Sich auf St. Pauli ethisch einwandfrei zu verhalten, ist nicht einfach. Sogar unmöglich. Zwei Beispiele.
An der Reeperbahn Höhe Hamburger Berg sehe ich einen gutsituierten Passanten mit typischem Accessoire, nämlich einer Pulle Bier. Es handelt sich um eine Pfandflasche, sie ist leer, und er bietet sie netterweise einem gerade vorbeischlurfenden Prekarier an.
Gute Sache. Eigentlich.
Der Berber nimmt die Buddel wortlos, geht zum nächstbesten Mülleimer, legt sie hinein, pflügt dann den Abfall sorgsam um, findet nichts, lässt die Pfandflasche drin und schlurft weiter.
Zur Klarstellung: Kaum etwas ist erschütternder, als Menschen im Müll wühlen zu sehen; gerade diese öffentlich demonstrierte Würdelosigkeit gibt eine Ahnung von der Brutalität ihrer Verarmung. Dass aber nun dieser Mülleimerwühler die Pfandflasche darin liegen lässt, verwirrt mich zutiefst. Das passt nicht zusammen.
Oder beweist dies eine Art Restwürde, nach dem Motto: Ich habe auch meinen Stolz und lasse mich nicht mit einer Pfandflasche abspeisen? Jedenfalls misslang der Versuch des Passanten, ein kleines gutes Werk zu tun und sich ethisch korrekt zu verhalten.
Wenig später misslingt es auch u. a. mir. Ich stehe mit einigen anderen an der roten Fußgängerampel Reeperbahn/Hein-Hoyer-Straße, betrachte sinnierend die Grafittiwand gegenüber und warte geduldig – nicht etwa wegen des Ampelmännchens, wie ich für die anderen einfach mal mit annehme, denn in Hamburg geht man natürlich über jede Straße, wenn dies gefahrlos möglich ist.
Nein, wir bleiben stehen wegen des etwa vierjährigen Kindes, das mit uns wartet und von einem jungen Elternpaar an den Händen gehalten wird. Plötzlich aber geht das Paar los, bei Rot und mit dem Kind in der Mitte. Und wir bleiben belämmert zurück, gehüllt in die Lächerlichkeit einer kümmerlichen und nutzlosen Ethik.
Verdammt, wieso glaube ich eigentlich immer wieder, ein richtiges Leben im falschen sei doch möglich?
Vorsatz für 2007: Keine Pfandflaschen an Penner verschenken – und nicht mehr versuchen, anderer Leute Kinder zu erziehen.
„3000 Plattenkritiken“ | „Die Frankensaga – Vollfettstufe“ | RSS-Feed | In memoriam | mattwagner {at} web.de |
15 Januar 2007
14 Januar 2007
Unverblümt
Unser thailändisches Restaurant am Spielbudenplatz hat plötzlich zu, und ein Schild an der Tür informiert unverblümt über den Grund.
Natürlich hängt der mit viel Frust und Wut beschriftete Zettel innen. Denn nicht nur der zurzeit immer wieder aufbrandende Sturm brächte ihn in Gefahr, sondern sicherlich auch ein Agent der Wohnungsbaugesellschaft SAGA, die sich bessere Außenwerbung vorstellen als diesen Schrieb.
Na, sollen sie halt die Miete senken, dann ist er ganz schnell weg. Und wir können wieder um die Ecke thailändisch essen.
Auf der Website des Phuket pappt der Zettel übrigens noch nicht.
Natürlich hängt der mit viel Frust und Wut beschriftete Zettel innen. Denn nicht nur der zurzeit immer wieder aufbrandende Sturm brächte ihn in Gefahr, sondern sicherlich auch ein Agent der Wohnungsbaugesellschaft SAGA, die sich bessere Außenwerbung vorstellen als diesen Schrieb.
Na, sollen sie halt die Miete senken, dann ist er ganz schnell weg. Und wir können wieder um die Ecke thailändisch essen.
Auf der Website des Phuket pappt der Zettel übrigens noch nicht.
13 Januar 2007
Kippen oder Ketchup
Heute fand ich durch Zufall heraus, auf welche Weise man beim Flanieren über die Reeperbahn garantiert von den Koberern verschmäht wird: Es reicht, sich eine Achterpackung vierlagiges Toilettenpapier von Penny unter den Arm zu klemmen. Merken fürs nächste Mal. Vielleicht funktioniert das sogar gegenüber, bei den Huren am Hans-Albers-Platz.
Allerdings kann das Desinteresse der Koberer auch durch meine Begleiterin – Ms. Columbo – begünstigt worden sein, man weiß es nicht. Bevor wir mit der Stange Klopapier reeperbahnostwärts zogen, waren wir beim Hähnchenhöker Kentucky Fried Chicken eingekehrt, weil uns von irgendwoher Gutscheine ins Haus geflattert waren.
„Das ist wie ein Ausflug in die Disco!“, gruselte sich Ms. Columbo freudig. Ich wusste nicht, wohin ich die Ketchuptüte ausdrücken sollte, erspähte aber herumstehende silberne Aluschälchen, von denen ich annahm, sie stünden hier als Ketchupdipbehältnis.
„Unsinn“, sagte Ms. Columbo, „das sind Aschenbecher.“ Ich sah mich um: Niemand rauchte. Das schien ihre These zu schwächen. „Nein, bestimmt sind sie für Ketchup da. Schau mal“, lenkte ich ihre Aufmerksamkeit auf die drei schräg abfallenden Einkerbungen am Schälchenrand, „da würde jede Zigarette nach vorne kippen, statt fein ausbalanciert auf den nächsten Zug zu warten. Das können keine Oaschebäschää sein“, beschloss ich heftig hesselnd meine Argumentationskette.
Sie schaute mitleidig, was mich forsch eine Wette vorschlagen ließ. Einen Wein beim nächsten Kneipenbesuch für den, der recht behält. Sie nickte gottergeben. Bevor wir gingen, erkundigte ich mich am Tresen und löste das Rätsel.
Danach kauften wir bei Penny eine Achterpackung vierlagiges Toilettenpapier, zogen unbehelligt von den Koberern nach Hause, und jetzt überlege ich, wohin ich Ms. Columbo demnächst mal zum Wein einlade.
