem humanoiden Eisbärenimitat weder um einen Luden noch um einen kostümierten Mimen handelt, sondern um einen Designer namens Götz Barner.
Auch er hatte also an Domenicas Trauerfeier teilgenommen, traf dort auf Langer und wird nun zitiert mit dem phrasennahen Satz: „Originale wie Domenica sterben aus, es geht nur noch um Kohle.“
Ein besinnliches Fazit, mit dem ich euch nun in die Nacht entlasse.
PS: Das Foto des Michels ist selbstverständlich off topic, doch immerhin von heute.
Vor- und Nachteile von Haaren
Sich eine Wollmütze überzuziehen, die eine Weile auf der Heizung gelegen hat, gehört zu den angenehmsten sinnlichen Erlebnissen weltweit. Zumindest, wenn dir (wie mir) keine lästigen Haare mehr aus dem Kopf wachsen.
Andererseits sind diese unbedingt erforderlich, damit sie dir angesichts des abgebildeten Plakats aus einem Geschäft in der Friedensallee adäquat zu Berge stehen können.
Aber man kann nicht alles haben.
26 Februar 2009
Typenparade, draußen wie drinnen
Auf dem Weg ins Fitnessstudio begegnete mir heute ein Fahrradfahrer, der beim Fahren einen Schirm aufgespannt hielt. Ist so etwas nun so rührend wie lächerlich – oder doch eher umgekehrt?
Immerhin darf der Mann dank dieser Manie nicht schneller als Schritttempo fahren, sonst führe ihm der Fahrtwind derart gewaltig ins stoffbespannte Gestänge, dass es ihn vom Fahrrad fegte.
Warum also geht er nicht gleich zu Fuß, anstatt die Unbequemlichkeit des einhändigen Fahrens mit dem muskelzermürbenden Krampfgriff um den Schirmstiel aufs Lästigste zu kombinieren?
Oberschlaue könnten jetzt einwenden, er sei halt schlichtweg Optimist und setze auf ein baldiges Regenende, sodass er den Schirm einklappen und hinfort beidhändig und trocken die Stadt beradeln könne.
Doch dafür war dieser zwischen Niesel und Faden angesiedelte Regen heute einfach nicht prädestiniert; das war jedem halbwegs intakten Hanseaten pipiklar. Wahrscheinlich handelte es sich daher bei diesem merkwürdigen Menschen um einen Frischzugereisten, der sich erst noch akklimatisieren muss.
Auch im Fitnessclub begegnete ich einem Typen, auf den Ähnliches zutraf. Er lag im Bauch-/Rückenkurs neben mir auf der Matte und erzählte, ohne dass ich ihn im Geringsten ermuntert hätte, er habe „seit 20 Jahren keinen solchen Kurs mehr besucht“. Dabei sah er mit seinen großflächigen Tätowierungen, dem Muskelshirt und der Baseballkappe (!) aus, als seien diese Räume hier sein Zuhause.
Das Schlimmste an ihm war aber nicht die Baseballkappe, sondern die Tatsache, dass er aus dem Mund überdeutlich nach Teer roch.
Und da er 20 Jahre lang keinen solchen Kurs mehr besucht hatte, geriet er alsbald in eine mit Keuchen, Ächzen, Röcheln und Fiepen angereicherte Schnappatmung, die seinen Teeratem schubartig im Raum verteilte. Wer neben ihm lag, litt besonders, und das war ich. Aber Kurs ist Kurs, da kenne ich nix.
Meine Hoffnung nun: Dank 20-jähriger Trainingsabstinenz sucht ihn ein derartiger Muskelkater heim, dass er spontan ein weiteres Kursmoratorium von zwei Dekaden Dauer verhängt.
Wenn nicht, schmuggel ich ihm einen Abzug des heutigen Fotos in die Sporttasche.
PS: Aufmerksamen Lesern wird nicht entgangen sein, dass dieser Blogeintrag gleich zwei Wörter enthält, die mit je drei aufeinanderfolgenden gleichen Konsonanten glänzen. Das war aber Zufall.
PPS: Motiv entdeckt im Berliner Restaurant Grill Royal in der Friedrichstraße.
Immerhin darf der Mann dank dieser Manie nicht schneller als Schritttempo fahren, sonst führe ihm der Fahrtwind derart gewaltig ins stoffbespannte Gestänge, dass es ihn vom Fahrrad fegte.
Warum also geht er nicht gleich zu Fuß, anstatt die Unbequemlichkeit des einhändigen Fahrens mit dem muskelzermürbenden Krampfgriff um den Schirmstiel aufs Lästigste zu kombinieren?
