Heute Abend habe ich Ms. Columbo zum Schlemmen in unser liebstes italienisches Restaurant Pesco Mare eingeladen. Das Lokal zwei Straßen weiter ist kulinarisch ebenso großartig wie stets erstaunlich schlecht besucht.
Dieser bedauerliche Umstand liegt sicherlich weder an der Qualität des Essens noch am Enthusiasmus des Kochs, äußerlich ein Mix aus Ronaldo und dem späten George Foreman. Nein, es muss einen anderen Grund geben, und ich glaube ihn zu kennen: Das Pesco Mare ist die brutalstmögliche Italopophölle.
Zu hausgemachter Pasta und traumhaften Antipasti serviert man die totgespieltesten aller Oldies in Dauerschleife – von längst hundertfach durch den Bocelli-Fleischwolf gedrehten Verdi-Arien bis zu 30 Jahre alten Schnulzen wie „Ti amo“. All diese Songs sind tief ins paneuropäische limbische System eingesunken und haben dort unbehelligt und inoperabel eine erfolgreiche Zweitkarriere als Folterinstrumente gestartet.
Und dem wirkt das Pesco Mare nicht entgegen. O nein.
Das Beschallungskonzept folgt einem unantastbaren Dogma: Die Boxen dürfen ausschließlich das bis zum Erbrechen Bekannte auswürgen, jede Abweichung vom „Azzuro“-Kurs gilt offenbar als schlimmste Ketzerei. Wie es auf die geistige Gesundheit der Bediensteten wirken muss, diesem Gassenhauerloop dauerhaft ausgesetzt zu sein, will ich mir nicht ausmalen. Die Crew versucht sich jedenfalls durch vernehmliches Mitsingen vor den schlimmsten Schäden zu schützen.
Dennoch wird die Tonspur auf Dauer ihren Willen brechen – ähnlich wie die chinesische Wasserfolter, bei der man den kahlrasierten Schädel des bedauernswerten Probanden tagelang betropft, bis der sich in einen sabbernden Mollusken verwandelt hat. So ähnlich wirkt „Mama Leone“ im Pesco Mare.
Ms. Columbo allerdings zeigt sich völlig resistent, wahrscheinlich wegen der sardischen Gene, die sie von Natur aus mit sich führt. Während ich bang dem nächsten Song entgegenzittere (nein, nicht schon wieder „La donna e mobile“, bitte!), fördert sie ungerührt meine Allgemeinbildung. „Tiramisú“, erläutert sie, während irgendein Lucio Dalla dazu den Soundtrack schluchzt, „heißt soviel wie: Putsch mich auf! Wegen des Espressos, der drin ist.“
Interessant, das wusste ich noch nicht. Auch der Pragmatismus, mit dem sie sich den kulinarischen Herausforderungen des Abends stellt, ist so entzückend wie lehrreich. „Es ist nicht entscheidend, was du zwischen Weihnachten und Silvester isst“, erklärt sie mit der Gelassenheit derjenigen, der just eine dampfende Pizza Frutti di Mare serviert wurde, „sondern was du zwischen Silvester und Weihnachten isst.“
Ein weiser Satz – und eine gute Rechtfertigung für das Riesenstück eisgekühlte Schokoladentorte zum Abschluss. Die beiden Absackergrappe brauche ich aber vor allem wegen „Tornero“.
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21 Dezember 2006
20 Dezember 2006
Und es hat xing gemacht
Neulich wollte ich mich bei OpenBC einloggen, was ja neuerdings Xing heißt. Allerdings war ich nicht ganz bei der Sache. Leicht tranig tippte ich meinen Klarnamen ein statt meines Pseudonyms, ergänzte die Eingabe um das korrekte Passwort – und war trotzdem drin! Aber nicht in meinem eigenen Account, sondern in dem eines ganz anderen Matthias Wagner …
Zumindest war das nicht ich auf diesem Bild, von dem mich ein Mann immerhin meiner Altersgruppe fremd und ernst anschaute. Ich spürte sofort den bestürzenden Anflug einer Identitätskrise, die sich erst legte, als ich mir innerlich in aller Deutlichkeit versicherte, kein Diplomingenieur im Breisgau zu sein.
Die Rekonstruktion des kuriosen Sachverhalts ergibt Unfassliches: Der Xing-Kollege heißt wie ich, hat sich aber nicht extra ein Pseudonym ausgedacht, sondern einfach seinen Namen als ID beibehalten. Klar, warum auch nicht. Dann suchte er sich unter den Zentilliarden Passwortmöglichkeiten irgendeins aus – und zwar ausgerechnet das gleiche wie ich, der ich ebenfalls Matthias Wagner heiße, aber unter einer anderen ID bei Xing registriert bin.
Das wäre alles noch gar kein Problem gewesen. Doch eines Abends gebe ich Transuse statt meines Pseudonyms versehentlich meinen Klarnamen ein – und es macht xing … Un-glaub-lich. Ist es eigentlich wahrscheinlicher, den Lottojackpot zu knacken? Ich bin mir ziemlich sicher.
Vielleicht sollte der Investigativblogger Don Alphonso nach den Sicherheitslücken bei StudiVZ auch mal die des neuen Börsenstars Xing unter die Lupe nehmen. Könnte interessant werden.
Bisher habe ich mein kleines schmutziges Geheimnis übrigens für mich behalten. Mal schauen, ob es durch diesen Eintrag auffliegt.
Ich sollte das zwischen den Jahren einfach mal testen.
Zumindest war das nicht ich auf diesem Bild, von dem mich ein Mann immerhin meiner Altersgruppe fremd und ernst anschaute. Ich spürte sofort den bestürzenden Anflug einer Identitätskrise, die sich erst legte, als ich mir innerlich in aller Deutlichkeit versicherte, kein Diplomingenieur im Breisgau zu sein.
Die Rekonstruktion des kuriosen Sachverhalts ergibt Unfassliches: Der Xing-Kollege heißt wie ich, hat sich aber nicht extra ein Pseudonym ausgedacht, sondern einfach seinen Namen als ID beibehalten. Klar, warum auch nicht. Dann suchte er sich unter den Zentilliarden Passwortmöglichkeiten irgendeins aus – und zwar ausgerechnet das gleiche wie ich, der ich ebenfalls Matthias Wagner heiße, aber unter einer anderen ID bei Xing registriert bin.
Das wäre alles noch gar kein Problem gewesen. Doch eines Abends gebe ich Transuse statt meines Pseudonyms versehentlich meinen Klarnamen ein – und es macht xing … Un-glaub-lich. Ist es eigentlich wahrscheinlicher, den Lottojackpot zu knacken? Ich bin mir ziemlich sicher.
Vielleicht sollte der Investigativblogger Don Alphonso nach den Sicherheitslücken bei StudiVZ auch mal die des neuen Börsenstars Xing unter die Lupe nehmen. Könnte interessant werden.
Bisher habe ich mein kleines schmutziges Geheimnis übrigens für mich behalten. Mal schauen, ob es durch diesen Eintrag auffliegt.
Ich sollte das zwischen den Jahren einfach mal testen.
19 Dezember 2006
Die Schmutzengel
Ein paar Schritte von hier, auf dem Spielbudenplatz an der Reeperbahn, gibt es zurzeit einen etwas speziellen, aber sehr kiezianischen Weihnachtsmarkt. Hier im Sündenbabel wird das ganze sterbenslangweilige, auf Mandeln meets Glühwein basierende Bohei ums Christkind sehr ortsspezifisch umgedeutet.
Man erfährt zum Beispiel, was Engel drunter tragen – nämlich dicke Titten. Kulinarisches gibt es auch, etwa Pasta in Penisform. Am irritierendsten finde ich allerdings jenen Stand, wo man an einigen kranartigen Auslegern erdnahe Bungeesprünge absolvieren kann.
