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21 März 2008
Spam siegt auf ganzer Linie
Verdammt! Da habe ich meinen Spamfilter jahrelang trainiert, ihn sogar auf die letzte denkbare „Viiiååååå@@@gr@@“-Variante feinjustiert – und dann diese Mail von heute, die alle Sicherheitsschleusen passierte.
Ich meine: Auf alles kann man sich einstellen, aber doch nicht auf eine hochgestellte 3 als Abschluss einer zusammenfantasierten Absenderangabe!
Ich gebe auf, Mr. Spam hat gewonnen. Wo bekomme ich noch mal billig Cialis, oder wie das heißt? Egal: Her damit.
19 März 2008
„Why do you call her schlampe?“
Der skurrile und lyrisch sehr sexfixierte Songwriter Adam Green hat ein neues Album. Aus diesem Anlass hatten wir die naheliegende Idee (auf die aber sonst noch niemand gekommen ist), mit ihm über den Kiez zu ziehen, ihn in Sexshops zu schleppen und mal zu schauen, wie der gute Green in realo mit der großen weiten Welt des Schlüpfrigen umgeht.
Das Ergebnis gibt es im Clip zu sehen. In der schönsten Szene versucht er in der Kondomerie am Spielbudenplatz eine „Vagina in a flashlight“ zu kaufen. Die Verkäuferin – obgleich hartgesotten – versteht nur Bahnhof. Also übersetzt mein Kollege Greens Wunsch und fragt nach einer „Taschenlampenvagina“. Worauf der Künstler sich merklich überrascht umdreht und sagt: „Why do you call her schlampe?“
Tja, Kommunikation krankt eben allzu oft daran, dass sie nicht verstanden wird. Was mich auf Sibylle Bergs letzten Brief bringt, in dem es ums Verreisen geht. Er endet mit dem Satz: „Ich bin jeweils fast zu Tränen gerührt, wenn ich wieder daheim bin, wo sich auch keiner für mich interessiert – aber wenigstens in einer Sprache, die ich verstehe.“
Zwischen Wodka und Bionade
Ja, es ist wirklich schön, auf dem Kiez zu wohnen. Das gilt natürlich ganz generell (den Beweis führe ich seit September 2005 – siehe Monatsleiste links) – und speziell dann, wenn man zu einer sog. „Listening Session“ in Rosi’s Bar eingeladen ist, die nur hundert Schritte von der Wohnung entfernt liegt.
Uns wird die neue Platte von In Extremo vorgespielt. Dazu gibt es Häppchen vom Buffet (Foto), und der Gitarrist läuft ein ums andere Mal mit Wodkatabletts herum. Hicks.
Zwischendurch gibt Sänger Michael Robert Rhein den sympathischen Rockproll. Wenn er seine Sitzbank verlassen will, benutzt er sie als Treppe und steigt über die Lehne. Und natürlich legt er die Füße auf den Tisch. Nur eins passt nichts ins Bild: Er trinkt Bionade.
Aber immerhin süffelt er auch den Wodka vom Tablett des Gitarristen, was ich zum traulichen Prosit nutze. Ich frage den Mittelaltermann, wohin er denn mit einer Zeitmaschine reisen würde.
Eine natürlich eher rhetorische Frage, denn der Mann zog schon früh als Gaukler und Feuerspucker über die Mittelaltermärkte und seit zehn Jahren als Sänger mit In Extremo durch die Welt – einer Band, die Marktsackpfeifen, Trumscheit und Schalmeien mit Krachgitarren verbindet.
Seine Antwort ernüchtert mich zwar nicht, überrascht aber doch. Denn so hat mir noch keiner geantwortet. „Ich glaube“, sagt Herr Rhein, „ich bliebe hier.“
Amtliche Aussage. Darauf noch einen Wodka.
Uns wird die neue Platte von In Extremo vorgespielt. Dazu gibt es Häppchen vom Buffet (Foto), und der Gitarrist läuft ein ums andere Mal mit Wodkatabletts herum. Hicks.
Zwischendurch gibt Sänger Michael Robert Rhein den sympathischen Rockproll. Wenn er seine Sitzbank verlassen will, benutzt er sie als Treppe und steigt über die Lehne. Und natürlich legt er die Füße auf den Tisch. Nur eins passt nichts ins Bild: Er trinkt Bionade.
Aber immerhin süffelt er auch den Wodka vom Tablett des Gitarristen, was ich zum traulichen Prosit nutze. Ich frage den Mittelaltermann, wohin er denn mit einer Zeitmaschine reisen würde.
Eine natürlich eher rhetorische Frage, denn der Mann zog schon früh als Gaukler und Feuerspucker über die Mittelaltermärkte und seit zehn Jahren als Sänger mit In Extremo durch die Welt – einer Band, die Marktsackpfeifen, Trumscheit und Schalmeien mit Krachgitarren verbindet.
Seine Antwort ernüchtert mich zwar nicht, überrascht aber doch. Denn so hat mir noch keiner geantwortet. „Ich glaube“, sagt Herr Rhein, „ich bliebe hier.“
Amtliche Aussage. Darauf noch einen Wodka.
18 März 2008
Buenos dias, Eiermann!
Allmählich steigt das Fußballfieber. Der Franke ist ein perfekter Indikator für diese zuverlässig alle zwei Jahre auftretende Erkrankung. Bereits heute, gut 80 Tage vorm Anpfiff, steht er doch wahrhaftig mitten im Büro und röhrt mit einer Intonierung, die in seiner Welt wohl als kehlige Inbrunst durchgeht, „Buenos dias, Argentina“.
Der gleichnamige WM-Song war 1978 sogar in der Schweiz ein Hit, obwohl zweierlei ernstlich dagegensprach, nämlich die Interpreten: Udo Jürgens (ein Österreicher!) und unsere Fußballnationalmannschaft (Deutsche!).
Immer wieder jedenfalls krakeelt der Franke den Refrain, weil dem volkstümlichen Langzeitgedächtnisverächter alle anderen Fußballsongs entfallen und von diesem hier nur die zitierten Textfetzen erinnerlich sind.
Statt die unwürdige akustische Umweltverschmutzung sofort zu unterlassen, wie wir es scharf fordern, oder wenigstens zwischendurch mal auf „Fußball ist unser Leben“ umzuschwenken, beharrt der fränkische Outlaw unablässig auf „Buenos dias, Argentina!“, als hätte seine Platte einen Sprung, und in gewisser Weise hat sie das ja auch.