Oberschlaue könnten jetzt einwenden, er sei halt schlichtweg Optimist und setze auf ein baldiges Regenende, sodass er den Schirm einklappen und hinfort beidhändig und trocken die Stadt beradeln könne.
Doch dafür war dieser zwischen Niesel und Faden angesiedelte Regen heute einfach nicht prädestiniert; das war jedem halbwegs intakten Hanseaten pipiklar. Wahrscheinlich handelte es sich daher bei diesem merkwürdigen Menschen um einen Frischzugereisten, der sich erst noch akklimatisieren muss.
Auch im Fitnessclub begegnete ich einem Typen, auf den Ähnliches zutraf. Er lag im Bauch-/Rückenkurs neben mir auf der Matte und erzählte, ohne dass ich ihn im Geringsten ermuntert hätte, er habe „seit 20 Jahren keinen solchen Kurs mehr besucht“. Dabei sah er mit seinen großflächigen Tätowierungen, dem Muskelshirt und der Baseballkappe (!) aus, als seien diese Räume hier sein Zuhause.
Das Schlimmste an ihm war aber nicht die Baseballkappe, sondern die Tatsache, dass er aus dem Mund überdeutlich nach Teer roch.
Und da er 20 Jahre lang keinen solchen Kurs mehr besucht hatte, geriet er alsbald in eine mit Keuchen, Ächzen, Röcheln und Fiepen angereicherte Schnappatmung, die seinen Teeratem schubartig im Raum verteilte. Wer neben ihm lag, litt besonders, und das war ich. Aber Kurs ist Kurs, da kenne ich nix.
Meine Hoffnung nun: Dank 20-jähriger Trainingsabstinenz sucht ihn ein derartiger Muskelkater heim, dass er spontan ein weiteres Kursmoratorium von zwei Dekaden Dauer verhängt.
Wenn nicht, schmuggel ich ihm einen Abzug des heutigen Fotos in die Sporttasche.
PS: Aufmerksamen Lesern wird nicht entgangen sein, dass dieser Blogeintrag gleich zwei Wörter enthält, die mit je drei aufeinanderfolgenden gleichen Konsonanten glänzen. Das war aber Zufall.
PPS: Motiv entdeckt im Berliner Restaurant Grill Royal in der Friedrichstraße.
24 Februar 2009
Taschenspielereien
Zu den Killerapplikationen von World of Sex (WoS) auf der Reeperbahn gehören nicht nur Porno-DVDs und Sexspielzeuge, sondern vor allem die unzähligen Videokabinen, in die man sich zurückziehen kann, allein oder zu zweit.
Wahrscheinlich sind diese Separees der Grund für eine Gemeinsamkeit, die fast alle Männer, die WoS wieder verlassen, miteinander teilen: Sie haben beide Hände in den Hosentaschen.
Meine Theorie für dieses Phänomen, welches ich heute auf dem Heimweg wieder einmal beobachten konnte: Die WoS-Männer müssen alles erst mal wieder sortieren, zurechtrücken, einpassen.
Manches ist einfach (noch) zu sperrig für die begrenzte Dehnfähigkeit ihrer Unterhose.
Verifikationen und Erfahrungsberichte gern in den Kommentaren.
Wahrscheinlich sind diese Separees der Grund für eine Gemeinsamkeit, die fast alle Männer, die WoS wieder verlassen, miteinander teilen: Sie haben beide Hände in den Hosentaschen.
Meine Theorie für dieses Phänomen, welches ich heute auf dem Heimweg wieder einmal beobachten konnte: Die WoS-Männer müssen alles erst mal wieder sortieren, zurechtrücken, einpassen.
Manches ist einfach (noch) zu sperrig für die begrenzte Dehnfähigkeit ihrer Unterhose.
Verifikationen und Erfahrungsberichte gern in den Kommentaren.
23 Februar 2009
Pleiten, Pech und (doch nicht) Annen
Neulich, als der Hamburger SPD-Mann Niels Annen von seiner Partei nicht wiedergewählt wurde, plante ich eigentlich einen Blogeintrag mit dem Titel „Pleiten, Pech und Annen“. Hab ich verpasst – und darf zur Strafe jetzt über eigene Pannen bloggen.
Starten wir mit einer Frage: Wieso muss man bloß wegen einer popeligen LP, die man in den USA für lausige 10 Dollar ersteigert hat, zum Zollamt? Sinnlosigkeit, ick hör dir trapsen.
