24 November 2007

Umnebelt

Die Bar Morphine, wohin ich eingeladen bin, um mir einen Künstler anzuschauen, könnte überall angesiedelt sein, in Meiendorf oder Norderstedt, in Harburg oder Pinneberg.

Aber nein, sie liegt in der Seilerstraße; ich könnte in Puschen hinüberschlendern. Tue ich trotzdem nicht.

Drinnen pusten sie alle fünf Minuten Trockeneis auf die Tanzfläche, wo ein totemähnlicher Pfeiler steht, anfangs noch wie ein trutziger Solitär. Bald ist er umgeben von Zwanzigjährigen, die hier den Altersschnitt definieren, und ich fühle mich … älter.

Alle sind umflort vom zischenden Nebel, und der endlose stumpfe Beat des Technohouse, den der DJ in den Raum pumpt wie eine Injektion aus Adrenalin, nivelliert die Unterschiede. Die Körper pulsieren im Takt, Flaschen und Gläser vibrieren in unseren Händen.

Neben mir umarmen sich gestylte faltenlose Menschen mit vor gespielter Begeisterung geweiteten Augen (das kann allerdings auch vom Kokain kommen, das sie gerade auf dem Klo geschnupft haben).

Ein bärtiger Student mit Hornbrille (Fachrichtung: Grafikdesign. Hundertprozentig.) hält das Cocktailglas seltsam affektiert in Ohrenhöhe rechts von seinem Kopf und schwenkt manchmal ohne hinzuschauen den Arm nach links, wo der Strohhalm traumhaft sicher seinen Mund findet.

Eine passable Methode, geriete sein Ellenbogen nicht beim Zurückschwenken immer wieder in gefährliche Nähe zu meinem Jochbein. Ich wechsle den Platz, treffe Kalle Schwensen und beschließe in der Zehntelsekunde, bevor wir uns die Hände schütteln, diesmal richtig gegenzuhalten. Es funktioniert.

Als ich gehe, wird mir bewusst, dass keine der herumwuselnden Promoterinnen, welche die Gäste zum Eintrag in einen Mailverteiler animieren sollen, mich angesprochen hat. Vielleicht war der Trockeneisnebel zu dicht.

Ja, bestimmt.

6 Kommentare:

  1. Ich sehe schon, die Aktion Rente mit 67 ist nicht nur für Dachdecker etwas problematisch.

    AntwortenLöschen
  2. Ganz bestimmt.

    Hätten Sie denn nicht ein Bild von dem bärtigen Grafikdesignstudenten mit dem von Gläsern eingerahmten Ohr machen können :-(

    AntwortenLöschen
  3. Menschen fotografiere ich nicht gut – und ich traue mich meistens sowieso nicht.

    AntwortenLöschen
  4. Ich kenne diese Haltung. Ich praktiziere sie nämlich selbst recht häufig, wie Sie eigentlich wissen müßten, lieber Matt. Allerdings vornehmlich mit Astra-Flaschen. In der Tat ist das eine unheimlich bequeme Haltung, auch wenn sie nicht so aussieht.

    AntwortenLöschen
  5. Vielleicht ist mir diese … Marotte nur deswegen noch nicht aufgefallen, weil ich so selten neben Ihnen stehe und mein Jochbein dadurch ungefährdeter ist. Aber ich werde darauf achten.

    AntwortenLöschen
  6. Ich wickel mir beim Schlafen immer die Arme um den Kopf. Das ist auch total entspannend.
    Bis auf die paar Mal, bei denen ich mir die Schulter halb ausgekugelt habe...
    :D

    AntwortenLöschen