„Ich weiß nicht genau, wie der Autor heißt“, sagt die Kundin zur Verkäuferin, „aber ich hätte gern das Buch über Gott.“
„Über Gott?“, staunt die Verkäuferin Buchstützen, ohne naheliegenderweise an Manfred Lütz’ „Gott – Eine kleine Geschichte des Größten“ zu denken, das gefühlt seit dem Auszug der Israeliten aus Ägypten die Büchercharts verstopft wie ein Haarbüschel den Abfluss.
Aber das fällt der Fachverkäuferin gerade nicht ein.
„Wenn ich Gott in den Computer eingebe“, sagt sie stattdessen, „dann hängt der sich auf!“
PS: Sie meinte den Computer.
Das Foto zeigt (mal wieder) das Gebäude der Heilsarmee in der Talstraße.
„3000 Plattenkritiken“ | „Die Frankensaga – Vollfettstufe“ | RSS-Feed | In memoriam | mattwagner {at} web.de |
07 Januar 2008
06 Januar 2008
Das Geheimnis des Wollerns
Meine aktuell liebste Müllmail schneit regelmäßig mit dem Betreff „Wir wissen, was Frauen wollern“ herein; und immer wieder frage ich mich, ob sie nicht eher nach dem „Wie“ des Wollerns fragen müsste.
Schließlich handelt es sich beim Wollern um eine (zumindest für mich) durchaus geheimnisvolle Tätigkeit, deren genaue Ausführung doch gerade das Interessante wäre – also das Wie.
Jedoch vermeidet es der Spambetreff sorgsam, dem Wollern selbst auf den Grund zu gehen. Vielmehr verdunkelt er es geradezu aufreizend reizvoll; und selbst der Text der Mail trägt semantisch kaum Erhellendes bei.
Wollernde Frauen – das klingt jedenfalls interessant. Auch gebeugt: Er/sie/es wollert. Wollen wir nicht mal wieder wollern? Alles denkbar, alles von dunkler, verheißungsvoller Strahlkraft.
Für den Werbeslogan des Friseurladens in Stade gilt das deutlich weniger. „Dreht sich die Säule hell und klar / schneiden wir sofort Ihr Haar“: Das ist doch zweifellos aus den letzten Kriegstagen übriggeblieben.
Die Säule übrigens drehte sich kein Stück. Ja, sie wollerte nicht mal.
Schließlich handelt es sich beim Wollern um eine (zumindest für mich) durchaus geheimnisvolle Tätigkeit, deren genaue Ausführung doch gerade das Interessante wäre – also das Wie.
Jedoch vermeidet es der Spambetreff sorgsam, dem Wollern selbst auf den Grund zu gehen. Vielmehr verdunkelt er es geradezu aufreizend reizvoll; und selbst der Text der Mail trägt semantisch kaum Erhellendes bei.
Wollernde Frauen – das klingt jedenfalls interessant. Auch gebeugt: Er/sie/es wollert. Wollen wir nicht mal wieder wollern? Alles denkbar, alles von dunkler, verheißungsvoller Strahlkraft.
Für den Werbeslogan des Friseurladens in Stade gilt das deutlich weniger. „Dreht sich die Säule hell und klar / schneiden wir sofort Ihr Haar“: Das ist doch zweifellos aus den letzten Kriegstagen übriggeblieben.
Die Säule übrigens drehte sich kein Stück. Ja, sie wollerte nicht mal.
05 Januar 2008
Pleiten, Pech und Bürsten
Seit Wochen schon warte ich auf die bei Ebay ersteigerten Aufsteckbürsten für die Elektrische. Der von mir per Mail immer dringlicher zu einer offeneren Informationspolitik aufgeforderte Verkäufer schob das Ausbleiben der Bürsten ein ums andere Mal auf einen imaginierten adventlichen Päckchenstau.
Meine zunehmende Unleidlichkeit dämpfte das allerdings kaum. Es drohte bereits ein ernstes Zerwürfnis, da fand ich heute eine Mitteilung des Zolls im Briefkasten, dessen angetackerter Lieferschein auf China verwies. Noch dämmerte mir nichts; schließlich sitzt der Bürstenverkäufer in Berlin.
Unter den wenigen entzifferbaren englischen Wörtern des Zollzettels fanden sich allerdings auch die beiden hochverdächtigen „tooth“ und „brush“. Ein Hinweis auf meine sehnlichst erwarteten Aufsteckbürsten. Aber warum China?
Um das Rätsel zu lösen, begab ich mich unverzüglich auf eine Expedition gen Zollamt im Hamburger Osten. Als Fortbewegungsart wählte ich die bewährte Mischform aus Fahrrad und S-Bahn.
Als ich am Berliner Tor das Rad enterte, stellte sich jedoch heraus, dass meine Gangschaltung eingefroren war, und zwar in einem sehr kleinen Gang. Den Heidenkampsweg juckelte ich also runter wie ein Duracellhase auf Ecstasy. Die Leute kuckten, als säßen sie in einer Comedyshow.
Im Zollamt legte ich meinen Chinazettel vor. Der Beamte kam zurück mit einem kleinen Paket, reichte mir ein Messer und bat mich, das Paket aufzuschneiden. Das Erste, was ich aufschnitt (wenn auch versehentlich), war allerdings meine Hand, und zwar direkt unter der Zeigefingerwurzel. Irgendwann offenbarte sich aber auch der Inhalt des Pakets. Es waren in der Tat die Aufsteckbürsten.
Der Zollbeamte schaute skeptisch. Er nahm sie an sich und verschwand Richtung Computer. Nach zehn Minuten kam er zurück. Es bestehe, erklärte er, der Verdacht auf Produktfälschung. Die Bürsten müsse er der Herstellerfirma vorlegen. Falls es Nachbauten seien, würden sie vernichtet. Falls nicht, könne ich ja noch mal vorbeikommen, um sie mir abzuholen. So etwa in 14 Tagen.
Ich nickte verständig, während ich an meiner Hand nuckelte. Dann ging ich wieder hinaus in die gangschaltungsfeindliche Januarkälte, mit Wunde und ohne Bürsten.
Insgesamt ziehe ich dennoch ein positives Fazit. Zwar musste ich eine kleine Reise antreten, machte mich dank einer eingefrorenen Gangschaltung auf dem Heidenkampsweg lächerlich, tätowierte mich an der Zeigefingerwurzel, machte mich auf dem Heidenkampsweg dank der noch immer eingefrorenen Gangschaltung ein zweites Mal lächerlich – doch ich habe sie gesehen, meine Bürsten. Mit eigenen Augen. Sie existieren.
Gar keine sooo schlechte Bilanz für eine Ebayauktion, die erst am 7. Dezember zu Ende gegangen ist.
Meine zunehmende Unleidlichkeit dämpfte das allerdings kaum. Es drohte bereits ein ernstes Zerwürfnis, da fand ich heute eine Mitteilung des Zolls im Briefkasten, dessen angetackerter Lieferschein auf China verwies. Noch dämmerte mir nichts; schließlich sitzt der Bürstenverkäufer in Berlin.
