Vorm Haus fotografierte ich Sonntagmittag übliche Reste einer St.-Pauli-Nacht: eine achtlos zurückgelassene leere Sektflasche und die in friedlicher Nachbarschaft bläulich schimmernden Splitter einer eingeschlagenen Autoscheibe.
Insignien eines typischen Kiezstilllebens, das stets anspielen muss auf Suff und Sachbeschädigung; meistens ist das eine übrigens die Folge des anderen.
Wir passierten diese Stelle gleichwohl ungerührt, fuhren mit dem 36er runter bis Teufelsbrück und liefen elbaufwärts zurück in die Stadt. (Hamburgtouristen: Das war ein Geheimtipp!)
Unterwegs diskutierten wir im diffusen Licht des Beinahfrühlings die Schwierigkeiten idiomatischer Übersetzungen. Im Web war ich nämlich auf eine Beschreibung des bekifften Sam Phillips gestoßen: „He was high as a kite“, hatte der Autor ein sehr schönes, aber nicht direkt übertragbares Bild gefunden.
Nach einigem Überlegen einigten wir uns auf „Breit wie ein Hammerhigh“.
Der Tag – vom gemeinsamen Spaziergang mit Ms. Columbo eh mit güld’nem Schimmer überzuckert – war endgültig gerettet.
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02 März 2009
27 Februar 2009
Der weise Eisbär
Die Trauerfeier für Domenica brachte es zu einem angemessen barocken Artikel auf Spiegel online.
Allerdings scheint die Autorin Annette Langer eher kiezfremd zu sein, denn verwundert stellt sie fest: „Gespenstisch leer sind die Bürgersteige – kein einziges Freudenmädchen ist zu sehen.“
Nun, die Feier fand am hellichten Nachmittag stand, und Huren dürfen sich hier erst ab 20 Uhr auf den Straßen blicken lassen. Langers Text brachte dennoch Erhellendes.
Nachmittags zum Beispiel, als ich aus dem Büro kam, sah ich eingangs der Talstraße eine seltsame Gestalt am Straßenrand stehen, die ich später – nach der Lektüre des Artikels – identifizieren konnte, denn Langers Beschreibung traf in entscheidenden Teilen auf sie zu.
Es handelte sich um einen blonden Mann mit Tolle, dessen schneeweißer Kunstpelzmantel hinabreichte bis zu den weißgrauen Stiefeletten. Diese wiederum verjüngten sich nach vorn schier endlos, ehe sie in eine injektionsnadelscharfe Spitze übergingen, die sich keck hochwölbte, als wollte sie die momentane Regenwahrscheinlichkeit erschnüffeln.
Ich dachte innerlich schmunzelnd das Übliche: typisch Kiez. Dank Spon-Autorin Langer weiß ich nun auch, dass es sich bei diesem humanoiden Eisbärenimitat weder um einen Luden noch um einen kostümierten Mimen handelt, sondern um einen Designer namens Götz Barner.
Auch er hatte also an Domenicas Trauerfeier teilgenommen, traf dort auf Langer und wird nun zitiert mit dem phrasennahen Satz: „Originale wie Domenica sterben aus, es geht nur noch um Kohle.“
Ein besinnliches Fazit, mit dem ich euch nun in die Nacht entlasse.
PS: Das Foto des Michels ist selbstverständlich off topic, doch immerhin von heute.
Allerdings scheint die Autorin Annette Langer eher kiezfremd zu sein, denn verwundert stellt sie fest: „Gespenstisch leer sind die Bürgersteige – kein einziges Freudenmädchen ist zu sehen.“
Nun, die Feier fand am hellichten Nachmittag stand, und Huren dürfen sich hier erst ab 20 Uhr auf den Straßen blicken lassen. Langers Text brachte dennoch Erhellendes.
Nachmittags zum Beispiel, als ich aus dem Büro kam, sah ich eingangs der Talstraße eine seltsame Gestalt am Straßenrand stehen, die ich später – nach der Lektüre des Artikels – identifizieren konnte, denn Langers Beschreibung traf in entscheidenden Teilen auf sie zu.
Es handelte sich um einen blonden Mann mit Tolle, dessen schneeweißer Kunstpelzmantel hinabreichte bis zu den weißgrauen Stiefeletten. Diese wiederum verjüngten sich nach vorn schier endlos, ehe sie in eine injektionsnadelscharfe Spitze übergingen, die sich keck hochwölbte, als wollte sie die momentane Regenwahrscheinlichkeit erschnüffeln.
Ich dachte innerlich schmunzelnd das Übliche: typisch Kiez. Dank Spon-Autorin Langer weiß ich nun auch, dass es sich bei diesem humanoiden Eisbärenimitat weder um einen Luden noch um einen kostümierten Mimen handelt, sondern um einen Designer namens Götz Barner.
Auch er hatte also an Domenicas Trauerfeier teilgenommen, traf dort auf Langer und wird nun zitiert mit dem phrasennahen Satz: „Originale wie Domenica sterben aus, es geht nur noch um Kohle.“
Ein besinnliches Fazit, mit dem ich euch nun in die Nacht entlasse.
PS: Das Foto des Michels ist selbstverständlich off topic, doch immerhin von heute.
Vor- und Nachteile von Haaren
Sich eine Wollmütze überzuziehen, die eine Weile auf der Heizung gelegen hat, gehört zu den angenehmsten sinnlichen Erlebnissen weltweit. Zumindest, wenn dir (wie mir) keine lästigen Haare mehr aus dem Kopf wachsen.
Andererseits sind diese unbedingt erforderlich, damit sie dir angesichts des abgebildeten Plakats aus einem Geschäft in der Friedensallee adäquat zu Berge stehen können.
Aber man kann nicht alles haben.
26 Februar 2009
Typenparade, draußen wie drinnen
Auf dem Weg ins Fitnessstudio begegnete mir heute ein Fahrradfahrer, der beim Fahren einen Schirm aufgespannt hielt. Ist so etwas nun so rührend wie lächerlich – oder doch eher umgekehrt?
Immerhin darf der Mann dank dieser Manie nicht schneller als Schritttempo fahren, sonst führe ihm der Fahrtwind derart gewaltig ins stoffbespannte Gestänge, dass es ihn vom Fahrrad fegte.
