03 Mai 2014

Pareidolie (96): Cherchez le Gurkensalat


Interessanterweise geht der Wiener ja „am“ Markt und „am“ Berg, aber wenigstens nicht „im“ Bett – und wenn doch, könnte das eine Inaugenscheinnahme durch einen Psychotherapeuten nach sich ziehen. 

Gemeinsam mit der hier im Blog und darüberhinaus weltberühmten Pareidolie-Tante arbeiteten wir heute im Wiener Café Ritter speziell diese Unterschiede zwischem dem Deutschen und dem Österreichischen heraus, dabei aufmerksam, aber in rasch abnehmendem Maße beobachtet von Apfel- und Topfenstrudelstücken sowie begleitender Vanillesoße.

„Topfen“ ist übrigens Quark, und ich meine das sehr konkret und nicht despektierlich. Das Gleiche gilt für das hiesige „Misttelefon“, was keineswegs eine Wienerische Kritik an der Qualität eines Kommunikationsgerätes ist, sondern einfach die Nummer des nächsten Abfallentsorgers. 

Am Abend vorher besuchten wir das Kleinkunst- und Verzehrtheater Kullsse, wo Angelika „Geli“ Niedetzky einen so fur- wie grandiosen zweistündigen Solocomedyparforceritt namens „Niedetzky-Marsch“ aufs Parkett legte. 

Kurioserweise hat Ms. Columbo vor einigen Monaten unfreiwillig den Titel des Programms geliefert, weil sie, als ich gerade Frau Niedetzky anmailte, mit deren Namen herumkalauerte und ich das noch hineinschrieb in meine Mail. Bingo! Manchmal haben die besten Ideen als Hebamme einfach nur den Zufall – oder eine kleine Albernheit zur rechten Zeit. 

Geli Niedetzky verdanke ich übrigens auch weitere tiefe Einblicke ins Österreichische. Sich „oan Fetzen umhänga“ etwa hat sehr, sehr wenig mit Kleidung zu tun – und heißt nichts anderes als sich die Kante geben. Was umgekehrt wiederum wohl die Österreicher nicht auf Anhieb raffen. Aber mir ist das inzwischen so was von blunznhugo, das können Sie mir glauben.

Ein Treffen mit der Pareidolie-Tante kann natürlich nicht ohne Pareidolieentdeckung zu Ende gehen. Abends beim Wiener Schnitzel im Falkensteiner Stübchen war es dann so weit: Cherchez le Gurkensalat.

Übrigens fokussierte meine Kamera, deren Gesichtserkennung aktiviert war, natürlich sofort das hier zu sehende Gurkenscheibenarrangement. Es liegt also nicht an mir, sondern ist objektivierbar! 

Den Termin meiner Inaugenscheinnahme durch einen Psychotherapeuten kann ich also erst mal beruhigt canceln.

PS: Eine ganze Galerie gibt es – natürlich – bei der Pareidolie-Tante.


Fundstücke (189): Achtung, Durch Fall Gefahr!



Dieses Motiv ist für verschiedenen Zielgruppen schwer erträglich, nicht nur für Vegetarier.

Entdeckt in Wien auf einem Markt in der Albertgasse.

30 April 2014

„Wie sind Sie denn drauf???“

Schlachthofflohmarkt. Ich befühle versonnen ein feines Wollsakko. Da tritt der Standbetreiber an mich heran und bittet darum, mich dem Sakko doch von der anderen Seite zu nähern. 

Ich schaue ihn an, als hätte er mir gerade erzählt, der Papst schwämme jeden Sonntag nach der Messe in Strapsen durch den Trevibrunnen. „Warum denn das?“, frage ich, nachdem ich mich wieder gefangen habe. 

Weil die Stelle, wo ich gerade stünde und von der aus ich das feine Wollsakko befühle, zum Nachbarstand gehöre, nicht zu seinem. Also solle ich doch bitte um den Garderobenständer herumgehen und das Sakko von der anderen Seite befühlen. 

„Danke“, antworte ich, „jetzt nicht mehr.“ 
Und er, laut: „Wie sind Sie denn drauf???“ 

Trotz solch schrulliger Typen erziele ich auf dem Schlachthofflohmarkt immer wieder bedeutende Kauferfolge. So gelang es mir erst am vergangenen Samstag, eine Boss-Hose aus reiner Schurwolle, eine in Würde gealterte Mustangjeans sowie die Mac-Originalversion des Office-2004-Pakets zu erwerben – für insgesamt 7 Euro!

Mal schauen, ob ich am Samstag auf dem Wiener Naschmarkt ähnlich erfolgreich sein werde.


20 April 2014

Wer ruft, muss blechen


Wenn man am Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis vorbeispaziert, stehen unten meist Frauen vor den stacheldrahtgekrönten Mauern und rufen was hoch zu den Zellenfenstern. Dort oben stehen meist Männer und rufen was zurück. 

Das ist schon immer so gewesen, so lange wir auf dem Kiez leben und am Holstenglacis langspazieren. Kommunikation unter erschwerten Bedingungen halt, dazu peinlicherweise auch noch öffentlich. Aber immerhin Kommunikation. Menschen in misslichen Lagen sind findig. 

Heute musste ich allerdings feststellen: Diese Kommunikation ist illegal. 

