10 Februar 2009

Der düpierte Sternmull

Esstechnisch gehören meine Begleiter – der Franke und der Syrer – zu den bizarrsten Lebewesen, die je diesen Erdball bevölkerten.

Der Franke ist, wie geplagte Leser dieses Blogs seit langem wissen, einer der schnellsten Vertilger im Weltall, allenfalls noch überboten vom Sternmull.

Für den Syrer hingegen sind 99 Prozent aller weltweit zur Verfügung stehenden Lebensmittel völlig ungeeignet. Entweder ist er allergisch dagegen, oder er mag sie nicht.

Als fatale Erschwernis negiert er auch noch sein Wesen als Raubtier und besteht auf pflanzlicher Kost. Aber hat man je von einem Vegetarier gehört, der weder Rohkost noch Tofu verknusen kann …? Ich hoffe, das verdeutlicht die Lage, mit der ich mich alltäglich beim Lunch konfrontiert sehe.

Beim Franken kommt zum Essrasertum noch eine spezielle Eigenart hinzu: Mengenmäßig gibt es für ihn praktisch keine Deckelung. Wenn in den Hamburger Hafen die komplette Stadt Köln passt, dann passt in seinen Magen der komplette Hamburger Hafen – und zusätzlich der Rotterdamer.

Diese Nährstoffvernichtungsmaschinerie auf zwei Beinen bewegt sich auf einer nach oben offenen Frankenskala, die nur für ihn erfunden wurde. Daran mag es auch liegen, dass er heute bei Holli und Toddi (Foto: Bertucio/Qype) meine Anregung, doch die offerierten Hühnerbeinchen zu präferieren, mit den Worten zurückwies: „Das ,chen’ schreckt mich ab.“

Jede Verniedlichung wertet er eben als Gefahr kommenden Unterversorgtseins und daher als Affront. Schließlich entscheidet er sich für Kasseler mit Püree und Sauerkraut – was er schneller aufsaugt, als ein Sternmull „Hmpf“ machen kann.

Mein Essen hingegen glänzt mit unvereinbaren Komponenten. Spinat mit Spiegelei, Kartoffeln und Fischstäbchen – wer denkt sich so etwas aus? Für den Syrer indes schnurrt alles auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zusammen, einen mit Rauke belegten Flammkuchen. Allerdings ist da auch Quark drauf, und morgen feiert er mit Sicherheit krank.

Manchmal – und nicht nur im Darwinjahr – frage ich mich schon, wie der Mensch derart passabel evolvieren konnte.



Uns geht’s gut, aber so was von

Im Gemüseladen meines bedingungslosen Vertrauens in der Paul-Roosen-Straße (Foto) herrscht mal wieder Bombenstimmung.

Während ich in der Schlange warte und versonnen den Blick schweifen lasse von Kräutersaitlingen über sizilianische Kirschtomaten bis hin zum Biosauerkrauteimer, entspinnt sich vor mir ein Dialog, der meine Aufmerksamkeit schlagartig vom Obst und Gemüse abzieht.

Kundin: Wie geht es euch eigentlich?
Gemüsehändler: Uns geht's gut.
Kundin: Find ich gut.
Gemüsehändler: Find ich auch gut! (lacht schallend über seinen großartigen Witz) Und wie geht es dir?
Kundin: Mir geht es auch gut.
Gemüsehändler: Sehr gut!
Kundin
(ernst): Finde ich auch.

Hier auf St. Pauli sind wir eben alle eine große kuschelige Familie – und substituieren Substanz manchmal durch brutalstmögliche Herzlichkeit.

Jetzt bitte zwei Bund Rauke und 160 Gramm Feldsalat.
Dann geht’s mir auch gut, aber so was von.

08 Februar 2009

Leder, Lack und Labradudel



Ein sehr lehrreiches Wochenende. Ich erfuhr zunächst von einem mir bisher unbekannten Hundemix namens Labradudel (Labrador vs. Pudel).

Später überraschte ich mich selbst, indem es mir in einer Diskussion mit Ms. Columbo gelang, unversehens meine aktuelle politische Grundorientierung herauszuarbeiten.


Ich bin nämlich, wie sich herausstellte, ein undogmatischer linksliberal-skeptischer Ökohedonist.