Warum also geht er nicht gleich zu Fuß, anstatt die Unbequemlichkeit des einhändigen Fahrens mit dem muskelzermürbenden Krampfgriff um den Schirmstiel aufs Lästigste zu kombinieren?
Oberschlaue könnten jetzt einwenden, er sei halt schlichtweg Optimist und setze auf ein baldiges Regenende, sodass er den Schirm einklappen und hinfort beidhändig und trocken die Stadt beradeln könne.
Doch dafür war dieser zwischen Niesel und Faden angesiedelte Regen heute einfach nicht prädestiniert; das war jedem halbwegs intakten Hanseaten pipiklar. Wahrscheinlich handelte es sich daher bei diesem merkwürdigen Menschen um einen Frischzugereisten, der sich erst noch akklimatisieren muss.
Auch im Fitnessclub begegnete ich einem Typen, auf den Ähnliches zutraf. Er lag im Bauch-/Rückenkurs neben mir auf der Matte und erzählte, ohne dass ich ihn im Geringsten ermuntert hätte, er habe „seit 20 Jahren keinen solchen Kurs mehr besucht“. Dabei sah er mit seinen großflächigen Tätowierungen, dem Muskelshirt und der Baseballkappe (!) aus, als seien diese Räume hier sein Zuhause.
Das Schlimmste an ihm war aber nicht die Baseballkappe, sondern die Tatsache, dass er aus dem Mund überdeutlich nach Teer roch.
Und da er 20 Jahre lang keinen solchen Kurs mehr besucht hatte, geriet er alsbald in eine mit Keuchen, Ächzen, Röcheln und Fiepen angereicherte Schnappatmung, die seinen Teeratem schubartig im Raum verteilte. Wer neben ihm lag, litt besonders, und das war ich. Aber Kurs ist Kurs, da kenne ich nix.
Meine Hoffnung nun: Dank 20-jähriger Trainingsabstinenz sucht ihn ein derartiger Muskelkater heim, dass er spontan ein weiteres Kursmoratorium von zwei Dekaden Dauer verhängt.
Wenn nicht, schmuggel ich ihm einen Abzug des heutigen Fotos in die Sporttasche.
PS: Aufmerksamen Lesern wird nicht entgangen sein, dass dieser Blogeintrag gleich zwei Wörter enthält, die mit je drei aufeinanderfolgenden gleichen Konsonanten glänzen. Das war aber Zufall.
PPS: Motiv entdeckt im Berliner Restaurant Grill Royal in der Friedrichstraße.
Immerhin darf der Mann dank dieser Manie nicht schneller als Schritttempo fahren, sonst führe ihm der Fahrtwind derart gewaltig ins stoffbespannte Gestänge, dass es ihn vom Fahrrad fegte.
Warum also geht er nicht gleich zu Fuß, anstatt die Unbequemlichkeit des einhändigen Fahrens mit dem muskelzermürbenden Krampfgriff um den Schirmstiel aufs Lästigste zu kombinieren?
Oberschlaue könnten jetzt einwenden, er sei halt schlichtweg Optimist und setze auf ein baldiges Regenende, sodass er den Schirm einklappen und hinfort beidhändig und trocken die Stadt beradeln könne.
Doch dafür war dieser zwischen Niesel und Faden angesiedelte Regen heute einfach nicht prädestiniert; das war jedem halbwegs intakten Hanseaten pipiklar. Wahrscheinlich handelte es sich daher bei diesem merkwürdigen Menschen um einen Frischzugereisten, der sich erst noch akklimatisieren muss.
Auch im Fitnessclub begegnete ich einem Typen, auf den Ähnliches zutraf. Er lag im Bauch-/Rückenkurs neben mir auf der Matte und erzählte, ohne dass ich ihn im Geringsten ermuntert hätte, er habe „seit 20 Jahren keinen solchen Kurs mehr besucht“. Dabei sah er mit seinen großflächigen Tätowierungen, dem Muskelshirt und der Baseballkappe (!) aus, als seien diese Räume hier sein Zuhause.
Das Schlimmste an ihm war aber nicht die Baseballkappe, sondern die Tatsache, dass er aus dem Mund überdeutlich nach Teer roch.
Und da er 20 Jahre lang keinen solchen Kurs mehr besucht hatte, geriet er alsbald in eine mit Keuchen, Ächzen, Röcheln und Fiepen angereicherte Schnappatmung, die seinen Teeratem schubartig im Raum verteilte. Wer neben ihm lag, litt besonders, und das war ich. Aber Kurs ist Kurs, da kenne ich nix.
Meine Hoffnung nun: Dank 20-jähriger Trainingsabstinenz sucht ihn ein derartiger Muskelkater heim, dass er spontan ein weiteres Kursmoratorium von zwei Dekaden Dauer verhängt.
Wenn nicht, schmuggel ich ihm einen Abzug des heutigen Fotos in die Sporttasche.
PS: Aufmerksamen Lesern wird nicht entgangen sein, dass dieser Blogeintrag gleich zwei Wörter enthält, die mit je drei aufeinanderfolgenden gleichen Konsonanten glänzen. Das war aber Zufall.
PPS: Motiv entdeckt im Berliner Restaurant Grill Royal in der Friedrichstraße.
24 Februar 2009
Taschenspielereien
Zu den Killerapplikationen von World of Sex (WoS) auf der Reeperbahn gehören nicht nur Porno-DVDs und Sexspielzeuge, sondern vor allem die unzähligen Videokabinen, in die man sich zurückziehen kann, allein oder zu zweit.
Wahrscheinlich sind diese Separees der Grund für eine Gemeinsamkeit, die fast alle Männer, die WoS wieder verlassen, miteinander teilen: Sie haben beide Hände in den Hosentaschen.
Meine Theorie für dieses Phänomen, welches ich heute auf dem Heimweg wieder einmal beobachten konnte: Die WoS-Männer müssen alles erst mal wieder sortieren, zurechtrücken, einpassen.
Manches ist einfach (noch) zu sperrig für die begrenzte Dehnfähigkeit ihrer Unterhose.
Verifikationen und Erfahrungsberichte gern in den Kommentaren.