Mittlerweile ist die Nacht heraufgezogen, alles ist ruhig und still – nur in meinem Kopf nicht. Dort nämlich hat sich „Buenos dias, Argentina!“ festgebissen, in der grauenerregenden Interpretation des Franken.
Hoffentlich wird es nicht so schlimm wie damals, als eine sonische Vollpest namens „Hier kommt der Eiermann“ mich während des einwöchigen (!) Zivildienstlehrgangs „Techniken des gewaltlosen Widerstands“ in den Wahnsinn trieb und sämtliche Kursziele mühelos pulverisierte.
Es ist gefährlich, überhaupt darüber zu schreiben. Ich bin wie ein trockener Alkoholiker. Der kleinste Ton, und der Eiermann kommt zurück.
Klingelingeling … Habt ihr das auch gehört …? O mein GOTT …
Der gleichnamige WM-Song war 1978 sogar in der Schweiz ein Hit, obwohl zweierlei ernstlich dagegensprach, nämlich die Interpreten: Udo Jürgens (ein Österreicher!) und unsere Fußballnationalmannschaft (Deutsche!).
Immer wieder jedenfalls krakeelt der Franke den Refrain, weil dem volkstümlichen Langzeitgedächtnisverächter alle anderen Fußballsongs entfallen und von diesem hier nur die zitierten Textfetzen erinnerlich sind.
Statt die unwürdige akustische Umweltverschmutzung sofort zu unterlassen, wie wir es scharf fordern, oder wenigstens zwischendurch mal auf „Fußball ist unser Leben“ umzuschwenken, beharrt der fränkische Outlaw unablässig auf „Buenos dias, Argentina!“, als hätte seine Platte einen Sprung, und in gewisser Weise hat sie das ja auch.
Mittlerweile ist die Nacht heraufgezogen, alles ist ruhig und still – nur in meinem Kopf nicht. Dort nämlich hat sich „Buenos dias, Argentina!“ festgebissen, in der grauenerregenden Interpretation des Franken.
Hoffentlich wird es nicht so schlimm wie damals, als eine sonische Vollpest namens „Hier kommt der Eiermann“ mich während des einwöchigen (!) Zivildienstlehrgangs „Techniken des gewaltlosen Widerstands“ in den Wahnsinn trieb und sämtliche Kursziele mühelos pulverisierte.
Es ist gefährlich, überhaupt darüber zu schreiben. Ich bin wie ein trockener Alkoholiker. Der kleinste Ton, und der Eiermann kommt zurück.
Klingelingeling … Habt ihr das auch gehört …? O mein GOTT …
16 März 2008
Flaggen sehen immer gut aus
Besonders arm dran war der Messie, der wirklich ÜBERHAUPT NICHTS wegschmeißen konnte – nicht mal Spammails, haha …
Zu dieser Spezies gehöre ich nicht, trotzdem bewog mich die Skurrilität der gestrigen Müllpost, sie erst einmal zu behalten. Schon der Betreff weckte Neugier: „Was Ihnen fehlt ist ein Flaggenmast mit Nationalflagge was immer gut aussieht.“
Dieser Mangel in meinem Leben war mir noch nicht aufgefallen. Das Angebot entpuppte sich dann als wirklich verlockend. Der eingefärbte Stoff werde, hieß es, mitsamt „Einbaubuchse (Bodenhuelse)“ geliefert sowie mit „Seilbeschlaegen und Hissvorrichtung“.
Wenn die Verarbeitung sich aber auf dem Niveau der Orthografie im Mailbetreff bewegt, dann zerfleddert die Flagge bestimmt beim ersten Frühlingspuster. Das Angebotsfeature „Auch andere Nationen lieferbar“ versöhnte mich dann aber rasch wieder. Man muss als Kunde des Spammers also nicht mal deutscher Patriot sein.
Meine Suche nach der Flagge Nordkoreas (Foto) war allerdings nicht von Erfolg gekrönt. Abzug in der B-Note.
Zu dieser Spezies gehöre ich nicht, trotzdem bewog mich die Skurrilität der gestrigen Müllpost, sie erst einmal zu behalten. Schon der Betreff weckte Neugier: „Was Ihnen fehlt ist ein Flaggenmast mit Nationalflagge was immer gut aussieht.“
Dieser Mangel in meinem Leben war mir noch nicht aufgefallen. Das Angebot entpuppte sich dann als wirklich verlockend. Der eingefärbte Stoff werde, hieß es, mitsamt „Einbaubuchse (Bodenhuelse)“ geliefert sowie mit „Seilbeschlaegen und Hissvorrichtung“.
Wenn die Verarbeitung sich aber auf dem Niveau der Orthografie im Mailbetreff bewegt, dann zerfleddert die Flagge bestimmt beim ersten Frühlingspuster. Das Angebotsfeature „Auch andere Nationen lieferbar“ versöhnte mich dann aber rasch wieder. Man muss als Kunde des Spammers also nicht mal deutscher Patriot sein.
Meine Suche nach der Flagge Nordkoreas (Foto) war allerdings nicht von Erfolg gekrönt. Abzug in der B-Note.
15 März 2008
Zur Linkendebatte: ein Dialog (wird fortgeschrieben)
„Sag mal, marx du Lenin?“
„Irgendwie schon, trotzki Stalin.“
„Was sol i danosc machen?“
„Tja, wir sind halt alle keine Engels.“
„Es sei denn, wir haben einen halben Castro Rotwein intus.“
„Genau, und mit Mao-am macht so was erst recht quietschfidel!“
„… und frech wie Oskar.“
„Klar, Christian!“
„Okay, dann bolsche ich doch gleich in mein Wiki und lieb meinen Knecht bei einem Glas Nost. Egon: Krenz mal das Terreng ein. Und Peres, hol schon mal die Troika!“
„Du meinst wohl den Wagenknecht? Nein, ich chavez einfach nicht!“
„Wos host’n dou eyschendlisch oarbeidsmäßsch in dör DöDöÖrr gedooon?“
„Isch hon Egger gepfliegt.“
(mit Dank an meine großartigen Kommentatoren!)