Zwar gilt laut Artikel 5 des Grundgesetzes in Deutschland die Meinungsfreiheit, doch parallel anscheinend auch das oben abgebildete Schild. Es hängt an der Mauer des Gefängnisses und deklariert es als ordnungswidrig, wenn freie Menschen auf einem freien Gehweg etwas rufen. 

Einen Verstoß dagegen bedroht dieses nonchalant das Grundgesetz außer Kraft setzende Schild – wenn denn die drei Scheine unten rechts nicht nur symbolisch gemeint sein sollten – mit satten 300 Euro Bußgeld.

Das Rufen von „MÄNNO, ALDER, HAST DU DIE FEILE DENN NICHT IM FLADENBROT GEFUNDEN?“ ist also erheblich teurer als das Überfahren einer roten Ampel samt Sachschaden (200 Euro) oder das Donnern durchs Dorf mit satten 110 Sachen (280 Euro).

Und jetzt die gute Nachricht: Fürs Hochrufen gibt es keine Punkte in Flensburg.

http://vg05.met.vgwort.de/na/5293be64d70f43e89143b1114a726f7c" width="1" height="1" alt="">

18 April 2014

Fundstücke (187): Aus gegebenem Anlass


Was ist noch älter als dieser ganze Osterschmus? 
Der hier abgebildete Olivenbaum.

Entdeckt im Garten Gethsemane, Jerusalem.

15 April 2014

Herrn Dinklage ist es hier zu feucht


„Game of Thrones“-Star Peter Dinklage dreht gerade auf St. Pauli. Seine 137 Zentimeter Sexappeal steuert er zur Verfilmung von Karen Duves Roman „Taxi“ bei, der über weite Phasen auf dem Kiez spielt. 

Hamburger „Game of Thrones“-Fans sind jetzt ganz hibbelig und wollen mit Dinklage Bier trinken, wenn man den Schanzentwitterer Weltregierung als Maßstab nimmt. Heute hat sich der kleine Mann, der während der Drehzeit bestimmt bei Sibel Kekili untergekommen ist, in einem Interview mit dem Abendblatt allerdings beklagt über die Stadt.  

„Ich hätte nicht gedacht“, soll er gesagt haben, „dass es hier so viel regnet.“ 

Ein Satz, der mich bis ins Mark trifft. Denn er befeuert erneut das sich seit der fatalen Drei-Wetter-Taft-Werbung hartnäckig haltende Falschgerücht, in Hamburg regne es viel. 

Die vielen Gespräche, in denen ich das fussellippig richtigstellte, die meteorologischen Statistiken, die ich bei Bedarf auch bei scheinbar harmlosen Kneipengesprächen wie zufällig hervorzuzaubern in der Lage bin: alles umsonst, wenn so ein dahergelaufener New Yorker nach zwei gerade mal mittelfeuchten Tagen in der Stadt „Ich hätte nicht gedacht, dass es hier so viel regnet“ sagt.

Deshalb noch mal zum Mitschreiben, Mr. Dinklage und lieber Rest der Welt: In Hamburg regnet es nicht viel. Jedenfalls nicht so viel wie in München. Glauben Sie also bitte keinem Lannister. Er ist auch nicht schlauer als die Drei-Wetter-Taft-Werbung.

Foto: HBO

12 April 2014

Geht’s noch dekadenter?

Gestern Abend war ich zur Partie des FC St. Pauli gegen den 1. FC Kaiserslautern eingeladen, und zwar in ein Separee, wie sie hier in Beerbung der Umgebungstradition die teuren Firmenlounges nennen.

Dabei entblödete ich mich nicht, vor und während des unschön endenden Spiels (2:3 in der siebenundneunzigsten Minute!) Sachen zu essen – zum Beispiel die hier abgebildete Komposition aus Wirsing, Lamm und Schupfnudeln. Begleitet natürlich von sorgsam darauf abgestimmten Getränken.

Könnte ich mich glatt dran gewöhnen, ich willenlos durchgentrifizierter Pseudopaulianer.

11 April 2014

Ist Pete Doherty überhaupt kieztauglich?


Aha, so, so, der britische sog. „Skandalrocker“ Pete Doherty zieht also nach St. Pauli. Der Exlover von Kate Moss wird unser neuer Nachbar. Feine Sache. 

Aber ist Doherty überhaupt kieztauglich? Ich habe da so meine Zweifel. Vor einem Konzert seiner Band Babyshambles habe ich Doherty mal über die Hundewiese an der Schmuckstraße staksen sehen, und was soll ich sagen: Er hat kein einziges Mal geguckt, wo er hintritt. FAIL! 

Ich würde sagen, bevor Pete Doherty ein Visum für St. Pauli kriegt, muss er sich erst mal das komplette Blog „Die Rückseite der Reeperbahn“ durchlesen, und wenn er das wegen Überforderung verweigern sollte, dann hat er wenigstens die Beiträge mit dem Etikett „St. Pauli“ durchzuackern. 

Aber vorher Schuhe ausziehen, sonst brauche ich ne Nasenklammer.


07 April 2014

Pareidolie (94–95)


Damit sich nicht wieder gar so viele Motive ansammeln, werde ich einfach öfter pareidolisieren müssen. 