Wahrscheinlich sind diese Separees der Grund für eine Gemeinsamkeit, die fast alle Männer, die WoS wieder verlassen, miteinander teilen: Sie haben beide Hände in den Hosentaschen.
Meine Theorie für dieses Phänomen, welches ich heute auf dem Heimweg wieder einmal beobachten konnte: Die WoS-Männer müssen alles erst mal wieder sortieren, zurechtrücken, einpassen.
Manches ist einfach (noch) zu sperrig für die begrenzte Dehnfähigkeit ihrer Unterhose.
Verifikationen und Erfahrungsberichte gern in den Kommentaren.
23 Februar 2009
Pleiten, Pech und (doch nicht) Annen
Neulich, als der Hamburger SPD-Mann Niels Annen von seiner Partei nicht wiedergewählt wurde, plante ich eigentlich einen Blogeintrag mit dem Titel „Pleiten, Pech und Annen“. Hab ich verpasst – und darf zur Strafe jetzt über eigene Pannen bloggen.
Starten wir mit einer Frage: Wieso muss man bloß wegen einer popeligen LP, die man in den USA für lausige 10 Dollar ersteigert hat, zum Zollamt? Sinnlosigkeit, ick hör dir trapsen.
Vor der Arbeit breche ich also missmutig auf via Hauptbahnhof (Foto) gen Hamburger Osten. Fünf vor 9 schiebe ich mein Fahrrad in die U-Bahn, nicht ohne vorher eine Fahrkarte gelöst zu haben. Denn mein Abo gilt erst ab 9, und sicher ist sicher.
Mit mir steigen drei Herren in Zivil ein, die sich auffällig unauffällig über den ganzen Waggon verteilen. Kontrolleure, natürlich. Ich zeige gelassen mein Kurzstreckenticket.
Der Kontrolleur nickt und sagt: „Jetzt haben wir ein Problem. Ihr Fahrrad.“
Man darf nämlich sein Rad nicht vor 9 in der U-Bahn transportieren. Dass der Waggon halbleer ist, dass die Kontrolleure mich kaltlächelnd haben einsteigen lassen, statt mich auf dieses Verbot hinzuweisen, dass es inzwischen nur noch 60 Sekunden bis 9 sind: Alles egal. 10 Euro sind fällig.
„Ich habe sogar ein Abo!“, versuche ich einen Gnadenakt für Stammkunden zu erwirken, doch was ich ernte, ist nur ungerührtes Schweigen. Das fällt beim HVV wohl unter Kundenpflege.
Entsprechend blendend gelaunt schlage ich im Zollamt auf. Der Beamte legt mir das abzuholende Päckchen auf den Tresen und fragt: „Was ist da drin?“ „Nur eine olle Langspielplatte“, sage ich. „Eine Brandsatzplatte?“, scherzt er, ein Verhören heuchelnd. Haha.
Wortlos zerhacke ich mit dem Paketmesser die Verpackung. Das macht mehr Spaß, als es machen dürfte. Ich hole die LP heraus und reiche sie dem Beamten. „Mir ist völig schleierhaft“, eröffne ich ihm, „warum inzwischen schon 10-Dollar-LPs erkennungsdienstlich behandelt werden müssen.“
Er mustert mich mit dem Blick des erfahrenen Funktionärs. „Erkennungsdienstlich? So weit sind wir noch nicht.“ Schwingt Bedauern mit in seiner Stimme? Oh ja. Er nimmt die Platte und meine Ebayrechnung und verzieht sich in die rückwärtigen Gemächer.
Nach zehn Minuten kehrt er zurück. „Der Warenwert liegt unter 20 Euro“, präsentiert er mir eine Binsenweisheit sondergleichen, „Sie können die Platte mitnehmen.“ Das hätte ich ihm auch schon vor drei Wochen sagen können, als ich die LP ersteigert hatte – und bevor ich eine Minute vor 9 Uhr 10 Euro Strafe für die Fahrradmitnahme zahlen musste.
Tagsüber geht alles halbwegs gut, doch abends treffe ich mich mit einer Freundin auf einen Wein und schütte mir rund hundert Milliliter Chardonnay über Hemd und Hose.
Manche Tage dürften nie zu Ende gehen, doch dieser gehört definitiv zur gegenteiligen Kategorie.
Starten wir mit einer Frage: Wieso muss man bloß wegen einer popeligen LP, die man in den USA für lausige 10 Dollar ersteigert hat, zum Zollamt? Sinnlosigkeit, ick hör dir trapsen.
Vor der Arbeit breche ich also missmutig auf via Hauptbahnhof (Foto) gen Hamburger Osten. Fünf vor 9 schiebe ich mein Fahrrad in die U-Bahn, nicht ohne vorher eine Fahrkarte gelöst zu haben. Denn mein Abo gilt erst ab 9, und sicher ist sicher.
Mit mir steigen drei Herren in Zivil ein, die sich auffällig unauffällig über den ganzen Waggon verteilen. Kontrolleure, natürlich. Ich zeige gelassen mein Kurzstreckenticket.
Der Kontrolleur nickt und sagt: „Jetzt haben wir ein Problem. Ihr Fahrrad.“
Man darf nämlich sein Rad nicht vor 9 in der U-Bahn transportieren. Dass der Waggon halbleer ist, dass die Kontrolleure mich kaltlächelnd haben einsteigen lassen, statt mich auf dieses Verbot hinzuweisen, dass es inzwischen nur noch 60 Sekunden bis 9 sind: Alles egal. 10 Euro sind fällig.
„Ich habe sogar ein Abo!“, versuche ich einen Gnadenakt für Stammkunden zu erwirken, doch was ich ernte, ist nur ungerührtes Schweigen. Das fällt beim HVV wohl unter Kundenpflege.
Entsprechend blendend gelaunt schlage ich im Zollamt auf. Der Beamte legt mir das abzuholende Päckchen auf den Tresen und fragt: „Was ist da drin?“ „Nur eine olle Langspielplatte“, sage ich. „Eine Brandsatzplatte?“, scherzt er, ein Verhören heuchelnd. Haha.