Foto: Spiegel
„Irgendwie schon, trotzki Stalin.“
„Was sol i danosc machen?“
„Tja, wir sind halt alle keine Engels.“
„Es sei denn, wir haben einen halben Castro Rotwein intus.“
„Genau, und mit Mao-am macht so was erst recht quietschfidel!“
„… und frech wie Oskar.“
„Klar, Christian!“
„Okay, dann bolsche ich doch gleich in mein Wiki und lieb meinen Knecht bei einem Glas Nost. Egon: Krenz mal das Terreng ein. Und Peres, hol schon mal die Troika!“
„Du meinst wohl den Wagenknecht? Nein, ich chavez einfach nicht!“
„Wos host’n dou eyschendlisch oarbeidsmäßsch in dör DöDöÖrr gedooon?“
„Isch hon Egger gepfliegt.“
(mit Dank an meine großartigen Kommentatoren!)
Foto: Spiegel
Nur eine Rolle pro Haushalt
Recyclinghof, heute nachmittag. „WAS haben Sie da gerade reingeworfen?“, schnappt es hinter mir, nachdem ich gerade eine Druckerpatrone in die Tonne mit der Aufschrift „Toner“ geworfen habe.
Der etwa 60-jährige und erregte Mann sieht aus wie ein pensionierter Westernheld. Hamburgwettergegerbtes Gesicht, weißer Schnauzer. Nur der leuchtend orange Overall und die unkleidsame Mütze verhindern eine Verwechslung mit Jesse James.
Erregungsniveau und Aggressionsbereitschaft des Mannes passten hingegen problemlos zu „High Noon“ oder „Zwölf Fäuste für eine Halleluja“. Öffentlicher Dienst halt. Verantwortungsvolle Tätigkeit. Verhindern, dass der Plebs Plastik zu Metall schmeißt und Stinkbomben in den Korkensammelsack.
Ich drehe mich um. Drohend steht er vor mir, seine weißen Schnauzbartenden zittern angriffslustig im Frühlingswind. „Eine Druckerpatrone““, beantworte ich seine Frage mit einer Ruhe, die mir in solchen Situationen viel zu selten eigen ist.
„Das war richtig“, sagt er kleinlaut und mit jener Art Enttäuschung, die nur ein vermiedener Konflikt herbeizuführen vermag. Ich übergehe die Phase, die eigentlich der Auskostung eines Sieges vorbehalten ist, und frage, obwohl ich die Antwort schon kenne: „Wo erhalte ich denn gelbe Säcke?“
Er stapft augenblicklich voran, froh, seine Niederlage in körperliche Aktivität ummünzen zu können. Jetzt betritt er den kleinen Bürocontainer. In einem Regal liegen gelbe Säcke. Er holt drei Rollen heraus und gibt sie mir.
„Bekomme ich noch zwei mehr?“, frage ich. Und das war ein Fehler. Ein schlimmer Fehler. Der verhinderte Westernheld erstrahlt geradezu. „Nein“, sagt er. Eigentlich müsste noch etwas kommen nach dem „Nein“. Es kommt aber nichts.
„Warum denn nicht?“, frage ich. „Schauen Sie mal hier“, sagt er in einem ähnlichen Tonfall, mit dem er mich vorhin fragte, was ich da soeben in die Tonertonne geworfen hätte. Er zeigt auf einen Zettel am Regal und zitiert mit schulmeisterlicher Genugtuung: „Nur eine Rolle pro Haushalt. Und ich habe Ihnen schon drei gegeben.“
Nun erwartet er Dank, doch er stößt lediglich auf jene Gelassenheit, die nur ein Freitagnachmittag hervorzurufen vermag, wenn das Wochenende vor dir liegt und du genau weißt, dass du auch mit nur drei Rollen gelber Säcke mindestens bis zum Spätherbst durchhältst.
„Na gut“, empfehle ich mich milde. Das Tonerduell hat er verloren, das Sackduell gewonnen. Auch er darf also zufrieden ins Wochenende. Als ich gehe, sehe ich, wie seine Schnauzbartenden immer noch leicht zittern im Frühlingswind.
Der etwa 60-jährige und erregte Mann sieht aus wie ein pensionierter Westernheld. Hamburgwettergegerbtes Gesicht, weißer Schnauzer. Nur der leuchtend orange Overall und die unkleidsame Mütze verhindern eine Verwechslung mit Jesse James.
Erregungsniveau und Aggressionsbereitschaft des Mannes passten hingegen problemlos zu „High Noon“ oder „Zwölf Fäuste für eine Halleluja“. Öffentlicher Dienst halt. Verantwortungsvolle Tätigkeit. Verhindern, dass der Plebs Plastik zu Metall schmeißt und Stinkbomben in den Korkensammelsack.
Ich drehe mich um. Drohend steht er vor mir, seine weißen Schnauzbartenden zittern angriffslustig im Frühlingswind. „Eine Druckerpatrone““, beantworte ich seine Frage mit einer Ruhe, die mir in solchen Situationen viel zu selten eigen ist.
„Das war richtig“, sagt er kleinlaut und mit jener Art Enttäuschung, die nur ein vermiedener Konflikt herbeizuführen vermag. Ich übergehe die Phase, die eigentlich der Auskostung eines Sieges vorbehalten ist, und frage, obwohl ich die Antwort schon kenne: „Wo erhalte ich denn gelbe Säcke?“
Er stapft augenblicklich voran, froh, seine Niederlage in körperliche Aktivität ummünzen zu können. Jetzt betritt er den kleinen Bürocontainer. In einem Regal liegen gelbe Säcke. Er holt drei Rollen heraus und gibt sie mir.
„Bekomme ich noch zwei mehr?“, frage ich. Und das war ein Fehler. Ein schlimmer Fehler. Der verhinderte Westernheld erstrahlt geradezu. „Nein“, sagt er. Eigentlich müsste noch etwas kommen nach dem „Nein“. Es kommt aber nichts.
„Warum denn nicht?“, frage ich. „Schauen Sie mal hier“, sagt er in einem ähnlichen Tonfall, mit dem er mich vorhin fragte, was ich da soeben in die Tonertonne geworfen hätte. Er zeigt auf einen Zettel am Regal und zitiert mit schulmeisterlicher Genugtuung: „Nur eine Rolle pro Haushalt. Und ich habe Ihnen schon drei gegeben.“
Nun erwartet er Dank, doch er stößt lediglich auf jene Gelassenheit, die nur ein Freitagnachmittag hervorzurufen vermag, wenn das Wochenende vor dir liegt und du genau weißt, dass du auch mit nur drei Rollen gelber Säcke mindestens bis zum Spätherbst durchhältst.
„Na gut“, empfehle ich mich milde. Das Tonerduell hat er verloren, das Sackduell gewonnen. Auch er darf also zufrieden ins Wochenende. Als ich gehe, sehe ich, wie seine Schnauzbartenden immer noch leicht zittern im Frühlingswind.
