24 August 2010

„Nehmt Geld dafür!“



Trotz des Katastrophensommers mit ausgefallenen ICE-Klimaanlagen, missglückten Abschleppversuchen und allgemeiner Unzufriedenheit fühlt die Bahn sich bereits wieder stark, selbstbewusst und öffentlich-rechtlich genug, um ihre Kunden zu düpieren – Durchsage am Wochenende auf der Fahrt von Kiel nach Hamburg:

„Wir bedanken uns bei den Fahrgästen, die sich im Türbereich aufgehalten haben; dadurch haben wir jetzt eine Verspätung von sechs Minuten.“

Auch auf der Reeperbahn (Foto) geht es natürlich manchmal sarkastisch zu, aber noch häufiger pragmatisch:

„Lasst euch nicht ansprechen“, hörte ich unlängst einen verdienten Kiezianer einem Passantenpaar hinterherrufen, „und wenn doch, dann nehmt Geld dafür!“

Hach, schon schön, wieder zu Hause zu sein.

11 Kommentare:

  1. Danny Wilde24.08.10, 09:34

    Auch wenn ich eigentlich Bahnbashing immer ganz lustig finde, geht diese Durchsage für mich vollkommen in Ordnung. Gerade ein Unternehmen, dem so viel Sch... passiert, sollte mal drauf hinweisen dürfen, dass es nicht an ALLEM schuld ist. So wissen wenigstens die Mitreisenden Bescheid, und die Türdeppen selbst.

    Denn schon an den nächsten Bahnhöfen werden sich die Zusteigenden über die Verspätung ärgern. Und wem werden sie die Schuld geben? Genau.

    Deswegen war ich auch moralisch ganz bei dem KVB-Fahrer, der einer ihn wüst beschimpfenden Dame, der er gerade vor der Nase wegfuhr, über Außenlautsprecher mitteilte: "Es tut mir leid, aber der Hurensohn hat einen Fahplan einzuhalten."

    Verhinderte Passagiere, denen der Bus oder die Bahn vor der Nase wegfährt, verkennen nämlich nur allzu gern, wer hier wirklich einen Fehler gemacht hat. Deutsche Anspruchsdenke halt.

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  2. Das ist überhaupt mal ein glorreiches Geschäftsmodell. Geld für jedes Ansprechen nehmen. Jeder Koberer, jede Prostituierte sollte mir Geld dafür zahlen müssen, mich zwecks Geschäftsanbahnung anzusprechen. Quasi die Abmahnung in der persönlichen Kommunikation.

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  3. Danny Wilde24.08.10, 10:09

    Weiß einer wie das theoretisch rechtlich ist, wenn man ein T-Shirt trägt, auf dem ganz klar steht, dass man Geld dafür verlangt, angesprochen zu werden? Könnte man sowas erfolgreich einklagen, Beweisbarkeit des Ansprechens der Einfachheit halber mal vorausgesetzt?

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  4. @Danny:

    Das dürfte in etwa die gleiche rechtliche Verbindlichkeit haben wie wenn man "Fritz ist doof" mit Kreide an die Wand kritzelt.

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  5. Sie meinen, werter Anonym, das Tragen eines solchen T-Shirts fiele gleichzeitig unter § 303 StGB Sachbeschädigung als auch unter § 185 StGB Beleidigung?

    Krass.

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  6. @ German Psycho:

    Weder noch. § 303 (1) StGB fällt aus, weil durch das Beschreiben einer Wand diese nicht beschädigt oder zerstört wird. § 303 (2) StGB fällt ebenfalls aus, weil durch das Beschreiben mit KREIDE die Wand weder erheblich noch dauerhaft verändert wird. Der nächste Regen wäschts ab und fertig. Bei Sprühfarbe würde es anders aussehen.

    Eine Beleidigung nach § 185 StGB herzuleiten scheitert schon an der Bestimmheit. Es ist nicht eine bestimmte Personengruppe oder eine genau bestimmte Person genannt. Der vermeintlich Beleidigte müsste schon geltend machen können, dass wirklich er gemeint ist. Dazu müsste mindestens noch der Nachname genannt sein. Allenfalls könnte die beleidigte Person geltend machen, dass der Ausspruch in seiner Anwesenheit an die Wand gekritztelt wurde. Dies gibt der Sachverhalt aber nicht her. Insofern kann vom Tatbestand der Beleidigung nicht gesprochen werden.

    Ich subsumiere: Keine rechtliche Auswirkung hinsichtlich Sachbeschädigung und Beleidigung. Eigentlich gar keine rechtliche Auswirkung. Ebenso wie das Tragen eines -ähem- interessanten T-Shirts mit der Aufschrift "Wer mich anquatscht zahlt 100 EUR".

    Also vielleicht doch nicht so krass?

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  7. Brillante Herleitung. Man merkt, dass Sie mal Jura studiert haben. Respekt!

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  8. Apropos merkwürdige Geschäftsmodelle: ich wurde vorhin beim Eingang zur U2 am Hbf von zwei Gestalten angesprochen. Der erste begrüßte mich mit den Worten: "Schon wieder jemand der schlechte Laune hat." Der zweite versuchte diesen Pitch zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen indem er mir an den Arm fasste und fragte ob ich nicht 20 Cent über hätte. Da ich die Taktik "Erst blöd anquatschen und dann 'Money for nothing' fordernd blöd angrapschen" eher fragwürdig fand ging ich etwas wie "Nööh, sorry" murmelnd zügig weiter.

    P.S. Ich hatte übrigens wirklich schlechte Laune, da sich mein persönlicher Abschlussfilm des Fantasy Filmfest als absolute Stinkbombe herausgestellt hatte. Aber auch bessergelaunt hätte ich den beiden aufdringlichen Herren wahrscheinlich eine Absage erteilt.

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  9. Ich bekomme immer sofort schlechte Laune, sobald mich irgendjemand Dahergelaufenes am Arm fasst; in Ihrem Fall wäre das dann eine selbsterfüllende Prophezeihung – und hielte mich selbst bei vorheriger Geneigtheit zuverlässig vom Spenden ab.

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  10. @ Matt:

    Jura studiert? Nicht mal einen Gedanken daran verschwendet. Ich bevorzuge es jedoch, Rechtsnormen vor dem Zitieren auch zu lesen. Das verschafft einem in der Regel einen Vorteil.

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