Insofern betrachte ich den Lacklederanzug mit Gasmaske im Schaufenster der Boutique Bizarre auf der Reeperbahn mit nachsichtiger Neugierde. Selbst wenn ich der Funktion des Schlauches, der von einer zweiten Gasmaske ausgehend im Schritt des Ledermanns verschwindet, noch immer nicht ganz auf die Schliche gekommen bin.

Irgendwer wird’s mir aber bestimmt erklären können. Fetischisten, wo seid ihr?



06 Februar 2009

Der Euro ist uns zu neumodisch



In Hohenschönhausen im Osten Berlins hat man die Währungsumstellung noch nicht mitbekommen.

Wahrscheinlich war ihnen das einfach zu viel, zum zweiten Mal nach 89 mit so ’nem Quatsch konfrontiert zu werden.

Andererseits: „Centwelt“ klänge echt dämlich.



05 Februar 2009

Galgenhumor bei der Bahn

Wie man weiß, hat die Deutsche Bahn mindestens 173 000 Mitarbeiter samt Angehörige überwachen lassen. Wahrscheinlich waren es sogar alle, also ungefähr eine Viertelmillion.

Somit auch die Zugbegleiterin, die heute auf der Fahrt nach Berlin meine Fahrkarte kontrollierte. Die gute Frau war darob bester Stimmung, und es entspann sich folgender Dialog.

Zugbegleiterin: „So, Herr … (mustert meine Bahncard) … Wagner, dann wollen wir das mal alles überprüfen.“
Matt: „Tja, muss wohl sein.“
Zugbegleiterin (süffisant): „Sie werden jetzt komplett durchleuchtet.“
Matt
(schlagfertig): „Und dann gehen die Daten direkt an Schäuble, nicht wahr?“
Zugbegleiterin: „Genau. Und alles wird zehn Jahre lang gespeichert.“
Matt: „Angemessen.“
Zugbegleiterin: „Ja, dann wissen wir immer, wo Sie hingefahren sind.“

Wie man sieht, hat sich Bahnboss Mehdorns Stasimaßnahme enorm motivierend auf seine Schäfchen ausgewirkt.

Und ich muss sagen: Sarkasmus passt perfekt zu blauen Uniformen.



No go area



Gleich das erste Tragen meines „THERE'S PROBABLY NO GOD“
-Hemdchens ist ein großer Erfolg.

Nicht nur, dass man darin tadellos trainieren kann; später im Duschraum spricht mich auch noch ein Mann darauf an.

Er sagt mit dem offenen, herzlichen Lächeln des Co-Agnostikers: „Cooles T-Shirt“. Dabei bin ich splitternackt – tja, das Wunder des menschlichen Erinnerungsvermögens.

Die Schrift auf dem Hemd zieht sich übrigens derart breit über die Brust, dass man bei einer bestimmten ungünstigen Körper- und Armhaltung einen ganz anderen Slogan erzeugt, nämlich:

„HERE'S PROBABLY NO GO“.

Vielleicht hat Gott diese textile Blasphemie deshalb nicht verhindert: Weil er Humor hat.


03 Februar 2009

Die verpasste Engtanzchance



Wir sind in der Fabrik beim Konzert der Poplegende 10cc. Natürlich warte ich den ganzen Abend auf „I’m not in Love“, um Ms. Columbo mit einem spontanen Engtanzwunsch überfallen zu können.

Doch zunächst einmal muss ich „für kleine Königstiger“, wie Mark seit Jahren im Bedarfsfall zu sagen pflegt; auch heute sagt er es wieder, und warum auch nicht.

Als ich die Örtlichkeit betrete, steht am Pissoir ein gepflegter Glatzkopf mit (schätzungsweise) Kaschmirmantel und -schal. Er parliert auf italiano. In der rechten Hand hält er sein Handy, in der linken … nun ja … etwas anderes.

Wie Leser dieses Blogs wissen, ist mein Ort auf dem Örtchen stets die Kabine, und als ich sie wieder verlasse, hat sich an der Szenerie nichts geändert. Maestro spricht und pieselt parallel; bei ihm handelt es sich wohl um einen großen Königstiger.