Das zwischen Grinsen und Erschrecken changierende Gesicht links entdeckte ich am Wochenende an unserer Kabinentür auf der MS Amelia. Und die so missmutige wie einäugige Timberlandtasche stammt von der Webseite meiner einstigen Kommilitonin Afsun, die inzwischen in Norditalien hochwertige Secondhandmode an die Frau von Stil vertickt.

Erstaunlich, wozu ein Studium der Politikwissenschaft so alles gut ist.

PS: Eine ganze Galerie gibt es bei der Pareidolie-Tante.


06 April 2014

Die Pe’st


Wohin man auch fährt im vereinigten Europa: Der Deppenapostroph ist garantiert schon da – aber nur selten mit einer derartigen Penetranz.

Entdeckt in Nimwegen, Niederlande.


02 April 2014

Ich hör nix


Mein neuer Masseur Bernie erzählt von seinem Leben. Seinem Berufsleben. 

Die Praxis, in der er arbeitet, hat sich unlängst auch urkomischen Humbug wie „Cranio-Sacral-Therapie“ zugelegt, vor allem zur Behandlung von Tinnitus, und Bernie hat dafür eine saugute Begründung, die selbst für Esoterikabstinenzler wie mich unmittelbar einsichtig ist. 

„Man kann natürlich nicht beweisen, dass der Tinnitus damit weggeht“, sagt Bernie und lächelt fein. „Aber man kann auch nicht beweisen, dass jemand den Tinnitus überhaupt hört.“ Ergo? Cranio! 

Bernie ist bauernschlau, und die Krankenkassen finanzieren es. 

Wer also ernsthaft erwägt, seine Kasse zu schröpfen, um damit Bernies Arbeitsplatz zu sichern, der simuliere einfach einen Tinnitus. Niemand kann ihm das Gegenteil beweisen. 

Aus Protest gegen diese Praxis gehe ich jetzt sofort mit Ms. Columbo und meinen Eltern auf Flusskreuzfahrt nach Amsterdam (Foto). So.


27 März 2014

Wenn Leslie mit dem Schnauzer wackelt

Nach dem Tod von Walross Antje († 17. Juli 2003) avancierte Leslie Mandoki (m.) zum weltweit bedeutendsten Schnauzbartträger von ganz Hamburg – wobei ich mir gar nicht sicher bin, ob er überhaupt in Hamburg wohnt. 

Heute jedenfalls traf ich den Dschingis Khan des Schlagerpops in Berlin, und zwar bei einer Echo-Party auf der Dachterrasse des Europa-Centers. Ich musste unwillkürlich an „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ denken, weil Christiane F. sich mit ihrem Freund gern hier oben traf – zwei Teeniejunkies, ausgerechnet bewacht vom Symbol der Bürgerlichkeit schlechthin, dem Mercedes-Stern. 

Auf der heutigen Echo-Party hatte ich übrigens weder Walross Antje noch Leslie Mandoki entgegengefiebert, sondern vorwiegend dem möglichen Eintreffen der blonden Latinbombe Shakira. Indes kam doch nur Tim Bendzko und nahm Goldene Schallplatten mit. 

Noch vor wenigen Jahren hätte Bendzko für seine Erfolge nur genau halb so viele Goldene Schallplatten bekommen. Weil die Labels es aber einfach nicht mehr mitansehen konnten, wie wenige sie dank Ihrer (ja, ich meine Sie!)  illegalen Downloads nur noch vergeben konnten, haben sie die Anforderungen einfach halbiert. Alle sind dadurch wieder viel glücklicher.

Über solche Tricksereien kann ein altgedientes Walross wie Leslie Mandoki freilich nur verächtlich mit dem Schnauzer wackeln. Seine Goldenen Schallplatten waren damals alle noch richtige – und keine halben Sachen.

Darauf ein dreifaches „Hey! Ho!“

21 März 2014

Immer wieder Nuggi

Kramer, der Franke und ich hatten bereits gestern den frühlingsbeseelten Entschluss gefasst, heute sofort nach der Arbeit runter zu radeln zum Museumshafen in Övelgönne. 

Das Ziel unserer Träume: Nuggi’s Elbkate. 

Bei Nuggi’s Elbkate handelt es sich um einen vergrößerten Kiosk mit verkleinerten Preisen direkt an der Hafenkante, in dem eine dralle schwarze Lebefrau die köstlichsten Matjesbrötchen seit Erfindung der Niederlande rüberreicht, und zwar im Takt eines melancholischen Calypsos oder so ähnlich. 

Sie dreht diese hier so herrlich unpassende Begleitmusik immer runter, wenn jemand was bestellen will, und dann wieder rauf, wenn sie z. B. eine Bockwurst in den Kochtopf wirft.

Wir würden – so der genial ausgetüftelte Plan – die dralle Lebefrau, bei der es sich möglicherweise um Nuggi höchstselbst handelt, um Matjesbrötchen und Astraknollen bitten, uns damit ans Ufer setzen und sinnierend gen Westen schauen, in die untergehende Sonne. Schweigend würden wir essen und trinken. 

Es würde Stille herrschen – bis auf das leise Lecken der Elbwellen am dümpelnden Eisbrecher Stettin. Bis auf das Geräusch, das ein Kronenkorken macht, wenn er sich vom Flaschenrand der Astraknolle löst. Bis auf das Knirschen und Knacken der Zwiebelringe zwischen unseren Zähnen. 

