29 September 2011

Das Elixier des Teufels



Der Besuch auf Sizilien letzte Woche wird noch lange Folgen haben, so viel ist schon mal klar.

Unter Missachtung paneuropäischer Prohibitionsgesetze sowie des Kriegswaffenkontrollabkommens schmuggelte ich nämlich unbemerkt von Interpol und Ordnungskräften ein Höllengesöff namens Elisir dell’Etna hinter die deutschen Grenzen von 1990.

Nachdem Ms. Columbo und ich uns gestern Abend jeweils einen als Digestif gegönnt hatten, beschlossen wir augenblicklich, das „Elixier“ hinfort nur noch arglosen Gästen anzubieten.

Seine Wirkung ist, nebenbei bemerkt, durchaus vergleichbar mit der Verkostung eines Schlucks frischgeschlüpfter Ätnalava, und wer jetzt besserwisserisch daherkommt mit „Die haben Sie selbst ja noch nie getrunken, Sie Hochstapler!“, dem halte ich ungerührt meine blühende Fantasie entgegen.

Das Zeugs hat übrigens 68 Volumenprozent.
Und ich meine nicht die Lava.


28 September 2011

Der Inhalt von Roger Ciceros Hose



Wenn hier einer von den beiden Due Baristi mitliest: Wundert euch bitte nicht, wenn demnächst der Swingpopper Roger Cicero bei euch auftauchen sollte.

Dem – wie sich heute Abend beim musikalischen Dinner im Kiezrestaurant Nil herausstellte – geradezu fanatischen Espressoaficionado habe ich euch nämlich wärmstens empfohlen, und er schien elektrisiert.

Doch nicht nur über seine Suche nach dem perfekten Kaffee, der er zu Hause unter häufiger Inanspruchnahme einer 1400 Euro teuren Maschine nachgeht, plauderte der Sänger beim Abendessen. Cicero erzählte – wahrscheinlich nur zufällig, während er Hokkaidokürbis (sic!) aß – auch von seinem ersten Auftritt überhaupt, bei dem er eine etwas zu enge Hose trug, die auch noch etwas zu hoch gerutscht war und sich dadurch entsprechend prominent in einem Zeitungsbericht am nächsten Tag niederschlug.

„Das war meine erste Rezension überhaupt“, sagte er mit einer Mischung aus Bedauern und süßer Erinnerung, „und sie beschäftigte sich zu zwei Dritteln mit Spekulationen über den Inhalt meiner Hose.“ Was mich angesichts seiner daraufhin folgenden rasanten Karriere an Hitchcocks Rezept für einen guten Film erinnerte: mit einer Explosion anfangen und sich dann langsam steigern.


Zu Hause stellte ich allerdings beschämt fest, dass keineswegs Alfred Hitchcock, sondern dessen Regiekollege Samuel Fuller das gesagt haben soll. Doch dieses bei mir absolut übliche gesunde Viertelwissen ist Cicero zum Glück nicht aufgefallen, und ich bin mir sicher, dass er das zitierte Zitat bereits auf der nächsten Espressoparty dem guten alten Hitchcock in die Schuhe schieben wird. Vielleicht auch schon während seines Besuchs des Due Baristi.

Cicero nahm übrigens wieder mal den ganzen Abend seinen Hut nicht ab, wahrscheinlich aus exakt dem gleichen Grund wie Udo Lindenberg.

Mehr sage ich dazu nicht. Und womit? Mit Aplomb.


26 September 2011

Pareidolie (22–28): Gesichter des Mittelmeers



Palma de Mallorca, Jachthafen



Marseille, Hafenviertel



Isle d’If, Chateau (aus dem der Graf von Monte Christo floh)



Barcelona, ehemalige Stierkampfarena



Aix en Provence, Hausfassade



Costa Serena, Flurlampe



Costa Serena, Guess-Handtasche

PS: Viele weitere und bessere Bildbeispiele gibt es bei der Pareidolie-Tante.

24 September 2011

Superman has left the building



Als deutscher trockener Alkoholiker sollte man keineswegs ausgerechnet in Südfrankreich versuchen, seiner Sucht dauerhaft Herr zu werden. Der ständig anzutreffende Imperativ „Sauf“ könnte in Verbindung mit allgegenwärtigen Giften wie Pastis den Therapieerfolg ernsthaft gefährden.