13 März 2008
Jackson, Tish und Staropramen
Die derzeitigen Top 3 der US-Charts sind – Luft holen – Alan Jackson, Jack Johnson und Janet Jackson, wobei Alan Jackson Janet Jackson just von der Spitze stieß und sich sogar Jack Johnson noch flugs vor Janet Jackson drängelte.
Wenn man sich diese drei Namen ein paar mal hintereinander weg vorsagt, hat man einen Knoten in der Zunge. Den hat man möglicherweise auch, wenn man nur einmal Tish Hinojosa vor sich hin sagt, doch wenigstens steckt da nirgendwo ein Jackson drin.
Tish spielt am Samstag ab 21 Uhr im McLean’s Scottish Pub in der Barner Straße 10a (Foto), der Eintrittspreis ist empörend niedrig, nämlich davon abhängig, wieviel du berappen möchtest, doch das ist Tish eh egal, sie spielt ihre Songs stets mit Hingabe und Herzenswärme, sogar auf privaten Partys auf der Rückseite der Reeperbahn.
Und was stand damals auf dem selbstgebastelten Zettel, der auf ein Tish-Konzert hinwies und an unserer Wohnungstür hing? „Don't you dare to miss it.“ Wie sich heute herausstellt, ist der Zettel zeitlos.
Würde mich freuen, möglichst viele Leute im McLean’s Pub zu sehen. Es gibt Staropramen!
Wenn man sich diese drei Namen ein paar mal hintereinander weg vorsagt, hat man einen Knoten in der Zunge. Den hat man möglicherweise auch, wenn man nur einmal Tish Hinojosa vor sich hin sagt, doch wenigstens steckt da nirgendwo ein Jackson drin.
Tish spielt am Samstag ab 21 Uhr im McLean’s Scottish Pub in der Barner Straße 10a (Foto), der Eintrittspreis ist empörend niedrig, nämlich davon abhängig, wieviel du berappen möchtest, doch das ist Tish eh egal, sie spielt ihre Songs stets mit Hingabe und Herzenswärme, sogar auf privaten Partys auf der Rückseite der Reeperbahn.
Und was stand damals auf dem selbstgebastelten Zettel, der auf ein Tish-Konzert hinwies und an unserer Wohnungstür hing? „Don't you dare to miss it.“ Wie sich heute herausstellt, ist der Zettel zeitlos.
Würde mich freuen, möglichst viele Leute im McLean’s Pub zu sehen. Es gibt Staropramen!
12 März 2008
Letzte Geheimnisse: Das Herrenklo (7)
Eine Meldung auf Spiegel online informierte die verblüffte Welt heute über eine Frau, die zwei Jahre lang ununterbrochen auf der Toilette saß und so allmählich mit der Brille verwuchs.
Mich mahnt diese Meldung, endlich die berüchtigte Serie mit Herrenklofotos fortzusetzen. Das heutige zeigt die wuchtige Szenerie im Sanitärbereich des Kulturhaus III&70 am Schulterblatt, die einem dort, wo man eigentlich ganz gern alleine zugange ist, eine Vielzahl sozialer Kontakte suggeriert.
Wenn man übrigens schon irgendwo festwächst, dann ist eine Toilettenbrille zweifellos die beste Wahl. Anderswo – etwa auf dem Wohnzimmersofa – könnte es schnell sehr unappetitlich werden.
„Aber warum“, sinnert Ms. Columbo noch immer über die Spon-Meldung, „hat ihr Freund bloß zwei Jahre gewartet, ehe er den Notarzt rief?“ „Vielleicht“, vermute ich, „nahm er an, sie sei tagsüber, während er arbeitete, auf übliche Weise mobil und setzte sich erst unmittelbar vor seiner Heimkehr auf die Toilette, weil sie – zum Beispiel – keine Lust mehr hatte, mit ihm zu schlafen, nach all den Jahren.“
Ms. Columbo nimmt meine Theorie mit Skepsis auf. Und die ganze Geschichte sowieso. „Ich glaube, die Meldung ist eine Ente“, sagt sie, „ein verfrühter Aprilscherz.“
Wie auch immer: Wer im Lauf von zwei Jahren festwächst auf einer Klobrille, sollte das keinesfalls auf einer x-beliebigen tun, sondern am besten auf der vom Kulturhaus III&70 am Schulterblatt.
Dort ist es einfach weniger einsam als anderswo, man hat immer Augenkontakt.
Die Ungeduldige
Gespannte Ruhe an der Fußgängerampel vorm Bahnhof Altona. Alles steht, die Autos, die Fußgänger, alle sehen rot, nur die Rechtsabbieger nicht. Jede Sekunde jedenfalls muss es für uns designierte Straßenüberquerer grün werden.
Eine junge Frau gegenüber erscheint mir besonders ungeduldig. Sie ist hibbelig, setzt den Fuß auf die Straße, zuckt zurück. Komm endlich, mach schon!, schreit sie innerlich, ich höre es ganz genau.
Doch die Fußgängerampel bleibt auf rot. Jetzt zuckt die Frau zum zweiten Mal, doch erneut übermannt sie die Unsicherheit; die Autos stehen da wie eine leise murmelnde Meute, wachsam und bereit zum Sprung, die Frau traut sich wieder nicht.
Dann schaut sie kurz unter sich, zwei Sekunden nur, doch es sind die Sekunden, in denen die Ampel endlich grün wird. Sie, die es am eiligsten von uns allen hat, verpasst den entscheidenden Moment.
Alle sind schon zwei, drei Meter weit, als sie es merkt. Sie betritt die Straße als letzte, sie hat entscheidende Sekunden verloren. Als wir uns begegnen, flucht sie innerlich, ich höre es ganz genau. Und muss grinsen, weshalb auch immer.
Eine junge Frau gegenüber erscheint mir besonders ungeduldig. Sie ist hibbelig, setzt den Fuß auf die Straße, zuckt zurück. Komm endlich, mach schon!, schreit sie innerlich, ich höre es ganz genau.
Doch die Fußgängerampel bleibt auf rot. Jetzt zuckt die Frau zum zweiten Mal, doch erneut übermannt sie die Unsicherheit; die Autos stehen da wie eine leise murmelnde Meute, wachsam und bereit zum Sprung, die Frau traut sich wieder nicht.
Dann schaut sie kurz unter sich, zwei Sekunden nur, doch es sind die Sekunden, in denen die Ampel endlich grün wird. Sie, die es am eiligsten von uns allen hat, verpasst den entscheidenden Moment.