Und genau so kam es dann auch – wenn man vom Sabbeln, Sülzen, Flachsen, Labern, Lachen und Lästern absieht, mit dem Kramer (l.) und der Franke (r.) diesen genial ausgetüftelten Plan genussvoll zunichte machten. 

Der Franke und ich durchliefen dabei, wie ich gestehen muss, drei komplette Zyklen mit Matjes und Astra, während der berufsrenitente Kramer in Richtung Erbsensuppe und Krakauer ausscheren zu müssen glaubte.

Tja, und wegen all dem müssen wir schon bald wieder runterradeln zu Nuggi’s Elbkate. Am besten sobald die Sonne das nächste Mal plant, in der Elbe unterzugehen. Morgen?

19 März 2014

Andrea schlägt Cristiano



Deutschland hat wieder eine Diva – darf ich vorstellen: Andrea Schroeder aus Berlin, original mit oe. 

Gestern Abend zog ich ihr Konzert im Knust sogar der Champions-League-Übertragung mit Cristiano Ronaldo vor, wenn Sie verstehen, was ich meine.

16 März 2014

50 Meter weiter


Heute Nacht scheint eine vielköpfige Gruppe auf den Stufen vor unserem Hauseingang ein vielgängiges Fastfoodgelage veranstaltet zu haben. 

An den hier nur rudimentär dokumentierten Resten – mayonnaisekontaminierte Kunststoffboxen, Hamburgerrinden, Pommes Frites – waren sie anscheinend nicht weiter interessiert, denn sie hinterließen sie den Tauben. 

Ich geruhte mich beim Drumherumgehenmüssen darüber zu echauffieren, doch Ms. Columbo sah die Lage sachlicher. „Ein großer Vorteil ist doch“, sagte sie, „dass sie erst 50 Meter weiter kotzen.“ Völlig richtig.

Die auf nachgewiesenermaßen jedem Foto des Kiezbodens herumliegende Kippe ist diesmal übrigens links oben vorzufinden.


11 März 2014

Was der FC Bayern aus jungen Männern macht

Viele denken ja, der tiefe Fall des Uli Hoeneß, gegen den seit gestern wegen Steuerhinterziehung prozessiert wird, sei der einzige dunkle Fleck auf der Weste des strahlenden Weltvereins FC Bayern München. 

Doch das ist ein Trugschluss. 

Denn eine erschreckend hohe Zahl von Angestellten des FCB ist im Lauf der Jahrzehnte in einen existenzgefährdenden Abwärtsstrudel gerissen worden. Uli H. ist beileibe kein Einzelfall, sondern nur ein Name auf einer langen Liste des Leidens, auch wenn dieser Name gleich dreimal drauf vorkommt. 

Und hier kommt sie – die Liste, die beweist, was der FC Bayern München aus vorher völlig unbescholtenen jungen Männern macht:
– Sie zünden Häuser an (Breno)
– Sie fangen an zu saufen (G. Müller)
– Sie werden depressiv (Deisler)
– Sie reden dummes Zeug (Effenberg, Thon, Kahn, Breitner etc. pp.)
– Sie reden saudummes Zeug (Matthäus)
– Sie schlagen ihre Freundin (Lell)
– Sie verlernen die deutsche Sprache (Maier)
– Sie werden größenwahnsinnig (Beckenbauer)
– Sie wählen CSU (Hoeneß)
– Sie werden dick (Hoeneß)
– Sie hinterziehen Steuern (Hoeneß)
– Sie schmuggeln Uhren (Rummenigge)
– Sie haben Sex mit Minderjährigen (Ribery)
– Sie stellen Buddhastatuen auf (Klinsmann)
– Sie steigen ab (Ottl, Rensing)
Gut, sie werden zwischendurch auch alle mal Meister, zugegeben. 
Aber um welchen Preis, Leute!

09 März 2014

Trinken fürs Ergebnis


Anders als vorgestern nassforsch prognostiziert, wurde Alexander Meier in der 68. Minute nicht zum Siegtorschützen für die Frankfurter Eintracht, sondern ausgewechselt. So viel zu meinen Fähigkeiten als Augur. 

Die Bundesligaverweildaueruhr tickte derweil unerbittlich weiter. Direkt daneben ein Banner mit der unfreiwillig komischen Aufschrift „Not for sale“, denn zumindest seinen Stadionnamen hat der HSV in den vergangenen Jahren fast so oft verkauft, wie er seine Trainer feuerte.

Die beiden Tore zum 1:1 fielen übrigens immer dann, wenn Mr. Goodman sich gerade erhoben hatte, um Flüssignachschub zu besorgen. Noch sind zwei Treffer eine zu kleine Grundgesamtheit, um von einer signifikanten Korrelation sprechen zu können, doch ich werde die Sache weiter beobachten.

07 März 2014

Bevor der Letzte das Licht ausmacht


Allmählich habe ich den schlimmen, schlimmen Verdacht, die erste Liga sei auf Abschiedstour in Hamburg. Die Indizien dafür sind jedenfalls erdrückend.

Der HSV tut alles, um endlich auch mal die kathartische Erfahrung eines Abstiegs in seine Annalen eintragen zu dürfen, und der FC St. Pauli wird es wieder mal nicht packen aufzusteigen – schon haben wir den Salat, nämlich weder BV- noch FCB mehr in der Stadt. 

Stattdessen Ingolstadt oder Sandhausen, und das gleich zweimal pro Saison. 