Vor der Arbeit breche ich also missmutig auf via Hauptbahnhof (Foto) gen Hamburger Osten. Fünf vor 9 schiebe ich mein Fahrrad in die U-Bahn, nicht ohne vorher eine Fahrkarte gelöst zu haben. Denn mein Abo gilt erst ab 9, und sicher ist sicher.
Mit mir steigen drei Herren in Zivil ein, die sich auffällig unauffällig über den ganzen Waggon verteilen. Kontrolleure, natürlich. Ich zeige gelassen mein Kurzstreckenticket.
Der Kontrolleur nickt und sagt: „Jetzt haben wir ein Problem. Ihr Fahrrad.“
Man darf nämlich sein Rad nicht vor 9 in der U-Bahn transportieren. Dass der Waggon halbleer ist, dass die Kontrolleure mich kaltlächelnd haben einsteigen lassen, statt mich auf dieses Verbot hinzuweisen, dass es inzwischen nur noch 60 Sekunden bis 9 sind: Alles egal. 10 Euro sind fällig.
„Ich habe sogar ein Abo!“, versuche ich einen Gnadenakt für Stammkunden zu erwirken, doch was ich ernte, ist nur ungerührtes Schweigen. Das fällt beim HVV wohl unter Kundenpflege.
Entsprechend blendend gelaunt schlage ich im Zollamt auf. Der Beamte legt mir das abzuholende Päckchen auf den Tresen und fragt: „Was ist da drin?“ „Nur eine olle Langspielplatte“, sage ich. „Eine Brandsatzplatte?“, scherzt er, ein Verhören heuchelnd. Haha.
Wortlos zerhacke ich mit dem Paketmesser die Verpackung. Das macht mehr Spaß, als es machen dürfte. Ich hole die LP heraus und reiche sie dem Beamten. „Mir ist völig schleierhaft“, eröffne ich ihm, „warum inzwischen schon 10-Dollar-LPs erkennungsdienstlich behandelt werden müssen.“
Er mustert mich mit dem Blick des erfahrenen Funktionärs. „Erkennungsdienstlich? So weit sind wir noch nicht.“ Schwingt Bedauern mit in seiner Stimme? Oh ja. Er nimmt die Platte und meine Ebayrechnung und verzieht sich in die rückwärtigen Gemächer.
Nach zehn Minuten kehrt er zurück. „Der Warenwert liegt unter 20 Euro“, präsentiert er mir eine Binsenweisheit sondergleichen, „Sie können die Platte mitnehmen.“ Das hätte ich ihm auch schon vor drei Wochen sagen können, als ich die LP ersteigert hatte – und bevor ich eine Minute vor 9 Uhr 10 Euro Strafe für die Fahrradmitnahme zahlen musste.
Tagsüber geht alles halbwegs gut, doch abends treffe ich mich mit einer Freundin auf einen Wein und schütte mir rund hundert Milliliter Chardonnay über Hemd und Hose.
Manche Tage dürften nie zu Ende gehen, doch dieser gehört definitiv zur gegenteiligen Kategorie.
Starten wir mit einer Frage: Wieso muss man bloß wegen einer popeligen LP, die man in den USA für lausige 10 Dollar ersteigert hat, zum Zollamt? Sinnlosigkeit, ick hör dir trapsen.
Vor der Arbeit breche ich also missmutig auf via Hauptbahnhof (Foto) gen Hamburger Osten. Fünf vor 9 schiebe ich mein Fahrrad in die U-Bahn, nicht ohne vorher eine Fahrkarte gelöst zu haben. Denn mein Abo gilt erst ab 9, und sicher ist sicher.
Mit mir steigen drei Herren in Zivil ein, die sich auffällig unauffällig über den ganzen Waggon verteilen. Kontrolleure, natürlich. Ich zeige gelassen mein Kurzstreckenticket.
Der Kontrolleur nickt und sagt: „Jetzt haben wir ein Problem. Ihr Fahrrad.“
Man darf nämlich sein Rad nicht vor 9 in der U-Bahn transportieren. Dass der Waggon halbleer ist, dass die Kontrolleure mich kaltlächelnd haben einsteigen lassen, statt mich auf dieses Verbot hinzuweisen, dass es inzwischen nur noch 60 Sekunden bis 9 sind: Alles egal. 10 Euro sind fällig.
„Ich habe sogar ein Abo!“, versuche ich einen Gnadenakt für Stammkunden zu erwirken, doch was ich ernte, ist nur ungerührtes Schweigen. Das fällt beim HVV wohl unter Kundenpflege.