Wortlos zerhacke ich mit dem Paketmesser die Verpackung. Das macht mehr Spaß, als es machen dürfte. Ich hole die LP heraus und reiche sie dem Beamten. „Mir ist völig schleierhaft“, eröffne ich ihm, „warum inzwischen schon 10-Dollar-LPs erkennungsdienstlich behandelt werden müssen.“
Er mustert mich mit dem Blick des erfahrenen Funktionärs. „Erkennungsdienstlich? So weit sind wir noch nicht.“ Schwingt Bedauern mit in seiner Stimme? Oh ja. Er nimmt die Platte und meine Ebayrechnung und verzieht sich in die rückwärtigen Gemächer.
Nach zehn Minuten kehrt er zurück. „Der Warenwert liegt unter 20 Euro“, präsentiert er mir eine Binsenweisheit sondergleichen, „Sie können die Platte mitnehmen.“ Das hätte ich ihm auch schon vor drei Wochen sagen können, als ich die LP ersteigert hatte – und bevor ich eine Minute vor 9 Uhr 10 Euro Strafe für die Fahrradmitnahme zahlen musste.
Tagsüber geht alles halbwegs gut, doch abends treffe ich mich mit einer Freundin auf einen Wein und schütte mir rund hundert Milliliter Chardonnay über Hemd und Hose.
Manche Tage dürften nie zu Ende gehen, doch dieser gehört definitiv zur gegenteiligen Kategorie.
22 Februar 2009
Unter Trophäenblondinen
Echo-Aftershowparty. Hier lässt die untergehende Musikbranche noch mal alles raushängen, was sie eigentlich nicht mehr hat.
4000 Gäste im Berliner Postbahnhof, und jeder von ihnen könnte ein Star sein – oder bloß ein Schreiberling wie ich. Alles ist möglich, alles denkbar, alles ist vollkommen unsicher.
Die Gäste mustern sich verstohlen. Kenne ich den neben mir an der Dessertbar persönlich oder doch nur aus dem Fernsehen? Und wenn ja: aus welcher Sendung? Welchem Film/Clip/Dschungelcamp? Ist der, er mich gerade angerempelt hat, ein FDP-Generalsekretär oder ein lustiger Volksmutant? Man weiß es (oft) nicht.
Eines aber stellt sich schnell heraus: 2009 sind immer noch oder schon wieder Trophäenblondinen angesagt. Je unansehnlicher/älter/schmerbäuchiger der Star/Plattenboss/Bandmanager, desto 90/60/90er das hellhaarige Babe an seiner Seite.
Und das Babe lächelt beseelt. Warum auch nicht: Es hat schließlich einen fetten Fisch geangelt. Jetzt darf es auf Partys mit 4000 Leuten und wird verstohlen gemustert, weil man es ja aus dem Fernsehen kennen könnte.
Der Typ am Sushibuffet, der mich von hinten fragt: „Ist das frisch?“, sieht aus wie Max Mutzke, und wahrscheinlich ist er es auch. Er sieht erbarmungswürdig hungrig aus, er will ein „Ja“ hören, und er kriegt ein „Ja“.
Hoffentlich habe ich jetzt nicht seine Karriere beendet, denn er kann ja singen, der Mutzke, das kann er wirklich. Ein dicker Klempner aus England fotografiert das sensationelle Dekolletee seiner noch dickeren Gattin. Vorhin stand er noch auf der Echo-Bühne und gab an, ein gewisser Paul Potts zu sein und eine Million Alben verkauft zu haben.
Mit dieser Quote bist du ein Star in der Musikbranche, du könntest dir eine beliebige 90/60/90er Trophäenblondine aus dem Sortiment auswählen. Nur wem sie wegnehmen – Dieter Gorny? Christian Neander?
Ach, das Leben ist kompliziert auf der Echo-Aftershowparty. Die beste Beschäftigung ist deshalb verstohlenes Mustern, während man Sushi möfelt und mittelmäßigen Weißwein von Gallo trinkt, dessen Mittelmäßigkeit man ihm niemals vorwerfen würde, denn er ist ja kostenlos.
Auch den abgebildeten Herrn mit der komischen Tätowierung habe ich ausgiebig gemustert und bin sicher, ihn schon mal irgendwo gesehen zu haben.
Aber ich weiß einfach nicht, wo ich ihn hinstecken soll.
21 Februar 2009
19 Februar 2009
Quizfrage
18 Februar 2009
Ein Trampel namens Trümpler
Die Weltregierung hat’s entdeckt und beurteilt es recht nachsichtig als „unbedarft“. Man könnte aber auch von rumpeldumm sprechen.
Der Nixmehrmerker Erik Trümpler von der Hamburger Morgenpost erkor nämlich heute einen komplett hirnlosen Kalauer zur Überschrift seines HSV-Artikels.
Im Text geht es um Gras, genauer gesagt: um etwas so Bedeutendes wie die schlechten Platzverhältnisse im holländischen Nijmegen.
Und obendrüber steht allen Ernstes: „Rasen-Schande“ …
Nur ein kleines s unterscheidet also desTrampels Trümplers Überschrift von einem der fürchterlichsten Nazipropagandabegriffe überhaupt. Er sollte sexuelle Kontakte zwischen Deutschen und Juden als verderblich verdammen. Diese Nazihetze namens „Rassenschande“ schien Trümpler gleichwohl bestens geeignet, um damit launig herumzukalauern.
Oder wollte er so subtil auf die jüngsten rassistischen Ausfälle von HSV-Fans anspielen? Dann nähme ich das „rumpeldumm“ zurück.
Das „hirnlos“ trotzdem nicht.
Der Nixmehrmerker Erik Trümpler von der Hamburger Morgenpost erkor nämlich heute einen komplett hirnlosen Kalauer zur Überschrift seines HSV-Artikels.
Im Text geht es um Gras, genauer gesagt: um etwas so Bedeutendes wie die schlechten Platzverhältnisse im holländischen Nijmegen.
Und obendrüber steht allen Ernstes: „Rasen-Schande“ …
Nur ein kleines s unterscheidet also des
Oder wollte er so subtil auf die jüngsten rassistischen Ausfälle von HSV-Fans anspielen? Dann nähme ich das „rumpeldumm“ zurück.
Das „hirnlos“ trotzdem nicht.