Unter den wenigen entzifferbaren englischen Wörtern des Zollzettels fanden sich allerdings auch die beiden hochverdächtigen „tooth“ und „brush“. Ein Hinweis auf meine sehnlichst erwarteten Aufsteckbürsten. Aber warum China?
Um das Rätsel zu lösen, begab ich mich unverzüglich auf eine Expedition gen Zollamt im Hamburger Osten. Als Fortbewegungsart wählte ich die bewährte Mischform aus Fahrrad und S-Bahn.
Als ich am Berliner Tor das Rad enterte, stellte sich jedoch heraus, dass meine Gangschaltung eingefroren war, und zwar in einem sehr kleinen Gang. Den Heidenkampsweg juckelte ich also runter wie ein Duracellhase auf Ecstasy. Die Leute kuckten, als säßen sie in einer Comedyshow.
Im Zollamt legte ich meinen Chinazettel vor. Der Beamte kam zurück mit einem kleinen Paket, reichte mir ein Messer und bat mich, das Paket aufzuschneiden. Das Erste, was ich aufschnitt (wenn auch versehentlich), war allerdings meine Hand, und zwar direkt unter der Zeigefingerwurzel. Irgendwann offenbarte sich aber auch der Inhalt des Pakets. Es waren in der Tat die Aufsteckbürsten.
Der Zollbeamte schaute skeptisch. Er nahm sie an sich und verschwand Richtung Computer. Nach zehn Minuten kam er zurück. Es bestehe, erklärte er, der Verdacht auf Produktfälschung. Die Bürsten müsse er der Herstellerfirma vorlegen. Falls es Nachbauten seien, würden sie vernichtet. Falls nicht, könne ich ja noch mal vorbeikommen, um sie mir abzuholen. So etwa in 14 Tagen.
Ich nickte verständig, während ich an meiner Hand nuckelte. Dann ging ich wieder hinaus in die gangschaltungsfeindliche Januarkälte, mit Wunde und ohne Bürsten.
Insgesamt ziehe ich dennoch ein positives Fazit. Zwar musste ich eine kleine Reise antreten, machte mich dank einer eingefrorenen Gangschaltung auf dem Heidenkampsweg lächerlich, tätowierte mich an der Zeigefingerwurzel, machte mich auf dem Heidenkampsweg dank der noch immer eingefrorenen Gangschaltung ein zweites Mal lächerlich – doch ich habe sie gesehen, meine Bürsten. Mit eigenen Augen. Sie existieren.
Gar keine sooo schlechte Bilanz für eine Ebayauktion, die erst am 7. Dezember zu Ende gegangen ist.
03 Januar 2008
Kneipenbesuch mit einem Rauchverbotsverbotsbefürworter
Der gestrige Beitrag hat mir viel Schimpf eingebracht. Obzwar ich dachte, mich sachlich geäußert und den Text nur hie und da mit einer feinen Prise Ironie gewürzt zu haben, halten mich nun selbst Menschen, die ich als bisher als wunderbar schätzen gelernt habe, für „kleinlich“, „niedrig“ oder gar einen „fanatischen Nichtraucher“.
Natürlich frage ich mich, ob man wirklich fanatisch nicht rauchen kann. Glaube ich eher weniger. Ich bin höchstens geradezu fanatisch kein Serienkiller. Doch solche semantischen Feinheiten spielen längst keine Rolle mehr in dieser aufgeheizten Situation.
Die Grundbereitschaft zur Hysterie bei den Rauchverbotsgegnern hat mich jedenfalls verblüfft. Dabei sind für die bisher bekannten Fälle von Militanz nach meinem Eindruck stets Raucher verantwortlich. Wahrscheinlich werden pöbelnde und marodierende Nichtraucher von der Presse einfach totgeschwiegen, deshalb …
Was mich bei der ganzen Diskussion so erstaunt: Wenn in der Kneipe jemand grundlos verprügelt wird, würdet ihr das (hoffentlich) missbilligen; wenn einem aber jemand in der gleichen Kneipe ein todbringendes Gasgemisch in die Lunge bläst, findet ihr das nicht nur tolerierbar, sondern fordert dieses Recht geradezu empört ein.
Beides aber, das Prügeln und das Paffen, meine Damen und Herrn, ist schlicht und einfach Körperverletzung – wobei Prügel die deutlich harmlosere dieser beiden Varianten darstellen.
Zum Glück aber fand heute im Aurel nichts davon statt. Als der ausgewiesene Rauchverbotsverbotsbefürworter GP und ich dort um 18 Uhr eintrafen, war die Kneipe von samtiger Frischluft erfüllt – und erstaunlicherweise voller als beim letzten Treff.
Natürlich halte ich das keineswegs für repräsentativ, bitte nicht missverstehen. Doch der von Raucherkassandras als Katastrophenszenario heraufbeschworene sofortige Kneipenkollaps hat zumindest heute in Ottensen noch nicht eingesetzt.
GP übrigens ertrug die Tortur, seine (und meine) Lunge für eine Stunde mal nicht langzeitschädigen zu dürfen, tapfer wie ein Mann. Nicht alle Raucher sind also hysterische Memmen. Wieder was dazugelernt.
Natürlich frage ich mich, ob man wirklich fanatisch nicht rauchen kann. Glaube ich eher weniger. Ich bin höchstens geradezu fanatisch kein Serienkiller. Doch solche semantischen Feinheiten spielen längst keine Rolle mehr in dieser aufgeheizten Situation.
Die Grundbereitschaft zur Hysterie bei den Rauchverbotsgegnern hat mich jedenfalls verblüfft. Dabei sind für die bisher bekannten Fälle von Militanz nach meinem Eindruck stets Raucher verantwortlich. Wahrscheinlich werden pöbelnde und marodierende Nichtraucher von der Presse einfach totgeschwiegen, deshalb …
Was mich bei der ganzen Diskussion so erstaunt: Wenn in der Kneipe jemand grundlos verprügelt wird, würdet ihr das (hoffentlich) missbilligen; wenn einem aber jemand in der gleichen Kneipe ein todbringendes Gasgemisch in die Lunge bläst, findet ihr das nicht nur tolerierbar, sondern fordert dieses Recht geradezu empört ein.
Beides aber, das Prügeln und das Paffen, meine Damen und Herrn, ist schlicht und einfach Körperverletzung – wobei Prügel die deutlich harmlosere dieser beiden Varianten darstellen.
Zum Glück aber fand heute im Aurel nichts davon statt. Als der ausgewiesene Rauchverbotsverbotsbefürworter GP und ich dort um 18 Uhr eintrafen, war die Kneipe von samtiger Frischluft erfüllt – und erstaunlicherweise voller als beim letzten Treff.
Natürlich halte ich das keineswegs für repräsentativ, bitte nicht missverstehen. Doch der von Raucherkassandras als Katastrophenszenario heraufbeschworene sofortige Kneipenkollaps hat zumindest heute in Ottensen noch nicht eingesetzt.