Alle sind schon zwei, drei Meter weit, als sie es merkt. Sie betritt die Straße als letzte, sie hat entscheidende Sekunden verloren. Als wir uns begegnen, flucht sie innerlich, ich höre es ganz genau. Und muss grinsen, weshalb auch immer.
11 März 2008
Lose Zusammengekehrtes (2)
Wahrscheinlich denken einige Romantiker noch immer, das Leben eines Musikjournalisten sei geprägt von Sex & Drugs & Rock’n’Roll. Und tja: Manchmal ist es das auch.
„Hallo“, stand zumindest neulich in der Mail eines Plattenpromoters, „ich wollte kurz anchecken, ob das LSD-Promopack bei dir angekommen ist.“
Augenblicklich durchwühlte ich fahrig den Haufen Post. Doch nur unzählige CDs fielen mir entgegen. „Hallo, Peter“, mailte ich zurück, „bisher ist leider nichts eingetroffen, was sich schnupfen oder spritzen lässt.“
Zwei Tage später kam es dann an, das Päckchen. Drin: Das neue Album einer Band namens LSD.
In diesem Zusammenhang möchte ich einen frischkreierten Kalauer zitieren: Bei welchem Instrument ist es sogar von Vorteil, an Parkinson zu leiden? Na, bei der Zither.
Und nur, um zu beweisen, dass auch andere Blödsinn machen, und zwar unfreiwillig, ist das heutige Bild da, wo es ist.
(zu Teil 1)
09 März 2008
Ausverkauft
Zwischen Hamburg und Berlin herrscht herzliche gegenseitige Abneigung, das wissen wir alle. Doch auch zwischen Hamburg und dem jwd gelegenen München ist das so, wie wir gestern Abend rückschließen konnten.
Ms. Columbo und ich wollten im 3001-Kino den Tag ausklingen lassen. Wir standen in der Kassenschlange, als ein etwa 60-jähriges Trio vor uns die bittere Wahrheit mitgeteilt bekam: Ausverkauft. Die drei – zwei Herren und eine Dame – wollten sich jedoch nicht einfach so geschlagen geben.
„Aber die Herrschaften hier“, versuchte einer der Männer in scherzhafter Verzweiflung die Lage zu retten und zeigte auf das Paar an seiner Seite, „die sind extra aus München gekommen! Aus München!“
Das 3001 liegt mitten im Schanzenviertel, der Hochburg der Alternativen, Hausbesetzer und Wasserwerferbewerfer. Und der Typ an der Kasse des 3001 ist ein durchaus typischer Schanzenviertler: Schlabberpulli, Haare auf dem Kragen, der erste Ansatz eines leicht aus dem Ruder laufenden Körperäquators.
„Aus München also“, grinst er das wahrscheinlich seit Jahrzehnten CSU wählende Trio mit liebenswertestem Hausbesetzerlächeln an. „Dann ist es ja umso erfreulicher, dass ausverkauft ist.“
Ms. Columbo und ich wollten im 3001-Kino den Tag ausklingen lassen. Wir standen in der Kassenschlange, als ein etwa 60-jähriges Trio vor uns die bittere Wahrheit mitgeteilt bekam: Ausverkauft. Die drei – zwei Herren und eine Dame – wollten sich jedoch nicht einfach so geschlagen geben.
„Aber die Herrschaften hier“, versuchte einer der Männer in scherzhafter Verzweiflung die Lage zu retten und zeigte auf das Paar an seiner Seite, „die sind extra aus München gekommen! Aus München!“
Das 3001 liegt mitten im Schanzenviertel, der Hochburg der Alternativen, Hausbesetzer und Wasserwerferbewerfer. Und der Typ an der Kasse des 3001 ist ein durchaus typischer Schanzenviertler: Schlabberpulli, Haare auf dem Kragen, der erste Ansatz eines leicht aus dem Ruder laufenden Körperäquators.
„Aus München also“, grinst er das wahrscheinlich seit Jahrzehnten CSU wählende Trio mit liebenswertestem Hausbesetzerlächeln an. „Dann ist es ja umso erfreulicher, dass ausverkauft ist.“
08 März 2008
Voll, aber hart
Der Standbesitzer auf dem Schlachthofflohmarkt ist voll wie der Fischmarkt bei Sturmflut. Schwankend steht er hinter seinem Tisch mit Trödel und führt mit schlingernder Hand einen Kaffeebecher an die wulstigen Lippen.
Trotz seines desolaten Zustandes wagt der Mann unbeirrt den Dialog mit der Kundschaft. „Hal’ die Ssunge!“, lallt er gerade jemand an, „du biss ja behaart!“ Umsatzfördernd ist das nicht; irritiert brummelnd zieht sich der Kunde zurück.
Auch ich bin ein potenzieller Kunde, denn auf dem Tisch des Betrunkenen liegen 1969er-Ausgaben des Tittenblattes „St. Pauli Nachrichten“, dem damals Stefan Aust, Günter Wallraff und Henryk M. Broder ein ausgesprochen abgerundetes Profil verliehen.
Die ebenso historische Ausgabe der „St. Pauli Zeitung“, dem Zentralorgan der DSP (Deutsche Sexpartei), erregt gleichfalls mein Interesse, vor allem wegen des Aufmachers: „Ausscheidungs-Gruppenspiele zur Unterleibs-Olympiade“.
Wie teuer diese im wahrsten Sinn angeschmuddelten Ausgaben denn seien, frage ich den Mann. „Ssweissehn pro Schtügg“, radebrecht er mit allergrößter Mühe. Er dürfte ein leiches Opfer meiner Verhandlungskünste sein. „Och, nein“, versuche ich das ungleiche Duell zu eröffnen. Der Mann nimmt an. „DANN EHM NICH!“, brüllt er augenblicklich unter wildem Spucken, und das wirkt auf mich einschüchternd kategorisch.
Mir wird klar: Noch bevor die Schlacht losging, habe ich sie verloren. Also ziehe ich mich irritiert brummelnd zurück.
Aber nicht mit ganz leeren Händen, wie das heutige Foto beweist.
Trotz seines desolaten Zustandes wagt der Mann unbeirrt den Dialog mit der Kundschaft. „Hal’ die Ssunge!“, lallt er gerade jemand an, „du biss ja behaart!“ Umsatzfördernd ist das nicht; irritiert brummelnd zieht sich der Kunde zurück.
