Als wir uns vorm Ausflug nach Heidelberg frühstückend stärken, betritt ein gelbbrauner Jack-Russell-Terrier den Raum. Er sieht sich um und stellt sich dann vor mich hin. Seine Flanken zittern, wohl bedingt durch seine unübersehbare Betagtheit.
Der Hund schaut mich an. Bettelt er? Wirkt so. Kurz überlege ich, ob der von uns verschmähte Teller mit Schnittwurst ihn interessieren könnte, wage es aber nicht, ihm eine Scheibe hinzuwerfen. Zu resolut nämlich schilderte uns die riesenzähnige Wirtin bisher sämtliche Ge- und Verbote, die in ihrem Gästehaus unter allen Umständen gelten.
Dazu gehören etwa die Modalitäten des Türabschließens, Fensteröffnens sowie Heizungsauf- und -abdrehens. An Hundefütterregeln erinnere ich mich zwar nicht, doch das Risiko, mit der pfälzischen Wuchtbrumme unbedacht in Streit zu geraten, möchte ich nicht eingehen. Zu ungewiss wäre der Ausgang.
Da steht also der Hund und bettelt, und vor mir steht der Wurstteller. Jetzt betritt die Wirtin den Raum. „Susi!“, schnappt sie sofort, „du sollst doch hier net roi!“ Susi also; eine Hündin. Sie duckt sich, weicht aber noch nicht.
„Nix gesche Sie“, wendet sich die Wirtin nun in ruhigerem Tonfall an mich, „awwer de Susi steht off Männer mit wenich Haare.“ Der Hund steht vor mir und starrt mich weiter an. Doch nicht bettelnd, wie ich nun weiß, sondern bewundernd. Ich schaue mildgestimmt zurück.
„Nun“, antworte ich dann der strengen Chefin, „die Vorliebe für Männer mit wenig Haaren teilt die Susi mit meiner Frau.“ Endlich bin ich mal situationsgenau schlagfertig, doch die Wirtin überhört mein Bonmot. Stattdessen führt sie zahlreiche weitere empirische Beispiele für Susis spezielle Neigung an. Dann beginnt sie, das Tier auszuschimpfen.
Susi weiß sofort, was Sache ist und verzieht sich routiniert unter den Nachbartisch. Doch die dralle, pralle Winzerin hat sich plötzlich aus dem Nirgendwo mit einer giftgrünen Fliegenklatsche munitioniert. Das erweitert ihren Aktionsradius enorm, und unter „Raus mit dir, Susi!“-Rufen fuchtelt sie mit der Klatsche unter dem Tisch herum.
Susi gerät in ernsthafte Bedrängnis, ihr bleibt jetzt nur noch die Flucht aus dem Frühstücksraum. Im Weglaufen wirft sie mir einen traurigen Blick zu, der sich zu gleichen Teilen aus Wehmut und Sehnsucht speist – und keineswegs dem Teller mit der Schnittwurst gilt.
Schon eine Nette, die Susi. Werden wir uns jemals wiedersehen?
PS: Das Foto zeigt übrigens den abendlichen Ausblick vom Balkon des geschätzten Bloggerkollegen Joshuatree.
Das ist so wunderbar geschrieben, ich könnte lachen und weinen zugleich!
AntwortenLöschenNehmen Sie bitte Susi mit nach HH, ich denke mal, dass Ms. Columbo gegen diese Art der ménage à trois nichts einzuwenden hätte!
Ich wünsche mir ein Happy End! Für alle! Außer für die Wirtin, aber sonst für alle!
Tolles Foto!
Ich hege die dunkle Befürchtung, Susi zöge – sofern man sie vor die ultimative Entscheidung stellte – trotz allem die Gesellschaft der Fliegenklatschenfrau vor.
AntwortenLöschenAber Sie, verehrte Anna, sollten wirklich ALLEN ein Happy End wünschen. Kostet ja nix!
Warum gibt es denn von Susi kein Bild? Das wäre doch sicher schöner als sone olle Stadtaussicht.
AntwortenLöschenWirklich süß und tragisch, diese Liebesgeschichte, die niemals ein Happy End haben wird.
Immerhin können Sie nun zu Ms. Columbo nun jederzeit vorwerfen, daß sie einen Geschmack wie ein Hund habe.
Jetzt verstehe ich, warum man wenig Haupthaar auch als Fleischmütze bezeichnet. Nix gesche disch, lieber Matt, aber der Hund hat sie einfach nur verwechselt. Mit einer Mütze voll Fleisch.
AntwortenLöschenDie einzig Bewundernswerte unter den Protagonisten dieser traurigen Geschichte ist Ms Columbo mit ihrer Fähigkeit, aus Ihrer Not eine Tugend zu machen.
AntwortenLöschenDer einzig Beneidenswerte ist der Typ in der Fußnote.
Vielen Dank, in der Fremde weilender Nachbar, dass Sie dem vielleicht letzten Exemplar des im Aussterben begriffenen Wortes "Wuchtbrumme" ein kleines Biotop in Ihrem überaus unterhaltsamen Reiseblog geschaffen haben! Und wie rührend, dass es noch Hunde gibt, die "Susi" heißen! Womöglich befinden Sie sich auf einer Zeitreise? Dann Grüße an alle Backfische und Halbstarken, denen Sie unterwegs begegnen.
AntwortenLöschenOkay, Matt, dann wünsche ich eben ALLEN ein Happy-End, aber nur im Tausch für ein Susi-Foto.
AntwortenLöschenDa bin ich jetzt einfach mal erpresserisch!
Stefan, so dumm sah mir die Susi gar nicht aus, dass sie mich mit ihrem Fresschen verwechseln könnte.
AntwortenLöschenUnd bewundernswert, Opa, ist Ms. Columbo auf jeden Fall und aus noch viel mehr Gründen.
Bedrohte Wörter, Frau Nachbarin, finden bei mir immer eine Unterkunft, zur Not in der Besucherritze.
Ein Foto von Susi, liebe Anna et. al., werde ich leider nicht beibringen können, denn ich beging den Fehler, kameralos zum Frühstück zu erscheinen. Und das Symbolfoto, welches Oldman mir heute nachmittag zukommen ließ, erinnert leider nur sehr vage an Susi, weshalb ich es der Öffentlichkeit vorenthalten werde.