GP übrigens ertrug die Tortur, seine (und meine) Lunge für eine Stunde mal nicht langzeitschädigen zu dürfen, tapfer wie ein Mann. Nicht alle Raucher sind also hysterische Memmen. Wieder was dazugelernt.
02 Januar 2008
Ich bin die Exekutive!
Neulich schlugen zwei U-Bahn-Raucher in München einen Mann halbtot, als er sie aufs Rauchverbot aufmerksam machte.
Die Hamburger Regierung empfiehlt uns Nichtrauchern das nun zur Nachahmung. Nicht das Halbtotprügeln, nein, nein, sondern das Aufmerksammachen.
Da der Senat das Rauchverbot zwar höchstselbst verhängt hat, es aber aus wahltaktischen Gründen vorerst lieber doch nicht selbst durchsetzen möchte, fordert er uns in Gestalt von Gesundheitssenatorin Birgit Schnieber-Jastram auf, ab sofort couragiert die Raucher auf ihr Fehlverhalten hinweisen.
Wir sollen also für Ole & Co. die Exekutive spielen – sprich: die Rübe hinhalten. Na ja: no risk, no fun. Ich werde also demnächst zum Raucher gehen und ihm Folgendes darlegen:
„Entschuldigen Sie, hier ist das Rauchen verboten. Auch über die reine Gesetzeslage hinaus wäre es mir lieber, Sie respektierten mein Recht auf eine durchschnittliche Lebenserwartung und setzten mich keinen krebserregenen Giften aus, nur weil Sie a) Ihre Sucht nicht in den Griff kriegen und b) auch noch darauf bestehen, Sie öffentlich ausleben zu dürfen – was es Ihrer Spezies über Jahrhunderte praktisch widerstandslos ermöglichte, öffentliche Begegnungsstätten monopolartig zu bevölkern und Menschen, denen etwas an ihrer Gesundheit sowie dem olfaktorischen Niveau ihrer Kleidung liegt, von diesen geselligen Orten fernzuhalten, auf deren risikolosen Besuch sie doch ebenfalls ein Recht hätten. Also: Wie wär’s?“
Eigentlich überzeugende Argumente. Gleichwohl könnte der Raucher eingedenk der Münchner Vorbilder zu der Überzeugung kommen, seine Fäuste und Füße seien argumentativ noch stärker aufgestellt. Doch dann zückte ich einfach überlegen lächelnd meinen stärksten Trumpf – und verwiese auf die liebsorgende Gesundheitssenatorin Schnieber-Jastram, die mir das soeben demonstrierte Vorgehen nahegelegt habe.
Wenn schon, so würde ich souverän ausführen, dann sollte der aufgebrachte Raucher doch bitte ihr seine stichhaltigen Argumente darlegen. Sie sei zu den üblichen Geschäftszeiten im Rathaus anzutreffen.
Schon morgen Abend werden Ms. Columbo und ich das übrigens alles mal testen. Wir sind schon ganz aufgeregt vor Vorfreude.
(Motiv entdeckt im Kukuun, Spielbudenplatz)
Die Hamburger Regierung empfiehlt uns Nichtrauchern das nun zur Nachahmung. Nicht das Halbtotprügeln, nein, nein, sondern das Aufmerksammachen.
Da der Senat das Rauchverbot zwar höchstselbst verhängt hat, es aber aus wahltaktischen Gründen vorerst lieber doch nicht selbst durchsetzen möchte, fordert er uns in Gestalt von Gesundheitssenatorin Birgit Schnieber-Jastram auf, ab sofort couragiert die Raucher auf ihr Fehlverhalten hinweisen.
Wir sollen also für Ole & Co. die Exekutive spielen – sprich: die Rübe hinhalten. Na ja: no risk, no fun. Ich werde also demnächst zum Raucher gehen und ihm Folgendes darlegen:
„Entschuldigen Sie, hier ist das Rauchen verboten. Auch über die reine Gesetzeslage hinaus wäre es mir lieber, Sie respektierten mein Recht auf eine durchschnittliche Lebenserwartung und setzten mich keinen krebserregenen Giften aus, nur weil Sie a) Ihre Sucht nicht in den Griff kriegen und b) auch noch darauf bestehen, Sie öffentlich ausleben zu dürfen – was es Ihrer Spezies über Jahrhunderte praktisch widerstandslos ermöglichte, öffentliche Begegnungsstätten monopolartig zu bevölkern und Menschen, denen etwas an ihrer Gesundheit sowie dem olfaktorischen Niveau ihrer Kleidung liegt, von diesen geselligen Orten fernzuhalten, auf deren risikolosen Besuch sie doch ebenfalls ein Recht hätten. Also: Wie wär’s?“
Eigentlich überzeugende Argumente. Gleichwohl könnte der Raucher eingedenk der Münchner Vorbilder zu der Überzeugung kommen, seine Fäuste und Füße seien argumentativ noch stärker aufgestellt. Doch dann zückte ich einfach überlegen lächelnd meinen stärksten Trumpf – und verwiese auf die liebsorgende Gesundheitssenatorin Schnieber-Jastram, die mir das soeben demonstrierte Vorgehen nahegelegt habe.
Wenn schon, so würde ich souverän ausführen, dann sollte der aufgebrachte Raucher doch bitte ihr seine stichhaltigen Argumente darlegen. Sie sei zu den üblichen Geschäftszeiten im Rathaus anzutreffen.
Schon morgen Abend werden Ms. Columbo und ich das übrigens alles mal testen. Wir sind schon ganz aufgeregt vor Vorfreude.
(Motiv entdeckt im Kukuun, Spielbudenplatz)
01 Januar 2008
Die gemütlichsten Ecken auf St. Pauli (1)
Peder sagt, er sei Däne. Außerdem ist er mit Sicherheit: einsam.
Sein Kontaktzettel an einer Straßenlaterne an der Reeperbahn ist zerzaust von der Nacht, verheert von Silvester. „Peder er is Däne“, steht darauf, genauso wie „deutsch vohne“, was möglicherweise einen Hinweis liefern soll auf seinen derzeitigem Aufenthaltsort.
„Vünsche Mänlichen Freund bis 35“, barmt Peder und dass er „mit Ihnen alles teilen“ möchte. Rührend flattern seine Zettelfetzen im Januarwind, aber die Telefonnummer ist gut lesbar.
Eine osteuropäische Matrone trägt Plastiktüten vorbei und schaut sich den Müll der letzten Nacht an. Ihr Kind trottet hinterher; ein gelehriger kleiner Schüler, schon mit ausgebildet wachem Blick für die Unterschiede zwischen wertvoll und -los.
In der Talstraße liegen Weißbrotbrocken auf dem Asphalt, und keine einzige Taube kümmert sich darum. Auch die Vögel haben Kater.
