30 Juni 2011

Die Zwiespältigkeit von Sattelmützen



Wie Sie bereits wissen, stehe ich Menschen, die mich mit Reklame behelligen, reserviert gegenüber. Neuerdings mache ich allerdings eine Ausnahme: bei Sattelbezügen.

Mit durchaus nicht nur klammheimlicher Freude fand ich vor einigen Wochen meinen Fahrradsitz mit einer Blau.de-Mütze überzogen vor. Gegenüber meiner üblichen Methode – mit Jackenärmeln trockenwischen – schien mir das einfache Abziehen eines durchnässten Bezugs ein deutlicher Fortschritt.

Unschön blieb dennoch die Tatsache, für ein Unternehmen zu werben, welches ich mal im Streit verlassen hatte – übrigens wegen Werbe-SMS, die es mir monatlich aufs Handy schickte, was ich nach einigen unschönen Telefonaten mit einer Kündigung sanktionierte.

Egal: Meine Blau.de-Sattelmützenbiografie war eh schon nach dem ersten richtigen Regenguss wieder am Ende. Ich hatte den triefenden Schutz abgezogen und ihn, wie ich glaubte, recht sicher unter den Gepäckträger geklemmt. Doch als ich zu Hause ankam, war er verschwunden. Wo bist du, kleiner Blau.de-Sattelbezug?

Meine Trauer um dieses so nützliche Accessoire war wie weggeblasen, als vergangene Woche sämtliche Fahrradsättel der Seilerstraße in leuchtendem Rot erstrahlten, darunter auch meiner. Es handelte sich um einen weiteren Bezug für lau, den arme Lohnsklaven anscheinend in nächtlicher Friemelarbeit hundertfach übergezogen hatten. (Jetzt können sie problemlos nach Uganda gehen und dort der ländlichen Bevölkerung die Handhabung von Kondomen vorführen, ich schwör.)

Eine feine Sache, das neue Teil, doch am beworbenen Produkt habe ich seither schwer zu schlucken. Ich, der ich mir gerade sämtliche Terrence-Malick-Filme auf DVD zugelegt habe, fahre nun also Werbung für den neuen „Werner“-Film. Für Bölkstoff statt Filmkunst.

Das ist außergewöhnlich unschön, lässt sich durch ein Umdrehen des Bezugs aber halbwegs kaschieren. Der Schriftzug schimmert trotzdem noch durch, wenigstens spiegelverkehrt. Allerdings protestiert das Ding, welches sich in seiner Reklamefunktion offenbar beeinträchtigt sieht, gegen diese Behandlung, indem es an den Nähten hämisch auszufransen beginnt. Irgendwas ist halt immer.

Hiermit fordere ich daher die Werbeindustrie auf, Fahrräder auf St. Pauli grundsätzlich nur mit Sattelmützen in neutralen Farben und ohne jegliche Aufschrift zu versehen, gerne auch nächtens von Lohnsklaven, so tolerant muss man schon sein.

Mit Hilfe sozialer Netzwerke (Stichwort: virale Werbung) könnte dann ja das so beworbene Objekt enttarnt werden, vielleicht sogar in Form einer Schnitzeljagd oder ähnlichem Kinderkram, und ich wäre natürlich auch bereit, es hier an dieser Stelle zu nennen. Einmal, ganz kurz.

Übrigens pressiert es ein wenig. Die „Werner“-Mütze franst wirklich ziemlich stark.


16 Kommentare:

  1. Cinema_Noir30.06.11, 06:19

    Ich kann mich irgendwie nicht gegen das Bild von Kondomen in den Ausmaßen von Sattelbezügen wehren!

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  2. Ich rede ja auch von Afrika, Verehrtester … ;)

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  3. Cinema_Noir30.06.11, 10:39

    Erwähnte ich schon das mein Urgroßvater Afrikaner war?

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  4. Cinema_Noir30.06.11, 10:42

    Korrigiere: Ururgroßvater

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  5. Wer das Gute will genießen, den darf das schlechte nicht verdrießen. Ein alter Spruch meiner lieben Großmutter und doch immer wieder so treffend. Also nehmen sie es wie ein Mann und stellen sie sich Ihrem Geiz, werter Matt. Kostenlos ist halt niemals umsonst.

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  6. Wer bin ich, Ihrer Oma zu widersprechen?

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  7. Sind denn die Geschlechtsteile in Uganda passenderweise auch sattelförmig?

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  8. Das können Sie die Lohnsklaven nach ihrem Auslandseinsatz gerne fragen.

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  9. Also, ich glaube, hier wird die Sattelmütze mit der Nahkampfmütze verwechselt. Und das auf St. Pauli!

    Und wäre das Ding tatsächlich ein Dom, dann passten da ja die Glocken auch noch rein - ganz schön praktisch, bei dem Wetter ...

    Aber Radfahren tu' ich kleines Würstchen eine Zeitlang nicht mehr, die Assoziation krieg ich so schnell nicht mehr aus dem Kopf ... Sattel ... Uganda ...

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  10. Das habe ich alles nicht gewollt.

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  11. Ich frage mich gerade wie sie denn den Reklameträger eines einfarbigen Saattelkondoms ausmachen wollen. Die Post und Yellowstrom könnten sich da glatt zusammentun. Aber dem trockenen Radlerpo ist das ja eigentlich egal.

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  12. Ach, wissen Sie, das lasse ich ganz deren Sorge sein.

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  13. Ich habe beim Aussortieren in meinem Schrank einen Radio Energy Sattelbezug gefunden, den ich selber mal von einem Fahrrad gemopst habe. Die Retourkutsche folgte am nächsten Tag, als mein Fahrrad weg war.
    Im Tausch gegen Irgendwas biete ich nun diesen ergaunerten Sattelbezug an.
    Warum? Weil ich derbe übermüdet bin.

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  14. Nö, das wäre mir zu nah an der Hehlerei. Es sei denn, ich hätte selbst etwas Gemopstes anzubieten, was aber nicht der Fall ist.

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