Ich begebe mich zurück zu Ms. Columbo und warte auf „I’m not in Love“. Wenig später taucht auch Signore wieder auf. Er telefoniert immer noch. Irgendetwas sagt mir, dass er sein Gespräch seit unserer ersten Begegnung nicht unterbrochen hat, mit allen Konsequenzen für seine Körperhygiene.

10cc haben inzwischen „Art for Art’s sake“ genauso gespielt wie „Dreadlock Holiday“, doch „I’m not in Love“ noch immer nicht. Ms. Columbo sagt: „Ich hol mir mal ein Wasser.“

Kaum ist sie weg, spielen 10cc „I’m not in Love“.

Das Stück ist von 1975. Da sieht man, wie lange ich eventuell auf die nächste Engtanzchance warten muss.

Kleidung auf Abwegen



Als ich gerade ein an die Wand getackertes Promo-T-Shirt in der Prinzenbar anschaue, löst sich die Befestigung am linken Ärmel und das Hemd sackt weg.

Ein merkwürdiges Gefühl: unmittelbarer Zeuge des Zufalls zu sein.

Am nächsten Tag mustere ich auch die beiden Turnschuhpaare an der Straßenlampe in der Detlev-Bremer-Straße mit dem bewährten Prinzenbarblick, doch sie bleiben eisern hängen.

Und ich weiß nicht mal, wie sie dort hingekommen sind.



02 Februar 2009

Kunst am Wau



In unserem von vielen Attraktionen geprägten Viertel stoßen wir auch immer wieder auf interessante Skulpturen, die Gehwege oder Einfahrten verschönern und den Blick wohlwollend verweilen lassen. Zum Beispiel im Schmidt-Rottluff-Weg.

Bei der Konzeption dieser Werke hat sich der Künstler deutlich an einer bestimmten Naturästhetik orientiert: der von Hundehaufen. Eine kongeniale Herangehensweise, die man als Hommage an ein prägendes Kiezdetail ebenso deuten kann wie als sublime Forderung nach mehr Toleranz gegenüber Hundehaltern.

Denn liegt nicht wirklich eine gewisse Schönheit in der kühnen Spiraligkeit von Hundekacke? Reagieren wir nicht oftmals viel zu ungehalten gegenüber diesem biologisch komplett abbaubaren Straßenschmuck?

Und zerstören wir diese kleinen, in vielerlei Braunschattierungen schimmernden Fäzespyramiden nicht häufig unbedacht blinden, groben Schrittes?

Ja, hinterher fluchen wir, wenn wir die Ritzen unserer Sohlen mit der Zahnbürste säubern müssen, doch hätten wir nicht lange vorher viel sensibler, bewusster, achtsamer das Viertel durchwandern müssen, mit mehr Gespür für die Schönheit des von Canis lupus familiaris in aufopferungsvoller Unermüdlichkeit kunstvoll geformten Verdauungsbreis?

Skulpturen wie diese lassen uns jedenfalls innehalten. Und das mache ich jetzt auch für den Rest der Nacht.

01 Februar 2009

Nichts klappt

Bevor mir Freitagnacht die Lichterwand auf dem Spielbudenplatz heimleuchtete, war ich in der Kiezspelunke Windjammer, wo ich schon nmal mächtig ausgenommen wurde.

Gegen halb 3 umarmte mich dort ein Mann unter übriggebliebenen Silvestergirlanden und machte mir einen Heiratsantrag.

Mehrerlei sprach jedoch dagegen, ihn anzunehmen: Ich bin bereits aktenkundig liiert, und der Mann war sturzbesoffen.

Samstagabend erfuhr ich via Twitter leider zu spät von einem Flashmob: nach der letzten gezogenen Lottozahl auf den Balkon gehen und laut schreien. Habe aber auch draußen nix gehört.

Bin gespannt, ob an diesem Wochenende auch noch irgendetwas klappt.

29 Januar 2009

Ciao, Edi (2)

Seinen letzten Kommentar hat er vor fünf Tagen hier abgegeben. Hätte ich die Hoffnung, ihn je wiederzusehen, würde ich sagen: Ich freue mich auf dich, Edi.

Wer mag, kann hier kondolieren.

Ich lese jetzt noch mal die Geschichte von der Opaverschwörung, die indirekt schuld daran war, dass er Hamburg verließ und zu seiner Familie nach Kempten zog.