Allerdings kann das Desinteresse der Koberer auch durch meine Begleiterin – Ms. Columbo – begünstigt worden sein, man weiß es nicht. Bevor wir mit der Stange Klopapier reeperbahnostwärts zogen, waren wir beim Hähnchenhöker Kentucky Fried Chicken eingekehrt, weil uns von irgendwoher Gutscheine ins Haus geflattert waren.
„Das ist wie ein Ausflug in die Disco!“, gruselte sich Ms. Columbo freudig. Ich wusste nicht, wohin ich die Ketchuptüte ausdrücken sollte, erspähte aber herumstehende silberne Aluschälchen, von denen ich annahm, sie stünden hier als Ketchupdipbehältnis.
„Unsinn“, sagte Ms. Columbo, „das sind Aschenbecher.“ Ich sah mich um: Niemand rauchte. Das schien ihre These zu schwächen. „Nein, bestimmt sind sie für Ketchup da. Schau mal“, lenkte ich ihre Aufmerksamkeit auf die drei schräg abfallenden Einkerbungen am Schälchenrand, „da würde jede Zigarette nach vorne kippen, statt fein ausbalanciert auf den nächsten Zug zu warten. Das können keine Oaschebäschää sein“, beschloss ich heftig hesselnd meine Argumentationskette.
Sie schaute mitleidig, was mich forsch eine Wette vorschlagen ließ. Einen Wein beim nächsten Kneipenbesuch für den, der recht behält. Sie nickte gottergeben. Bevor wir gingen, erkundigte ich mich am Tresen und löste das Rätsel.
Danach kauften wir bei Penny eine Achterpackung vierlagiges Toilettenpapier, zogen unbehelligt von den Koberern nach Hause, und jetzt überlege ich, wohin ich Ms. Columbo demnächst mal zum Wein einlade.
12 Januar 2007
Senait live
Link: sevenload.com
Jetzt funktioniert der Senait-Clip. Die technische Qualität ist sehr mau, aber der Groove kommt durch. Hoffentlich.
11 Januar 2007
Kein Chorizo, aber mehr Trinkgeld
Man könnte ständig bloggen übers heimische Dienstleistungs- und Servicegewerbe und litte dennoch nicht unter Themenmangel.
Gestern etwa war ich mittags im Eisenstein essen, wo sie als Tagespizza eine offerierten, die mit Chorizo, jener pikanten spanischen Wurst, belegt war und mit Manchego überbacken.
Als ich sie erhielt, sah ich keine Chorizo, aber halbgeschmolzene Manchegonester, und darunter wähnte ich die Wurst. Herzhaft haute ich rein. Es schmeckte.
Nach drei Bissen wehte plötzlich flatternd die Bedienung heran und gestand, man habe die Wurst vergessen und füge sie selbstverständlich noch bei. Ich wehrte nachsichtig ab, war ich doch zufrieden mit dem manchegolastigen Fladen. Allerdings akzeptierte ich gern den in Aussicht gestellten kostenlosen Entschädigungsespresso.
Der Grund für die mangelhafte Pizza war übrigens ebenso pikant, wie es die Wurst gewesen wäre: Der Koch, raunte die Bedienung, habe schlicht nicht gewusst, was Chorizo überhaupt sei – und deswegen erst gar nicht versucht, sie aufzulegen.
Das amüsierte mich ziemlich. Immerhin war dieses Pizzamodell doch (von ihm?) in den Adelsstand der Tagesempfehlung erhoben und daher gewiss vielfach geordert worden. Egal: Der Espresso, den mir die Bildungslücke des Kochs einbrachte, war vorzüglich.
Abends musste ich – und jetzt kommt die zweite Servicegeschichte – den gestern angekündigten Gang nach Canossa resp. den Stage Club (Foto) antreten. An der Theke erläuterte ich mein Missgeschick. Ich sei leider nach dem Konzert ebenso gedankenschwer wie -los aus Versehen zechprellerisch verschwunden, und jetzt wolle ich …
„Zwei Weißwein, ein Wasser“, fiel mir der Barkeeper recht barsch ins Wort, „macht 11 Euro 20.“ Offenbar war die ganze Sache durchaus aufgefallen, es hatte unzweifelhaft Ärger und Gezeter geben. Mein Kommen aber befriedete die nur halbwegs beruhigte Lage endgültig.
„Der Bedienung“, fügte der Mann mit schmalem Lächeln an, „haben wir den Kopf nur halb abgerissen.“ Ich schaute mich um, sah die Frau aber nirgends. Irgendwie fühlte ich mich plötzlich zu einer Aufstockung des Trinkgelds verpflichtet, ich weiß auch nicht, warum.
Gestern etwa war ich mittags im Eisenstein essen, wo sie als Tagespizza eine offerierten, die mit Chorizo, jener pikanten spanischen Wurst, belegt war und mit Manchego überbacken.
Als ich sie erhielt, sah ich keine Chorizo, aber halbgeschmolzene Manchegonester, und darunter wähnte ich die Wurst. Herzhaft haute ich rein. Es schmeckte.
Nach drei Bissen wehte plötzlich flatternd die Bedienung heran und gestand, man habe die Wurst vergessen und füge sie selbstverständlich noch bei. Ich wehrte nachsichtig ab, war ich doch zufrieden mit dem manchegolastigen Fladen. Allerdings akzeptierte ich gern den in Aussicht gestellten kostenlosen Entschädigungsespresso.
Der Grund für die mangelhafte Pizza war übrigens ebenso pikant, wie es die Wurst gewesen wäre: Der Koch, raunte die Bedienung, habe schlicht nicht gewusst, was Chorizo überhaupt sei – und deswegen erst gar nicht versucht, sie aufzulegen.
Das amüsierte mich ziemlich. Immerhin war dieses Pizzamodell doch (von ihm?) in den Adelsstand der Tagesempfehlung erhoben und daher gewiss vielfach geordert worden. Egal: Der Espresso, den mir die Bildungslücke des Kochs einbrachte, war vorzüglich.