17 Februar 2009
Tannenzapfenzupfen (10): Zweifels ohne Käse Füße
(Foto via FHS Holztechnik)
Von Zeit zu Zeit gibt es hier kleine gruselige Einblicke in den Alltag eines Musikjournalisten. Denn ich werde nicht nur mit immer neuen grottigen Bandnamen behelligt, die einem das Messer in der Tasche aufgehen lassen (z. B. „Monsters of Liedermaching“ oder „Hasenscheisse“), sondern auch mit grässlich verunglücktem Promosprech, das dir sogar die Klappsense in der Tasche aufgehen lässt.
Neulich zum Beispiel sprach einer von „vauöhen“, obwohl er „releasen“ meinte – das geht doch nicht!
Diese Serie trägt den Namen ihres ersten Eintrags (nämlich „Tannenzapfenzupfen“) und soll hier und heute fortgesetzt werden, da auf dem Kiez gerade nichts Wesentliches passiert ist. Zumindest mir nicht.
Wie immer gilt dabei das bewährte Motto: Ohren zu und durch.
1. „Gerne attache ich Ihnen die Short Infos“, „toller typ, womanizer, charmeur, handsome looks“, „Den dritten Floor hosten die Onlinecommunity VIRTUAL NIGHTS und das Musikdownloadportal DJtunes.com“ – alltägliche Beispiele für eigentlich kriminelles Denglishkauderwelsch; aber fast schon so normal, dass der Brechreiz allmählich nachlässt. Nein, eigentlich doch noch nicht – bläärch …
2. „Wie ein würdiger, bedachtsamer, in einer Höhle gereifter Käse riechen THE FREEKS auch nach wahrer Klasse und verheißen einen verdrehten Höhepunkt des Geschmacks. … Als sich schließlich alle diese Zutaten spontan vermischten, stand am Ende ein bizarres, stark riechendes Milchprodukt, das die Geschmacksnerven zu verzücken weiß. Schon die großen Köche sind sich seit langem darüber einig, dass Dinge, die so verdächtig riechen, als seien sie bereits schlecht geworden, meist genau die Dinge sind, die perfekt schmecken. THE FREEKS haben dieses Konzept noch ein wenig weiter getrieben und Geschmacksnerven durch Trommelfelle ersetzt. Wenn Ohren nur ansatzweise einen in Trüffeln gerollten Boschetto schmecken könnten, dann würden sie den stinkig-coolen Sound der FREEKS vernehmen.“ Selten begnet einem eine solche Armada schiefer und zugleich ekelerregender, uns geradezu olfaktorisch belästigender Sprachbilder. Aber wenn, dann muss man sie unbedingt verewigen; vielleicht hat man ja nie wieder so ein Glück.
3. „Wir trauern um den ehemaligen Schlagzeuger der Band One Foot In The Grave, Gino Costa, der im Alter von 91 Jahren in Arizona gestorben ist.“ So traurig das auch ist, so ist es doch auch lustig. Ja, tut mir Leid.
4. „Denn uns ist immer noch eine zweitklassige Black Flag Kopie aus Moers lieber, die in ihrem Ort was reißt, als eine Band, die für astronomische Gagen einmal im Jahr rüber kommt und hier auf Koks Star macht! Dieser Newsletter entsteht unter extrem lauter Anhörung der Eating Glass Platte von den Spermbirds - zweifels ohne ihre Beste!“ Der bisherige Deppenleerzeichenrekord des Jahres. Aber da kommt noch was, ich hab es im U Rin.
Zum Schluss ein Bonustrack aus einer verwandten Sphäre, der ergiebigen Gammelsprechquelle namens Spammail:
5. „Ich suche Ihre Zusammenarbeit, um Sie meiner firmer als die folgende von der Verwandtschaft/Begünstigten meinem Verstorben-Kunden zu präsentieren, der im Flugzeugabsturz mit seiner Familie vor seinem Tod starb, er lässt eine firmer mit meiner firmer zur Melodie (von 18.5 Millionen $), verstorbenem Dr George Brumley, einer Amerikanischen Staatsbürgerschaft, einem Unternehmer erwägen, der am Flugzeugabsturz zusammen mit seiner Familie einschloß.“ Ruhe sanft. Und möglichst lange.
Was bisher geschah: 9, 8, 7, 6, 5, 4, 3, 2, 1
Von Zeit zu Zeit gibt es hier kleine gruselige Einblicke in den Alltag eines Musikjournalisten. Denn ich werde nicht nur mit immer neuen grottigen Bandnamen behelligt, die einem das Messer in der Tasche aufgehen lassen (z. B. „Monsters of Liedermaching“ oder „Hasenscheisse“), sondern auch mit grässlich verunglücktem Promosprech, das dir sogar die Klappsense in der Tasche aufgehen lässt.
Neulich zum Beispiel sprach einer von „vauöhen“, obwohl er „releasen“ meinte – das geht doch nicht!
Diese Serie trägt den Namen ihres ersten Eintrags (nämlich „Tannenzapfenzupfen“) und soll hier und heute fortgesetzt werden, da auf dem Kiez gerade nichts Wesentliches passiert ist. Zumindest mir nicht.
Wie immer gilt dabei das bewährte Motto: Ohren zu und durch.
1. „Gerne attache ich Ihnen die Short Infos“, „toller typ, womanizer, charmeur, handsome looks“, „Den dritten Floor hosten die Onlinecommunity VIRTUAL NIGHTS und das Musikdownloadportal DJtunes.com“ – alltägliche Beispiele für eigentlich kriminelles Denglishkauderwelsch; aber fast schon so normal, dass der Brechreiz allmählich nachlässt. Nein, eigentlich doch noch nicht – bläärch …
2. „Wie ein würdiger, bedachtsamer, in einer Höhle gereifter Käse riechen THE FREEKS auch nach wahrer Klasse und verheißen einen verdrehten Höhepunkt des Geschmacks. … Als sich schließlich alle diese Zutaten spontan vermischten, stand am Ende ein bizarres, stark riechendes Milchprodukt, das die Geschmacksnerven zu verzücken weiß. Schon die großen Köche sind sich seit langem darüber einig, dass Dinge, die so verdächtig riechen, als seien sie bereits schlecht geworden, meist genau die Dinge sind, die perfekt schmecken. THE FREEKS haben dieses Konzept noch ein wenig weiter getrieben und Geschmacksnerven durch Trommelfelle ersetzt. Wenn Ohren nur ansatzweise einen in Trüffeln gerollten Boschetto schmecken könnten, dann würden sie den stinkig-coolen Sound der FREEKS vernehmen.“ Selten begnet einem eine solche Armada schiefer und zugleich ekelerregender, uns geradezu olfaktorisch belästigender Sprachbilder. Aber wenn, dann muss man sie unbedingt verewigen; vielleicht hat man ja nie wieder so ein Glück.