So traurig ich das damals fand: Es war gut so. Der Nuttenturm auf der Reeperbahn wäre einfach nicht der richtige Ort gewesen zum Sterben.



Der rührende Fall des Benjamin Button

Die leicht futuristische Wippschaukel im Brauquartier erinnert mich jedes mal an ein Hündchen, das den Mond anschmachtet.

Und genauso saß ich neulich im Kino, als ich mir „Der seltsame Fall des Benjamin Button“ angeschaut habe.

Meine Herren! Das ist mal ein Film, der sogar mir – einem abgebrühten, hartherzigen, zynischen, sarkastischen Allesschongesehenhaber – dahin ging, wo andere Menschen das Herz haben.

Und danach habe ich sogar was darüber geschrieben.


27 Januar 2009

Die Kritik der kleinen Vernunft

Normalerweise zeichnet sich ja offizielles Schildersprech durch spröde Sachlichkeit aus. Gestanzte, schnörkellose Klarheit: Das sind Schilder, wie ich sie kenne. Und mag.

Nur selten hingegen begegnet man in diesem so eng abgesteckten Metier Formulierungen, die ihr Anliegen mit Raffinesse und Hintersinn zu vermitteln versuchen. Das muss sich ändern, beschloss irgendwann das Bezirksamt Altona – und entwickelte das abgebildete Schild für eine Elbtreppe in Neumühlen. Text: „Vernünftige fahren hier nicht mit dem Rad. Anderen ist es verboten.“

Zumindest eins erreicht das Prachtstück mühelos: Man bleibt davor stehen und versucht aufzudröseln, welche der angesprochenen und abgebildeten Bevölkerungsgruppen nun was darf und wenn ja, warum nicht.

Auch Radfahrer steigen zunächst sinnierend ab, ehe sie kopfkratzend weiterradeln – und durch den Rückseitentext erneut semantisch desorientiert werden. Denn was meint das Bezirksamt Altona denn nun auch noch mit den ironisierenden Anführungsstrichen?

Nach einigem Herumrätseln sind wir schnell weitergeeilt – auch wenn wir diese Treppe ohne Fahrrad und Mutter mit Kind in der Hosentasche wahrscheinlich gar nicht hätten benutzen dürfen.

26 Januar 2009

Ohne Worte (25): Siehe Ohne Worte (24)



Blick von der Elbchaussee auf den Hafen.


Ohne Worte (24): Winter in Hamburg oder Warum wir hier nicht mehr wegwollen



Elbstrand in Neumühlen mit Hafenpanorama


Der letzte Byte

Heute Abend um 23 (!) Uhr gibt es die nächste (und leider letzte) von mir zusammengestellte Sendung auf Byte.fm.

Ein wenig mehr dazu – allerdings ohne zu viel zu verraten – kann man hier
nachlesen.

Für Kritik und Lob steht unten eine Kommentarfunktion zur freien Verfügung, deren fleißiger Gebrauch mich sehr erfreuen würde.


25 Januar 2009

Grünlicher Gammelsprech



Von
: matt

Betreff: z. Hdn. Robert Heinrich, Leiter Öffentlichkeitsarbeit; „EUROPA KLAR MACHEN“
Datum: 25. Januar 2009 17:52:39 MEZ
An: redaktion@gruene.de


Lieber Herr Heinrich,

leider ist Ihr Bundesparteitagsslogan „EUROPA KLAR MACHEN“ unverständlich.

Wahrscheinlich fehlen ihm einfach ein paar Satzzeichen. Zum Beispiel ergäbe die Frage/Antwort-Variante „EUROPA? KLAR: MACHEN!“ so etwas wie Sinn. Zumindest wenn man sich das sprechende Subjekt „wir“ am Ende dazudächte. Meinen Sie das mit Ihrem Slogan?

Sollten Sie sich hingegen am Imperativ versucht haben, gelang das leider nur unzulänglich, Sie kleines Stümperchen. Richtig nämlich müsste es heißen: „EUROPA, KLAR: MACHEN!“ Meinen Sie damit vielleicht Christian Klar, der nach seinem gescheiterten Praktikum in Berlin nun bei Ihnen eine neue Aufgabe finden soll, und zwar gleich auf EU-Ebene? Allerdings würde mich an Klars Stelle der Kommisston doch stören. Aber vielleicht bin ich da einfach empfindlicher als ein Ex-Terrorist.