Damit will man wohl eher Kinder locken als jene (volljährigen) Marktbesucher, die es ins Zelt hinter den Fichten zieht, wo der erste 3-D-Porno der Welt läuft. Das anvisierte Zielpublikum lässt den Namen des Anbieters allerdings noch misslungener wirken: „HJ-Bungee“.
Nennt mich penibel, schimpft mich paranoid: Aber bei HJ denke ich keineswegs an „High Jumper“.
Als ich da war, hatte der Stand schon geschlossen, so spät war’s.
Selbst der Porno lief nicht mehr.
Man erfährt zum Beispiel, was Engel drunter tragen – nämlich dicke Titten. Kulinarisches gibt es auch, etwa Pasta in Penisform. Am irritierendsten finde ich allerdings jenen Stand, wo man an einigen kranartigen Auslegern erdnahe Bungeesprünge absolvieren kann.
Damit will man wohl eher Kinder locken als jene (volljährigen) Marktbesucher, die es ins Zelt hinter den Fichten zieht, wo der erste 3-D-Porno der Welt läuft. Das anvisierte Zielpublikum lässt den Namen des Anbieters allerdings noch misslungener wirken: „HJ-Bungee“.
Nennt mich penibel, schimpft mich paranoid: Aber bei HJ denke ich keineswegs an „High Jumper“.
Als ich da war, hatte der Stand schon geschlossen, so spät war’s.
Selbst der Porno lief nicht mehr.
Tod eines Luden
Manchmal frage ich mich, was die vor Muskeln oft bizarr verbeulten Kiezluden, die man hier ihre Staffordshireterrier Gassi führen sieht, eigentlich tun, wenn sie mal alt sind.
Wenn sie nicht mehr die Massivgoldkette ins Nest ihrer deutlich sichtbaren Brustwolle betten können. Wenn ihr gockelroter Lamborghini keinen Parkplatz mehr vorm Laufhaus findet. Wenn sie eine Kneipe betreten und Furcht und Schrecken sich in überschaubaren Grenzen halten. Wenn sie weggejagt worden sind von der nächsten, brutaleren Generation.
Wohin mit ihnen? Sie sind schwer vermittelbar, ihre Spezialkenntnisse in der freien Wirtschaft nur begrenzt gefragt. Und Altersteilzeit gibt es ja für Luden nicht. Seit heute aber weiß ich, was ein alter Kiezlude macht, wenn er sein einstiges Königreich nur noch als Bettler durchstreifen kann.
Zumindest von einem Kiezluden weiß ich das, vom 58-jährigen Muskelberg Stefan Hentschel: Er hängt sich auf. Und zwar stilecht in der Ritze, wo er bis gestern jeden Nachmittag im Keller boxte, um wenigstens seine Muskelberge am Dahinschmelzen zu hindern, wenn schon seine 27 Bordsteinschwalben von einst nur noch Erinnerung sind.
Als die Putzfrau ihn fand, baumelte er am selben Haken, an dem sonst sein Boxsack hing. Wie klar, schnörkellos und letztlich überzeugend seine Art zu argumentieren noch im Ruhestand war, zeigt der hier dokumentierte kleine Clip über Hentschels Begehung seiner alten Domäne, der Großen Freiheit.
Nachtrag vom 23. 12.: Der Rechteinhaber des Ausschnitts, realistfilm, hat mir Rechtsmittel angedroht, wenn ich den Clip nicht entferne. Tu ich natürlich (un)gern.
Nachtrag vom 29. 12.: Heute erhielt ich eine vorgefertigte Unterlassungserklärung, die ich bis 2. 1. zu unterzeichnen habe, andernfalls 25.000 Euro Vertragsstrafe fällig würden …
Wenn sie nicht mehr die Massivgoldkette ins Nest ihrer deutlich sichtbaren Brustwolle betten können. Wenn ihr gockelroter Lamborghini keinen Parkplatz mehr vorm Laufhaus findet. Wenn sie eine Kneipe betreten und Furcht und Schrecken sich in überschaubaren Grenzen halten. Wenn sie weggejagt worden sind von der nächsten, brutaleren Generation.
Wohin mit ihnen? Sie sind schwer vermittelbar, ihre Spezialkenntnisse in der freien Wirtschaft nur begrenzt gefragt. Und Altersteilzeit gibt es ja für Luden nicht. Seit heute aber weiß ich, was ein alter Kiezlude macht, wenn er sein einstiges Königreich nur noch als Bettler durchstreifen kann.
Zumindest von einem Kiezluden weiß ich das, vom 58-jährigen Muskelberg Stefan Hentschel: Er hängt sich auf. Und zwar stilecht in der Ritze, wo er bis gestern jeden Nachmittag im Keller boxte, um wenigstens seine Muskelberge am Dahinschmelzen zu hindern, wenn schon seine 27 Bordsteinschwalben von einst nur noch Erinnerung sind.
Als die Putzfrau ihn fand, baumelte er am selben Haken, an dem sonst sein Boxsack hing. Wie klar, schnörkellos und letztlich überzeugend seine Art zu argumentieren noch im Ruhestand war, zeigt der hier dokumentierte kleine Clip über Hentschels Begehung seiner alten Domäne, der Großen Freiheit.
Nachtrag vom 23. 12.: Der Rechteinhaber des Ausschnitts, realistfilm, hat mir Rechtsmittel angedroht, wenn ich den Clip nicht entferne. Tu ich natürlich (un)gern.
Nachtrag vom 29. 12.: Heute erhielt ich eine vorgefertigte Unterlassungserklärung, die ich bis 2. 1. zu unterzeichnen habe, andernfalls 25.000 Euro Vertragsstrafe fällig würden …
17 Dezember 2006
Der blutverschmierte Houellebecq
Ich fragte den 10-Jährigen, mit dem ich auf dem Weg zum Zeitungsholen ein paar Bälle hin- und hergeschossen hatte, wie er hieße, und er sagte: „Miroslav. Aber jeder nennt mich Micky.“
Ein Satz wie in den Mount Rushmore gemeißelt. Ich versäumte es zu antworten: „Und ich bin Matthias. Aber meine Freunde nennen mich Matt.“ Es blieb beim ersten Satz. Warum eigentlich? Weil man nie das Optimum aus einer Gesprächssituation herausholt, die nicht in einem Drehbuch steht.
Nachmittags war ich auf dem Winterflohmarkt in den Messehallen und entdeckte Michel Houellebecqs Roman „Ausweitung der Kampfzone“ als Taschenbuch. Am Stand sollten ausschließlich neue Bücher zu haben sein, weshalb mich die dunkelroten Flecken an den Seitenenden wunderten.
„Entschuldigen Sie“, sprach ich den Händler an, hielt ihm das Buch hin und grinste sarkastisch: „Ist das Blut?“ Er schaute drauf und zögerte irritierend lange. Dann sagte er: „Ja.“
Ich war verblüfft, weil meine Vermutung als Scherz gemeint war. Er sah sich in Erklärungsnot. „Mein Kollege“, erläuterte er, „hat sich beim Aufschneiden der Folien geschnitten.“
Die Sache gefiel mir. „Wieviel wollen Sie dafür?“, fragte ich. „Drei Euro“, sagte er. „Zwei“, erwiderte ich, „wegen des Blutes.“ Er schüttelte den Kopf. „Kann ich nicht machen“, sagte er, „drei muss ich haben.“
Ich schaute enttäuscht. „Warten Sie, vielleicht habe ich noch ein Exemplar“, versuchte er die Situation zu entkrampfen. Er wühlte in einer Kiste unter dem Tisch und zog in der Tat ein weiteres Exemplar des Houellebecq-Romans hervor. Ich nahm es, schaute es mir rundum an – und entdeckte einen weiteren Blutfleck auf der Seite, allerdings war er deutlich kleiner.