3. „Wir trauern um den ehemaligen Schlagzeuger der Band One Foot In The Grave, Gino Costa, der im Alter von 91 Jahren in Arizona gestorben ist.“ So traurig das auch ist, so ist es doch auch lustig. Ja, tut mir Leid.
4. „Denn uns ist immer noch eine zweitklassige Black Flag Kopie aus Moers lieber, die in ihrem Ort was reißt, als eine Band, die für astronomische Gagen einmal im Jahr rüber kommt und hier auf Koks Star macht! Dieser Newsletter entsteht unter extrem lauter Anhörung der Eating Glass Platte von den Spermbirds - zweifels ohne ihre Beste!“ Der bisherige Deppenleerzeichenrekord des Jahres. Aber da kommt noch was, ich hab es im U Rin.
Zum Schluss ein Bonustrack aus einer verwandten Sphäre, der ergiebigen Gammelsprechquelle namens Spammail:
5. „Ich suche Ihre Zusammenarbeit, um Sie meiner firmer als die folgende von der Verwandtschaft/Begünstigten meinem Verstorben-Kunden zu präsentieren, der im Flugzeugabsturz mit seiner Familie vor seinem Tod starb, er lässt eine firmer mit meiner firmer zur Melodie (von 18.5 Millionen $), verstorbenem Dr George Brumley, einer Amerikanischen Staatsbürgerschaft, einem Unternehmer erwägen, der am Flugzeugabsturz zusammen mit seiner Familie einschloß.“ Ruhe sanft. Und möglichst lange.
Was bisher geschah: 9, 8, 7, 6, 5, 4, 3, 2, 1
16 Februar 2009
Domenicas traurige Augen
Bitter auf Twitter: Lance Armstrong beklagt sich über den Klau seines Fahrrads (ein Gefühl, das ich sehr gut kenne). Zugleich lobt er eine Belohnung in unbekannter Höhe für die Wiederbeschaffung aus; das heutige Foto soll unterstützend wirken.
Meine vertiefend gemeinte Frage, ob die Diebe außer dem Fahrrad vielleicht auch noch seine … ähm … Medizin mitgenommen hätten, ließ Lance bislang unbeantwortet.
Der Kiez hat gewichtigere Probleme als Armstrong, so viel steht fest. Momentan trauert er um Domenica. Die berühmteste Ex-Domina Deutschlands hieß übrigens wirklich so und lebte nach einem Intermezzo in der Eifel zuletzt wieder in der Talstraße. Von ihrer Loggia aus konnte sie, wie es in der Boulevardpresse heißt, den Transenstrich sehen.
Ich bin Domenica nur ein einziges Mal begegnet, und zwar auf dem Postamt gegenüber unserer Wohnung. Am auffälligsten an ihr waren keineswegs die voluminösen Wölbungen an ihrer Vorderseite, obwohl sie zweifellos den Status eines Naturwunders beanspruchen konnten, sondern Domenicas traurige Augen.
Zur Beerdigung werden sie alle kommen: Promis und Luden, Politiker und Freier, wahrscheinlich der halbe Kiez. Denn hier schämt man sich seiner Huren nicht, im Gegenteil.
Meine vertiefend gemeinte Frage, ob die Diebe außer dem Fahrrad vielleicht auch noch seine … ähm … Medizin mitgenommen hätten, ließ Lance bislang unbeantwortet.
Der Kiez hat gewichtigere Probleme als Armstrong, so viel steht fest. Momentan trauert er um Domenica. Die berühmteste Ex-Domina Deutschlands hieß übrigens wirklich so und lebte nach einem Intermezzo in der Eifel zuletzt wieder in der Talstraße. Von ihrer Loggia aus konnte sie, wie es in der Boulevardpresse heißt, den Transenstrich sehen.
Ich bin Domenica nur ein einziges Mal begegnet, und zwar auf dem Postamt gegenüber unserer Wohnung. Am auffälligsten an ihr waren keineswegs die voluminösen Wölbungen an ihrer Vorderseite, obwohl sie zweifellos den Status eines Naturwunders beanspruchen konnten, sondern Domenicas traurige Augen.
Zur Beerdigung werden sie alle kommen: Promis und Luden, Politiker und Freier, wahrscheinlich der halbe Kiez. Denn hier schämt man sich seiner Huren nicht, im Gegenteil.
14 Februar 2009
Aus Liebe Zwiebeln
Manchmal erfährt man unverhofft etwas über seine Nachbarschaft.
Zum Beispiel glaube ich seit heute Nachmittag, dass hinter dem Hauseingang (r.), den „Sabrina“ flächendeckend mit einem Liebesbrief (l.) zugepflastert hat, welcher in der fragwürdigen Drohung „FÜR DICH ESS ICH ZWIEBELN“ gipfelt, ein gewisser Christian wohnt.
Gut zu wissen. Wenn ich auch nicht weiß, wofür.
13 Februar 2009
Ich, Muse der Dichter
Schon komisch, in einem Roman plötzlich auf sich selbst zu stoßen. Besser gesagt: auf eine Figur, die genauso heißt wie man selbst, sogar mit Doppel-t und h.
In Daniel Kehlmanns Roman „Ruhm“ passiert es. Dort stolpere ich auf Seite 84 unversehens über einen „Matthias Wagner“.
Na gut, eigentlich ist es nicht mal eine Figur, sondern nur das Pseudonym einer Figur. Trotzdem ändert das nichts an der Leseverblüffung – ein Gefühl, das ich allerdings schon kenne.
Als Jugendlicher nämlich war ich, wie mir dank Kehlmann wieder einfällt, bereits in einem Karl-May-Roman auf mich gestoßen. Damals eine irgendwie schmeichelhafte Sache für einen pubertierenden Hosenscheißer.