Abends musste ich – und jetzt kommt die zweite Servicegeschichte – den gestern angekündigten Gang nach Canossa resp. den Stage Club (Foto) antreten. An der Theke erläuterte ich mein Missgeschick. Ich sei leider nach dem Konzert ebenso gedankenschwer wie -los aus Versehen zechprellerisch verschwunden, und jetzt wolle ich …
„Zwei Weißwein, ein Wasser“, fiel mir der Barkeeper recht barsch ins Wort, „macht 11 Euro 20.“ Offenbar war die ganze Sache durchaus aufgefallen, es hatte unzweifelhaft Ärger und Gezeter geben. Mein Kommen aber befriedete die nur halbwegs beruhigte Lage endgültig.
„Der Bedienung“, fügte der Mann mit schmalem Lächeln an, „haben wir den Kopf nur halb abgerissen.“ Ich schaute mich um, sah die Frau aber nirgends. Irgendwie fühlte ich mich plötzlich zu einer Aufstockung des Trinkgelds verpflichtet, ich weiß auch nicht, warum.
Verzeih mir
Wenn man Musikjournalist ist, eine Künstlerin privat kennt, ihr Album aber nicht so prall findet und diese Auffassung auch unverdrossen druckt, hat man ein Problem. Im schlimmsten Fall kennt man sich hinterher privat nicht mehr so gut …
Zum Glück ist Senait Mehari die Hartgesottenste von allen – und kündigte mir die Freundschaft nicht.
Ihr sehr groovelastiges Souljazzkonzert gestern Abend im Hamburger Stage Club gefiel mir viel besser als das Album. Die letzte Zugabe filmte ich mit, und als ich nach dem Konzert mit der im sechsten Monat Schwangeren zusammensaß und zur Frage ansetzte, ob ich den Clip verbloggen dürfe, stand just ihr Manager auf und ging irgendwohin, so dass er die Frage nicht hörte.
Senait jedenfalls sagte: „Klar“, und das zählt. Leider misslang später das Hochladen; die majestätische Grooveviertelstunde der Zugabe „Verzeih mir“ will keins dieser blöden Videoportale akzeptieren, deshalb nur ein Foto.
Heute muss ich noch mal in den Stage Club. Gestern bin ich Wirrkopf nach dem Aftershowplausch nämlich einfach gegangen ohne zu zahlen. Ich hoffe, die verzeihen mir.
Zum Glück ist Senait Mehari die Hartgesottenste von allen – und kündigte mir die Freundschaft nicht.
Ihr sehr groovelastiges Souljazzkonzert gestern Abend im Hamburger Stage Club gefiel mir viel besser als das Album. Die letzte Zugabe filmte ich mit, und als ich nach dem Konzert mit der im sechsten Monat Schwangeren zusammensaß und zur Frage ansetzte, ob ich den Clip verbloggen dürfe, stand just ihr Manager auf und ging irgendwohin, so dass er die Frage nicht hörte.
Senait jedenfalls sagte: „Klar“, und das zählt. Leider misslang später das Hochladen; die majestätische Grooveviertelstunde der Zugabe „Verzeih mir“ will keins dieser blöden Videoportale akzeptieren, deshalb nur ein Foto.
Heute muss ich noch mal in den Stage Club. Gestern bin ich Wirrkopf nach dem Aftershowplausch nämlich einfach gegangen ohne zu zahlen. Ich hoffe, die verzeihen mir.
09 Januar 2007
Das Gekrissel ist weg!
Stolz wie Charles Lindbergh nach seinem Atlantikflug verkünde ich feierlich den erfolgreichen Anschluss einer DVBT-Antenne, führe debil lächelnd die unfassbare Bildverbesserung vor und erwarte das Tosen frenetischen Beifalls.
Ms. Columbo guckt und sagt: „Ich sehe keine Verbesserung.“ Dann wendet sie sich wieder ihrer Lektüre zu.
„Moment mal!“, empöre ich mich, „das Gekrissel ist weg! Aber so was von! Das Bild ist scharf wie ein japanisches Samuraischwert, schau doch mal hin!“
Mir zu Gefallen tut sie es noch mal. Doch sie sieht nichts. Auch vorher, in der dumpfen Ära des analogen Kabelempfangs, hat sie schon kein Gekrissel gesehen. Wie also soll sie was Nichtgesehenes jetzt erst recht nicht mehr sehen?
Grrmpf. Muffelnd wende ich mich wieder der schmerzhaft kristallinen Klarheit des Plasmabildschirms zu, doch ein wenig ist mir der Spaß verdorben. Ein spezielles Mädchen-Gen verhindert offenbar die Wahrnehmung technischer Quantensprünge. Deshalb sind Frauen niemals die treibende Kraft hinter Mondflügen, 7-Gang-Rücktritträdern, Highendboxen oder dem iPhone (Foto). Sondern wir. Menschen wie Steve Jobs.
Immerhin sind Mädchen so nett, uns die Gunst des Mitbenutzens all dieser Dinge zu erweisen. Und mehr dürfen wir einfach nicht erwarten, das schützt vorm Grrmpf.
Trotzdem: Nächstes Jahr kaufe ich mir einen HDVD-Player. Den Unterschied wird sie einfach sehen müssen. Wegger als dann nämlich wird das Gekrissel in der Geschichte des Sehens nie gewesen sein.
(Für so einen bestussten Satz wie den letzten braucht es mit Sicherheit eins: ein Männer-Gen.)
08 Januar 2007
Der eierlegende Tobis-Hahn
Heute Abend, als wir uns noch einmal das wunderbar melancholische Gefühlsdrama „Brokeback Mountain“ auf dem neuen Plasmafernseher anschauten, fiel mir eingangs wieder einmal etwas auf, was mich im Stillen schon seit Jahren wundert. Und jetzt will es endlich verbalisiert werden, schließlich habe ich ein(en) Blog.
Es geht um den Tobis-Hahn, das Markenzeichen der Filmfirma. Er schreitet zu Anfang eines jeden Tobis-Films krähend und gravitätisch von links nach rechts über die Buchstaben T, O und B, verharrt dann aber – nachdem er die linke Kralle auf das abschließende S gesetzt hat – mit deutlichen Anzeichen der Irritation und Unschlüssigkeit.