Ich hielt ihm das Buch vorwurfsvoll vor die Nase. „Okay, zwei Euro“, resignierte er. Ich holte das Geld hervor, entschied mich aber instinktiv für das erste Exemplar, das deutlich großflächiger mit dem Blut seines Kumpels kontaminiert war.
Das Ganze hat zwei Seiten: Einerseits kann ich jetzt den Kumpel eines Flohmarktbuchhändlers klonen. Ich verfüge über seinen genetischen Code. Andererseits kann ich das Buch aus nachvollziehbaren Gründen nicht zu Weihnachten verschenken – höchstens an German Psycho, und vielleicht tu ich das auch.
Viele werden sich jetzt fragen, warum ich überhaupt ein blutverschmiertes Houellebecq-Buch gekauft habe, auch wenn es neu und ungelesen war. Tja, wahrscheinlich, um was zu bloggen zu haben.
Alle anderen Erklärungen scheinen mir wenig schmeichelhaft.
Ein Satz wie in den Mount Rushmore gemeißelt. Ich versäumte es zu antworten: „Und ich bin Matthias. Aber meine Freunde nennen mich Matt.“ Es blieb beim ersten Satz. Warum eigentlich? Weil man nie das Optimum aus einer Gesprächssituation herausholt, die nicht in einem Drehbuch steht.
Nachmittags war ich auf dem Winterflohmarkt in den Messehallen und entdeckte Michel Houellebecqs Roman „Ausweitung der Kampfzone“ als Taschenbuch. Am Stand sollten ausschließlich neue Bücher zu haben sein, weshalb mich die dunkelroten Flecken an den Seitenenden wunderten.
„Entschuldigen Sie“, sprach ich den Händler an, hielt ihm das Buch hin und grinste sarkastisch: „Ist das Blut?“ Er schaute drauf und zögerte irritierend lange. Dann sagte er: „Ja.“
Ich war verblüfft, weil meine Vermutung als Scherz gemeint war. Er sah sich in Erklärungsnot. „Mein Kollege“, erläuterte er, „hat sich beim Aufschneiden der Folien geschnitten.“
Die Sache gefiel mir. „Wieviel wollen Sie dafür?“, fragte ich. „Drei Euro“, sagte er. „Zwei“, erwiderte ich, „wegen des Blutes.“ Er schüttelte den Kopf. „Kann ich nicht machen“, sagte er, „drei muss ich haben.“
Ich schaute enttäuscht. „Warten Sie, vielleicht habe ich noch ein Exemplar“, versuchte er die Situation zu entkrampfen. Er wühlte in einer Kiste unter dem Tisch und zog in der Tat ein weiteres Exemplar des Houellebecq-Romans hervor. Ich nahm es, schaute es mir rundum an – und entdeckte einen weiteren Blutfleck auf der Seite, allerdings war er deutlich kleiner.
Ich hielt ihm das Buch vorwurfsvoll vor die Nase. „Okay, zwei Euro“, resignierte er. Ich holte das Geld hervor, entschied mich aber instinktiv für das erste Exemplar, das deutlich großflächiger mit dem Blut seines Kumpels kontaminiert war.
Das Ganze hat zwei Seiten: Einerseits kann ich jetzt den Kumpel eines Flohmarktbuchhändlers klonen. Ich verfüge über seinen genetischen Code. Andererseits kann ich das Buch aus nachvollziehbaren Gründen nicht zu Weihnachten verschenken – höchstens an German Psycho, und vielleicht tu ich das auch.
Viele werden sich jetzt fragen, warum ich überhaupt ein blutverschmiertes Houellebecq-Buch gekauft habe, auch wenn es neu und ungelesen war. Tja, wahrscheinlich, um was zu bloggen zu haben.
Alle anderen Erklärungen scheinen mir wenig schmeichelhaft.
16 Dezember 2006
Beim Bart des Rhabarberbarbarabarbarbaren!
Ein audiovisueller Nachtrag zum Lotterbubeneintrag von gestern – mit Dank an Phil und BlixaWillBargeld.
15 Dezember 2006
Rettet den Lotterbuben!
Allein unser engstes Postleitzahlgebiet weist angeblich 118 Kneipen und Restaurants auf, doch eine Stichprobe ergab: Die Angaben sind höchst lückenhaft. Es gibt also weitaus mehr.
Viele davon tragen schrullige Namen. Einer der liebsten ist mir „barbarabar“. Wenn man den Namen ausspricht (macht Spaß!), klingt das etwas herrische „Papperlapapp“ an – ein Wort, das auch schon mal größere Erfolge gefeiert hat. Vielleicht geht es bald schon den Gang alles Irdischen und wird komplett abgelöst von „barbarabar“.
Mich störte das nicht gar zu sehr, obwohl ich gemeinhin sehr an Wörtern hänge und ihr Dahinscheiden generell mit Bedauern und Missmut verfolge. Sollte zum Beispiel demnächst eine Trauerfeier für „Lotterbube“ anberaumt werden müssen, stünde ich gewiss an der Grube und schüttete unter Verdrückung einer Träne eine Tasse Blümchenkaffee hintendrein.
Vorsorglich aber rufe ich hiermit alle mutigen und wörterliebenden Kneipiers von St. Pauli auf, möglichst zeitnah ein Etablissement namens Lotterbube zu gründen, um dem Dahinwelken dieses sicher noch nicht ausgeschöpften Wortes tathaft entgegenzuwirken.
Zum Glück sind nicht nur Verluste zu beklagen; auch Nachwuchs stellt sich gelegentlich ein, oftmals dank der hiesigen Kneipenszene. Vor allem schwebt mir da die „Hasenschaukel“ in der Silbersackstraße vor, an der Ms. Columbo und ich heute Abend vorbeischritten, bereit, einen Absacker zu uns zu nehmen, doch leider wollte man Eintritt für eine Lesung, und darauf waren wir nun gerade gar nicht eingestellt.
Beim Namen „Hasenschaukel“ denke ich übrigens weniger an Hugh Hefners Bunnys als an putzige Osterhoppler oder Hauskaninchen mit Schleife im Fell, so rosa ist alles an und in der Hasenschaukel. Als Gegenentwurf dazu tritt uns scharf der Crazy Horst entgegen, und auch der Knallermann am Hamburger Berg scheint der Kontemplation wenig Raum zu geben.
Doch ich rede theoretisch, denn wenn ich mich überhaupt in einem der zahllosen Versorgungspunkte in unmittelbarer Nachbarschaft aufhalte, dann im stinklangweilig benamten Miller.
Dabei säße ich viel lieber in der barbara- oder Wunderbar in der Nähe des Lümmeltütenautomaten und tränke einen Einspänner, aber das Wort hätte die Hupfdohle von Bedienung bestimmt ihr Lebtag noch nicht gehört.
Viele davon tragen schrullige Namen. Einer der liebsten ist mir „barbarabar“. Wenn man den Namen ausspricht (macht Spaß!), klingt das etwas herrische „Papperlapapp“ an – ein Wort, das auch schon mal größere Erfolge gefeiert hat. Vielleicht geht es bald schon den Gang alles Irdischen und wird komplett abgelöst von „barbarabar“.
Mich störte das nicht gar zu sehr, obwohl ich gemeinhin sehr an Wörtern hänge und ihr Dahinscheiden generell mit Bedauern und Missmut verfolge. Sollte zum Beispiel demnächst eine Trauerfeier für „Lotterbube“ anberaumt werden müssen, stünde ich gewiss an der Grube und schüttete unter Verdrückung einer Träne eine Tasse Blümchenkaffee hintendrein.