In einer kleinen Einfahrt entdecke ich eine der gemütlichsten Ecken (auch olfaktorisch), die ich je auf St. Pauli vorfand. Noch während ich sie fotografiere, reift der Gedanke, eine entsprechende Fotoserie zu starten.
Hier ist sie, die Folge 1.
31 Dezember 2007
Offener Brief zu Silvester (2)
Ich weiß, ich weiß: Das habe ich alles letztes Jahr schon mal gesagt. Doch damals hat es nichts genützt.
Deshalb versuche ich es noch mal. Bitte lest also diesen Beitrag, solange ihr noch Augen habt. Erneut erwarte ich für diese guten Tipps keinen Dank; eure geretteten Gliedmaßen sind mir Lohn genug, obwohl ich von ihrer Rettung nie erfahren werde.
Einen guten Rutsch also. Möge morgen früh noch alles an euch dran sein, und zwar an den richtigen Stellen.
Cheers!
Foto: anschlaege.de
Deshalb versuche ich es noch mal. Bitte lest also diesen Beitrag, solange ihr noch Augen habt. Erneut erwarte ich für diese guten Tipps keinen Dank; eure geretteten Gliedmaßen sind mir Lohn genug, obwohl ich von ihrer Rettung nie erfahren werde.
Einen guten Rutsch also. Möge morgen früh noch alles an euch dran sein, und zwar an den richtigen Stellen.
Cheers!
Foto: anschlaege.de
30 Dezember 2007
Kunde des Jahres
Obwohl ich von Berufs wegen mit neuen Alben überschüttet werde, kaufe ich noch immer viele Platten, vor allem im Internet. Neulich zum Beispiel beim US-Versender CD Baby.
Im Anschluss erhielt ich eine Kaufbestätigung per E-Mail. Und die erstaunte mich nicht wenig. Schon der Absendername („CD Baby loves Matthias“) schmeichelte mir, doch der Text selber steigerte sich dann noch mal erheblich.
Hier die übersetzte Mail:
Von: CD Baby loves Matthias
Betreff: Matthias - Your CD Baby Order! (#295755)
Datum: 22. Dezember 2007 22:43:00 MEZ
An: MattWagner__web.de
Matthias,
danke für Ihre Bestellung bei CD Baby!
Ihre CDs wurden mit sterilisierten und dekontaminierten Handschuhen zärtlich unserem Regal entnommen und auf ein Samtkissen drapiert. Ein Team von 50 Angestellten inspizierte Ihre CDs und polierte sie, damit sie in der denkbar besten Verfassung sind, bevor sie auf den Postweg gehen.
Unser japanischer Verpackungsspezialist entzündete eine Kerze, und das Pubikum verstummte ergriffen, als er die CDs in die beste goldverkleidete Schachtel legte, die man für Geld kaufen kann.
Danach hatten wir eine wunderbare Feier, und alle Teilnehmer zogen schließlich hinunter zum Postamt, wo sich die ganze Stadt Portland versammelt hatte, um Ihrem Päckchen ein „Bon voyage!“ hinterherzuwinken – auf seinem Weg zu Ihnen, wohin heute der CD-Baby-eigene Jet abhob.
Ich hoffe, es hat Ihnen viel Freude bereitet, bei CD Baby einzukaufen. Wir glauben es fest. Ihr Bild jedenfalls hängt an unserer Bürowand mit der Aufschrift „Kunde des Jahres“.
Jetzt sind wir alle erschöpft, können Ihre Rückkehr aber trotzdem kaum erwarten. Danke, danke, danke!
Seufz …
Derek Sivers, Präsident, CD Baby
Tja. Klingt schon anders als eine Standardmail von Ebay oder der Telekom. Der Kaufwert lag übrigens bei 26,96 Dollar.
Im Anschluss erhielt ich eine Kaufbestätigung per E-Mail. Und die erstaunte mich nicht wenig. Schon der Absendername („CD Baby loves Matthias“) schmeichelte mir, doch der Text selber steigerte sich dann noch mal erheblich.
Hier die übersetzte Mail:
Von: CD Baby loves Matthias
Betreff: Matthias - Your CD Baby Order! (#295755)
Datum: 22. Dezember 2007 22:43:00 MEZ
An: MattWagner__web.de
Matthias,
danke für Ihre Bestellung bei CD Baby!
Ihre CDs wurden mit sterilisierten und dekontaminierten Handschuhen zärtlich unserem Regal entnommen und auf ein Samtkissen drapiert. Ein Team von 50 Angestellten inspizierte Ihre CDs und polierte sie, damit sie in der denkbar besten Verfassung sind, bevor sie auf den Postweg gehen.
Unser japanischer Verpackungsspezialist entzündete eine Kerze, und das Pubikum verstummte ergriffen, als er die CDs in die beste goldverkleidete Schachtel legte, die man für Geld kaufen kann.
Danach hatten wir eine wunderbare Feier, und alle Teilnehmer zogen schließlich hinunter zum Postamt, wo sich die ganze Stadt Portland versammelt hatte, um Ihrem Päckchen ein „Bon voyage!“ hinterherzuwinken – auf seinem Weg zu Ihnen, wohin heute der CD-Baby-eigene Jet abhob.
Ich hoffe, es hat Ihnen viel Freude bereitet, bei CD Baby einzukaufen. Wir glauben es fest. Ihr Bild jedenfalls hängt an unserer Bürowand mit der Aufschrift „Kunde des Jahres“.
Jetzt sind wir alle erschöpft, können Ihre Rückkehr aber trotzdem kaum erwarten. Danke, danke, danke!
Seufz …
Derek Sivers, Präsident, CD Baby
Tja. Klingt schon anders als eine Standardmail von Ebay oder der Telekom. Der Kaufwert lag übrigens bei 26,96 Dollar.
Ein ganz und gar unutopischer Tag
Heute wagte ich nur einen einzigen Ausflug vor die Tür. Er reichte, um etwas sehr Unspektakuläres festzustellen: Auf St. Pauli geht alles seinen normalen Gang – und der regt mich auf.
Irgendjemand nämlich hat mir am Fahrrad mal wieder die Lampenleitung durchgeschnitten, bei Edeka ignoriert ein Merkbefreiter die Brötchenzange und wühlt mit bloßen Händen im Gebäck, von Fenstern und Balkonen bewerfen Scherzbolde die Passanten mit Knallfröschen, und auf dem Spielbudenplatz liegt unpassenderweise gestapelter Schnee herum.
Was also bleibt einem übrig, als sich zu Hause zu verkriechen, die Bude aufzuräumen und zwischendurch Aphorismen zu schmieden?
Zum Beispiel den hier:
Irgendjemand nämlich hat mir am Fahrrad mal wieder die Lampenleitung durchgeschnitten, bei Edeka ignoriert ein Merkbefreiter die Brötchenzange und wühlt mit bloßen Händen im Gebäck, von Fenstern und Balkonen bewerfen Scherzbolde die Passanten mit Knallfröschen, und auf dem Spielbudenplatz liegt unpassenderweise gestapelter Schnee herum.