Ansonsten ist der Süden des Landes natürlich von apartester Attraktivität, und wenn es sich irgendwo dauerhaft zu stranden lohnte, dann doch wohl auf dem Lebensmittelmarkt von Aix en Provence.



Allerdings frönen sie dort auch gewöhnungsbedürftigen Vorlieben – zum Beispiel jener, Schokolade in Form traurig dreinschauender Sardellen zu servieren. Dass diese Idee nicht nur schräg, sondern kulinarisch gesehen richtiggehender Quatsch ist, scheint den Aixern selbst latent zu dämmern, sonst hätten sie wohl kaum Hinweisschilder aufgestellt, die (zumindest für Touristen) den Quatsch aufklären.

Übrigens habe ich es doch wahrhaftig geschafft, den Schokoladenbrunnen bis zur Ausschiffung konsequent zu meiden. Jetzt fühle ich mich zu allem fähig, etwa zur Lösung des Nahostkonfliktes oder zur Schaffung des Weltfriedens.

Lieblingswünsche an Superman bitte in den Kommentaren.

23 September 2011

Die wahren Messen liest Messi



Natürlich: Die Sagrada Familia in Barcelona ist ein atemberaubender Entwurf einer Kirche.

Sie sieht aus, als hätte Ludwig II. den Architekturauftrag an Disneyland vergeben. Dafür kann man den 1926 gestorbenen Architekten Antonio Gaudì gar nicht genug bewundern, doch Tatsache ist: Er hat das Wunderding einfach nicht fertiggekriegt. Und die Nachwelt bis jetzt auch nicht.

Seit über hundert Jahren bastelt Barcelona daran herum, heute auch wieder, als wir davor standen: Kräne, Lärm, Hämmern, Bagger, Arbeiter mit Schutzhelmen – und so wird es weitergehen, vielleicht für weitere hundert Jahre.

Für mich war dieses kuriose Gebäude, das an manchen Stellen aussieht, als risse der weiße Hai sein Maul auf, allerdings eh nicht der Höhepunkt des Tages, sondern die Fahrt zum Stadion Camp Nou. Das ist wenigstens fertig geworden, dort werden die wahren Messen gefeiert, und zwar von einem Hohepriester namens Lionel Messi.

Ich, Gebenedeiter unter den Männern, durfte heute die gleiche (miese) Stadtluft atmen wie dieser Marsmensch von Fußballer, und beinah hätte ich im Barça-Shop wie in Trance sein Trikot gekauft, doch holte mich der Preis von 99 Euro schlagartig zurück ins Hier und Jetzt.

„Aitywon wissout se nem“, erklärte mir eine Angestellte. Aha, sagte ich, Messi ist also sozusagen 18 Euro wert. „No, no“, schüttelte sie den Kopf, „evri nem is naintinain, Iniesta, Xavi Alonso, evri nem.“

Trotzdem zu teuer, auch ohne Namensaufdruck. So verließ ich den Shop nur mit einer Ahnung vom Odem des Herrn, dem ich irgendwie nahe gewesen war, doch ohne ein angemessenes Opfer pekuniärer Art zu bringen.

Ich hoffe, das stellt mich dereinst nicht ewiger Verdammnis anheim oder gar dem Verlust meines Skyabos, mit dessen Hilfe ich zurzeit noch Gott beim Wundertun zuschauen kann.

Nächste Station: Marseille.

22 September 2011

Die widerlegte Strohhutthese



Meine Kommentatoren sind mir heilig, selbst die, die sich nicht heraustrauen aus dem Dunkel der Anonymität.

Deshalb folgten wir heute dem Rat eines ortskundigen Lesers und begaben uns in Palma zur Bar Bosch auf dem Placa Rei Joan Carles, wo man angeblich deutsche Landsleute mit dämlichen Strohhüten ihren Café con leche schlürfen sieht und sie dabei aufs Trefflichste belauschen kann.

Meinen eigenen dämlichen Strohhut hatte ich leider auf dem Schiff zurückgelassen; jetzt hätte er mir beim Eintauchen in diese fremde und seltsame Welt gute Incognitodienste leisten können. Na ja, es musste auch so gehen.