Nichts gegen Ingolstadt oder Sandhausen, aber das sind schon bittere Aussichten: das Tor zur Welt ohne Erstligatore. Keine Chance mehr, einfach mal spontan mit der S-Bahn nach Stellingen rauszufahren und dort Leverkusen, Wolfsburg, Bremen oder Mainz den üblichen Auswärtssieg einfahren zu sehen.

Deshalb verspüre ich schon seit einigen Wochen das progressiv wachsende Bedürfnis, bevor die Lichter ausgehen noch so oft es geht den Glanz und Glamour der Bundesliga zu schauen. Morgen tue ich es wieder. 

HSV gegen Frankfurt: Mr. Goodman und ich werden es uns mit Mützen, Bier und Sonnenbrillen auf der Osttribüne gemütlich machen und Alexander Meiers Siegtor in der 68. Minute mit jener wehmütigen Euphorie würdigen, die nur eine Erstliagabschiedstour auszulösen vermag.

Aber vielleicht steigt der FC St. Pauli ja doch noch auf.

28 Februar 2014

Vorzüge unserer Wohnlage


Zurzeit haben wir einige ungebetene Gäste im Haus. Zum einen Silberfischchen. 

Seit ich neulich versehentlich einen Artikel darüber las, wie putzig, harmlos, ja geradezu nützlich diese „lebenden Fossilien“ seien in ihrer Gier nach allem, was uns tagtäglich so vom Körper rieselt, fühle ich mich zunehmend unwohl in meiner tradierten Rolle als Silberfischchenterminator. 

Beschämendes Ergebnis: Ich expediere die Tierchen neuerdings mit Hilfe einer Postkarte, die mir Dr. K. in den 90ern geschickt hat, vorsichtig in ein Schnapsglas (Foto) und kippe sie mit einem gemurmelten Lebwohl über die Balkonbrüstung. 

Ähnliches wäre mit der anderen Spezies ungebetener Gäste im Haus weniger gut zu machen, nicht nur, weil sie sich bevorzugt im Erdgeschoss aufhalten: Junkies.

Irgendwie schaffen sie es immer wieder, das Haus zu entern. Eine wirksame Methode ist wahlloses Betätigen der Klingeltafel; irgendein Bewohner wird im Tran schon auf den Summer drücken. Ein Kalkül, das immer noch derart oft aufgeht, dass die mahnenden hausinteren Rundmails inzwischen bevorzugt in Versalien verfasst werden. 

Die andere Methode ihres Eindringens scheint von noch weniger Raffinesse geprägt und stattdessen eine brachiale zu sein, wie am Zustand des Schließblechs an der Haustür leicht abzulesen ist.

Sobald diese armen Gestalten drin sind, verkriechen sie sich in unseren heimelig verwinkelten Mülleimerabstellraum und tun, was Junkies gemeinhin tun. Manchmal bleiben sie zu diesem Zweck auch einfach dumpf auf der erstbesten Stufe im Treppenhaus sitzen und lassen sich widerspruchslos rauswerfen.

Jedenfalls scheint unser Heim zum Geheimtipp der Drogen- und Berberszene geworden zu sein, nachdem es bisher nur in der Rangliste Vorshauskotzen/-pinkeln/-kacken sowie in der Disziplin Haustürscheibeeinschlagen ganz weit oben rangierte.

Na ja, irgendwas muss man für die gestiegene Miete ja auch geboten bekommen, was Castrop-Rauxel nicht zu bieten hat.

Silberfischchen haben sie da schließlich auch.

21 Februar 2014

Pareidolie (77-93): Die Resterampe en bloc

Achtung: Es folgt ein Pareidolitsunami aus dem Entwurfsordner, der zurückreicht bis 2009. 
Das konnte so einfach nicht weitergehen; deshalb in einem Rutsch weg mit dem Schamott. 

















Oben ist Ihnen sicher ein offensichtlich biogenes Beispiel aufgefallen, und es ist auch wirklich eins, nämlich ein Detail aus dem Gesicht eines Rochens. 

Und der keck aus der Wäsche lugende Mülleimer kommt vom Blogleser Texid aus Schwerin, dem ich hiermit herzlich für die Erlaubnis zur Veröffentlichung danke.

PS: Eine ganze Galerie gibt es bei der Pareidolie-Tante.

16 Februar 2014

Kein Interesse


Heute flohen wir vorm einsetzenden Regen auf einen Tee bzw. Espresso in ein Kneipencafé in der Markstraße. 

Hinterm Holztresen empfing uns eine desinteressierte Schnepfe mit der typischen Schnute einer Soziologiestudentin, die diesen Scheißbedienungsjob nun mal tun MUSS, weil Papa nicht genug Kohle springen lässt für bedingungsloses Rumstudieren. 

Ms. Columbo nahm die den Raum füllende Muffelaura indes mit erheblich mehr Gleichmut hin, als es eigentlich logisch gewesen wäre. Denn so was hat auch Vorteile. Statt sofort von einer überaufmerksamen Bedienung bereits beim Ablegen der triefenden Mäntel mit einem Bestellaufnahmewunsch behelligt zu werden, durften wir in aller Ruhe ablegen, die Getränkekarte in Augenschein nehmen, den ranzigen Muff der Inneneinrichtung beschnuppern und die – kaum dass wir Platz genommen hatten – plötzlich durchs Fenster hereinflutenden Sonnenstrahlen genießen.