Entsprechend blendend gelaunt schlage ich im Zollamt auf. Der Beamte legt mir das abzuholende Päckchen auf den Tresen und fragt: „Was ist da drin?“ „Nur eine olle Langspielplatte“, sage ich. „Eine Brandsatzplatte?“, scherzt er, ein Verhören heuchelnd. Haha.
Wortlos zerhacke ich mit dem Paketmesser die Verpackung. Das macht mehr Spaß, als es machen dürfte. Ich hole die LP heraus und reiche sie dem Beamten. „Mir ist völig schleierhaft“, eröffne ich ihm, „warum inzwischen schon 10-Dollar-LPs erkennungsdienstlich behandelt werden müssen.“
Er mustert mich mit dem Blick des erfahrenen Funktionärs. „Erkennungsdienstlich? So weit sind wir noch nicht.“ Schwingt Bedauern mit in seiner Stimme? Oh ja. Er nimmt die Platte und meine Ebayrechnung und verzieht sich in die rückwärtigen Gemächer.
Nach zehn Minuten kehrt er zurück. „Der Warenwert liegt unter 20 Euro“, präsentiert er mir eine Binsenweisheit sondergleichen, „Sie können die Platte mitnehmen.“ Das hätte ich ihm auch schon vor drei Wochen sagen können, als ich die LP ersteigert hatte – und bevor ich eine Minute vor 9 Uhr 10 Euro Strafe für die Fahrradmitnahme zahlen musste.
Tagsüber geht alles halbwegs gut, doch abends treffe ich mich mit einer Freundin auf einen Wein und schütte mir rund hundert Milliliter Chardonnay über Hemd und Hose.
Manche Tage dürften nie zu Ende gehen, doch dieser gehört definitiv zur gegenteiligen Kategorie.
22 Februar 2009
Unter Trophäenblondinen
Echo-Aftershowparty. Hier lässt die untergehende Musikbranche noch mal alles raushängen, was sie eigentlich nicht mehr hat.
4000 Gäste im Berliner Postbahnhof, und jeder von ihnen könnte ein Star sein – oder bloß ein Schreiberling wie ich. Alles ist möglich, alles denkbar, alles ist vollkommen unsicher.
Die Gäste mustern sich verstohlen. Kenne ich den neben mir an der Dessertbar persönlich oder doch nur aus dem Fernsehen? Und wenn ja: aus welcher Sendung? Welchem Film/Clip/Dschungelcamp? Ist der, er mich gerade angerempelt hat, ein FDP-Generalsekretär oder ein lustiger Volksmutant? Man weiß es (oft) nicht.
Eines aber stellt sich schnell heraus: 2009 sind immer noch oder schon wieder Trophäenblondinen angesagt. Je unansehnlicher/älter/schmerbäuchiger der Star/Plattenboss/Bandmanager, desto 90/60/90er das hellhaarige Babe an seiner Seite.
Und das Babe lächelt beseelt. Warum auch nicht: Es hat schließlich einen fetten Fisch geangelt. Jetzt darf es auf Partys mit 4000 Leuten und wird verstohlen gemustert, weil man es ja aus dem Fernsehen kennen könnte.
Der Typ am Sushibuffet, der mich von hinten fragt: „Ist das frisch?“, sieht aus wie Max Mutzke, und wahrscheinlich ist er es auch. Er sieht erbarmungswürdig hungrig aus, er will ein „Ja“ hören, und er kriegt ein „Ja“.
Hoffentlich habe ich jetzt nicht seine Karriere beendet, denn er kann ja singen, der Mutzke, das kann er wirklich. Ein dicker Klempner aus England fotografiert das sensationelle Dekolletee seiner noch dickeren Gattin. Vorhin stand er noch auf der Echo-Bühne und gab an, ein gewisser Paul Potts zu sein und eine Million Alben verkauft zu haben.
Mit dieser Quote bist du ein Star in der Musikbranche, du könntest dir eine beliebige 90/60/90er Trophäenblondine aus dem Sortiment auswählen. Nur wem sie wegnehmen – Dieter Gorny? Christian Neander?
Ach, das Leben ist kompliziert auf der Echo-Aftershowparty. Die beste Beschäftigung ist deshalb verstohlenes Mustern, während man Sushi möfelt und mittelmäßigen Weißwein von Gallo trinkt, dessen Mittelmäßigkeit man ihm niemals vorwerfen würde, denn er ist ja kostenlos.
Auch den abgebildeten Herrn mit der komischen Tätowierung habe ich ausgiebig gemustert und bin sicher, ihn schon mal irgendwo gesehen zu haben.
Aber ich weiß einfach nicht, wo ich ihn hinstecken soll.
21 Februar 2009
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