Bereits der erste schweifende Blick über den Außenbereich der rappelvollen Bar Bosch zeigte in der Tat eine beträchtliche Zahl stiernackiger Männer mit dämlichen Strohhüten, von denen ich sofort einen als prototypisch einzustufen vermochte und in aller Heimlichkeit ablichtete (siehe oben).

Alsdann wollte ich ihren Gesprächen lauschen, wollte herausfinden, wie sie die BILD-Themen des Tages stammtischmäßig ventilierten – doch das klappte nicht: Die Strohhüte unterhielten sich durchweg auf Spanisch …

Vorher, in der Mittagszeit, hatten wir uns in eine Seitengasse geschlagen auf der Suche nach einer wirklich authentischen Tapasbar und fanden eine in der C. Pelaires. Die Bedienung beherrschte weder Englisch noch Deutsch, was uns begeisterte. Hier waren wir richtig.

Wir orderten jeweils einen gemischten Tapasteller – und erhielten grandios matschige, in großzügigen Öllachen ertrunkene Komponenten von bestürzender Qualität. So fanden wir beide etwa die Häute von Knoblauchzehen in der Tunke vor; bei mir war sogar irgendwie ein sorgsam abgenagter Knochen undefinierbarer Herkunft in die Komposition hineingeraten. „Vielleicht ein bisschen zu authentisch“, fand Ms. Columbo. Ja, vielleicht.

Vorm Mittagessen waren wir in einer Cafeteria am Pl. Espanya gewesen, wo es freies WLAN gab. Wie Ausgehungerte fingerten wir die iPhones hervor und loggten uns mit zittrigen Fingern ein. Ich setzte sogar einen Tweet ab!

Dieses Erlebnis sorgte für eine höchst gehobene Stimmung, und vielleicht war sie es auch, welche sogar später noch die Matschtapas in der Pelaires ins milde Licht der Versöhnung tunkte.

Wie ich uns kenne, hält sie vor bis Barcelona.

21 September 2011

Pareidolie (21): Im Büffetrestaurant



Keine Ahnung, worüber dieser Küchenautomat da so grenzdebil staunt oder welche Funktion er überhaupt hat.

Er steht jedenfalls im Selbstbedienungsrestaurant unseres Kreuzfahrtschiffes, und gebaut hat ihn eine gewisse Firma Taylor.

Mehr weiß ich aber auch nicht.

Gefahren, überall



Mit nicht geringer Verwunderung traf ich in einer Caféteria unterm Gipfel des Ätna – in 2000 Metern Höhe also – eine historische Jukebox an.

Das allein hätte den Grad meiner Verwunderung allerdings kaum begründen können; dafür musste noch die Tatsache hinzukommen, dass auf dieser Jukebox was auswählbar war?

Joachim Witts „Tri Tra Trullala“.

Nur Minuten nach dieser Entdeckung verschlechterte sich das Wetter dramatisch. Bei nur noch acht Grad Celsius kam ein von peitschendem Regen begleiteter Sturm auf, der jeden goldenen Reiter aus dem Sattel gehauen hätte, und urplötzlich lachte wieder die Sonne. Der Ätna hat schon was drauf, meine Herrn.

Zurück auf dem Schiff entschloss ich mich, den vieltausendfachen Anfragen nach Details zum Schokoladenbrunnen (vgl. Eintrag v. 18. 9.) nachzugeben und ihn der Einfachheit halber zu fotografieren. Dabei setzte ich mich einer größeren Gefahr aus als mittags auf dem Ätna.

Jedenfalls ist er verführerisch dunkel, der Schokoladenbrunnen. Mit unmenschlicher Willenskraft verweigerte ich mich allerdings erneut dem Drang, beim Thekenmann eine gestrichen volle Tasse zu ordern.

Auf dem Weg zur Kabine kamen wir an einem Stand der Weight Watchers vorbei, und irgendwie löste dieser Anblick tiefe Befriedigung aus. Aber auch Zukunftsangst.

Morgen: Mallorca.

19 September 2011

Pareidolie (20): Pompeij



Eine Frau an unserem Tisch sieht aus wie die Schwester von Howard Carpendale, und ich erwarte zwischen Vorspeise und Hauptgang sekündlich, dass sie aufsteht und anfängt, „Deine Spuren im Sand“ zu singen.