Als die Tresentrulla dann schließlich unwillig herbeigeschlurft kam und mit ins Nirgendwo schweifendem Blick unsere Tee-, Espresso- und Kuchenwünsche entgegennahm, waren die Mäntel schon wieder trocken.

Vorgestern hatten wir bereits ein Erlebnis, welches durch das gemeinsame Band des Desinteresses auf wundersame Weise verknpüft ist mit der Marktstraßenschnepfe. Wir waren am Fuß der Wexstraße auf ein Brot- und Brötchendepot gestoßen, welches für auf Straßen herumliegende Lebensmittel eine erstaunliche Güte und Unversehrtheit aufwies. Die Körnerlaibe hatten sogar noch unbeschädigte Banderolen, wie auf dem Beweisfoto oben gut zu erkennen ist. 

Warum sich aber nicht schon längst Abertausende von Tauben heiß und innig für diese unverhoffte Ladung Manna interessierten, kann mit einem unterfinanzierten Soziologiestudium wohl kaum hinreichend erklärt werden.

09 Februar 2014

Alptraum Relegation


Jahrzehntelang währt nun schon meine Karriere als Stadionbesucher, doch am Samstag erlebte ich ein Debüt. Beim Spiel des HSV gegen Hertha BSC nämlich geschah Folgendes: 

Der Stadionsprecher nannte mit mühsam gespielter Euphorie den jeweiligen Vornamen der aus- und eingewechselten HSV-Spieler – und die ungefähr 40.000 Anhänger auf den Rängen blieben die übliche Nachnamenergänzung einfach schuldig. Sie schwiegen, konsterniert und gelähmt von diesem neuerlichen 0:3. 

Allmählich muss sich die Stadt wohl wirklich an den Gedanken gewöhnen, erstmals seit 1962 ohne Erstligisten auskommen zu müssen. „Es sei denn, St. Pauli und der HSV spielen in der Relegation gegeneinander“, malt Hertha-Fan A. ein für Hamburg schier apokalyptisches Szenario an die Wand. 

Dann, liebe Leute, wäre die ganze Stadt ein Gefahrengebiet, nicht nur der Kiez. Und wollen wir das? Freilich wollen wir das.


03 Februar 2014

Die Luft ist raus


Mensch, hier passiert ja gar nichts mehr, denken Sie sich sicherlich. Und das haben Sie richtig beobachtet. Nach den Krawallen zwischen den Jahren ist nämlich Ruhe eingekehrt auf dem Kiez. 

Praktisch alle Evakuierten der Esso-Häuser sollen inzwischen in vergleichbar billigen Wohnungen untergekommen sein – ein Erfolg für die Protestler, wenn ich das richtig sehe, und damit eigentlich ein Grund zum Feiern. Man hört nur nix davon. 

Insofern illustriert das Foto gut die derzeitige Lage auf St. Pauli: Irgendwie ist die Luft raus, und deshalb gibt es erste gute Gründe für ein schiefes Grinsen nach der Krise. 

Habe ich eigentlich schon mal erwähnt, dass immer, wenn man den Boden rund um die Reeperbahn fotografiert, unweigerlich Kippen mit aufs Bild kommen? 

Bestimmt noch nie.

28 Januar 2014

22 Januar 2014

Pareidolie (76)

Der ebenso hochsympathische wie -fürsorgliche Hamburger Autor Richard Kähler machte mich per Mail auf ein sehr schönes US-amerikanisches Pareidolieblog aufmerksam, welches geneigte Interessenten hier ansteuern können. 

Die geradezu weltmeisterlichen Beispiele ebenda bewogen mich, diese traditionsreiche Serie auch hier mal wieder fortzusetzen – mit einem Kinderfahrradsitz, welcher die vorherrschende Stimmungslage seines Passagiers aufs Deutlichste zu resümieren scheint.

PS: Eine ganze Pareidoliegalerie gibt es bei der Pareidolie-Tante.





20 Januar 2014

Ein Fall für den Duden


Spontan dachte ich ja beim Anblick dieses auf dem Schlachthofflohmarkt entdeckten Schildes, bei „Polover“ handele es sich um einen mir bisher unbekannten und besonders zärtlichen Kosenamen für Schwule.

Auch wenn ich schließlich begriff, wie profan der wahre Sachverhalt war, so plädiere ich hiermit doch dafür, den „Polover“ von nun an in den Kanon der Schwulenkosenamen aufzunehmen.

Duden, übernehmen Sie!


14 Januar 2014

Fundstücke (185)



Was auf den Straßen von St. Pauli so herumliegt, vermag Wesen und Wirken des Stadtteils gemeinhin ganz gut zu charakterisieren. Und ich meine nicht nur die Hundekacke. 

Unlängst stieß ich in der Seilerstraße binnen kurzem auf zwei sehr unterschiedliche Gegenstände, welche durchaus dazu geeignet sind, die Extrempole des kompletten Kiezspektrums abzudecken.

Zum einen handelte es sich um eine Reclamausgabe von Schillers Stück „Wilhelm Tell“, zum andern um die Verpackung eines sogenannten „Super Dick Sleeve“. Der Inhalt war bereits entfernt und womöglich gerade in Gebrauch.