Auch ich bin ein potenzieller Kunde, denn auf dem Tisch des Betrunkenen liegen 1969er-Ausgaben des Tittenblattes „St. Pauli Nachrichten“, dem damals Stefan Aust, Günter Wallraff und Henryk M. Broder ein ausgesprochen abgerundetes Profil verliehen.
Die ebenso historische Ausgabe der „St. Pauli Zeitung“, dem Zentralorgan der DSP (Deutsche Sexpartei), erregt gleichfalls mein Interesse, vor allem wegen des Aufmachers: „Ausscheidungs-Gruppenspiele zur Unterleibs-Olympiade“.
Wie teuer diese im wahrsten Sinn angeschmuddelten Ausgaben denn seien, frage ich den Mann. „Ssweissehn pro Schtügg“, radebrecht er mit allergrößter Mühe. Er dürfte ein leiches Opfer meiner Verhandlungskünste sein. „Och, nein“, versuche ich das ungleiche Duell zu eröffnen. Der Mann nimmt an. „DANN EHM NICH!“, brüllt er augenblicklich unter wildem Spucken, und das wirkt auf mich einschüchternd kategorisch.
Mir wird klar: Noch bevor die Schlacht losging, habe ich sie verloren. Also ziehe ich mich irritiert brummelnd zurück.
Aber nicht mit ganz leeren Händen, wie das heutige Foto beweist.
07 März 2008
„Womma ficken?“
Seit St. Pauli immer mehr zum In-Viertel wird, werden die Vermieter spürbar gieriger. Immer mehr wird es zur entscheidenden Frage, ob unser Wohnviertel als „normal“ oder „gut“ gilt. Im Mietenspiegel kann das ein paar hundert Euro ausmachen, monatlich.
Eine Nachbarin aus dem dritten Stock erhielt jetzt wieder eine Mieterhöhung, die zweite seit 2006. Dabei, beklagt sie sich, werde vorm Haus noch immer gedealt, und liederliche Frauen sprächen fremde Männer an.
Mag sein, aber wir haben so etwas schon länger nicht mehr erlebt. Wenn das systematisch der Fall wäre, könnte man die Wohnlage in der Tat kaum als „gut“ bezeichnen – und die Mieterhöhung auch nicht als gerechtfertigt. Doch wie gesagt: Uns ist so etwas schon lange nicht mehr untergekommen, wenn überhaupt.
Als ich heute aus der Stadt kam, sprach mich vor der Haustür eine alte Frau an. Ihr Haar war als Bubikopf geschnitten und so weiß wie das von Rudi Völler. Ich schätzte sie auf über 70. Sie war hager, ihre Augen schwarz, kugelrund und groß, und sie trug einen beigen Trenchcoat mit Gürtel.
Sie sprach mich an, als ich gerade das Fahrrad an den Mast anschloss. Sie sagte: „Womma ficken?“
In solchen Situationen reagiere ich stets bedrückend konventionell, worüber ich mich im Nachhinein maßlos ärgere. Statt diesen grotesken Antrag recherchierend zu hinterfragen, statt im insistierenden Gespräch herauszufinden, weshalb eine wahrscheinlich aus dem Altenheim ausgebüxte Rentnerin durch die Straßen St. Paulis streunt und (vergleichsweise) junge Männer um Geschlechtsverkehr ersucht, antwortete ich mit verlegenem Lächeln: „Nein, danke.“
Wie langweilig. Wie öde. Wie absehbar.
Sie schaute mich mit erschütternder Traurigkeit an, in ihren Kulleraugen lag tödlicher Ernst. „Ich möch’ gern ma“, sagte sie mit verwaschener Stimme. Und ich wieder, im Weggehen: „Danke, nein, wirklich nicht.“
Als ich die Haustür aufschloss, drehte ich mich noch einmal um. Sie stand vor der verwaisten Kita, die Hände im Trenchcoat, und glotzte stumpf ins Fenster, eine traurige, weißgraue Verkörperung von Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit.
Und als ich die Treppen hochstieg zur Wohnung, da dachte ich: Die Nachbarin hat recht. Unsere Wohnlage ist nicht „gut“, sie ist höchstens „normal“.
Das gilt wohl auch für diesen Hauseingang am Hamburger Berg.
Eine Nachbarin aus dem dritten Stock erhielt jetzt wieder eine Mieterhöhung, die zweite seit 2006. Dabei, beklagt sie sich, werde vorm Haus noch immer gedealt, und liederliche Frauen sprächen fremde Männer an.
Mag sein, aber wir haben so etwas schon länger nicht mehr erlebt. Wenn das systematisch der Fall wäre, könnte man die Wohnlage in der Tat kaum als „gut“ bezeichnen – und die Mieterhöhung auch nicht als gerechtfertigt. Doch wie gesagt: Uns ist so etwas schon lange nicht mehr untergekommen, wenn überhaupt.
Als ich heute aus der Stadt kam, sprach mich vor der Haustür eine alte Frau an. Ihr Haar war als Bubikopf geschnitten und so weiß wie das von Rudi Völler. Ich schätzte sie auf über 70. Sie war hager, ihre Augen schwarz, kugelrund und groß, und sie trug einen beigen Trenchcoat mit Gürtel.
Sie sprach mich an, als ich gerade das Fahrrad an den Mast anschloss. Sie sagte: „Womma ficken?“
In solchen Situationen reagiere ich stets bedrückend konventionell, worüber ich mich im Nachhinein maßlos ärgere. Statt diesen grotesken Antrag recherchierend zu hinterfragen, statt im insistierenden Gespräch herauszufinden, weshalb eine wahrscheinlich aus dem Altenheim ausgebüxte Rentnerin durch die Straßen St. Paulis streunt und (vergleichsweise) junge Männer um Geschlechtsverkehr ersucht, antwortete ich mit verlegenem Lächeln: „Nein, danke.“
Wie langweilig. Wie öde. Wie absehbar.
Sie schaute mich mit erschütternder Traurigkeit an, in ihren Kulleraugen lag tödlicher Ernst. „Ich möch’ gern ma“, sagte sie mit verwaschener Stimme. Und ich wieder, im Weggehen: „Danke, nein, wirklich nicht.“
Als ich die Haustür aufschloss, drehte ich mich noch einmal um. Sie stand vor der verwaisten Kita, die Hände im Trenchcoat, und glotzte stumpf ins Fenster, eine traurige, weißgraue Verkörperung von Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit.
Und als ich die Treppen hochstieg zur Wohnung, da dachte ich: Die Nachbarin hat recht. Unsere Wohnlage ist nicht „gut“, sie ist höchstens „normal“.