Es ist offenkundig die breite Lücke zwischen B und S, die ihm missfällt. Doch plötzlich weiß er, was zu tun ist: Er schließt sie, indem er … ein Ei hineinlegt. Es verformt sich im Hinunterfallen zu einer Säule, die ein I bildet und somit den Firmennamen elegant vervollständigt.
Das Problem aber, und das ist es, was ich die ganze Zeit sagen will: Der Vogel ist wirklich ein Hahn, kein Huhn – und als solcher höchstens in der Lage, vorbereitende Maßnahmen zur Produktion von Eiern zu ergreifen. Sie allerdings zur Reife heranwachsen und sodann fallen zu lassen, dazu ist ein Hahn weder befugt noch anatomisch in der Lage.
Zunächst suchte ich die Schuld bei mir und nahm bescheiden an, Tobis sei schlauer als ich und wüsste besser Bescheid über die Physiognomien von Hähnen und Hühnern. Ich glaubte, die prachtvollen Schwanzfedern und der feurige Kamm auf dem Kopf des Vogels könnten eventuell auch bei bestimmten weiblichen Ausformungen dieser ornithologischen Spezies vorkommen.
Doch da war ja dieses Krähen. Und eine kurze Recherche ergab: Der Tobis-Vorspann zeigt eindeutig einen Hahn. Und Hähne, liebe Tobis, können viel, aber definitiv keine Eier legen. Erst recht keine, die sich im Fallen zu I-Säulen verformen.
Meines Erachtens muss die Filmgeschichte umgeschrieben werden.
Es geht um den Tobis-Hahn, das Markenzeichen der Filmfirma. Er schreitet zu Anfang eines jeden Tobis-Films krähend und gravitätisch von links nach rechts über die Buchstaben T, O und B, verharrt dann aber – nachdem er die linke Kralle auf das abschließende S gesetzt hat – mit deutlichen Anzeichen der Irritation und Unschlüssigkeit.
Es ist offenkundig die breite Lücke zwischen B und S, die ihm missfällt. Doch plötzlich weiß er, was zu tun ist: Er schließt sie, indem er … ein Ei hineinlegt. Es verformt sich im Hinunterfallen zu einer Säule, die ein I bildet und somit den Firmennamen elegant vervollständigt.
Das Problem aber, und das ist es, was ich die ganze Zeit sagen will: Der Vogel ist wirklich ein Hahn, kein Huhn – und als solcher höchstens in der Lage, vorbereitende Maßnahmen zur Produktion von Eiern zu ergreifen. Sie allerdings zur Reife heranwachsen und sodann fallen zu lassen, dazu ist ein Hahn weder befugt noch anatomisch in der Lage.
Zunächst suchte ich die Schuld bei mir und nahm bescheiden an, Tobis sei schlauer als ich und wüsste besser Bescheid über die Physiognomien von Hähnen und Hühnern. Ich glaubte, die prachtvollen Schwanzfedern und der feurige Kamm auf dem Kopf des Vogels könnten eventuell auch bei bestimmten weiblichen Ausformungen dieser ornithologischen Spezies vorkommen.
Doch da war ja dieses Krähen. Und eine kurze Recherche ergab: Der Tobis-Vorspann zeigt eindeutig einen Hahn. Und Hähne, liebe Tobis, können viel, aber definitiv keine Eier legen. Erst recht keine, die sich im Fallen zu I-Säulen verformen.
Meines Erachtens muss die Filmgeschichte umgeschrieben werden.
07 Januar 2007
biker bleit biker
„Warum eigentlich“, fragt Ms. Columbo während eines Fernsehberichts über die Vierschanzentournee, dem weltweit bedeutendsten Sportereignis für magersüchtige Männer, „gibt es diese Sportart nicht auch für Frauen?“ Weiß ich auch nicht genau. Ich gehe aber von aerodynamischen Gründen aus.
Neuerdings bin ich übrigens bei ICQ, einem Netzwerk zum Chatten. Was tut man nicht alles für seine 13-jährige Nichte. Heute erhielt ich allerdings keine Nachricht von ihr, sondern unverlangt die eines gewissen Dominik aus dem hessischen Städtchen Lich.
Wie jedes ICQ-Mitglied hat auch Dominik eine Kurzbiografie hinterlegt. Mit folgenden Worten möchte er global punkten:
„hi ich gürse alle biker und denn tobi marcel sven michi tom nobel lucky tobi:k des waren alle biker bleit biker weil bier senn cool gürse meine klasse SIX CROSS:“
Auch für den überraschenden Doppelpunkt am Ende seiner bemerkenswerten Selbstdarstellung ist Dominik übrigens selbst verantwortlich.
Seine Nachricht habe ich dann doch lieber ignoriert – und stattdessen auf dem blauen Oberdeck des Hafenrundfahrtsschiffs River Star meine winterlich befleckten Stiefel fotografiert.
Neuerdings bin ich übrigens bei ICQ, einem Netzwerk zum Chatten. Was tut man nicht alles für seine 13-jährige Nichte. Heute erhielt ich allerdings keine Nachricht von ihr, sondern unverlangt die eines gewissen Dominik aus dem hessischen Städtchen Lich.
Wie jedes ICQ-Mitglied hat auch Dominik eine Kurzbiografie hinterlegt. Mit folgenden Worten möchte er global punkten:
„hi ich gürse alle biker und denn tobi marcel sven michi tom nobel lucky tobi:k des waren alle biker bleit biker weil bier senn cool gürse meine klasse SIX CROSS:“
Auch für den überraschenden Doppelpunkt am Ende seiner bemerkenswerten Selbstdarstellung ist Dominik übrigens selbst verantwortlich.
Seine Nachricht habe ich dann doch lieber ignoriert – und stattdessen auf dem blauen Oberdeck des Hafenrundfahrtsschiffs River Star meine winterlich befleckten Stiefel fotografiert.
06 Januar 2007
Ich bin eine große Hilfe
An der Davidstraße, ziemlich genau zwischen Lustgrotte und Reeperbahn, werde ich von einem Paar um die 20 angesprochen. „Entschuldigen Sie, eine Frage“, sagt der junge Mann, „können Sie uns sagen, wo St. Pauli ist?“
In solchen Momenten muss man Haltung bewahren. Wieherndes Losprusten könnte die Fremdlinge düpieren, und sie sollen ja wiederkommen, zum Nutzen der hiesigen Wirtschaft.