Was man aber auch findet auf den Straßen von St. Pauli: Daneben liegen immer ein Kronenkorken und ein Zigarettenstummel. 

Das ist ein Naturgesetz.

11 Januar 2014

Was vom Kissen übrig blieb



Kommentare in der Mopo sind oftmals recht lesenswert. Heute empört sich ein der Rechtschreibung nicht hunderprozentig sicherer Kommentator namens herring über die Kissenschlacht von gestern Abend auf dem Spielbudenplatz und fragt recht suggestiv: „und wer macht die sauerrei wieder weg?“

Nun, dafür, lieber herring, haben wir hier in Hamburg eine recht nützliche Einrichtung. Ich weiß nicht, ob so etwas auch in anderen Kommunen schon bekannt ist; hier jedenfalls heißt sie ziemlich schnörkellos „Stadtreinigung“. 

Dabei handelt es sich um lustig gekleidete Herren mit Spezialfahrzeugen, die überall herumwieseln und mit großer Akkuratesse einsammeln, was allem Anschein nach keiner mehr haben will. Zum Beispiel Federn aus Kissenschlachten. 

Das Schöne: Vor allem der Kiez stellt auf geradezu rührende Weise die Arbeitsplätze dieser Menschen sicher. Derart zuverlässig nämlich sorgt er, der Kiez, für die stete Zufuhr wegräumenswerten Nachschubs, dass die lustig gekleideten Herren gleich mehrfach täglich durch unsere Straßen wuseln dürfen. 

Eine Kissenschlacht ist letztlich also nur eine empathische Investition in die Zukunft der Hamburger Stadtreinigung, und entsprechend gutgelaunt präsentierte sich heute Morgen das abgebildete Team. 

Es wurde gejuchzt und gescherzt, zwei schippten, zwei schauten zu, und immer wieder umtanzten kleine aufgewirbelte Federflockenwölkchen das gesellige Quartett.

Friede, Freude, Federkissen: Könnt es doch immer so sein.

10 Januar 2014

Endlich gaga


Wahrlich: Es wäre ein erheblicher Fortschritt gegenüber dem Gebaren, welches zuletzt hier in unserer Straße an den Tag gelegt wurde, wenn die Unzufriedenen hinfort nur noch mit Klobürsten und Federkissen statt mit Wackersteinen würfen. Also Gaga statt Gewalt.

Das wäre genau jene Art relativer Deeskalation, welche den Hardlinern auf der anderen Seite nicht schmecken dürfte, uns Anwohnern aber umso mehr. Genau dort – auf der Ebene des Satirischen – sollte dieser eskalierte Konflikt ausgetragen werden. Von daher plädiere auch ich hiermit von Herzen für den erweiterten Klobürsten- und Federkisseneinsatz im Bereich zwischen Schanze und Reeperbahn, der vom Gefahrengebiet inzwischen wieder gesundgeschrumpft ist zur Region mit zwei übriggebliebenen Gefahreninseln. 

Der FC St. Pauli hat heute übrigens ebenfalls seine Meinung zu den Vorfällen auf dem Kiez, bei denen Vereinsparolen skandiert wurden, bekanntgegeben:

„Die Eskalation der letzten Wochen, gewalttätige Auseinandersetzungen, viele Verletzte, massive Sachbeschädigungen, die Ausrufung eines Gefahrengebiets – all das verhindert die vernünftige Diskussion von politischen Themen, die für den Stadtteil von großer Bedeutung sind.

Das Präsidium des FC St. Pauli spricht sich klar gegen Gewalt in jeglicher Form aus und appelliert an alle beteiligten Parteien, Deeskalation zu betreiben, Gewalt zu unterlassen und zu versuchen, wieder in den Dialog zu treten. Zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger unseres Stadtteils.“ 

Zurück zu den Klobürsten: Auf ganz St. Pauli soll dieses inzwischen so bedeutsame Utensil inzwischen ausverkauft sein. Somit steigt unweigerlich die Gefahr, dass man alsbald verstärkt auf Ersatz zurückgreift – nämlich gebrauchte. Und das wäre das Gegenteil von Deeskalation. 

Also bitte nicht. 

PS: Das Motiv oben kursiert zurzeit im Internet. Die Urheberschaft ist leider nicht festzustellen. Eine Quellenangabe reiche ich selbstverständlich gerne nach – oder entferne das Bild auch, wenn die Abbildung hier im Blog dem Schöpfer oder der Schöpferin nicht genehm sein sollte.

07 Januar 2014

Pareidolie (75): Aus den Feuern

Die brennenden Barrikaden neulich in der Seilerstraße waren doch zu etwas gut, und zwar zu einer belastbaren, wenngleich höchst flüchtigen Pareidolie. 

Selbst meinem geübten Blick entging sie indes zunächst, doch dann manifestierte sie sich plötzlich umso heftiger.

Oder erkennt irgendjemand in diesem Feuer etwa nicht das Profil eines bärtigen älteren Herrn mit hoher Stirn und tiefliegenden Augen, der viel sanftmütiger lächelt, als es der Anlass eigentlich nahelegt? 

Wusst ich’s doch.

PS: Eine ganze Pareidoliegalerie gibt es bei der Pareidolie-Tante.