Vorsorglich aber rufe ich hiermit alle mutigen und wörterliebenden Kneipiers von St. Pauli auf, möglichst zeitnah ein Etablissement namens Lotterbube zu gründen, um dem Dahinwelken dieses sicher noch nicht ausgeschöpften Wortes tathaft entgegenzuwirken.
Zum Glück sind nicht nur Verluste zu beklagen; auch Nachwuchs stellt sich gelegentlich ein, oftmals dank der hiesigen Kneipenszene. Vor allem schwebt mir da die „Hasenschaukel“ in der Silbersackstraße vor, an der Ms. Columbo und ich heute Abend vorbeischritten, bereit, einen Absacker zu uns zu nehmen, doch leider wollte man Eintritt für eine Lesung, und darauf waren wir nun gerade gar nicht eingestellt.
Beim Namen „Hasenschaukel“ denke ich übrigens weniger an Hugh Hefners Bunnys als an putzige Osterhoppler oder Hauskaninchen mit Schleife im Fell, so rosa ist alles an und in der Hasenschaukel. Als Gegenentwurf dazu tritt uns scharf der Crazy Horst entgegen, und auch der Knallermann am Hamburger Berg scheint der Kontemplation wenig Raum zu geben.
Doch ich rede theoretisch, denn wenn ich mich überhaupt in einem der zahllosen Versorgungspunkte in unmittelbarer Nachbarschaft aufhalte, dann im stinklangweilig benamten Miller.
Dabei säße ich viel lieber in der barbara- oder Wunderbar in der Nähe des Lümmeltütenautomaten und tränke einen Einspänner, aber das Wort hätte die Hupfdohle von Bedienung bestimmt ihr Lebtag noch nicht gehört.
14 Dezember 2006
Die erste Zehntelmillion
Gestern habe ich – sofern man der Zählmaschine trauen kann – den 100.000. Besucher meines Blogs verpasst. Dabei hatte ich das Jubiläum sogar seit Tagen erwartungsfroh im Blick. Ich hätte seinen Besuch gern dokumentiert – wie auch den 50.000., den ich am 19. Juli nachts um 1 Uhr 31 zufällig auf frischer Tat ertappte.
Natürlich waren keine 100.000 verschiedenen Menschen hier. Nein, erstaunlich viele schauen tagtäglich vorbei und sorgen mit ihrer schmeichelhaften Treue fürs stete Ticken des Zählers. Dafür ein ehrliches und tiefempfundenes Dankeschön!
[Besinnlichkeitsmodus an]
Ihr wisst, wie man mich zu anhaltendem Geschreibsel motiviert. Ihr wisst, worum es beim Bloggen wirklich geht: um den freien, ungebundenen Ausdruck eines Individuums, das keines Herrn Knecht ist – und um die Reaktionen darauf, die Kommentare und Diskussionen.
Ins Blaue hineinzubloggen, ins große Schweigen: Das wäre auf Dauer fad. Deshalb seid ihr, die ihr täglich vorbeikommt und oft etwas sagt, obwohl ich bei euch oft zu wenig sage, so wichtig für mich; viel wichtiger als die vielen Google-Flaneure, die sich jeden Tag in rauen Mengen hierher verirren, verwundert gucken und auf Nimmerwiedersehen zurücksinken ins große Rauschen und Flimmern des Webs.
Nein, wirklich wichtig seid Menschen wie ihr: CeKaDo, Ad, Boogie, Phil, AngelOfShadow, Opa, Anke, fellow passenger, Joshuatree, Dagteller, zahnwart, Stefan, ramses, Poodle, mymspro, German Psycho, Stard, April, Daiko oder der bloglose Andreas – um nur einige, denen ich immer wieder hier begegne, in wirrer Reihenfolge zu nennen.
Viele von euch habe ich mittlerweile im richtigen Leben kennengelernt – und ihr habt es auf eine Weise bereichert, die ich mir nie hätte träumen lassen, als ich im September 2005 aus einer spinnerten Laune heraus die „Rückseite der Reeperbahn“ gestartet habe.
Und darin besteht für mich der wahre Wert dieses Blogs: dass sich Clicks und Bits in reale Beziehungen verwandeln. Anfangs hatte ich Angst davor, jetzt ist es das Entscheidende.
Und vielleicht werde ich irgendwann – ohne es je zu erfahren – auch Nummer 100.000 kennenlernen.
[Besinnlichkeitsmodus aus]
Natürlich waren keine 100.000 verschiedenen Menschen hier. Nein, erstaunlich viele schauen tagtäglich vorbei und sorgen mit ihrer schmeichelhaften Treue fürs stete Ticken des Zählers. Dafür ein ehrliches und tiefempfundenes Dankeschön!
[Besinnlichkeitsmodus an]
Ihr wisst, wie man mich zu anhaltendem Geschreibsel motiviert. Ihr wisst, worum es beim Bloggen wirklich geht: um den freien, ungebundenen Ausdruck eines Individuums, das keines Herrn Knecht ist – und um die Reaktionen darauf, die Kommentare und Diskussionen.
Ins Blaue hineinzubloggen, ins große Schweigen: Das wäre auf Dauer fad. Deshalb seid ihr, die ihr täglich vorbeikommt und oft etwas sagt, obwohl ich bei euch oft zu wenig sage, so wichtig für mich; viel wichtiger als die vielen Google-Flaneure, die sich jeden Tag in rauen Mengen hierher verirren, verwundert gucken und auf Nimmerwiedersehen zurücksinken ins große Rauschen und Flimmern des Webs.
Nein, wirklich wichtig seid Menschen wie ihr: CeKaDo, Ad, Boogie, Phil, AngelOfShadow, Opa, Anke, fellow passenger, Joshuatree, Dagteller, zahnwart, Stefan, ramses, Poodle, mymspro, German Psycho, Stard, April, Daiko oder der bloglose Andreas – um nur einige, denen ich immer wieder hier begegne, in wirrer Reihenfolge zu nennen.
Viele von euch habe ich mittlerweile im richtigen Leben kennengelernt – und ihr habt es auf eine Weise bereichert, die ich mir nie hätte träumen lassen, als ich im September 2005 aus einer spinnerten Laune heraus die „Rückseite der Reeperbahn“ gestartet habe.
Und darin besteht für mich der wahre Wert dieses Blogs: dass sich Clicks und Bits in reale Beziehungen verwandeln. Anfangs hatte ich Angst davor, jetzt ist es das Entscheidende.
Und vielleicht werde ich irgendwann – ohne es je zu erfahren – auch Nummer 100.000 kennenlernen.
[Besinnlichkeitsmodus aus]
13 Dezember 2006
1000 Federn weich
Meine Lieblingswörter zurzeit sind „Zuglufttiere“ (Foto) und „Tonnentaschenfederkernmatratze“. So eine haben wir gerade bestellt.
Dank eines Crashkurses bei Wikipedia direkt vorm Beratungsgespräch konnte ich den Verkäufer mit scheinkompetenten Fachfragen triezen – zu Punktelastizität, Schimmelanfälligkeit von Latex, der problematischen Wärmeentwicklung viskoelastischer Modelle und Aspekten der Vertikalbelüftung durch Noppenstrukturen.
Am Ende lief dann alles auf eine Tonnentaschenfederkernmatratze hinaus. Ich empfehle übrigens nach mehrfachem Testliegen nicht die mit 2000 Federn, obgleich es sich dabei um eine deutlich höherpreisige, aber eben auch zu weiche Ausführung handelt, was vor allem Ms. Columbo monierte.