Was also bleibt einem übrig, als sich zu Hause zu verkriechen, die Bude aufzuräumen und zwischendurch Aphorismen zu schmieden?
Zum Beispiel den hier:
Glorifizierung ist die nachträgliche Utopisierung der Vergangenheit; die Utopie hingegen glorifiziert vorauseilend die Zukunft.Klingt nicht unpassabel. Doch der tristen Kiezgegenwart aus durchgeschnittenen Drähten, Brötchenbetatschern und in Kniehöhe explodierenden Sprengkörpern nützt so ein Spruch rein gar nix.
29 Dezember 2007
Vor und in Umkleidekabinen
Wohl dank einer Geistesverwirrung habe ich mich heute in den postweihnachtlichen Einkaufswahn gestürzt.
Zur Strafe stand ich bei H&M in der beträchtlich langen Umkleideschlange. Vor mir hatte sich eine Armada von Frauen aufgereiht, obwohl wir uns in der Herrenabteilung befanden. Vermutlich waren die Schlangen in der Damenabteilung noch länger.
Andererseits taugte dieses in der Toilettensphäre häufig vorkommende Phänomen noch nie als Grund, einfach mal so aufs Herrenklo zu gehen; warum also war die Hemmschwelle geringer bei Umkleidekabinen?
All das aber ging mir in diesen zähen Minuten noch gar nicht durch den Kopf. Dafür sorgte erst eine H&M-Verkäuferin. „Mädels“, sprach sie vertraulich die vordere Hälfte der Schlange an, „das hier sind die Umkleidekabinen für Jungs.“
Betretenes Schweigen in der Damenarmada. Diese spürbare Betroffenheit hätte alle möglichen Chancen geboten. Man hätte die Schraube nur noch eine Vierteldrehung weiterdrehen müssen, und schon wären die Damen bestürzt gen richtige Etage geflohen.
Innerlich war ich längst auf der Seite der H&M-Verkäuferin und hoffte auf den entscheidenden Satz. Doch was sagte sie? Sie sagte: „Ich sag’s ja nur.“
Fatal! Die vor mir in der Schlange stehenden Damen nahmen das natürlich erleichtert als Freibrief. Sie reagierten wie ein Ochse, dem jemand ins Horn zwickt, nämlich gar nicht.
Somit verlängerte sich meine Schlangenverweildauer unnötig. Doch ich war viel zu feige höflich, um die Damen zur Schnecke zu machen. Genauso wie etwa eine Stunde später im Kaufhof, als eine Verkäuferin forsch den Vorhang der von mir belegten Kabine beiseite zog mit den Worten: „Oh, Entschuldigung, ich suche einen anderen Herrn!“
Grundsätzlich wäre das natürlich nicht schlimm gewesen, da ich just mal nicht im Slip vorm Spiegel stand. Doch leider war ich gerade dabei, Fotos anzufertigen, von denen eins der Bebilderung dieses Beitrags dient.
Wahrscheinlich hält mich die Kaufhoffrau jetzt für einen Perversen, der sich daran aufgeilt, in öffentlicher Heimlichkeit seinen Bauch zu knipsen. Ich versuchte eilends diesen Eindruck zu zerstreuen, indem ich genau die Hose kaufte, die sie mir empfohlen hatte.
Allerdings quält es mich nun nicht wenig, niemals erfahren zu können, ob diese Taktik auch gefruchtet hat.
Zur Strafe stand ich bei H&M in der beträchtlich langen Umkleideschlange. Vor mir hatte sich eine Armada von Frauen aufgereiht, obwohl wir uns in der Herrenabteilung befanden. Vermutlich waren die Schlangen in der Damenabteilung noch länger.
Andererseits taugte dieses in der Toilettensphäre häufig vorkommende Phänomen noch nie als Grund, einfach mal so aufs Herrenklo zu gehen; warum also war die Hemmschwelle geringer bei Umkleidekabinen?
All das aber ging mir in diesen zähen Minuten noch gar nicht durch den Kopf. Dafür sorgte erst eine H&M-Verkäuferin. „Mädels“, sprach sie vertraulich die vordere Hälfte der Schlange an, „das hier sind die Umkleidekabinen für Jungs.“
Betretenes Schweigen in der Damenarmada. Diese spürbare Betroffenheit hätte alle möglichen Chancen geboten. Man hätte die Schraube nur noch eine Vierteldrehung weiterdrehen müssen, und schon wären die Damen bestürzt gen richtige Etage geflohen.
Innerlich war ich längst auf der Seite der H&M-Verkäuferin und hoffte auf den entscheidenden Satz. Doch was sagte sie? Sie sagte: „Ich sag’s ja nur.“
Fatal! Die vor mir in der Schlange stehenden Damen nahmen das natürlich erleichtert als Freibrief. Sie reagierten wie ein Ochse, dem jemand ins Horn zwickt, nämlich gar nicht.
Somit verlängerte sich meine Schlangenverweildauer unnötig. Doch ich war viel zu
Grundsätzlich wäre das natürlich nicht schlimm gewesen, da ich just mal nicht im Slip vorm Spiegel stand. Doch leider war ich gerade dabei, Fotos anzufertigen, von denen eins der Bebilderung dieses Beitrags dient.
Wahrscheinlich hält mich die Kaufhoffrau jetzt für einen Perversen, der sich daran aufgeilt, in öffentlicher Heimlichkeit seinen Bauch zu knipsen. Ich versuchte eilends diesen Eindruck zu zerstreuen, indem ich genau die Hose kaufte, die sie mir empfohlen hatte.
Allerdings quält es mich nun nicht wenig, niemals erfahren zu können, ob diese Taktik auch gefruchtet hat.
28 Dezember 2007
Die Beinwurzsalbengewissensfrage
Ewig nicht mehr genutzte Badezimmer im elterlichen Haus bergen manch seltsamen Fund. Zumindest wenn man ewig nicht mehr genutzte Wandschränkchen öffnet.
Unvorbereitet stieß ich so auf eine Gugelhupfplatte mit Haube. Auch ein „Schokoladen-Fondue Schleckermäulchen“ (für vier bis sechs Erwachsene) geriet mir ins Blickfeld. Fasziniert betrachtete ich zudem ein Töpfchen mit der hochmerkwürdigen Inhaltsangabe „Beinwurzsalbe“. Und dann war da auch noch das „Universal-Anti-Beschlagmittel“ VAPEX.
Dessen Herstellerfirma sitzt laut Aufschrift in einer Stadt mit vierstelliger Postleitzahl – das nur zur Verdeutlichung, wie lange dieses Wandschränkchen bereits die bittere Last des Linksliegengelassenwerdens schultern muss.
Das Antibeschlagmittel jedenfalls hat – sofern es überhaupt noch über eine auftragbare Konsistenz verfügt (was ich NICHT überprüft habe!) – inzwischen wohl eher zementierende Grundeigenschaften.