Ich glaubte bislang, May hätte mich in der „Winnetou“-Trilogie untergebracht, doch der Hort meines Namens befindet sich – wie mir das Internet folgsam meldet – in „Die Sklavenkarawane“.
Ähnlich wie der feine Herr Kehlmann gestand mir allerdings auch der Radebeuler keine tragende Rolle zu, ganz im Gegenteil. Lediglich Gegenstand eines Gespräch bin ich, man erinnert sich meiner als Ungar aus dem „Eisenstädter Komitat“ (wtf?), der immerhin über einen Diener verfügte, bisweilen mit Straußenfedern handelte und schließlich im Ostsudan seiner Lebendigkeit abhanden kam.
Kehlmann hätte diese doch recht enttäuschende Ausgestaltung durch May endlich wieder wettmachen können, ja müssen, doch nein: Ich bin ihm nichts mehr als ein Pseudonym. Der zweite Genickschlag für mich in der Literaturgeschichte.
Immerhin passt das zu diesem Autor, der auch sonst recht schludrig ist. Eine der anderen Figuren in „Ruhm“ arbeitet nämlich mitten im YouTube-Zeitalter bei Mannesmann, einer Firma, die schon doppelt so lange tot ist wie YouTube lebendig. Und ausgerechnet ein Techniker, der es viel besser wissen müsste, glaubt bei Kehlmann noch immer an die Schimäre aggressiver Handystrahlen, die einem angeblich das Hirn wegkochen.
Wer so liederlich recherchiert, sollte mich auch keinesfalls vom Pseudonym zur Figur aufwerten, das möchte ich gar nicht. Zur Ehrenrettung meines Namens muss ich daher wohl irgendwann anfangen, meine Autobiografie zu schreiben.
Jetzt muss mir nur noch was Berichtenswertes passieren.
PS: Die Domain www.danielkehlmann.de ist übrigens noch frei. Jemand sollte sie sich sichern und dem Autor teuer weiterverkaufen. Meinen Segen habt ihr.
In Daniel Kehlmanns Roman „Ruhm“ passiert es. Dort stolpere ich auf Seite 84 unversehens über einen „Matthias Wagner“.
Na gut, eigentlich ist es nicht mal eine Figur, sondern nur das Pseudonym einer Figur. Trotzdem ändert das nichts an der Leseverblüffung – ein Gefühl, das ich allerdings schon kenne.
Als Jugendlicher nämlich war ich, wie mir dank Kehlmann wieder einfällt, bereits in einem Karl-May-Roman auf mich gestoßen. Damals eine irgendwie schmeichelhafte Sache für einen pubertierenden Hosenscheißer.
Ich glaubte bislang, May hätte mich in der „Winnetou“-Trilogie untergebracht, doch der Hort meines Namens befindet sich – wie mir das Internet folgsam meldet – in „Die Sklavenkarawane“.
Ähnlich wie der feine Herr Kehlmann gestand mir allerdings auch der Radebeuler keine tragende Rolle zu, ganz im Gegenteil. Lediglich Gegenstand eines Gespräch bin ich, man erinnert sich meiner als Ungar aus dem „Eisenstädter Komitat“ (wtf?), der immerhin über einen Diener verfügte, bisweilen mit Straußenfedern handelte und schließlich im Ostsudan seiner Lebendigkeit abhanden kam.
Kehlmann hätte diese doch recht enttäuschende Ausgestaltung durch May endlich wieder wettmachen können, ja müssen, doch nein: Ich bin ihm nichts mehr als ein Pseudonym. Der zweite Genickschlag für mich in der Literaturgeschichte.
Immerhin passt das zu diesem Autor, der auch sonst recht schludrig ist. Eine der anderen Figuren in „Ruhm“ arbeitet nämlich mitten im YouTube-Zeitalter bei Mannesmann, einer Firma, die schon doppelt so lange tot ist wie YouTube lebendig. Und ausgerechnet ein Techniker, der es viel besser wissen müsste, glaubt bei Kehlmann noch immer an die Schimäre aggressiver Handystrahlen, die einem angeblich das Hirn wegkochen.
Wer so liederlich recherchiert, sollte mich auch keinesfalls vom Pseudonym zur Figur aufwerten, das möchte ich gar nicht. Zur Ehrenrettung meines Namens muss ich daher wohl irgendwann anfangen, meine Autobiografie zu schreiben.
Jetzt muss mir nur noch was Berichtenswertes passieren.
PS: Die Domain www.danielkehlmann.de ist übrigens noch frei. Jemand sollte sie sich sichern und dem Autor teuer weiterverkaufen. Meinen Segen habt ihr.
12 Februar 2009
10 Februar 2009
Der düpierte Sternmull
Esstechnisch gehören meine Begleiter – der Franke und der Syrer – zu den bizarrsten Lebewesen, die je diesen Erdball bevölkerten.
Der Franke ist, wie geplagte Leser dieses Blogs seit langem wissen, einer der schnellsten Vertilger im Weltall, allenfalls noch überboten vom Sternmull.
Für den Syrer hingegen sind 99 Prozent aller weltweit zur Verfügung stehenden Lebensmittel völlig ungeeignet. Entweder ist er allergisch dagegen, oder er mag sie nicht.
Als fatale Erschwernis negiert er auch noch sein Wesen als Raubtier und besteht auf pflanzlicher Kost. Aber hat man je von einem Vegetarier gehört, der weder Rohkost noch Tofu verknusen kann …? Ich hoffe, das verdeutlicht die Lage, mit der ich mich alltäglich beim Lunch konfrontiert sehe.
Beim Franken kommt zum Essrasertum noch eine spezielle Eigenart hinzu: Mengenmäßig gibt es für ihn praktisch keine Deckelung. Wenn in den Hamburger Hafen die komplette Stadt Köln passt, dann passt in seinen Magen der komplette Hamburger Hafen – und zusätzlich der Rotterdamer.
Diese Nährstoffvernichtungsmaschinerie auf zwei Beinen bewegt sich auf einer nach oben offenen Frankenskala, die nur für ihn erfunden wurde. Daran mag es auch liegen, dass er heute bei Holli und Toddi (Foto: Bertucio/Qype) meine Anregung, doch die offerierten Hühnerbeinchen zu präferieren, mit den Worten zurückwies: „Das ,chen’ schreckt mich ab.“
Jede Verniedlichung wertet er eben als Gefahr kommenden Unterversorgtseins und daher als Affront. Schließlich entscheidet er sich für Kasseler mit Püree und Sauerkraut – was er schneller aufsaugt, als ein Sternmull „Hmpf“ machen kann.