Nein, 1000 Federn sind genug. Denn entscheidend ist das Ziel: erquickender, lebensdauerfördernder Schlaf. Auch wer regelmäßig in die Kirche geht, lebt übrigens laut Spon im Schnitt länger, und zwar zwei bis drei Jahre. Körperliche Betätigung bringt sogar drei bis fünf.
Am besten ist es also, statt zum Gottesdienst Joggen zu gehen – und sich danach den punktelastischen, von Noppen vertikalbelüfteten 1000 Federn einer Tonnentaschenfederkernmatratze anzuvertrauen.
Ich glaube, wir machen so ziemlich alles richtig.
PS: Anhand meines Lieblingswortes „Tonnentaschenfederkernmatratze“ werden mir mal wieder die reizenden Vorzüge der Copy&Paste-Funktion vor Augen geführt.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs übers Schlafen
1. „Big sleeper" von Eskobar
2. „Sleepless" von Marconi Union
3. alles von Sleepy Jackson
Dank eines Crashkurses bei Wikipedia direkt vorm Beratungsgespräch konnte ich den Verkäufer mit scheinkompetenten Fachfragen triezen – zu Punktelastizität, Schimmelanfälligkeit von Latex, der problematischen Wärmeentwicklung viskoelastischer Modelle und Aspekten der Vertikalbelüftung durch Noppenstrukturen.
Am Ende lief dann alles auf eine Tonnentaschenfederkernmatratze hinaus. Ich empfehle übrigens nach mehrfachem Testliegen nicht die mit 2000 Federn, obgleich es sich dabei um eine deutlich höherpreisige, aber eben auch zu weiche Ausführung handelt, was vor allem Ms. Columbo monierte.
Nein, 1000 Federn sind genug. Denn entscheidend ist das Ziel: erquickender, lebensdauerfördernder Schlaf. Auch wer regelmäßig in die Kirche geht, lebt übrigens laut Spon im Schnitt länger, und zwar zwei bis drei Jahre. Körperliche Betätigung bringt sogar drei bis fünf.
Am besten ist es also, statt zum Gottesdienst Joggen zu gehen – und sich danach den punktelastischen, von Noppen vertikalbelüfteten 1000 Federn einer Tonnentaschenfederkernmatratze anzuvertrauen.
Ich glaube, wir machen so ziemlich alles richtig.
PS: Anhand meines Lieblingswortes „Tonnentaschenfederkernmatratze“ werden mir mal wieder die reizenden Vorzüge der Copy&Paste-Funktion vor Augen geführt.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs übers Schlafen
1. „Big sleeper" von Eskobar
2. „Sleepless" von Marconi Union
3. alles von Sleepy Jackson
Der Schokoripper
Schokolade ist in der Redaktion eine bedrohte Spezies, vor allem dank Kramer. Stets schnürt er verschlagen durch die Räume auf der Suche nach der nächstbesten Rippe. Der Franke und ich leben in ständiger Alarmbereitschaft.
Ich liebe kalte Schokolade, doch sie im Eisfach zu deponieren, ist angesichts der Bedrohungslage fatal. Schließlich kann man nicht den ganzen Tag in der Küche Wache schieben. Es gibt zurzeit nur zwei halbwegs sichere Methoden, Kramer zu stoppen. Die eine: Leg eine frische Tafel ins Eisfach. Er wird sich nicht trauen, sie anzubrechen. Zu offenkundig wäre die Tat, zu klar die Spur.
Die andere, diametrale Methode: Leg einen winzigen Rest hinein. Er wird sich nicht trauen, ihn völlig zu eliminieren. Offenbar denkt er, es fiele nicht auf, wenn er sich hie und da eine Rippe einverleibt, doch scheut er taktisch klug davor zurück, gar nichts mehr übrigzulassen; er befürchtet wohl unkalkulierbare Sanktionen seitens der Geschädigten. Zu Recht.
So belässt es Kramer beim sukzessiven, doch niemals irreparablen Mümmeln. Natürlich macht ihn jeder neu festgestellte Schwund zum Hauptverdächtigen. Genauer gesagt, gibt es überhaupt niemand sonst, auf den auch nur ein Fitzel des Täterprofils zutreffen würde. Er versucht mit diesem Generalverdacht offensiv umzugehen, wählt dabei aber oft plumpeste Methoden. Beispielsweise baut er sich vor mir oder dem Franken auf, inspiziert ungeniert unsere Bisleys und delektiert sich in aller Öffentlichkeit an den dort entdeckten süßen Schweinereien.
Damit hofft er wohl die Vermutung zu zerstreuen, er sei auch der gefürchtete Heimlichesser, und stünde hinfort nicht mehr im Fokus der Ermittlungen. Doch egal, wie Kramer agiert, er kommt immer auf sein Quantum Gummibärchen oder Halbbitter mit ganzen Nüssen.
Offene Aufforderungen, auch er möge gefälligst einmal – EINMAL! – die Vorräte auffüllen, tat er lange Jahre unwirsch ab, ehe er wirklich einmal eine Tafel mitbrachte, sie generös als vergesellschaftet deklarierte, selbst zwei Drittel davon verputzte und sodann davon ausging, er habe nun auf Jahre hinaus wieder das Recht, durch die Räume zu schnüren auf der Suche nach der nächstbesten von uns finanzierten Rippe.
Kramers Schnorrerei erreichte jüngst einen neuen Höhepunkt, und zwar, weil er seinen Begehrlichkeitskanon entscheidend erweiterte. Seit er einen neuen Rechner zu Hause hat, herrscht hier Alarmstufe Rot. Wozu CD-Rohlinge kaufen, so seine ökonomisch nachvollziehbare Überlegung, wenn doch auf Matts Schreibtisch ein ganzer Stapel davon herumliegt? Diesem Treiben, das wurde mir sofort klar, darf man keinesfalls mit der gleichen Toleranz begegnen wie dem Mundraub, der ja immer als minderschweres Vergehen galt; nein, Gleichmut ist hier keinesfalls eine Option.
So stellte ich ihn schon bald nach seinem Paradigmenwechsel (der allerdings keine Entlastung der Schokofront bedeutete, o nein) scharf zur Rede, nachdem er wieder einmal während meiner Mittagspause auf Rohlingseroberungsfeldzug gegangen war. Warum, fragte ich den Schädling schneidend, kaufe er sich eigentlich nicht selber welche, hm?
„Weil ich keine brauche“, hieß es patzig. Wenn das stimme, führte ich ihm scharfsinnig vor Augen, bräuchte er sich doch wohl kaum welche von mir zu – nun ja – borgen. Und er solle mich gefälligst bald mit Ersatzrohlingen versorgen.
Kramer, der schon während meiner Ausführungen deutliche Zeichen von Unwillen zeigte, begann ob dieses Anliegens empört zu schnauben. Dann dampfte er ab, doch nicht ohne mir Folgendes entgegenzuschleudern: „Du bist eine gierige Sau, gibt’s ja gar nicht!“
Hm. Warum habe ich jetzt bloß das Gefühl, ER sei ethisch auf der richtigen Seite? Zur Sicherheit habe ich jedenfalls eine frische, noch verschweißte Rohlingsspindel angeschafft. Wenn die Schokoladenerfahrung übertragbar ist, dann wird Kramer sich da erst mal nicht rantrauen.
Aber wahrscheinlich wächst er mit seinen Aufgaben.
Weitere Kramereien
– Kollateralschäden der Klimakatastrophe
– Duck dich, Sylt!
– Null zu eins
– Der Walabend
Ich liebe kalte Schokolade, doch sie im Eisfach zu deponieren, ist angesichts der Bedrohungslage fatal. Schließlich kann man nicht den ganzen Tag in der Küche Wache schieben. Es gibt zurzeit nur zwei halbwegs sichere Methoden, Kramer zu stoppen. Die eine: Leg eine frische Tafel ins Eisfach. Er wird sich nicht trauen, sie anzubrechen. Zu offenkundig wäre die Tat, zu klar die Spur.