Eine dritte Möglichkeit, Ihren Slogan zu deuten, ergäbe sich, wenn man das Leerzeichen zwischen „KLAR“ und „MACHEN“ einfach löschte. „EUROPA KLARMACHEN“: Ja, das wäre semantisch eine verständliche Ansage. Wir haben zwar früher immer nur „Alte klargemacht“ (zwinker), aber Ihnen als Partei gelingt das sicherlich auch mit der alten Dame Europa. Sie haben da ja ganz andere Mittel.

Wie auch immer: War es das eventuell, was Sie uns sagen wollten mit Ihrem Parteitagsslogan?

Klären Sie mich doch bitte auf. Vielleicht lagert tief darin versteckt ja ein überzeugendes Argument, Sie zu wählen.

Vielen Dank!

Mit freundlichen Grüßen,
Matt

Foto: www.gruene.de



Betreff: Produktenttäuschung

Hallo Ferrero,

beiliegendes Raffaello-Tütchen entpuppte sich als unversehrt, doch leider auch leer.

Darin befand sich kein Raffaello, sondern lediglich Luft (und nicht mal heiße).

Der Preis für dieses Tütchen erscheint mir daher unangemessen. Ich möchte Sie um Ersatz bitten.

Mit freundlichen Grüßen

Matt

(Fortsetzung folgt. Hoffentlich.)




24 Januar 2009

Gesichtszwillinge (17)



Gut, Claude-Oliver Rudolph müsste noch etwas ab- oder Mickey Rourke ein wenig zunehmen – und schon wären die beiden sich nicht nur zwillinghaft ähnlich, sondern hochverwechselbar.

Dass der eine (Rudolph) nun den anderen (Rourke) synchronisiert, und zwar im Film „The Wrestler“, ist also nur konsequent.

Allerdings ist es eine neue Entwicklung, dass Filmstudios die Synchronstimmen nach äußerer Ähnlichkeit auswählen. Bei Sarah Jessica Parker (l.) und ihrer deutschen Stimme Irina von Bentheim spielte das zumindest kaum eine Rolle.




(Foto: Warner)

23 Januar 2009

Beinah Dumbo

Auf dem Fußweg zur Zeltshow The Rock’n’Roll Circus performs Sgt. Pepper’s lonely Heart’s Club Band auf dem Heiligengeistfeld stelle ich fest: Ich habe meine Ohrstöpsel vergessen.

„Mist!“, informiere ich Ms. Columbo, „ich habe meine Ohrstöpsel vergessen. Hast du vielleicht Papiertaschentücher dabei?“ Hat sie nicht.

Denn auf meinen Rat hin hatte sie alles Frauenwichtige in den Innentaschen ihres Arktisparkas verstaut, um ihre Handtasche, in der sich immer und unter allen Umständen Taschentücher befinden, zu Hause lassen zu können.

„Nimm doch Stoffservietten“, rekurriert sie ironisch auf jüngste Ereignisse, obwohl sie genau weiß, dass ich natürlich alles Mögliche dabei habe (sogar den Mittagstischermäßigungswisch vom Inder in Ottensen), aber gewiss keine Stoffservietten.

Und selbst wenn es so wäre, weise ich sie messerscharf zurecht, sähe es eventuell unmöglich aus, wenn mir der Schallschutz bis auf die Schultern aus den Ohren hinge.

„Wie Dumbo!“, kichert sie.

Im Zelt ist es – wie befürchtet – verdammt laut. Bill Wyman, Ex-Rolling-Stones-Bassist, hat sich für wahrscheinlich teuer Geld als Vorprogramm buchen lassen, und jetzt lässt der gewiss längst dreivierteltaube Rockveteran seine Rhythm Kings von der Leine.

Fahrig krame ich in allen denkbaren Taschen und entdecke schließlich in irgendeinem Stoffwinkel eine Papierserviette. Sie ist gebraucht, aber dennoch die Rettung. Auch wenn mir der Abend eher etwas dumpf in Erinnerung bleiben wird.