Obwohl sie das bisher nicht getan hat, habe ich den Song seit nunmehr zwei Tagen als Wurm im Ohr. Vielleicht erklärt das die gewisse aufgekratzte Lockerheit, mit der ich nach Pompeij fuhr.

Nicht nur hirnrissige Kalauer fielen mir angesichts der uralten Mauern ein (z. B. „EiaPOMPEIJa“ und „Aber HeidschiPOMPEIJtschi“), sondern auch Pareidolien darauf auf (Foto 1). Selbst später, an den überteuerten Nippesständen für tumbe Touristen, vermochte ich diesen Blick nicht abzustellen (Foto 2).

Abends saßen wir dann wieder neben Howard Carpendales Schwester, mit den bekannten Folgen. Morgen geht es nach Sizilien, auf den Ätna. Ob erstarrte Lava sich ebenfalls um Pareidolien bemüht?

Ich habe fast die Befürchtung.

18 September 2011

Die Moleküle des Mittelmeers



Zu neunt über die Alpen – das klingt nach Expedition und Abenteuer, hat seine Ursache aber nur in einem extrem dünnbesiedelten Reisebus (Foto: die obere Etage).

Auf dem Schiff beginnt das Schicksal umstandslos damit, uns härteste Prüfungen aufzuerlegen. Aus einem Prospekt nämlich erfahren wir von der Existenz eines SCHOKOLADENBRUNNENS.

„Ich habe Angst davor“, gestehe ich Ms. Columbo.
„Ich habe auch Angst“, erwidert sie.

Noch ist nichts passiert. Aber wir wissen inzwischen, wo er steht, der Brunnen. Und ich habe eine Frau gesehen, die von dort kam, mit einer Tasse schwarzbrauner Schokolade in der einen und einem Croissant in der anderen Hand.


Übrigens wüsste ich gerne, wie viel Prozent der Moleküle des Mittelmeerwassers heute noch identisch sind mit denen von vor tausend Jahren (aus Gründen übrigens, die damit zu tun haben, nachts in seidenmilder Luft auf dem Schiffsbalkon zu liegen).


Plausible Theorien bitte in den Kommentaren.


Pareidolie (19)



Seit Jahren grinst mich mein Elektroasierer schelmisch, vielleicht sogar verächtlich an (und ich habe ihn sogar im Verdacht, dass er mir heimlich die Zunge rausstreckt). Das qualifiziert ihn natürlich für die Pareidolieserie, doch bisher schaffte er es nie in den Recall.

Das musste sich ändern, und das hat sich jetzt geändert.

PS: Viele weitere und bessere Bildbeispiele gibt es bei der Pareidolie-Tante.

16 September 2011

Masseurin oder Masseuse?



„Vielleicht“, hatte Ms. Columbo vorher noch geunkt, „ist das auch was ganz anderes.“

Jetzt stand ich in diesem tristen Hinterhof vor einer beigen Klinkerwand, und ihre Worte fielen mir wieder ein. Auch die blickdichte Holztür mit Gegensprechanlage vermochte gewisse Befürchtungen nicht zu zerstreuen.

Ich war mir plötzlich gar nicht mehr sicher, ob es eine gute Idee gewesen war, bei Groupon einen Sechserpack Thaimassagen erworben zu haben – und dann hieß die Masseurin (oder war es doch eine Masseuse?) auch noch Joy

Doch der geschätzt 45 Kilo leichte Floh entpuppte sich trotz Handverletzung als Powerfrau, die Muskelfasern aufbrach, von deren Existenz ich bisher nicht mal etwas wusste und die jetzt, zwölf Stunden später, noch immer protestieren.

Morgen mach ich den nächsten Termin.

15 September 2011

Nur noch 4762 Kreuzfahrten



Die liebe Freundin R., eine zweifache Mutter entzückender Töchter, kritisierte heute meine Vorliebe für Kreuzfahrten mit einem Link auf diese Seite.

Dort werden Kreuzfahrtschiffe völlig zu Recht als Dreckschleudern diskreditiert, die den Klimawandel vorantreiben. Das liegt nicht in erster Linie an der Nachfrage, die ich und Ms. Columbo anmelden, sondern vor allem an der Gesetzeslage, die Schiffen das Verbrennen von Schwerölen erlaubt, die an Land als Sondermüll entsorgt werden müssten.