Die andere, diametrale Methode: Leg einen winzigen Rest hinein. Er wird sich nicht trauen, ihn völlig zu eliminieren. Offenbar denkt er, es fiele nicht auf, wenn er sich hie und da eine Rippe einverleibt, doch scheut er taktisch klug davor zurück, gar nichts mehr übrigzulassen; er befürchtet wohl unkalkulierbare Sanktionen seitens der Geschädigten. Zu Recht.
So belässt es Kramer beim sukzessiven, doch niemals irreparablen Mümmeln. Natürlich macht ihn jeder neu festgestellte Schwund zum Hauptverdächtigen. Genauer gesagt, gibt es überhaupt niemand sonst, auf den auch nur ein Fitzel des Täterprofils zutreffen würde. Er versucht mit diesem Generalverdacht offensiv umzugehen, wählt dabei aber oft plumpeste Methoden. Beispielsweise baut er sich vor mir oder dem Franken auf, inspiziert ungeniert unsere Bisleys und delektiert sich in aller Öffentlichkeit an den dort entdeckten süßen Schweinereien.
Damit hofft er wohl die Vermutung zu zerstreuen, er sei auch der gefürchtete Heimlichesser, und stünde hinfort nicht mehr im Fokus der Ermittlungen. Doch egal, wie Kramer agiert, er kommt immer auf sein Quantum Gummibärchen oder Halbbitter mit ganzen Nüssen.
Offene Aufforderungen, auch er möge gefälligst einmal – EINMAL! – die Vorräte auffüllen, tat er lange Jahre unwirsch ab, ehe er wirklich einmal eine Tafel mitbrachte, sie generös als vergesellschaftet deklarierte, selbst zwei Drittel davon verputzte und sodann davon ausging, er habe nun auf Jahre hinaus wieder das Recht, durch die Räume zu schnüren auf der Suche nach der nächstbesten von uns finanzierten Rippe.
Kramers Schnorrerei erreichte jüngst einen neuen Höhepunkt, und zwar, weil er seinen Begehrlichkeitskanon entscheidend erweiterte. Seit er einen neuen Rechner zu Hause hat, herrscht hier Alarmstufe Rot. Wozu CD-Rohlinge kaufen, so seine ökonomisch nachvollziehbare Überlegung, wenn doch auf Matts Schreibtisch ein ganzer Stapel davon herumliegt? Diesem Treiben, das wurde mir sofort klar, darf man keinesfalls mit der gleichen Toleranz begegnen wie dem Mundraub, der ja immer als minderschweres Vergehen galt; nein, Gleichmut ist hier keinesfalls eine Option.
So stellte ich ihn schon bald nach seinem Paradigmenwechsel (der allerdings keine Entlastung der Schokofront bedeutete, o nein) scharf zur Rede, nachdem er wieder einmal während meiner Mittagspause auf Rohlingseroberungsfeldzug gegangen war. Warum, fragte ich den Schädling schneidend, kaufe er sich eigentlich nicht selber welche, hm?
„Weil ich keine brauche“, hieß es patzig. Wenn das stimme, führte ich ihm scharfsinnig vor Augen, bräuchte er sich doch wohl kaum welche von mir zu – nun ja – borgen. Und er solle mich gefälligst bald mit Ersatzrohlingen versorgen.
Kramer, der schon während meiner Ausführungen deutliche Zeichen von Unwillen zeigte, begann ob dieses Anliegens empört zu schnauben. Dann dampfte er ab, doch nicht ohne mir Folgendes entgegenzuschleudern: „Du bist eine gierige Sau, gibt’s ja gar nicht!“
Hm. Warum habe ich jetzt bloß das Gefühl, ER sei ethisch auf der richtigen Seite? Zur Sicherheit habe ich jedenfalls eine frische, noch verschweißte Rohlingsspindel angeschafft. Wenn die Schokoladenerfahrung übertragbar ist, dann wird Kramer sich da erst mal nicht rantrauen.
Aber wahrscheinlich wächst er mit seinen Aufgaben.
Weitere Kramereien
– Kollateralschäden der Klimakatastrophe
– Duck dich, Sylt!
– Null zu eins
– Der Walabend
11 Dezember 2006
Blau ist das neue Rot
Es hatte ja durchaus seinen Sinn, jahrhundertelang auf rotes Licht als Sexsignal zu setzen. Dafür gab es Gründe, und zwar gute. Schon im Wort Erotik versteckt sich die Farbe des Feuers und des Kuschelns, des Fleisches und des Blutes.
Solch eine Tradition sollte man ernstnehmen, und die meisten Fachläden hier auf dem Kiez tun das auch; das Rotlichtviertel ist wirklich noch eins.
Ein Shopbetreiber in unserer Nachbarschaft aber will weg vom millionenfach Erprobten. Sein Ekel vorm Immergleichen war wohl noch stärker war als die Beweiskraft von Äonen.
Tja, und nun setzt dieser Shop auf die bisher noch weitgehend unerforschte Verführungskraft von Leichenblau. Viel Glück.
Er nennt sich „SeXeS“, was gewitzterweise als Anagramm konzipiert ist: Das Wort liest sich – ähem – von vorn wie von hinten. Wenn man hineinlugt, hat man das Gefühl, man beträte die Matrix oder den Zugang zur Lagerstätte außerirdischer Eier wie in „Alien“.
Ich glaube, ich geh da nicht rein. Es sei denn, Ms. Columbo zwingt mich, wegen der Pärchenkabinen.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs mit Blaubezug
1. „Blue eyes cryin' in the rain“ von The Everly Brothers
2. „Ode to big blue“ von Gordon Lightfoot
3. alles von der Blue Man Group
Solch eine Tradition sollte man ernstnehmen, und die meisten Fachläden hier auf dem Kiez tun das auch; das Rotlichtviertel ist wirklich noch eins.
Ein Shopbetreiber in unserer Nachbarschaft aber will weg vom millionenfach Erprobten. Sein Ekel vorm Immergleichen war wohl noch stärker war als die Beweiskraft von Äonen.
Tja, und nun setzt dieser Shop auf die bisher noch weitgehend unerforschte Verführungskraft von Leichenblau. Viel Glück.
Er nennt sich „SeXeS“, was gewitzterweise als Anagramm konzipiert ist: Das Wort liest sich – ähem – von vorn wie von hinten. Wenn man hineinlugt, hat man das Gefühl, man beträte die Matrix oder den Zugang zur Lagerstätte außerirdischer Eier wie in „Alien“.
Ich glaube, ich geh da nicht rein. Es sei denn, Ms. Columbo zwingt mich, wegen der Pärchenkabinen.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs mit Blaubezug
1. „Blue eyes cryin' in the rain“ von The Everly Brothers
2. „Ode to big blue“ von Gordon Lightfoot
3. alles von der Blue Man Group
Saturday Night Fever
Die Julklappparty bei unserem Freund GG begann turbulent. Schon nach einer Viertelstunde versuchte eins der herumtollenden Kinder, sich im Fallen an meinem Weinglas abzustützen. Der Gastgeber musste mir mit einem seiner Hemden aushelfen.
Nach einer neuen Unterhose wagte ich nicht zu fragen; ich hoffte einfach, der riesige dunkle Fleck in meinem Schritt bliebe dank des Schummerlichts verborgen. So war es wohl auch. Nehme ich mal an.