„Nun“, sage ich beherrscht, „Sie sind mittendrin. Das hier“, fahre ich mit einem halbkreisförmigen Schwingen meines rechten Armes fort, „ist die Davidstraße. Da drüben sehen Sie die Davidwache – und die Straße da vorne, das ist die Reeperbahn.“
Ich scheine den richtigen Ton getroffen zu haben, denn die beiden lächeln mehr erleichtert als peinlich berührt. „Genau da wollen wir hin“, strahlt die Frau, die ganz hanseatisch eine offene Flasche Bier mit sich führt. Und dann zockeln sie zufrieden davon, zur Reeperbahn.
Es freut mich immer, wenn ich Menschen weiterhelfen kann, obwohl ich der Geschichte der menschlichen Orientierungsfähigkeit schon viele krachende Niederlagen zugefügt habe.
Doch heute war es wirklich leicht, selbst für eine Katastrophe auf zwei Beinen wie mich.
In solchen Momenten muss man Haltung bewahren. Wieherndes Losprusten könnte die Fremdlinge düpieren, und sie sollen ja wiederkommen, zum Nutzen der hiesigen Wirtschaft.
„Nun“, sage ich beherrscht, „Sie sind mittendrin. Das hier“, fahre ich mit einem halbkreisförmigen Schwingen meines rechten Armes fort, „ist die Davidstraße. Da drüben sehen Sie die Davidwache – und die Straße da vorne, das ist die Reeperbahn.“
Ich scheine den richtigen Ton getroffen zu haben, denn die beiden lächeln mehr erleichtert als peinlich berührt. „Genau da wollen wir hin“, strahlt die Frau, die ganz hanseatisch eine offene Flasche Bier mit sich führt. Und dann zockeln sie zufrieden davon, zur Reeperbahn.
Es freut mich immer, wenn ich Menschen weiterhelfen kann, obwohl ich der Geschichte der menschlichen Orientierungsfähigkeit schon viele krachende Niederlagen zugefügt habe.
Doch heute war es wirklich leicht, selbst für eine Katastrophe auf zwei Beinen wie mich.
05 Januar 2007
Gut bestückt
Nein, ich habe wirklich keine Ahnung, wozu genau mich diese buchstäblich hirnamputierte Puppe bei WoS an der Reeperbahn animieren möchte.
Doch während ich sinnierend davorstehe, kommt mir plötzlich ein Song von Townes van Zandt in den Sinn, wo es eingangs der letzten Strophe heißt:
„We all got holes to fill,
those holes are all that’s real.“
Townes kann natürlich nichts für meine schräge Assoziation – aber ich auch nicht. Es muss irgendetwas mit der Evolution des menschlichen Gehirns zu tun haben.
Doch während ich sinnierend davorstehe, kommt mir plötzlich ein Song von Townes van Zandt in den Sinn, wo es eingangs der letzten Strophe heißt:
„We all got holes to fill,
those holes are all that’s real.“
Townes kann natürlich nichts für meine schräge Assoziation – aber ich auch nicht. Es muss irgendetwas mit der Evolution des menschlichen Gehirns zu tun haben.
04 Januar 2007
Zu spät im Büro
Immer, wenn die S- oder U-Bahn auf freier Strecke langsamer wird und schließlich stehenbleibt, weiß der geübte HVV-Benutzer Bescheid.
Erst einmal wird gar nichts passieren. Still und stumm sitzen wir herum und denken uns unseren Teil. Irgendwann knackt es im Lautsprecher, und eine sachliche Stimme erzählt etwas von einer „technischen Störung“.
Manchmal, wie heute morgen, sagt sie auch etwas, was der Wahrheit näher kommt. Wir stehen also hier auf freier Strecke zwischen Königstraße und Altona wegen eines „Rettungswageneinsatzes“.
Nach zehn Minuten ruckt die Bahn wieder an. Wir fahren im Bahnhof ein. Wir steigen aus, wir wuseln durcheinander. Auf der Rolltreppe – „Entschuldigung, darf ich mal durch?“ – drängeln wir uns aneinander vorbei, gehen zum Kiosk, durch die Halle.
Alles ist wie immer, die Wände, der Boden, die Luft. Der Crobag-Mann reicht seine Croissants über den Tresen, jemand holt sich eine Abokarte am Automaten, er flucht über die Münze, die ihm aus der Hand rutscht und hell keckernd über die Kacheln tanzt.
Wir gehen hoch ins Freie, träge treibt der Westwind atlantische Wolken über die Stadt – und nichts, überhaupt nichts erinnert mehr an diese sekundenlange Explosion der Verzweiflung, die vor wenigen Minuten einen Menschen dazu trieb, sich vor einen Zug zu werfen.
Erst einmal wird gar nichts passieren. Still und stumm sitzen wir herum und denken uns unseren Teil. Irgendwann knackt es im Lautsprecher, und eine sachliche Stimme erzählt etwas von einer „technischen Störung“.
Manchmal, wie heute morgen, sagt sie auch etwas, was der Wahrheit näher kommt. Wir stehen also hier auf freier Strecke zwischen Königstraße und Altona wegen eines „Rettungswageneinsatzes“.
Nach zehn Minuten ruckt die Bahn wieder an. Wir fahren im Bahnhof ein. Wir steigen aus, wir wuseln durcheinander. Auf der Rolltreppe – „Entschuldigung, darf ich mal durch?“ – drängeln wir uns aneinander vorbei, gehen zum Kiosk, durch die Halle.
Alles ist wie immer, die Wände, der Boden, die Luft. Der Crobag-Mann reicht seine Croissants über den Tresen, jemand holt sich eine Abokarte am Automaten, er flucht über die Münze, die ihm aus der Hand rutscht und hell keckernd über die Kacheln tanzt.
Wir gehen hoch ins Freie, träge treibt der Westwind atlantische Wolken über die Stadt – und nichts, überhaupt nichts erinnert mehr an diese sekundenlange Explosion der Verzweiflung, die vor wenigen Minuten einen Menschen dazu trieb, sich vor einen Zug zu werfen.
03 Januar 2007
Die Wetterlüge
Die Werbung für Drei-Wetter-Taft hat Hamburg nachhaltiger geschadet als die Sturmflut anno 62.