Am vermutlich prähistorischsten aber war ein braunes Fläschchen mit einem Rest essigsaurer Tonerde. Die ausgebende Apotheke hatte ebenfalls ihre Adresse draufgedruckt und gab einen Landkreis an, der unter diesem Namen seit der hessischen Gebietsreform nicht mehr existiert. Und die war 1976.
Von den ganzen Sachen habe ich übrigens nichts weggeworfen, nicht mal die Beinwurzsalbe. Ohne Einzelfallprüfung gemeinsam mit den rechtmäßigen Eigentümern wäre das unethisch gewesen. Oder doch eher verantwortungsvoll?
Eine Gewissensfrage, die ich vor der Rückreise nach Hamburg nicht mehr zufriedenstellend beantworten konnte. Doch sie läuft ja nicht weg, diese Frage.
Garantiert nicht.
Unvorbereitet stieß ich so auf eine Gugelhupfplatte mit Haube. Auch ein „Schokoladen-Fondue Schleckermäulchen“ (für vier bis sechs Erwachsene) geriet mir ins Blickfeld. Fasziniert betrachtete ich zudem ein Töpfchen mit der hochmerkwürdigen Inhaltsangabe „Beinwurzsalbe“. Und dann war da auch noch das „Universal-Anti-Beschlagmittel“ VAPEX.
Dessen Herstellerfirma sitzt laut Aufschrift in einer Stadt mit vierstelliger Postleitzahl – das nur zur Verdeutlichung, wie lange dieses Wandschränkchen bereits die bittere Last des Linksliegengelassenwerdens schultern muss.
Das Antibeschlagmittel jedenfalls hat – sofern es überhaupt noch über eine auftragbare Konsistenz verfügt (was ich NICHT überprüft habe!) – inzwischen wohl eher zementierende Grundeigenschaften.
Am vermutlich prähistorischsten aber war ein braunes Fläschchen mit einem Rest essigsaurer Tonerde. Die ausgebende Apotheke hatte ebenfalls ihre Adresse draufgedruckt und gab einen Landkreis an, der unter diesem Namen seit der hessischen Gebietsreform nicht mehr existiert. Und die war 1976.
Von den ganzen Sachen habe ich übrigens nichts weggeworfen, nicht mal die Beinwurzsalbe. Ohne Einzelfallprüfung gemeinsam mit den rechtmäßigen Eigentümern wäre das unethisch gewesen. Oder doch eher verantwortungsvoll?
Eine Gewissensfrage, die ich vor der Rückreise nach Hamburg nicht mehr zufriedenstellend beantworten konnte. Doch sie läuft ja nicht weg, diese Frage.
Garantiert nicht.
26 Dezember 2007
Bumm, bumm, bumm
Wenn Herr Mehdorn den Lokführern schon nicht mehr bezahlen will, so sollte er ihnen zumindest Englischkurse finanzieren. Auf der ICE-Fahrt nach Hessen wurde uns diese Notwendigkeit mal wieder schmerzlich bewusst.
Als Lautsprecherdurchsage erlebten wir zum Beispiel ein „Ereiwel on dreck nammber twölf“. Lustiger war aber noch der ältere Herr, der plötzlich mit wichtiger Miene und Fahrkarte in der Hand vor meinem Sitz stand und fragte: „Sitzen Sie auf Nummer 26?“
Ich bejahte das. „Wie weit fahren Sie denn?“, schob er interessiert nach. „Bis Kassel.“ „Ah gut“, atmete er auf, „ich habe ab Kassel reserviert. Aber bleiben Sie ruhig sitzen.“
„Natürlich“, sagte ich. „Ich habe bis Kassel reserviert.“
„Wie gesagt, gar kein Problem“, sagte er, „bleiben Sie sitzen.“
Nun, das blieb ich auch. Trotz des Kindes schräg hinter mir. Zwischen Harburg und Göttingen sang es mit bedingungsloser Konsequenz, die man sich eigentlich nur als Überlebenstechnik in pakistanischer Einzelhaft aneignen kann, unablässig eine einzige Liedzeile.
Sie lautete: „Und die Trommel und die Trommel, sie macht bumm, bumm, bumm.“
Ich war nicht wenig erleichtert, als die Fahrt vorbei war und ich endlich einen einsamen Baum fotografieren konnte, der bedingungslos konsequent das Maul hielt.
25 Dezember 2007
Undank ist der Welt Lohn
Es kommt kein Auto, also will ich schnell über die Simon-von-Utrecht-Straße huschen, trotz der roten Fußgängerampel.
Doch in diesem Moment fährt gegenüber eine junge Mutter vor; ihr etwa dreijähriges Kind sitzt vorn im Fahrradkorb und schaut interessiert hinein in die Welt. Mama flüstert ihm etwas zu, wahrscheinlich vom Unterschied zwischen Rot und grün und Leben und Tod.
Jedenfalls fühle ich mich ausgebremst und bleibe ungeduldig stehen. Wer weiß, ob nicht das künftige Seelen- und Knochenheil dieses hoffnungsfrohen Menschleins von meiner Mitgestaltung dieser einen Minute abhängt; von mir und meinem guten Beispiel.
Jetzt wird die Ampel grün. Stolz schreite ich aus, bereit, die wärmende Dankbarkeit und Verehrung wenn auch nicht des Kindes, so doch seiner Mutter huldvoll entgegenzunehmen, und zwar mitten auf der Simon-von-Utrecht-Straße, genau dort, wo wir uns in diesem Augenblick begegnen.
Und genau das geschieht … nicht. Die stoffelige Tante schiebt ihr Rad samt Blag an mir vorbei, ohne mich auch nur anzusehen. Dabei habe ich ihrem Kind das Leben gerettet.
Gute Taten zählen halt nicht mehr im 21. Jahrhundert, nicht mal an Weihnachten. Na, dann ist ja eh alles egal.
Doch in diesem Moment fährt gegenüber eine junge Mutter vor; ihr etwa dreijähriges Kind sitzt vorn im Fahrradkorb und schaut interessiert hinein in die Welt. Mama flüstert ihm etwas zu, wahrscheinlich vom Unterschied zwischen Rot und grün und Leben und Tod.
Jedenfalls fühle ich mich ausgebremst und bleibe ungeduldig stehen. Wer weiß, ob nicht das künftige Seelen- und Knochenheil dieses hoffnungsfrohen Menschleins von meiner Mitgestaltung dieser einen Minute abhängt; von mir und meinem guten Beispiel.
Jetzt wird die Ampel grün. Stolz schreite ich aus, bereit, die wärmende Dankbarkeit und Verehrung wenn auch nicht des Kindes, so doch seiner Mutter huldvoll entgegenzunehmen, und zwar mitten auf der Simon-von-Utrecht-Straße, genau dort, wo wir uns in diesem Augenblick begegnen.
Und genau das geschieht … nicht. Die stoffelige Tante schiebt ihr Rad samt Blag an mir vorbei, ohne mich auch nur anzusehen. Dabei habe ich ihrem Kind das Leben gerettet.