Mit C., einem Musikjournalisten aus Berlin, der Bob Dylan schon 60-mal live gesehen hat, geriet ich in einen kleinen Disput. Er behauptete, Dylan betrachte Studiofassungen seiner Songs immer nur als Anfang einer langen Weiterentwicklung, worauf ich ihm triumphierend entgegenwarf, die definitive Fassung zumindest von „Desolation Row“ sei ja wohl die im Studio entstandene, oder etwa nicht.
„Nein“, widersprach er kühl, „die definitive Version war Glasgow. Oder Aberdeen.“ Merke: Man hat keine Chance gegen einen, der schon 60 Dylan-Konzerte gesehen hat, während man selbst gerade mal fünf zusammenkratzen kann.
Dafür wusste C. nicht, wer „Quincy“ gespielt hat. Auch zwei in die Diskussion verwickelte Texaner konnten meine etwas unsicher vorgetragene Theorie („Jack Klugman?“) nicht verifizieren, und ich musste mindestens fünf Leute mit diesem Problem behelligen, ehe A. sie endlich bestätigte.
Aus dem Julklappsack fischte Ms. Columbo für uns eine Rolle Designerklopapier („Topi“, 3-lagig, 200 Blatt). Auf der Heimfahrt strich ich die Vorzüge dieser Ziehung heraus. Normalerweise muss man beim Julklapp damit rechnen, irgendetwas total Unbrauchbares mit nach Hause zu nehmen, was allenfalls dank eines weiteren Julklapps wieder vom heimischen Interieur subtrahiert werden kann. Eine Rolle Designerklopapier aber, so führte ich aus, löse sich über kurz oder lang restlos auf und sei somit ein Julklappgeschenk geradezu idealen Zuschnitts.
Ms. Columbo war inzwischen längst zu müde, um zu widersprechen.
Ex cathedra: Die 3 definitiven Studiofassungen von Dylan-Songs
1. „Desolation Row“
2. „Hurricane“
3. „I want you“
Nach einer neuen Unterhose wagte ich nicht zu fragen; ich hoffte einfach, der riesige dunkle Fleck in meinem Schritt bliebe dank des Schummerlichts verborgen. So war es wohl auch. Nehme ich mal an.
Mit C., einem Musikjournalisten aus Berlin, der Bob Dylan schon 60-mal live gesehen hat, geriet ich in einen kleinen Disput. Er behauptete, Dylan betrachte Studiofassungen seiner Songs immer nur als Anfang einer langen Weiterentwicklung, worauf ich ihm triumphierend entgegenwarf, die definitive Fassung zumindest von „Desolation Row“ sei ja wohl die im Studio entstandene, oder etwa nicht.
„Nein“, widersprach er kühl, „die definitive Version war Glasgow. Oder Aberdeen.“ Merke: Man hat keine Chance gegen einen, der schon 60 Dylan-Konzerte gesehen hat, während man selbst gerade mal fünf zusammenkratzen kann.
Dafür wusste C. nicht, wer „Quincy“ gespielt hat. Auch zwei in die Diskussion verwickelte Texaner konnten meine etwas unsicher vorgetragene Theorie („Jack Klugman?“) nicht verifizieren, und ich musste mindestens fünf Leute mit diesem Problem behelligen, ehe A. sie endlich bestätigte.
Aus dem Julklappsack fischte Ms. Columbo für uns eine Rolle Designerklopapier („Topi“, 3-lagig, 200 Blatt). Auf der Heimfahrt strich ich die Vorzüge dieser Ziehung heraus. Normalerweise muss man beim Julklapp damit rechnen, irgendetwas total Unbrauchbares mit nach Hause zu nehmen, was allenfalls dank eines weiteren Julklapps wieder vom heimischen Interieur subtrahiert werden kann. Eine Rolle Designerklopapier aber, so führte ich aus, löse sich über kurz oder lang restlos auf und sei somit ein Julklappgeschenk geradezu idealen Zuschnitts.
Ms. Columbo war inzwischen längst zu müde, um zu widersprechen.
Ex cathedra: Die 3 definitiven Studiofassungen von Dylan-Songs
1. „Desolation Row“
2. „Hurricane“
3. „I want you“
09 Dezember 2006
Barfuß bei Aldi
Auf dem Weg zur Aldifiliale in Ottensen – irgendwo in der Nähe des verstrahlten Hauses, in dem man gerade Polonium 210 und Hinweise auf den Fall Litwinenko gefunden hat – gehen zwei Männer vor mir her. Einer davon ist barfuß.
Er trägt auch nur eine halbe Hose, und seine recht plumpen Waden werden umschmeichelt vom Dezemberwind. Endlich, freue ich mich, habe ich ein Symbolbild für die Klimakatastrophe.
Der Mann ist ausstaffiert mit Piratenkopftuch und Tarnjacke. Ob sich Schuhe in seiner Plastiktasche befinden, kann ich nicht sagen; das, was die Tasche quaderförmig ausbeult, sieht aber nicht so aus. Mit seinem Kumpel unterhält er sich ganz normal, als sei es keineswegs verhaltensauffällig, kurz vor Weihnachten barfuß durch Ottensen zu laufen.
An der Aldikasse begegne ich ihm wieder. Der Kassierer signalisiert erfreutes Wiedererkennen. Auch grüßt der Barfüßige lächelnd eine Bekannte in der Nachbarschlange.
Alles scheint ganz normal zu sein. Alle tun so, als sei der Mann entweder nicht barfüßig oder als sei es Sommer und deshalb okay, barfüßig umherzulaufen, oder als sei es inzwischen völlig üblich, dem Dezember schuh- und strumpflos hallo zu sagen.
Vielleicht ist es ein noch stärkeres Symbol für die Klimakatastrophe: dass man ihre Auswirkungen aufs Stadtbild längst gelassen hinnimmt.
Ms. Columbo ist übrigens eine entschiedene Befürworterin der allgemeinen Winterlosigkeit, ungeachtet sämtlicher Konsequenzen für Bangladesh, den Golfstrom oder die Mückenüberlebensrate. Ob der atlantische Kontinentalhang vor Norwegen nun abrutscht oder nicht: Hauptsache, sie hat nicht mehr so kalte Flossen.
Kann man ja auch irgendwo nachvollziehen.
Er trägt auch nur eine halbe Hose, und seine recht plumpen Waden werden umschmeichelt vom Dezemberwind. Endlich, freue ich mich, habe ich ein Symbolbild für die Klimakatastrophe.
Der Mann ist ausstaffiert mit Piratenkopftuch und Tarnjacke. Ob sich Schuhe in seiner Plastiktasche befinden, kann ich nicht sagen; das, was die Tasche quaderförmig ausbeult, sieht aber nicht so aus. Mit seinem Kumpel unterhält er sich ganz normal, als sei es keineswegs verhaltensauffällig, kurz vor Weihnachten barfuß durch Ottensen zu laufen.
An der Aldikasse begegne ich ihm wieder. Der Kassierer signalisiert erfreutes Wiedererkennen. Auch grüßt der Barfüßige lächelnd eine Bekannte in der Nachbarschlange.
Alles scheint ganz normal zu sein. Alle tun so, als sei der Mann entweder nicht barfüßig oder als sei es Sommer und deshalb okay, barfüßig umherzulaufen, oder als sei es inzwischen völlig üblich, dem Dezember schuh- und strumpflos hallo zu sagen.
Vielleicht ist es ein noch stärkeres Symbol für die Klimakatastrophe: dass man ihre Auswirkungen aufs Stadtbild längst gelassen hinnimmt.
Ms. Columbo ist übrigens eine entschiedene Befürworterin der allgemeinen Winterlosigkeit, ungeachtet sämtlicher Konsequenzen für Bangladesh, den Golfstrom oder die Mückenüberlebensrate. Ob der atlantische Kontinentalhang vor Norwegen nun abrutscht oder nicht: Hauptsache, sie hat nicht mehr so kalte Flossen.