In diesem verfluchten Spot steht eine mit flüssigem Haarnetz gepanzerte Geschäftsfrau an der Flugzeugtreppe, und aus dem Off raunt es: „Hamburg: Regen“.
Das stimmt nur manchmal, aber meistens nicht. Nein, Hamburg präsentiert seinen Bewohnern in der Regel ein ausgetüfteltes Ensemble buntester Wetterphänomene, von denen Regen in all seinen Erscheinungsformen nur jeweils eine Detailvariante darstellt.
Vorgestern zum Beispiel ging ich bei Sonnenschein aus dem Haus, geriet in Höhe Imperial-Theater – also rund 50 Meter entfernt – in einen punktuellen Hagelschauer, der mich rund 33 Sekunden zum Unterstellen zwang, ehe ich weitere 100 Meter weiter, an der Fußgängerampel zur U-Bahn, von einem fein zerstäubten Nieseln erfrischt wurde, welches es so wirklich nur in Hamburg gibt.
Du denkst: Dieses putzige Gefusel in der Luft, das nehme ich nicht ernst. Und zwei Minuten später triefst du, als hätte man dich frisch aus der Alster gezogen. Metereo-logisch ist das nicht. Aber interessant.
Und so wild und wuchtig sich auch manch Wolkenkathedrale hochbäumt über den stoischen Hafenkränen, so darf man doch nie überrascht sein von der Plötzlichkeit eines Putschs der Sonne.
Dieser Drei-Wetter-Taft-Tante wünsche ich jedenfalls unser zerstäubtes Nieseln an den Hals, sobald sie wieder mal gepanzert eine Flugzeugtreppe in Fuhlsbüttel betritt.
„Hamburg: Regen“? Na, hoffentlich.
In diesem verfluchten Spot steht eine mit flüssigem Haarnetz gepanzerte Geschäftsfrau an der Flugzeugtreppe, und aus dem Off raunt es: „Hamburg: Regen“.
Das stimmt nur manchmal, aber meistens nicht. Nein, Hamburg präsentiert seinen Bewohnern in der Regel ein ausgetüfteltes Ensemble buntester Wetterphänomene, von denen Regen in all seinen Erscheinungsformen nur jeweils eine Detailvariante darstellt.
Vorgestern zum Beispiel ging ich bei Sonnenschein aus dem Haus, geriet in Höhe Imperial-Theater – also rund 50 Meter entfernt – in einen punktuellen Hagelschauer, der mich rund 33 Sekunden zum Unterstellen zwang, ehe ich weitere 100 Meter weiter, an der Fußgängerampel zur U-Bahn, von einem fein zerstäubten Nieseln erfrischt wurde, welches es so wirklich nur in Hamburg gibt.
Du denkst: Dieses putzige Gefusel in der Luft, das nehme ich nicht ernst. Und zwei Minuten später triefst du, als hätte man dich frisch aus der Alster gezogen. Metereo-logisch ist das nicht. Aber interessant.
Und so wild und wuchtig sich auch manch Wolkenkathedrale hochbäumt über den stoischen Hafenkränen, so darf man doch nie überrascht sein von der Plötzlichkeit eines Putschs der Sonne.
Dieser Drei-Wetter-Taft-Tante wünsche ich jedenfalls unser zerstäubtes Nieseln an den Hals, sobald sie wieder mal gepanzert eine Flugzeugtreppe in Fuhlsbüttel betritt.
„Hamburg: Regen“? Na, hoffentlich.
02 Januar 2007
Baller-Wolle strikes again
Unser Innenminister lässt einfach nicht locker. Obwohl das Verfassungsgericht ihm schon mal behutsam erklärt hat, dass so was bäh ist, will Wolfgang Schäuble weiterhin unbedingt Passagierflugzeuge abschießen dürfen, wenn Terroristen an Bord sind.
In rechtlicher Hinsicht hat Udo Vetter schon das Wichtigste dazu gesagt. Aus psychologischer Sicht könnte man ergänzen: Der vertikal benachteiligte Unionschrist leidet offenbar unter ungestilltem Blutdurst.
Denn wir erinnern uns: Vor ziemlich genau einem Jahr wollte er unbedingt von Folter profitieren und pries innovative Verhörmethoden. Und jetzt würde Schäuble liebend gern mal wieder unschuldige Menschen final vom Himmel ballern lassen, um zu verhindern, dass eventuell vielleicht möglicherweise unter Umständen andere unschuldige Menschen durch das entführte Flugzeug zu Schaden kommen könnten.
Laut Duden sind die Wörter „beschäubelt“ und „bescheuert“ übrigens nicht synonym. Auch ich bin dieser Meinung.
Mehr noch: Das Wort „beschäubelt“ gibt es überhaupt nicht.
In rechtlicher Hinsicht hat Udo Vetter schon das Wichtigste dazu gesagt. Aus psychologischer Sicht könnte man ergänzen: Der vertikal benachteiligte Unionschrist leidet offenbar unter ungestilltem Blutdurst.
Denn wir erinnern uns: Vor ziemlich genau einem Jahr wollte er unbedingt von Folter profitieren und pries innovative Verhörmethoden. Und jetzt würde Schäuble liebend gern mal wieder unschuldige Menschen final vom Himmel ballern lassen, um zu verhindern, dass eventuell vielleicht möglicherweise unter Umständen andere unschuldige Menschen durch das entführte Flugzeug zu Schaden kommen könnten.
Laut Duden sind die Wörter „beschäubelt“ und „bescheuert“ übrigens nicht synonym. Auch ich bin dieser Meinung.
Mehr noch: Das Wort „beschäubelt“ gibt es überhaupt nicht.
In letzter Sekunde
01 Januar 2007
Das muss noch besser werden
Auf der Silvesterfeier thematisiert M. meine Anwesenheit. Man könne sich ja gar nicht mehr unbefangen verhalten, wenn ein Blogger da sei. Mehrfach kommt er darauf zurück, und ich gewinne schließlich den Eindruck, er möchte gern mal verbloggt werden.
Hiermit passiert.