05 Januar 2014

News aus dem Gefahrengebiet


Wenn ich sonntagsmorgens zum Brötchenholen auf dem Kiez unterwegs bin, dann muss mir niemand erzählen, dass ich mich in einem Gefahrengebiet befinde. Denn was da an Überresten der letzten Nacht vorüberschlurft, sieht aus, als wäre es beim „Walking Dead“-Statistencasting nur knapp gescheitert. Und deshalb sauer.

Doch auch offiziell, generell und auf unbestimmte Zeit ist St. Pauli seit dem Wochenende „Gefahrengebiet“, eine Reaktion auf die Überfälle auf Polizeistationen in der Schanze und auf dem Kiez (zumindest letzterer ist inzwischen umstritten). 

Dieser Status ermöglicht der Polizei, ohne konkreten Anlass nach Ausweisdokumenten zu fragen oder Platzverweise zu erteilen. Wohin sie Ms. Columbo und mich allerdings im Bedarfsfall verweisen wollte, bleibt vorerst ungeklärt. 

Allmählich jedenfalls avanciert ganz Hamburg zum Gefahrengebiet, zumindest für den Bürgermeister Olaf Scholz, wie Spiegel online treffend feststellt. Falls was passiert (gestern war ich z. B. versehentlich ohne Ausweis unterwegs, das war knapp!), halte ich Sie auf dem Laufenden.

Bis dahin bilden Sie bitte eine Luftbrücke.


03 Januar 2014

Nahe null


Trotz aller Bemühungen, an denen ich Sie in der Vergangenheit regen Anteil nehmen ließ, verfügen wir immer noch über Restbestände an Büchern. Manchmal verschlechtert sich die Lage sogar – vor allem, wenn ich Weihnachten bei meinem Eltern verbringe und den Fehler begehe, auf den Speicher hinaufzusteigen. 

Dort lagern weiterhin mehrere Zentner Druckwerke aus der ersten Hälfte meines Lebens, doch meinen Eltern wäre es lieber, wenn dieser Zustand sich allmählich und endgültig änderte. Also kehrten wir vom Weihnachtsbesuch mit einer Tasche Bücher zurück, deren Onlineauktionseignung ich in Hamburg zu überprüfen gedachte. 

Darunter befand sich auch ein altes Buch mit hessischen Volksliedern, voll mit erbaulichen Moralballaden, die am Ende meist betonen, wie hilfreich unbedingtes Gottvertrauen sich gemeinhin aufs weitere Leben auswirkt. Das Buch ist eine Erstauflage von 1894, gut erhalten, mit immer noch stabil verklebten Buchdeckeln, ohne lose Seiten und bei Amazon mit beeindruckenden 40 Euro im Angebot. 

Flugs stellte ich mein Exemplar zum gleichen Preis wie das billigste Konkurrenzangebot dazu und harrte der Dinge. Fast ebenso flugs wurde ich um einen Cent unterboten. Ich zog umstandslos gleich. Der Konkurrent ging erneut einen Cent drunter, ich blieb milde gestimmt und zog wieder gleich; schließlich hatte ich kein Interesse an einem ruinösen Dumpingwettbewerb. 

So ging das eine ganze Weile hin und her, bis mir dämmerte, dass die jeweils prompte Reaktion meines Duellanten nur botgesteuert möglich sein konnte. Anscheinend hatte er ein hirnrissiges Tool im Einsatz, das automatisch das niedrigste Angebot um einen Cent unterbot – ohne zu bedenken, was unvermeidlicherweise geschähe, wenn sich auch irgendein anderer jenes Instruments bediente: Der Preis sänke – sofern kein heimlich festgelegter Mindestbetrag die fatale Entwicklung stoppte – binnen kurzem gen null.

Also beschloss ich den dumpfen Bot zu überrumpeln und senkte den Preis meiner erbaulichen hessischen Volkslieder schlagartig auf zwei Cent. Diese Aktion war freilich nicht ohne Risiko, denn jeder volkskundlich Interessierte musste sich augenblicklich alle zehn Finger nach diesem Schnäppchen lecken und zuschlagen. Inklusive Versandkosten erwürbe er die Rarität für 3,02 Euro, und das ist nun wirklich zu wenig für den Lobpreis unbedingten Gottvertrauens aus dem späten 19. Jahrhundert. 

Doch es klappte: Der rumpeldumme Bietautomat des Konkurrenten brauchte nur fünf Minuten, um sein Angebot auf einen Cent runterzuprügeln. Natürlich kaufte ich sein Buch sofort. 

Seither dämmert mein Exemplar friedvoll und unbehelligt einem interessierten Käufer entgegen. Die 39 Euro, die er dafür zahlen müsste, wären für Genreliebhaber immer noch ein echtes Schnäppchen. 

Übrigens nahm ich an, dass der von mir und seinem eigenen Bot ausgetrickste Konkurrent mich anmailen und die Unauffindbarkeit seines Exemplars heucheln würde, um ein Storno zu erwirken. Doch nichts da: Heute hat er’s schon verschickt. Angeblich. 

Bald werde ich, der eigentlich weltweit größte Bücherabschaffer von ganz St. Pauli, also doppelt so viele Exemplare dieses historischen Meisterstücks zu Hause verwahren dürfen. Und wahrscheinlich werde ich keins der beiden je wieder los. 

Ich meine: Wer interessiert sich schon für hessische Volkslieder von 1894? Also ich nicht.