Mein Essen hingegen glänzt mit unvereinbaren Komponenten. Spinat mit Spiegelei, Kartoffeln und Fischstäbchen – wer denkt sich so etwas aus? Für den Syrer indes schnurrt alles auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zusammen, einen mit Rauke belegten Flammkuchen. Allerdings ist da auch Quark drauf, und morgen feiert er mit Sicherheit krank.
Manchmal – und nicht nur im Darwinjahr – frage ich mich schon, wie der Mensch derart passabel evolvieren konnte.
Der Franke ist, wie geplagte Leser dieses Blogs seit langem wissen, einer der schnellsten Vertilger im Weltall, allenfalls noch überboten vom Sternmull.
Für den Syrer hingegen sind 99 Prozent aller weltweit zur Verfügung stehenden Lebensmittel völlig ungeeignet. Entweder ist er allergisch dagegen, oder er mag sie nicht.
Als fatale Erschwernis negiert er auch noch sein Wesen als Raubtier und besteht auf pflanzlicher Kost. Aber hat man je von einem Vegetarier gehört, der weder Rohkost noch Tofu verknusen kann …? Ich hoffe, das verdeutlicht die Lage, mit der ich mich alltäglich beim Lunch konfrontiert sehe.
Beim Franken kommt zum Essrasertum noch eine spezielle Eigenart hinzu: Mengenmäßig gibt es für ihn praktisch keine Deckelung. Wenn in den Hamburger Hafen die komplette Stadt Köln passt, dann passt in seinen Magen der komplette Hamburger Hafen – und zusätzlich der Rotterdamer.
Diese Nährstoffvernichtungsmaschinerie auf zwei Beinen bewegt sich auf einer nach oben offenen Frankenskala, die nur für ihn erfunden wurde. Daran mag es auch liegen, dass er heute bei Holli und Toddi (Foto: Bertucio/Qype) meine Anregung, doch die offerierten Hühnerbeinchen zu präferieren, mit den Worten zurückwies: „Das ,chen’ schreckt mich ab.“
Jede Verniedlichung wertet er eben als Gefahr kommenden Unterversorgtseins und daher als Affront. Schließlich entscheidet er sich für Kasseler mit Püree und Sauerkraut – was er schneller aufsaugt, als ein Sternmull „Hmpf“ machen kann.
Mein Essen hingegen glänzt mit unvereinbaren Komponenten. Spinat mit Spiegelei, Kartoffeln und Fischstäbchen – wer denkt sich so etwas aus? Für den Syrer indes schnurrt alles auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zusammen, einen mit Rauke belegten Flammkuchen. Allerdings ist da auch Quark drauf, und morgen feiert er mit Sicherheit krank.
Manchmal – und nicht nur im Darwinjahr – frage ich mich schon, wie der Mensch derart passabel evolvieren konnte.
Uns geht’s gut, aber so was von
Im Gemüseladen meines bedingungslosen Vertrauens in der Paul-Roosen-Straße (Foto) herrscht mal wieder Bombenstimmung.
Während ich in der Schlange warte und versonnen den Blick schweifen lasse von Kräutersaitlingen über sizilianische Kirschtomaten bis hin zum Biosauerkrauteimer, entspinnt sich vor mir ein Dialog, der meine Aufmerksamkeit schlagartig vom Obst und Gemüse abzieht.
Kundin: Wie geht es euch eigentlich?
Gemüsehändler: Uns geht's gut.
Kundin: Find ich gut.
Gemüsehändler: Find ich auch gut! (lacht schallend über seinen großartigen Witz) Und wie geht es dir?
Kundin: Mir geht es auch gut.
Gemüsehändler: Sehr gut!
Kundin (ernst): Finde ich auch.
Hier auf St. Pauli sind wir eben alle eine große kuschelige Familie – und substituieren Substanz manchmal durch brutalstmögliche Herzlichkeit.
Jetzt bitte zwei Bund Rauke und 160 Gramm Feldsalat.
Dann geht’s mir auch gut, aber so was von.
Während ich in der Schlange warte und versonnen den Blick schweifen lasse von Kräutersaitlingen über sizilianische Kirschtomaten bis hin zum Biosauerkrauteimer, entspinnt sich vor mir ein Dialog, der meine Aufmerksamkeit schlagartig vom Obst und Gemüse abzieht.
Kundin: Wie geht es euch eigentlich?
Gemüsehändler: Uns geht's gut.
Kundin: Find ich gut.
Gemüsehändler: Find ich auch gut! (lacht schallend über seinen großartigen Witz) Und wie geht es dir?
Kundin: Mir geht es auch gut.
Gemüsehändler: Sehr gut!
Kundin (ernst): Finde ich auch.
Hier auf St. Pauli sind wir eben alle eine große kuschelige Familie – und substituieren Substanz manchmal durch brutalstmögliche Herzlichkeit.
Jetzt bitte zwei Bund Rauke und 160 Gramm Feldsalat.
Dann geht’s mir auch gut, aber so was von.
08 Februar 2009
Leder, Lack und Labradudel
Ein sehr lehrreiches Wochenende. Ich erfuhr zunächst von einem mir bisher unbekannten Hundemix namens Labradudel (Labrador vs. Pudel).
Später überraschte ich mich selbst, indem es mir in einer Diskussion mit Ms. Columbo gelang, unversehens meine aktuelle politische Grundorientierung herauszuarbeiten.
Ich bin nämlich, wie sich herausstellte, ein undogmatischer linksliberal-skeptischer Ökohedonist.
Insofern betrachte ich den Lacklederanzug mit Gasmaske im Schaufenster der Boutique Bizarre auf der Reeperbahn mit nachsichtiger Neugierde. Selbst wenn ich der Funktion des Schlauches, der von einer zweiten Gasmaske ausgehend im Schritt des Ledermanns verschwindet, noch immer nicht ganz auf die Schliche gekommen bin.
Irgendwer wird’s mir aber bestimmt erklären können. Fetischisten, wo seid ihr?
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