Ich bin selbstverständlich dafür, dass Schiffe – auch Kreuzfahrtschiffe – endlich verpflichtet werden, umweltverträglichere Treibstoffe zu verfeuern. Macht mal hin, ihr Gesetzgeber! Von der Privatwirtschaft, den Reedereien, wäre Freiwilligkeit einfach zu viel verlangt, so was tun Unternehmen nicht, das mindert ja den Gewinn. Jedenfalls werde ich nach Verabschiedung der entsprechenden Emissionsgesetze ein noch größerer Fan von Kreuzfahrten, versprochen.

Als R. mir diesen Link mailte, führte ich zur Entschuldigung erst mal unser Alltagsleben außerhalb von Kreuzfahrten ins Feld, denn das kann sich sehen lassen. Wir haben weder Auto noch Motorrad, sondern fahren immer Fahrrad oder Zug, wir fliegen nie – und bei einem so klimafreundlichen, mobilitätstechnisch geradezu vorbildlich asketischen Leben dürfen wir ja wohl ab und zu auch mal auf ein Schiff, verdammte Hacke.

Bis auf die verdammte Hacke schrieb ich ihr das praktisch genauso und schloss zudem mit einem passgenauen Adorno-Zitat („Es gibt kein richtiges Leben im falschen.“). All das war schon mal nicht schlecht, doch ein weiteres Argument fiel mir erst im Nachhinein ein. Es ist in mehrerlei Hinsicht ein Killerargument.

Jeder Mensch in Deutschland verbraucht nämlich pro Jahr elf Tonnen Treibhausgase. Bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 80 Jahren macht das also satte 880 Tonnen. Und da ich bis dato – im Gegensatz zu R. – keine zwei entzückenden Töchter in die Welt gesetzt habe, müssen mir auf meinem Weltzerstörungskonto von vorneherein schon mal minus 1760 Tonnen Treibhausgase gutgeschrieben werden, jawohl.

Dann habe ich mich hingesetzt und meinen persönlichen Treibhausgasverbrauch für die bevorstehende Mittelmeerkreuzfahrt ausgerechnet. Laut Greenpeace verbrauche ich pro 100 Kilometer auf dem Meer 1,31 Liter klimaschädlichen Treibstoff. Bei der anstehenden Reise komme ich somit auf knapp 42 Liter, also rund 0,042 Tonnen.

Seien wir generös und nehmen Ms. Columbos Verbrauch noch dazu, macht also 0,084 Tonnen. Da ich – wie oben ausgeführt – durch den ebenso vorausschauenden wie selbstlosen Verzicht auf klimaschädliche Reproduktion 1760 Tonnen im Plus bin, kommen wir
also von der Kreuzfahrt mit einem weiterhin satten Guthaben von 1759,92 Tonnen zurück nach St. Pauli.

Selbst wenn man nur den transportbezogenen Klimaschaden der beiden Töchter zugrunde legte (2,5 Tonnen pro Jahr x 2 x 80 = 400), könnten Ms. Columbo und ich noch 4762-mal auf Kreuzfahrten gehen, ehe wir das ausgeglichen hätten.

Aber keine Sorge: Das haben wir nicht vor.

14 September 2011

Rimbaud revisited

Matt (sinnierend): Für alte Gedichte, die man selbst geschrieben hat, kann man sich nicht mal fremdschämen.
Ms. Columbo: Na ja: „Ich war eine anderer …“

(Das großartige Arthur-Rimbaud-Porträt von Bodo W. Klös hängt in unserem Wohnzimmer.)

13 September 2011

Die absurde Pantomime



Heute Abend auf einer Party erzählte uns eine Frau von ihrem beruflichen Aufenthalt in Pjöngjang, der Hauptstadt Nordkoreas.

Sie hatte an einer organisierten Stadtrundfahrt teilgenommen, und am nachhaltigsten waren ihr die Verkehrspolizisten im Gedächtnis geblieben. Geschminkt und schick uniformiert standen sie mitten auf leeren Kreuzungen und regelten mit professioneller Gestik den Verkehr.

Den es allerdings nicht gab.