Was ich mit dieser ganzen Geschichte eigentlich erzählen wollte, ist mir inzwischen entfallen. Vielleicht wollte ich einfach nur ein bisschen über einen echten Rolling Stone herziehen.

PS: Damit das hier nicht als Suchbildaufgabe missverstanden wird: Das Foto zeigt keineswegs die Rhythm Kings um Bill Wyman, sondern die Showband des Abends.


22 Januar 2009

Die hatten ja einen Knall

In der Mittagspause flanierte ich durch eine Ottenser Buchhandlung und begann in einem Buch des Berliner Originals Heinrich Zille zu blättern.

Dabei erfuhr ich wieder mal Dinge, die ich eigentlich nicht unbedingt wissen möchte – und versuche sie nun zu exorzieren, indem ich sie verblogge. Dann haben alle etwas davon.

Zille also durchstreifte Anfang des 20. Jahrhunderts Bordelle und schaute den Huren aufs Maul. Die verrieten ihm einiges über die Männlichkeitsideale der damaligen Zeit.

Zum Beispiel galt das sehr vernehmliche Entfleuchenlassen von Darmwinden als besonders maskulin und sexy. Die Damen wiederum fühlten sich, laut Zille, häufig zur Imitation dieses Verhaltens animiert. Denn es galt das freierfreundliche Motto: „Je lauter es knallt, desto weiter der Spalt.“

Ja, es muss eine merkwürdige Geräuschkulisse in den damaligen Bordellen geherrscht haben. Musik gab es praktisch noch keine; dafür musizierten die Ärsche. Mit einer ähnlichen Taktik dürften die Kiezprostituierten heutzutage nicht mehr entscheidend punkten können. Höchstens bei Charlotte Roche.

PS: Heute hat Kochbuch-Marion kräftig eins auf die Mütze bekommen vorm Hamburger Oberlandesgericht, und das ist ein großer Tag für Blogger. Mehr bei RA Sascha Kremer, der auch mir damals gegen die Serienabmahner beistand.

PPS: Neu in der Blogrolle links: Dorfblogger Opa Hannes. Feine Sache.



20 Januar 2009

Fundstücke (44)



Ein heißer Kinotipp für Kostenbewusste, denen es generell nicht so sehr darauf ankommt, wie ein Film ausgeht.

Das Abaton-Kino macht dieses selbstbewusste Angebot zu Clint Eastwoods Film „Der fremde Sohn““.



Selbstjustiz ist eine Option

Dieses empörende Bild bietet sich in der Talstraße, welche die Reeperbahn mit der Simon-von-Utrecht-Straße verbindet.

Ein ganz normales Wohnhaus, wie es scheint – und dann das. Ich kann so etwas einfach nicht verknusen, da bin ich fast geneigt, die Davidwache zu alarmieren, die Bürgerwehr, die Schwarzen Sheriffs oder Schill.

Nein, das macht man einfach nicht, das zerstört unser ganzes Viertel. Es schadet dem Image von St. Pauli, es besudelt den Kiez. So kann das wirklich nicht bleiben. Was sollen die Touristen denken?


Müssen die uns St. Paulianer nicht allesamt für ordinäre, ungebildete Unholde halten, wenn wir so etwas widerstandslos zulassen? Und werden sie nicht auch mich und Ms. Columbo automatisch in Sippenhaft nehmen für diese widerliche Entgleisung?

Nein, bei so etwas Ekelerregendem kokettiere sogar ich – obwohl gemeinhin die Friedenstaube in Person – mit Selbstjustiz, tut mir Leid.

Und deshalb muss er einfach weg, besser gestern als gleich – dieser unerträgliche Deppenbindestrich in „Sex-Kino“.

19 Januar 2009

Gutes Stöffche

Merkwürdig: Wenn ich beim Schlendern über den Flohmarkt Ohrhörer aufsetze und Musik höre, sehe ich schlechter. Andererseits höre ich besser, wenn ich mir die Augen zuhalte.

Unübersehbar war gleichwohl die Puppendame mit Bauchlücke, der ich auf dem Messehallenflohmarkt bei meiner ruhelosen Suche nach Stoffservietten begegnete. Denn heute war ein historischer Tag: Er brachte den endgültigen Abschied von der Einwegserviette. Warum bloß waren wir dieser empörenden Erfindung über Jahre treu? Ms. Columbo weiß es auch nicht.