Gute Taten zählen halt nicht mehr im 21. Jahrhundert, nicht mal an Weihnachten. Na, dann ist ja eh alles egal.
23 Dezember 2007
Roger Cicero rehabilitiert Blondinen
Beim Konzert von Roger Cicero im Mandarin Kasino, wo voluminöse Papierlampen über der Theke schweben, fällt mir eine frappierende Blondinenquote auf. Ob dick, ob dünn, ob kugeligklein oder Bohnenstange: Die meisten ciceroaffinen Frauen sind unglaublich blond.
Dabei legt der statistische Durchschnitt eigentlich eine erheblich niedrigere Anzahl nahe. Das widerlegt verspätet jene Flut an Witzen, die einst eine sich in Blondheit manifestierende genetische Beschränktheit nahelegte.
Damals zog man den gleichsam agrarischen Rückschluss, strohblond sei gleich strohdumm. Doch wer den cleveren Jazz von Cicero schätzt, das wird mir zwischen zwei Saxofonsoli klar, kann unmöglich ein Dummerchen sein.
(Edit für Ms. Columbo: Das bedeutet freilich keineswegs, dass jene, die Ciceros Jazz nicht schätzen, automatisch Dummerchen sind, selbst wenn sie braunes Haar haben. Nein, das bedeutet es nicht. Nein! Echt nicht!)
Dabei legt der statistische Durchschnitt eigentlich eine erheblich niedrigere Anzahl nahe. Das widerlegt verspätet jene Flut an Witzen, die einst eine sich in Blondheit manifestierende genetische Beschränktheit nahelegte.
Damals zog man den gleichsam agrarischen Rückschluss, strohblond sei gleich strohdumm. Doch wer den cleveren Jazz von Cicero schätzt, das wird mir zwischen zwei Saxofonsoli klar, kann unmöglich ein Dummerchen sein.
(Edit für Ms. Columbo: Das bedeutet freilich keineswegs, dass jene, die Ciceros Jazz nicht schätzen, automatisch Dummerchen sind, selbst wenn sie braunes Haar haben. Nein, das bedeutet es nicht. Nein! Echt nicht!)
22 Dezember 2007
Ich verstehe den Kapitalismus nicht mehr
Unablässig rieseln Informationen auf uns nieder. Wir ziehen daraus ständig unsere Schlüsse, ob bewusst oder unbewusst.
Neulich zum Beispiel erfuhr ich, die Post sei zurzeit bis zum Zusammenklapp überlastet, sie kumuliere daher vor lauter Erschöpfung die Sendungen und stelle sie nur noch alle zwei Tage gesammelt zu.
Unter anderem diese Meldung war es, die mich heute bewog, meine beiden Päckchen lieber bei Hermes abzugeben. Wenn die Post am Ende ist, so meine eigentlich logische Überlegung, muss das ja nicht automatisch auch für die Konkurrenz gelten; vielleicht schafft wenigstens die das übliche Tempo.
Doch just als ich durch die schneeüberzuckerte Seilerstraße (Foto) zum Hermesshop wollte, kam der Postbote und überreichte mir vor der Haustür ein Päckchen, worauf erstaunlicherweise ein … Hermeszettel pappte.
„Warum“, fragte ich baff den Postler, „überreichen Sie mir denn ein Hermespäckchen, wo Sie doch von der Post sind?“ „Ach“, sagte er, während er mir sein elektronisches Dingens zum Unterschreiben reichte (dessen blöder sarkastischer Stift mich zum viermaligen Autogrammgeben zwang), „wir helfen aus.“
Aha …? Die Post, obzwar bis zum Kumulierungszwang überlastet, hilft also bei Hermes aus, dem größten postunabhängigen Logistikdienstleister.
Sollte sie, die Post, diese abgezweigte Manpower nicht besser in den Abbau der eigenen Überlastung stecken? Wahrscheinlich muss sie doch nur deshalb ihre eigenen Sendungen tagelang kumulieren, weil sie auch noch die ganzen Hermespäckchen am Hals hat.
Ich informationsberieselter Rückschlusszieher dachte übrigens wirklich, die beiden seien Konkurrenten. Versteh einer den Kapitalismus.
Neulich zum Beispiel erfuhr ich, die Post sei zurzeit bis zum Zusammenklapp überlastet, sie kumuliere daher vor lauter Erschöpfung die Sendungen und stelle sie nur noch alle zwei Tage gesammelt zu.
Unter anderem diese Meldung war es, die mich heute bewog, meine beiden Päckchen lieber bei Hermes abzugeben. Wenn die Post am Ende ist, so meine eigentlich logische Überlegung, muss das ja nicht automatisch auch für die Konkurrenz gelten; vielleicht schafft wenigstens die das übliche Tempo.
Doch just als ich durch die schneeüberzuckerte Seilerstraße (Foto) zum Hermesshop wollte, kam der Postbote und überreichte mir vor der Haustür ein Päckchen, worauf erstaunlicherweise ein … Hermeszettel pappte.
„Warum“, fragte ich baff den Postler, „überreichen Sie mir denn ein Hermespäckchen, wo Sie doch von der Post sind?“ „Ach“, sagte er, während er mir sein elektronisches Dingens zum Unterschreiben reichte (dessen blöder sarkastischer Stift mich zum viermaligen Autogrammgeben zwang), „wir helfen aus.“
Aha …? Die Post, obzwar bis zum Kumulierungszwang überlastet, hilft also bei Hermes aus, dem größten postunabhängigen Logistikdienstleister.
Sollte sie, die Post, diese abgezweigte Manpower nicht besser in den Abbau der eigenen Überlastung stecken? Wahrscheinlich muss sie doch nur deshalb ihre eigenen Sendungen tagelang kumulieren, weil sie auch noch die ganzen Hermespäckchen am Hals hat.
Ich informationsberieselter Rückschlusszieher dachte übrigens wirklich, die beiden seien Konkurrenten. Versteh einer den Kapitalismus.
Endlich haben wir auch mal Glück (2)
Von: MattWagner@xxx.xx
Betreff: Unglaublich - schon wieder eine Kreuzfahrt!
Datum: 17. Dezember 2007 22:45:17 MEZ
An: info@planet49.com
Liebe Leute von Planet49,
es ist wirklich geradezu unfassbar, aber ich habe schon wieder eine Kreuzfahrt von Ihnen gewonnen! Bereits am 9. Dezember ereilte mich dieses Wahnsinnsglück und ich sandte Ihnen daraufhin eine Mail, in der ich Sie um Klärung aller Modalitäten bat (Außenkabine: wichtig!!).
Leider erhielt ich bisher noch keine Antwort von Ihnen; wahrscheinlich der Vorweihnachtsstress, das ist verständlich. Doch wie sich nun herausstellt, ist das gar nicht so schlimm, denn jetzt können wir einfach beide Reisen auf einmal festklopfen!
Wir würden am liebsten ein paar Freunde mitnehmen. Die Reise ist doch gewiss übertragbar, und sicherlich ist es möglich, in Nachbarkabinen untergebracht zu werden, oder?