Autos fuhren nämlich so gut wie keine in Pjöngjang. Doch die Verkehrspolizisten taten ihr Werk Stunde um Stunde, sie gaben imaginäre Spuren frei, stoppten Phantomfahrzeuge, winkten das große Nichts durch.

Sie verhielten sich wie menschliche Ampeln, die mechanisch ihren Dienst tun, unabhängig davon, ob es Adressaten ihrer Botschaften gibt. Eine Pantomime des Absurden, wie aus einem Stück von Ionesco oder Beckett.

Und damit habe ich endlich doch noch etwas entdeckt, was mir am Stalinismus gefällt.

PS: Das heutige Foto passt perfekt, denn es zeigt ebenfalls keinen Verkehr in Pjöngjang – und außerdem das verrottende Parkhaus des stillgelegten Real-Marktes am Neuen Kamp.


12 September 2011

Das Theoriegebäude steht noch



Als direkt nach Anpfiff der zweiten Halbzeit das 0:2 fiel, dachte ich bereits, die Theorie der Becherfotos sei hinfort nicht mehr haltbar.

Bisher war das Knipsritual zu Spielbeginn in hundert Prozent aller Fälle (also zwei) mit einem Heimsieg einhergegangen. Zwar war daraus noch keine Korrelation, sondern allenfalls eine Koinzidenz abzuleiten, doch ich war entschlossen, das Phänomen im Saisonverlauf weiter intensiv zu beobachten.

Beim 0:2 in der 46. aber geriet ich ins Zweifeln – und tüftelte bereits an Ausnahmeregelungen, die es mir erlaubt hätten, die Becherfototheorie aufrechtzuerhalten.

Eine davon besagte, das zufällige Erwischen eines Nakibechers sei halt die berühmte Ausnahme von der Regel. Da beim FC St. Pauli mit Sicherheit rund zwei Dutzend verschiedene Bechermotive im Umlauf sind, wäre mit dem Erwischen Nakis also wahrscheinlich die Ausnahme abgehakt; künftig hätte ich mich demzufolge nach dem Anfertigen des Fotos wieder gelassen dem Verbuchen von Heimsiegen widmen können.

Noch während ich all das er- und abwog, fiel das 1:2, sofort danach das 2:2, kurz darauf das 3:2, ehe das 4:2 zu einer harmonischen Abrundung des Nachmittags nicht unerheblich beizutragen wusste.

Was ich damit sagen will: Die Becherfototheorie ist noch nicht widerlegt. Oh nein.

11 September 2011

Pareidolie (18)



Tagein, tagaus immer wieder kaltes Wasser oben reingeschüttet zu bekommen: Da kann man schon mal griesgrämig werden.

Wohin so was im Extremfall verbal führen kann, ist in erschütternder Drastik hier nachzulesen.

PS: Viele weitere und viel bessere Bildbeispiele gibt es bei der Pareidolie-Tante, die von Wien aus die Welt beharrlich mit Nachschub versorgt, wofür ihr gar nicht genug gedankt werden kann.

Nachtrag 22:55 Uhr: Der begnadete Cartoonist Uli Stein hat sich durch dieses Foto zum Zeichnen eines Griesgrams inspiriert gefühlt – und der könnte glatt der Nutzer des abgebildeten Wasserkochers sein.

Denn wenn sich schon Hund und Herrchen mit der Zeit immer ähnlicher werden, warum nicht auch wir und unsere Haushaltsgeräte?

(Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Uli Stein)

09 September 2011

Wer knipst für mich ein Becherfoto?



M
einen Berechnungen nach bin ich am Freitag, den 23. September, um 18 Uhr in Barcelona, möglicherweise auch ganz woanders, aber mit Sicherheit nicht in der Nähe des Millerntorstadions.

Das ist einerseits klasse, andererseits aber auch schade, denn ich habe eine wunderbare Haupttribünenkarte fürs Spiel gegen Aue und kann sie nun nicht nutzen. Möchte sie jemand? Gegen Erstattung meiner Kosten gebe ich sie ab. Allerdings müssen 40 Euro berappt werden – nicht schlecht für ein Zweitligaspiel gegen einen Ostverein.