P. erzählt, wie er alljährlich über die Aftershowparty der Berliner Echo-Verleihung marodiert und promifeindliche Streiche ausheckt. Seine überfallartige Schwitzkastentechnik soll vor allem Dieter Bohlen in unschöner Erinnerung haben. Und sein aus dem Hinterhalt inszeniertes Haareverwuscheln kommt bei Feldbusch & Co. auch nie toll an.
Auf unserer Silvesterparty aber spielen derlei Kindereien keine Rolle. Dafür andere. Einige Anwesende, allen voran die vielköpfig vertretenen Thais, frönen einem typischen Vergnügen des 21. Jahrhunderts: sich gegenseitig beim Fotografieren zu fotografieren.
Ich auch.
Nachts auf dem Heimweg begegnet uns an der für ihr zooartiges Ensemble sowieso berüchtigten S-Bahnstation Reeperbahn ein Menschenschlag, den Ms. Columbo kurz und korrekt als „Mischung aus ,Children of men’ und ,Das fünfte Element’“ bezeichnet, allerdings nicht in Hörweite.
Am Neujahrsnachmittag missvergnüge ich mich im Fitnessclub. Hier das Mängelstakkato: kein Klopapier, Geräte kaputt, Sauna kalt, Duschen defekt, keine Seife mehr da. Heroisch beherrscht gehe ich zum Tresen.
„Ich möchte mich beschweren“, sage ich, „haben Sie Stift und Zettel parat?“
„Das kann ich mir merken“, sagt die Frau.
„Da wäre ich mir nicht so sicher“, sage ich.
„So viel?“ fragt sie bang.
„Holen Sie bitte Stift und Zettel.“
Und sie tut’s. Wenigstens das klappt. Abends Terry Gilliams bizarrer Filmtrip „Fear and loathing in Las Vegas“ auf DVD: genau die richtige Droge, nach diesem Tag.
Jetzt muss es sich noch ein wenig steigern, das Jahr 2007.
Hiermit passiert.
P. erzählt, wie er alljährlich über die Aftershowparty der Berliner Echo-Verleihung marodiert und promifeindliche Streiche ausheckt. Seine überfallartige Schwitzkastentechnik soll vor allem Dieter Bohlen in unschöner Erinnerung haben. Und sein aus dem Hinterhalt inszeniertes Haareverwuscheln kommt bei Feldbusch & Co. auch nie toll an.
Auf unserer Silvesterparty aber spielen derlei Kindereien keine Rolle. Dafür andere. Einige Anwesende, allen voran die vielköpfig vertretenen Thais, frönen einem typischen Vergnügen des 21. Jahrhunderts: sich gegenseitig beim Fotografieren zu fotografieren.
Ich auch.
Nachts auf dem Heimweg begegnet uns an der für ihr zooartiges Ensemble sowieso berüchtigten S-Bahnstation Reeperbahn ein Menschenschlag, den Ms. Columbo kurz und korrekt als „Mischung aus ,Children of men’ und ,Das fünfte Element’“ bezeichnet, allerdings nicht in Hörweite.
Am Neujahrsnachmittag missvergnüge ich mich im Fitnessclub. Hier das Mängelstakkato: kein Klopapier, Geräte kaputt, Sauna kalt, Duschen defekt, keine Seife mehr da. Heroisch beherrscht gehe ich zum Tresen.
„Ich möchte mich beschweren“, sage ich, „haben Sie Stift und Zettel parat?“
„Das kann ich mir merken“, sagt die Frau.
„Da wäre ich mir nicht so sicher“, sage ich.
„So viel?“ fragt sie bang.
„Holen Sie bitte Stift und Zettel.“
Und sie tut’s. Wenigstens das klappt. Abends Terry Gilliams bizarrer Filmtrip „Fear and loathing in Las Vegas“ auf DVD: genau die richtige Droge, nach diesem Tag.
Jetzt muss es sich noch ein wenig steigern, das Jahr 2007.
31 Dezember 2006
Offener Brief zu Silvester
Liebe Krüppel vom Neujahrsmorgen,
schaut bitte jetzt noch mal an euch herab. Arme, Hände, Beine, Füße: Alles ist noch dran. Das ist gut. Noch.
Denn heute Nacht werdet ihr euch etwas wegsprengen. Ja, genau. Wahrscheinlich ein, zwei Finger, vielleicht auch eine Hand. Oder beide.
Manche von euch wird es noch schlimmer erwischen. Im Gesicht nämlich. Ihr werdet die Nase verlieren, den Unterkiefer, die Augen. Und einige von euch auch den Rest: euer Leben.
Alles ist momentan noch dran, wenn ihr an euch herabschaut. Das ist gut. Doch in den Zeitungen vom 2. Januar werdet ihr auftauchen: als Beispiele für Dumm-, Blöd- und Bescheuertheit. Jedes Jahr stehen diese Beispiele in den Zeitungen vom 2. Januar. Und diesmal seid ihr es, die zu blöd wart, einen Böller ordnungsgemäß abzufackeln.
Euer ganzes Leben – wenn ihr es denn behaltet – wird danach ein völlig anderes sein. Wahrscheinlich verliert ihr eure Mobilität. Vielleicht könnt ihr euch danach nie mehr alleine die Zähne putzen. Vielleicht verliert ihr euren Job. Oder euren Partner. Vielleicht beides.
Und alles aus Blödheit.
Aber noch ist nicht Mitternacht. Noch könnt ihr es vermeiden, am 2. Januar in den Zeitungen als Beispiele für lebensgefährliche Blödheit aufzutauchen.
Wie wär’s? Ist eigentlich ganz leicht.
Aber ich habe wenig Hoffnung. Denn genau das definiert ja Blödheit: Sogar das eigentlich Leichte noch zu leicht zu nehmen.
Schaut bitte noch mal an euch herab. Arme, Hände, Beine, Füße: Alles ist noch dran. Und jetzt sagt zu all dem bitte leise servus.
Melancholische Grüße,
Matt
Foto: Gruppe anschlaege.de
schaut bitte jetzt noch mal an euch herab. Arme, Hände, Beine, Füße: Alles ist noch dran. Das ist gut. Noch.
Denn heute Nacht werdet ihr euch etwas wegsprengen. Ja, genau. Wahrscheinlich ein, zwei Finger, vielleicht auch eine Hand. Oder beide.