Das gilt wohl auch für diesen Hauseingang am Hamburger Berg.
06 März 2008
Aller guten Dinge
Bei unseren Freunden S. und F. bricht beim Telefonieren immer wieder die Leitung zusammen. Nachdem jedoch eine Unterhaltung mal 28 Minuten lang pannenlos geklappt hatte, entwickelte die daran beteiligte Mutter von F. eine interessante Theorie.
Es läge nur daran, vermutet sie, dass man 28 Minuten lang nur über gute Dinge geredet habe. Wenn das ein grunsätzliches Kriterium für die Funktionsfähigkeit moderner Technik wäre, müsste mein Blogserver ständig zusammenbrechen, bei all dem Sex ’n’ Drugs ’n’ Rock’n’Roll hier.
Zum Beispiel müsste er, der Blogserver, beim folgenden Zitat sofort den Geist aufgeben, denn es geht darin keineswegs um gute Dinge: „Wenn der Tod an deine Tür klopft“, schreibt Johnny Cash in seiner Autobiografie, „dann greif sofort zur Schrotflinte.“
Große Momente heute Abend auch bei „Kerner“, als Charlotte Roche einer zwanghaft aufmerksam nickenden, aber plötzlich sehr stummen Sylvie van der Vaart erklärte, dass man einen Riss in der Rosettenhaut Analfissur nennt.
Was mich durch blanke Analogassoziation auf den Güllegeruch bringt, der vor einigen Tagen über den Kiez zog, als wären wir hier von frischgedüngten Feldern umgeben und nicht nur vom unmoralischen Schmutz des Rotlichtviertels (Symbolbild). Keine Ahnung, wo das herkam, der Syrer vermutet aus Rissen.
Nach ein paar Tagen verschwanden die Gülleschlieren wieder, aber gute Dinge waren das auch nicht.
Es läge nur daran, vermutet sie, dass man 28 Minuten lang nur über gute Dinge geredet habe. Wenn das ein grunsätzliches Kriterium für die Funktionsfähigkeit moderner Technik wäre, müsste mein Blogserver ständig zusammenbrechen, bei all dem Sex ’n’ Drugs ’n’ Rock’n’Roll hier.
Zum Beispiel müsste er, der Blogserver, beim folgenden Zitat sofort den Geist aufgeben, denn es geht darin keineswegs um gute Dinge: „Wenn der Tod an deine Tür klopft“, schreibt Johnny Cash in seiner Autobiografie, „dann greif sofort zur Schrotflinte.“
Große Momente heute Abend auch bei „Kerner“, als Charlotte Roche einer zwanghaft aufmerksam nickenden, aber plötzlich sehr stummen Sylvie van der Vaart erklärte, dass man einen Riss in der Rosettenhaut Analfissur nennt.
Was mich durch blanke Analogassoziation auf den Güllegeruch bringt, der vor einigen Tagen über den Kiez zog, als wären wir hier von frischgedüngten Feldern umgeben und nicht nur vom unmoralischen Schmutz des Rotlichtviertels (Symbolbild). Keine Ahnung, wo das herkam, der Syrer vermutet aus Rissen.
Nach ein paar Tagen verschwanden die Gülleschlieren wieder, aber gute Dinge waren das auch nicht.
Eine Häufung von Merkwürdigkeiten
„Dieser Zigeuner, dieser argentinische Robustling!”, jubilierte Premierereporter Fritz von Thurn und Taxis heute Abend bei der Fußballübertragung und meinte damit einen Spieler des FC Porto, nämlich Lucho Gonzalez.
Ms. Columbo, dadurch von der Lektüre eines journalistischen Fachmagazins aufgeschreckt, merkte sofort feinsinnig an, die Äußerung des entflammten Fritz wäre mit Sicherheit nur halb so stark gewesen, wenn er statt der Zigeuner die Sinti und Roma ins Spiel gebracht hätte.
Völlig richtig. Denn Langeweile ist nun mal der zweite Vorname der political correctness.
Heute war übrigens der Tag der merkwürdigen Spiegel-online-Meldungen. „Kanada: Drei rechte Füße an Küste angespült“ war die merkwürdigste von allen, wobei es die ganze Sache noch viel merkwürdiger macht, dass diese Füße nicht auf einmal, sondern verteilt übers Jahr angespült wurden.
Dann gab es noch einen Text über Horst Hrubeschs Buch übers Angeln. Merkwürdig ist bereits die Information, dass Hrubesch schreiben können soll, noch viel merkwürdiger aber der Name des Artikelautors: nämlich Horst Köder.
Mehr geht nicht, zumindest nicht an einem einzigen Tag.
Ms. Columbo, dadurch von der Lektüre eines journalistischen Fachmagazins aufgeschreckt, merkte sofort feinsinnig an, die Äußerung des entflammten Fritz wäre mit Sicherheit nur halb so stark gewesen, wenn er statt der Zigeuner die Sinti und Roma ins Spiel gebracht hätte.
Völlig richtig. Denn Langeweile ist nun mal der zweite Vorname der political correctness.
Heute war übrigens der Tag der merkwürdigen Spiegel-online-Meldungen. „Kanada: Drei rechte Füße an Küste angespült“ war die merkwürdigste von allen, wobei es die ganze Sache noch viel merkwürdiger macht, dass diese Füße nicht auf einmal, sondern verteilt übers Jahr angespült wurden.
Dann gab es noch einen Text über Horst Hrubeschs Buch übers Angeln. Merkwürdig ist bereits die Information, dass Hrubesch schreiben können soll, noch viel merkwürdiger aber der Name des Artikelautors: nämlich Horst Köder.
Mehr geht nicht, zumindest nicht an einem einzigen Tag.
05 März 2008
Aus dem Hirn eines Irren
Wir flanieren durch den Pennyladen in Ottensen, wo ich damals über Mittag die Schokolade in der Kühltruhe versteckte, doch das wochenaktuelle Angebot ist kreuzerbärmlich.
Ich meine: Wen will Penny mit einem Handrührer für Farbeimer becircen?
„Alle Zeichen stehen auf Frustkauf!“, flucht der Franke. Als ich einwende, Penny sei ja wohl als unmittelbare Ursache für dieses zwar kapitalismusfreundliche, ansonsten aber recht charakterlose Gefühl kaum der richtige Laden, um ihm sofort nachzugeben, reagiert er überraschend.