Wie auch immer: Interessenten mögen mir bitte eine Mail schicken. Über den Auswahlmodus habe ich noch nicht nachgedacht, möglicherweise wird es auf reine Willkür hinauslaufen. Sofern überhaupt jemand die Karte haben will; man weiß ja nie. Eine persönliche Übergabe müsste bis spätestens nächsten Freitag arrangiert werden.

Gegen die Zusicherung, das übliche Becherfoto originalgetreu anzufertigen und mir zur Veröffentlichung zu überlassen, würde ich übrigens noch mal fünf Euro nachlassen. Details dann bei der Übergabe.

07 September 2011

Pareidolie (17)

Manchmal wundere ich mich ja schon, wer alles mein Blog liest – zu meinem Erstaunen auch der berühmte Cartoonist und Fotograf Uli Stein.

Er mailte mir jüngst – flankiert von schmeichelhaften Worten – ein schönes Pareidoliefundstück, welches er auch auf seiner Webseite verewigt hat. Und da mir der feine Uli generös gestattete, es ebenfalls zu veröffentlichen, tue ich das einfach.

In der Öffentlichkeit gibt sich das abgebildete Objekt übrigens als Händetrockner aus. Dabei ist es in Wahrheit ein schreiender Tapir.

Aber das muss unter uns bleiben.

06 September 2011

Ein Wein zum Weinen



Am 14. Dezember 2010 stand hier in diesem Blog eine faustdicke Lüge.


Oder freundlicher ausgedrückt: eine Glutaeus-maximus-dicke Fehleinschätzung – nämlich die, dass der damals just auf dem Flohmarkt erstandene 1955er Chateau Latour das darauffolgende Wochenende keinesfalls überstehen würde, weil nämlich die Anreise des Dr. K. bevorstand, und wir alle wissen, was das heißt.

Doch das war falsch. Dr. K. erschien dank einer akuten Erkrankung überhaupt nicht, und dann verschwand er für ein halbes Jahr an einen gewissen Bondi Beach in ein gewisses Sydney (angeblich, um zu „arbeiten“).

Der 1955er Chateau Latour wanderte also in den Weinklimaschrank und vertrieb sich hinfort die Zeit mit Dummrumliegen. Er dachte wahrscheinlich schon, das würde gar nichts mehr mit uns dreien, doch weit gefehlt. Denn Dr. K. ist zurück, und gestern Abend ging es dem Latour doch noch an den Kragen.

Nachdem der Kapselschneider den Korken freigelegt hatte, zeigte sich uns ein rußartiger Belag, der sich tapfer, aber letztlich erfolglos dagegen sperrte, abgekratzt zu werden. Einzelne rote Tropfen quollen hervor, was ein schlechtes Zeichen war, ein ganz schlechtes.

Der Korken erwies sich als ebenso klammeraffenhaft wie bröselfreudig, will sagen: In insgesamt vier Etappen musste er dem Flaschenhals entwunden werden wie ein Gnu dem Maul eines Nilkrokodils.

Dann goss ich ihn ein, den Wein, der älter war als wir alle, der nur zwölf Monate nach dem Wunder von Bern gekeltert worden war. Damals hieß der Bundeskanzler Adenauer, die Saarländer (diese Deppen) traten der Bundesrepublik bei statt Frankreich, Thomas Mann hauchte sein Leben aus, und Farbfernsehen war Sciencefiction.

Der Latour gluckerte in die Gläser. Er war von einem alarmierend trüben Dunkelrot, und er roch … nun ja, wenigstens nicht nach Essig.

Wir stießen an, wir nippten vorsichtig, wir schluckten, wir sahen uns an. Dr. K.s Augen wurden zu Schlitzen, seine Stirn warf Runzeln, seine Nase kräuselte sich und seine Mundwinkel nahmen jene Haltung an, die sie gemeinhin nur dann optional hervorkramen, wenn der Verzehr von Schimmelbrot oder Rizinusmarmelade nicht zu vermeiden war. „Oh-ho-ho“, machte Dr. K. dazu.

Kurz: Der Wein war hinüber, aber so was von.

56 Jahre hatte er geduldig gewartet – um in der Hamburger Kanalisation zu enden. Doch das wäre ihm ja auch passiert, wenn wir ihn getrunken hätten, nur über einen kleinen unappetitlichen Umweg.

Wenn ihn das tröstet.