Manche von euch wird es noch schlimmer erwischen. Im Gesicht nämlich. Ihr werdet die Nase verlieren, den Unterkiefer, die Augen. Und einige von euch auch den Rest: euer Leben.
Alles ist momentan noch dran, wenn ihr an euch herabschaut. Das ist gut. Doch in den Zeitungen vom 2. Januar werdet ihr auftauchen: als Beispiele für Dumm-, Blöd- und Bescheuertheit. Jedes Jahr stehen diese Beispiele in den Zeitungen vom 2. Januar. Und diesmal seid ihr es, die zu blöd wart, einen Böller ordnungsgemäß abzufackeln.
Euer ganzes Leben – wenn ihr es denn behaltet – wird danach ein völlig anderes sein. Wahrscheinlich verliert ihr eure Mobilität. Vielleicht könnt ihr euch danach nie mehr alleine die Zähne putzen. Vielleicht verliert ihr euren Job. Oder euren Partner. Vielleicht beides.
Und alles aus Blödheit.
Aber noch ist nicht Mitternacht. Noch könnt ihr es vermeiden, am 2. Januar in den Zeitungen als Beispiele für lebensgefährliche Blödheit aufzutauchen.
Wie wär’s? Ist eigentlich ganz leicht.
Aber ich habe wenig Hoffnung. Denn genau das definiert ja Blödheit: Sogar das eigentlich Leichte noch zu leicht zu nehmen.
Schaut bitte noch mal an euch herab. Arme, Hände, Beine, Füße: Alles ist noch dran. Und jetzt sagt zu all dem bitte leise servus.
Melancholische Grüße,
Matt
Foto: Gruppe anschlaege.de
30 Dezember 2006
Agitatorischer Kurzausflug pro Saddam
Der irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki legte gestern den absurdesten Satz des Jahres hin. „Unser Respekt vor den Menschenrechten“, sagte er, ohne sich sofort vor Scham die Zunge abzubeißen, „verlangt von uns, Saddam Hussein hinzurichten.“
Offenbar hat dem Mann, der kurioserweise 1980 vom Saddam-Regime zum Tode verurteilt wurde, noch niemand verklickert, welches das oberste Menschenrecht überhaupt ist.
Deshalb hier und jetzt noch mal zum Mitschreiben: Es ist das Recht auf Leben.
Wenn die irakische Zwangsdemokratie schon die Todesstrafe von Bushs Bibelkriegern übernimmt, sollte sie wenigstens nicht so armselig sein, sie mit Errungenschaften des Humanismus zu begründen. Denn eine Hinrichtung verhöhnt die Menschenrechte – und zollt ihnen nicht etwa Respekt, wie Herr al-Maliki in seiner abstrusen Logik glaubt.
Immerhin zeigt dieser Irrwitz noch einmal in aller Klarheit, welches pervertierte Wertesystem US-Präsident George W. Bush seit 2001 exportiert – und warum sich ihm partout niemand freiwillig anschließen will.
So, und jetzt kehre ich zurück auf den Kiez.
Offenbar hat dem Mann, der kurioserweise 1980 vom Saddam-Regime zum Tode verurteilt wurde, noch niemand verklickert, welches das oberste Menschenrecht überhaupt ist.
Deshalb hier und jetzt noch mal zum Mitschreiben: Es ist das Recht auf Leben.
Wenn die irakische Zwangsdemokratie schon die Todesstrafe von Bushs Bibelkriegern übernimmt, sollte sie wenigstens nicht so armselig sein, sie mit Errungenschaften des Humanismus zu begründen. Denn eine Hinrichtung verhöhnt die Menschenrechte – und zollt ihnen nicht etwa Respekt, wie Herr al-Maliki in seiner abstrusen Logik glaubt.
Immerhin zeigt dieser Irrwitz noch einmal in aller Klarheit, welches pervertierte Wertesystem US-Präsident George W. Bush seit 2001 exportiert – und warum sich ihm partout niemand freiwillig anschließen will.
So, und jetzt kehre ich zurück auf den Kiez.
29 Dezember 2006
Kinder!
Ich wollte Hosen und ging zu C&A; ich habe da recht wenig Berührungsängste.
Am Fahrstuhl erlebte ich etwas Interessantes. Eine junge Mutter mit Kinderwagen und etwa dreijähriger Göre wollte eilends noch in den Lift huschen, doch die Tür schloss sich, die beiden kamen nicht mehr rein.
Als sofortige Folge dieses Missgeschicks begann die Kleine überdimensioniert loszuplärren. Und zwar so, als habe man ihr hohnlachend einen halbgeschleckten Lolli entrissen und ihn mit der Bemerkung, es gäbe weder Weihnachtsmann noch Osterhasen, in zwei Metern Höhe an die Wand gepappt.
Diese lauthalse Unmutsbekundung des Dreikäsehochs war nicht nur akustisch schwer erträglich. Nein, sie verkörperte auch ein bereits voll ausgebildetes Anspruchsdenken, welches ihm im Verlauf seines Lebens noch viel Frust einbringen wird. Wahrscheinlich will der Schreihals sogar irgendwann eine Ausbildungsstelle, haha!
Ich habe dann lieber die Rolltreppe genommen.
Am Fahrstuhl erlebte ich etwas Interessantes. Eine junge Mutter mit Kinderwagen und etwa dreijähriger Göre wollte eilends noch in den Lift huschen, doch die Tür schloss sich, die beiden kamen nicht mehr rein.
Als sofortige Folge dieses Missgeschicks begann die Kleine überdimensioniert loszuplärren. Und zwar so, als habe man ihr hohnlachend einen halbgeschleckten Lolli entrissen und ihn mit der Bemerkung, es gäbe weder Weihnachtsmann noch Osterhasen, in zwei Metern Höhe an die Wand gepappt.
Diese lauthalse Unmutsbekundung des Dreikäsehochs war nicht nur akustisch schwer erträglich. Nein, sie verkörperte auch ein bereits voll ausgebildetes Anspruchsdenken, welches ihm im Verlauf seines Lebens noch viel Frust einbringen wird. Wahrscheinlich will der Schreihals sogar irgendwann eine Ausbildungsstelle, haha!
Ich habe dann lieber die Rolltreppe genommen.
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