Wie auch immer: Bitte melden Sie sich bald. Wir müssen generell möglichst früh im Jahr die Urlaubsplanungen mit unseren Redaktionen abstimmen, da hülfe eine baldige Terminierung der beiden Kreuzfahrten immens.
Mit hellauf begeisterten Grüßen
Matthias Wagner, Hamburg
Von: info@planet49.com
Betreff: Re: [Ticket#20071218100044XX] Unglaublich - schon [...]
Datum: 18. Dezember 2007 17:58:35 MEZ
An: MattWagner@xxx.xx
Sehr geehrte Kundin,
sehr geehrter Kunde,
vielen Dank für Ihre Nachricht!
Wir sind bemüht Ihre Anfrage schnellstmöglich zu bearbeiten.
Eine Bearbeitungs-Nummer zur Verfolgung Ihrer Anfrage wurde generiert, sie lautet:
20071218100044XX
Bitte nutzen Sie bei Rückfragen immer die "Antwort-Funktion" Ihres Mailprogramms, um eine eindeutige Zuordnung im System zu gewährleisten.
Mit freundlichen Grüssen
Ihr Planet49 Service Team
19 Dezember 2007
Dinge zwischen Himmel und Erde
Auf die neue SIM-Karte soll demnächst meine gewohnte Handynummer portiert werden. Die Karte habe ich im alten Telefon deponiert; so weiß ich immer, wo sie ist.
Kein Mensch kennt die Nummer dieser neuen SIM-Karte. Trotzdem klingelte heute das Telefon. Dreimal. Als ich rangehen wollte, hörte es auf.
Ich sah mir die Nummer im Speicher an. Hamburger Vorwahl, aber unbekannt. Bang wählte ich sie. Besetzt. Zehn Minuten später versuchte ich es erneut. Immer noch besetzt.
Wer kennt die Nummer meiner neuen SIM-Karte, die selbst ich nicht auswendig weiß? Und woher?
Diese Frage beschäftigte mich noch immer, als ich wenig später die Simon-von-Utrecht-Straße entlangging. Als ich an der Hausnummer 21 (Foto) vorbeikam, summte plötzlich der Türöffner.
Doch niemand hatte geklingelt, kein Mensch stand vorm Haus. Nur ich ging gerade vorbei.
Schon sehr komisch, diese Weihnachtszeit.
Kein Mensch kennt die Nummer dieser neuen SIM-Karte. Trotzdem klingelte heute das Telefon. Dreimal. Als ich rangehen wollte, hörte es auf.
Ich sah mir die Nummer im Speicher an. Hamburger Vorwahl, aber unbekannt. Bang wählte ich sie. Besetzt. Zehn Minuten später versuchte ich es erneut. Immer noch besetzt.
Wer kennt die Nummer meiner neuen SIM-Karte, die selbst ich nicht auswendig weiß? Und woher?
Diese Frage beschäftigte mich noch immer, als ich wenig später die Simon-von-Utrecht-Straße entlangging. Als ich an der Hausnummer 21 (Foto) vorbeikam, summte plötzlich der Türöffner.
Doch niemand hatte geklingelt, kein Mensch stand vorm Haus. Nur ich ging gerade vorbei.
Schon sehr komisch, diese Weihnachtszeit.
17 Dezember 2007
Warum nicht amputieren?
Kaum fantasiere ich davon, die Kiezpolizei gesetzeskonform zu entwaffnen, fällt für zwei Tage mein Server aus. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Jedenfalls herrscht um uns herum seit neuestem Waffenverbot. Wer künftig friedlich auf der Reeperbahn Baseball spielen will, bekommt den Schläger abgenommen und 200 Euro Strafe aufgebrummt. Ebenso ergeht es jenen, die ihren Apfel mit einem Taschenmesser schälen oder die Taubenpest per Pistole oder Pfefferspray eindämmen wollen.
Etwas Entscheidendes aber ist weiterhin erlaubt: die lockeren Fäuste der testosteronprallen „Was guckst du?“-Hirnis. Eine temporäre Amputation vorm Kiezbesuch sollte obligatorisch werden; kann man ja alles im Morgengrauen wieder annähen, schließlich haben wir eine Uniklinik.
Doch Spaß beiseite: Das Waffenverbot ist toll. Niemand kann mir plausibel erklären, wozu er Knarren, Prügel oder K.O-Spray braucht, wenn er doch nur zum Picheln und Pimpern herkommt. Das geht auch ohne, meine Damen und Herren!
Zumindest nehme ich das an.
Jedenfalls herrscht um uns herum seit neuestem Waffenverbot. Wer künftig friedlich auf der Reeperbahn Baseball spielen will, bekommt den Schläger abgenommen und 200 Euro Strafe aufgebrummt. Ebenso ergeht es jenen, die ihren Apfel mit einem Taschenmesser schälen oder die Taubenpest per Pistole oder Pfefferspray eindämmen wollen.
Etwas Entscheidendes aber ist weiterhin erlaubt: die lockeren Fäuste der testosteronprallen „Was guckst du?“-Hirnis. Eine temporäre Amputation vorm Kiezbesuch sollte obligatorisch werden; kann man ja alles im Morgengrauen wieder annähen, schließlich haben wir eine Uniklinik.
Doch Spaß beiseite: Das Waffenverbot ist toll. Niemand kann mir plausibel erklären, wozu er Knarren, Prügel oder K.O-Spray braucht, wenn er doch nur zum Picheln und Pimpern herkommt. Das geht auch ohne, meine Damen und Herren!
Zumindest nehme ich das an.
15 Dezember 2007
Das Waffenverbot wird ignoriert
Auf dem Weg zum Einkauf gerate ich am Schulterblatt in kleinere Scharmützel zwischen Polizei und versprengten Demonstranten.
Ich weiß nicht genau, wie sie provoziert wurde, doch in Rage ist die Ordnungsmacht nicht gerade. Lustlos traben die staatlich Vermummten ein bisschen hinter den privat Vermummten her, stoppen dann ab und schlurfen wieder zurück zur Phalanx der Kollegen. Alles nur Spielereien, Finten, Rituale. „Samstags frei für die Polizei!“, höhnen die Gejagten den Jägern lachend hinterher.
Im Demozug hält einer einen Papppfeil mit der Aufschrift „Sehr verdächtig!“ einem Polizisten an die Schulter und geht konsequent hinter ihm her. Der erträgt das mit allenfalls innerem Groll. Auf der Budapester Straße sitzt ein Demonstrant und stützt sich mit blanken Händen auf den eisigen Asphalt – gegen Schäuble, gegen den Überwachungsstaat.
Um ihn herum stehen unzählige Polizisten, hochgerüstet, gepanzert, vollausgestattet. Sie haben wohl einfach noch nichts gehört vom neuen Waffenverbot auf dem Kiez.
Es scheint mir allerdings nicht der richtige Zeitpunkt, sie darauf hinzuweisen.
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