„Nein!“, ruft er nämlich, „ich muss Penny sofort mit einem Frustkauf bestrafen!“
Diese Logik entspringt unzweifelhaft dem Hirn eines Irren. Gleichwohl setzt der Franke sie sofort in eine Handlung um, und wenige Sekunden später legt er eine Fünferpackung Snickers aufs Kassenband.
Wovon ich später nicht einen einzigen kreuzerbärmlichen Riegel abkriege.
Ich meine: Wen will Penny mit einem Handrührer für Farbeimer becircen?
„Alle Zeichen stehen auf Frustkauf!“, flucht der Franke. Als ich einwende, Penny sei ja wohl als unmittelbare Ursache für dieses zwar kapitalismusfreundliche, ansonsten aber recht charakterlose Gefühl kaum der richtige Laden, um ihm sofort nachzugeben, reagiert er überraschend.
„Nein!“, ruft er nämlich, „ich muss Penny sofort mit einem Frustkauf bestrafen!“
Diese Logik entspringt unzweifelhaft dem Hirn eines Irren. Gleichwohl setzt der Franke sie sofort in eine Handlung um, und wenige Sekunden später legt er eine Fünferpackung Snickers aufs Kassenband.
Wovon ich später nicht einen einzigen kreuzerbärmlichen Riegel abkriege.
03 März 2008
Wenn Träume wahr werden
Seit Ende der 80er plädiere ich in regelmäßgen Abständen für die Vergesellschaftung von Schirmen und Fahrrädern. Auch in diesem Blog kam das schon vor.
Eine Volksbewegung entstand daraus nicht. Von Zeit zu Zeit wurde mir zwar immer mal wieder mein Fahrrad geklaut. Doch irgendwie ist das nicht dasselbe. Ohne gesetzliche Vergesellschaftungsgrundlage, die es mir legal ermöglichte, ersatzweise ein x-beliebiges Fahrrad einem x-beliebigen Fahrradständer zu entnehmen, funktioniert die Idee einfach nicht.
Immerhin scheint sich bei Schirmen endlich was zu tun. Ein Indiz dafür ist die abgebildete Box, die ich in den Zeisehallen entdeckte. Ein bewegender Anblick für mich. Denn ich spürte: Eine große Idee wird endlich wahr. Sie setzt sich immer durch, auch wenn es bisweilen etwas länger dauert, und selbst wenn ich sie hatte.
Zeichnete nicht schon Leonardo da Vinci Fluggeräte, und Jahrhunderte später kam Airbus? So ähnlich fühlte ich mich beim Anblick dieser Kiste mit sozialisierten Regenschirmen. Fast war ich geneigt, einen Edding zu zücken und versonnen lächelnd „Copyright by Matt“ draufzuschreiben, doch ich hatte keinen dabei.
In der Kiste lagen sogar mehrere Schirme. Wäre es am Regnen und ich nicht mit dem Fahrrad unterwegs gewesen, hätte ich ein Exemplar an mich genommen – nicht zuletzt, um mir und meiner großen Vision aus den 80ern zu schmeicheln. Doch es regnete nicht, ich radelte schirmlos nach Hause. Und das Rad kettete ich diebstahlerschwerend am Lampenmast an.
Denn die Welt ist noch nicht so weit. Zumindest nicht bei Fahrrädern.
02 März 2008
Mensch meets Möwe
Als wir mittags zum Fischmarkt hinuntergingen, um uns anzuschauen, was die Orkanin Emma mit dem Areal angestellt hatte, sahen wir gleich, dass nichts zu sehen war. Keine Überschwemmung, alles ganz normal.
Am spektakulärsten war noch der Möwenschwarm, der sich am Ufer über eine illegal entsorgte Kiste Weißbrot hermachte. Enten und Tauben hielten sich missmutig am Rand und zogen lange Gesichter, blieben aber sicherheitshalber in der Nähe; man weiß ja nie.
Angesichts der wild ums Weißbrot kämpfenden Seevögel fiel mir ein Transparent wieder ein, das wir auf dem Hinweg an einem der neuen Hochhäuser am Bavariagelände gesehen hatten. Es propagierte den peinigenden Slogen: „Mensch meets Möwe“.
Kann uns vielleicht Fachmann Ramses mal erklären, wie so etwas durch sämtliche Kontrollinstanzen schlüpfen kann? Und was er alternativ von „Texter needs Faust (in his face)“ hält?
01 März 2008
Lesen und lallen
Link: sevenload.com
Tage im Zeichen des Teufels Alkohol. Nehmen wir die gestrige Bloglücke: Dafür hatte ich einen guten Grund – nämlich einen im Tee.
Die entscheidenden Informationen zu dieser Nacht gerieten dennoch ans Licht der Öffentlichkeit, wenn auch an anderen Stellen. Daher kann ich mich direkt dem heutigen Abend zuwenden.
Wir besuchten – wie angekündigt – die Lesung betrunkener Autoren im Indra, wobei es richtiger hätte heißen müssen: Lesung sich allzu gemächlich betrinkender Autoren, denn auch nach über zwei Stunden kamen manche dieser Herrschaften erst auf lachhafte 0,27 Promille – jawohl, Frau Schütz, ich rede von Ihnen!
Ziemlich weit vorne aber war von Anfang an Sven Amtsberg. Dennoch glänzte er mit dem besten ersten Satz des Abends: „Ich lag nackt auf dem Bett und schaute ihr dabei zu, wie sie sich mich schön soff.“
Während der Franke und ich solchen Preziosen adäquaterweise mit Bier huldigten, hielt sich Ms. Columbo an Sprudel. Sie wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass Conferencier Gunter Gerlach irgendwann sagen würde: „Wer Wasser trinkt, hat etwas zu verbergen.“ Doch selbst als er es gesagt hatte, lächelte sie nur fein und bewahrte all ihre Geheimnisse.
Sven Amtsberg las seine dritte Geschichte von der untenrum dicken Frauke (siehe Clip) mit bereits 2,10 Promille, womit er seine Führungsposition weiter ausbaute. Zwischenergebnisse wie die von Wiebke Lorenz (3,32!) kamen unter irregulären Bedingungen zustande (Schluck Bier im Mund beim Blasen), weshalb sie hier nicht in die Wertung einfließen.
Der Abend endete absehbar: Irgendwann war das Publikum betrunkener als die Autoren, die indes auch schon zu lallen begannen. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Indrabierbänke in drei Stunden stiller Arbeit unsere Rücken und Hintern endgültig besiegt.
Also gingen wir; Ms. Columbo tat das am grazilsten, dank Sprudel.
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