Jedenfalls verfügen wir nun über anderthalb Dutzend grundsolider Baumwollservietten in dunklen Farben, damit die unauswaschbaren Kürbiskernölflecken, die unweigerlich in Bälde dem Tuch zusetzen werden, nicht gar zu deutlich sichtbar sind.

Wäre mir solche Weitsicht auch in Entscheidungssituationen eigen, die gravierendere Folgen haben als nur die Aufstockung des Stoffserviettenbestandes, ich hätte es gewiss weiter gebracht im Leben.

Übrigens steigt an jedem Wochenende die Motivation, banalsten Unsinn zu bloggen, weil eh keiner mitliest.


17 Januar 2009

Achtung: nicht lesen, totaler Quatsch!



Dieser Westentaschenwolf, der mit höchster Wahrscheinlichkeit von seinem Frauchen (sic!) „Susi“ gerufen wird, guckt exakt so, als hätte er höchstselbst den Trolley umgeworfen, den er nun zu bewachen vorgibt.

Und wahrscheinlich ist das auch die reine Wahrheit – Schuld und Susi …

Mit dieser kleinen Inszenierung schaffte es jedenfalls heute der Edekaladen in der Paul-Roosen-Straße, dass ich kurzzeitig an Dostojewski denken musste.

Verstehe einer die Verschaltung der Synapsen!



16 Januar 2009

Sex sells(?)



46 902 wird wohl die Webzahl des Jahres.

Für diesen beschämenden Eurobetrag ging das Basic-Thinking-Blog bei Ebay über den Ladentisch, dabei hatte es doch die Berechnungsseite „How much is my blog worth?“ als zwölfmal so wertvoll taxiert. Macht einen Versteigerungsverlust von einer halben Million Euro.

Bei „How much …?“ kommt dieses Blog hier übrigens nur auf eine Bewertung von 14 676 Euro, und das trotz meines unverhohlenen Sex-Schwerpunkts und viel schönerer Fotos (Foto).

Ein Schnäppchen also! Möchte wer?


15 Januar 2009

Das Gästelistenbabe

Lange Schlange vorm Eingang der Reeperbahndisco Moon Doo, wo ich heute Abend zu einem Showcase eingeladen bin.

Zeit also, mir das mindestens einsachtzig große superblonde Gästelistenbabe näher anzuschauen, das damals auf dem Gymnasium – Entschuldigung: Realschule; korrigiere … ach, egal … – bestimmt der Klassenschwarm war, aber nur den Basketballbesten rangelassen hat, wenn überhaupt.

Es hat Haare wie Sarah Jessica Parker; sie fallen vom Mittelscheitel in sanften Wellen abwärts und treffen ab Schulterhöhe auf eine schwarzweiße Kunstfelljacke, was sehr apart aussieht.

Untenrum trägt das modelförmige Gästelistenbabe eine enge schwarze Hose, die auf raffiniert nahtlose Weise in ebenso schwarze Highheels übergeht, mit deren zwölf Zentimeter langen Absätzen man einen Faden durchs Nadelöhr flutschen lassen könnte, aber in nullkommanix. Ja, das Gästelistenbabe könnte jederzeit im benachbarten Eros-Laufhaus anfangen, rein optisch gesehen.


Die Schlange rückt vor, ich bin dran und nenne meinen Namen. „Wagner, hm?“, sagt das Gästelistenbabe - und zwar überraschenderweise mit einer Stimme, die nur knapp über der Frequenz von Günther Kaufmann liegt.

Meine innerlich zusammengestrickte Gästelistenbabebiografie fällt in sich zusammen wie ein angestochenes Omelett; augenblicklich verschwunden ist sogar der Basketballbeste.

Voilá: ein Transvestit.

Aus der Nähe fällt nun auch die etwas zu starke Kinnpartie auf, und die Wangenknochen wölben sich ebenfalls auf leicht männliche Weise. Wie auch immer: Er lässt mich rein, ich warte anderthalb Stunden lang vergeblich auf die Band und ziehe dann dampfend ab.

Keine Frage: Das Konto, auf dem die Qualität individueller Lebenszeit verbucht wird, ist heute Abend ins Soll gerutscht.

Nur (Ent)Täuschungen.