Kann man ja auch irgendwo nachvollziehen.
08 Dezember 2006
Was ich mir als Kind gewünscht habe
Das hat man nun davon! Viele Wochen lang geschah nullkommanichts im Blog von Frau Dagteller, und das mit der fadenscheinigen Begründung frischer Mutterschaft. Ihr Stillen hatte gleichsam ihr Verstummen zur Folge.
Als ich sie unlängst traf, beschimpfte ich sie deswegen lauthals, ja, ich bedrohte sie sogar mit der schärfsten aller Bloggerwaffen: der Ankündigung nämlich, sie demnächst mit Schimpf und Schande von der Blogrolle zu jagen.
Prompt schreibt sie wieder – und rächt sich gleich aufs Fürchterlichste, nämlich mit einem Stöckchen, noch dazu einem, in das man Arbeit reinstecken muss.
Statt mir Fragen zu stellen wie „Was ist deine Lieblingspasta?“, die ich einfach hätte abtun können mit einem knappen „Penne“, triezt sie mich mit „Was hast du dir als Kind gewünscht?“ Rückfrage: Wen interessiert das überhaupt außer Frau Dagteller und vielleicht noch Ms. Columbo?
Wahrscheinlich niemand, aber wat mut, dat mut, schließlich hat sie wieder angefangen zu bloggen, da darf man sie erst nach einer Karenzzeit wieder düpieren. Also, nach mehrminütigem Nachdenken kristallisierte sich der sehnlichste Wunsch des just eingeschulten Matt aufs Deutlichste aus dem vielstimmigen Summen der Erinnerung.
Dieser Wunsch hatte damals sogar den Charakter eines inständigen Flehens und lautete ungefähr so: Ich will nie, nie mehr mit Wollstrumpfhosen in die Schule geschickt werden!
Nur wenige Jahre später, ungefähr mit 10, 11, wollte ich dann unbedingt den Literaturnobelpreis gewinnnen und fing an, Geschichten über Superhelden zu schreiben. Niemand hat mir damals gesagt, dass Superhelden überhaupt nicht nobelpreisfähig sind.
Solch folgenreiche Irrtümer ziehen sich durch mein ganzes Leben.
PS: Ich werfe das Stöckchen folgenden armen Opfern zwischen die Beine, ohne zu wissen, wie sie zu dieser Unsitte überhaupt stehen: Angelofshadow, Felix und Anke.
Als ich sie unlängst traf, beschimpfte ich sie deswegen lauthals, ja, ich bedrohte sie sogar mit der schärfsten aller Bloggerwaffen: der Ankündigung nämlich, sie demnächst mit Schimpf und Schande von der Blogrolle zu jagen.
Prompt schreibt sie wieder – und rächt sich gleich aufs Fürchterlichste, nämlich mit einem Stöckchen, noch dazu einem, in das man Arbeit reinstecken muss.
Statt mir Fragen zu stellen wie „Was ist deine Lieblingspasta?“, die ich einfach hätte abtun können mit einem knappen „Penne“, triezt sie mich mit „Was hast du dir als Kind gewünscht?“ Rückfrage: Wen interessiert das überhaupt außer Frau Dagteller und vielleicht noch Ms. Columbo?
Wahrscheinlich niemand, aber wat mut, dat mut, schließlich hat sie wieder angefangen zu bloggen, da darf man sie erst nach einer Karenzzeit wieder düpieren. Also, nach mehrminütigem Nachdenken kristallisierte sich der sehnlichste Wunsch des just eingeschulten Matt aufs Deutlichste aus dem vielstimmigen Summen der Erinnerung.
Dieser Wunsch hatte damals sogar den Charakter eines inständigen Flehens und lautete ungefähr so: Ich will nie, nie mehr mit Wollstrumpfhosen in die Schule geschickt werden!
Nur wenige Jahre später, ungefähr mit 10, 11, wollte ich dann unbedingt den Literaturnobelpreis gewinnnen und fing an, Geschichten über Superhelden zu schreiben. Niemand hat mir damals gesagt, dass Superhelden überhaupt nicht nobelpreisfähig sind.
Solch folgenreiche Irrtümer ziehen sich durch mein ganzes Leben.
PS: Ich werfe das Stöckchen folgenden armen Opfern zwischen die Beine, ohne zu wissen, wie sie zu dieser Unsitte überhaupt stehen: Angelofshadow, Felix und Anke.
07 Dezember 2006
Tannenzapfenzupfen (6)
(Foto via FHS Holztechnik)
Diese Rubrik hätte ich am liebsten unbenannt in „Gammelsprech“, zumal ich das Copyright auf diesen Begriff habe. Als Bebilderung wäre freilich nur Unappetitliches in Frage gekommen, und dafür sorgt ja schon die körperverletzende Promoprosa, die ich hier alle paar Wochen zusammenscheuche. Also bleibt's beim bewährten Tannenzapfenzupfen. (Woher dieser hübsche Rubrikenname kommt, steht hier.)
Wie immer gilt: Alles Blaugefärbte wurde Originalpressetexten der Musikbranche entnommen, natürlich inklusive der bisweilen eigenwilligen Orthografie.
Diesmal geht's in einem Rutsch vom Gruselgenre Denglisch bis zu Metaphern, die an etwas erinnern, was man nach drei Wochen aus einer kaputten Kühltruhe holt.
1. „Very entertaining ist auch die Website zu ,Knights Of Cydonia’ , auf der alle Hauptdarsteller gefeatured werden und es zudem auch einen Quiz gibt. Try it!!!”
2. „Auf der Skala des ewig gültigen, dessen was wahr ist und sein wird, liegt Chris Garneau’s Stimme irgendwo zwischen Flüssigkeit und Materie.“
3. „Er stieg im Frühjahr 2005 bei Chris ein, um dessen außergewöhnliche Songs mehr Leben einzuhauchen, so dass sie noch nachgesungen würden, nachdem wir alle von diesem Planeten verschwunden sind.“ (Aha, und von WEM …?)
4. „Dankbarer Weise tragen LaVern Baker und Patsy Cline zu einer sehr weißen, sehr männlichen, sehr klassischen Rock-Selektion bei.“ (Hä? Baker und Cline sind Frauen. Und Baker schwarz. Vielleicht ist aber auch genau das Gegenteil von dem gemeint, was da steht. Nichts ist unmöglich.)
5. „Konsequenter und unerlässlicher denn je brauchen die Gejagten heute ihre standhaften Koalitionspartner. Es gilt niemand geringeren als den Tod wegzuscheissen! Ein kolossaler Schlachtstoß aus Leidenschaft und Potenz hat sich völlig unprätentiös zu einer mächtigen Gegengarnison formiert. Hellwach stehen die Ketten gebildet. Alle sprühen Alles.“
6. „Jeder seiner Bogenstriche trifft direkt in die Eingeweide und berührt so zutiefst.“ (… ich stell’s mir gerade vor.)
Was bisher geschah
5, 4, 3, 2, 1
Diese Rubrik hätte ich am liebsten unbenannt in „Gammelsprech“, zumal ich das Copyright auf diesen Begriff habe. Als Bebilderung wäre freilich nur Unappetitliches in Frage gekommen, und dafür sorgt ja schon die körperverletzende Promoprosa, die ich hier alle paar Wochen zusammenscheuche. Also bleibt's beim bewährten Tannenzapfenzupfen. (Woher dieser hübsche Rubrikenname kommt, steht hier.)
Wie immer gilt: Alles Blaugefärbte wurde Originalpressetexten der Musikbranche entnommen, natürlich inklusive der bisweilen eigenwilligen Orthografie.
Diesmal geht's in einem Rutsch vom Gruselgenre Denglisch bis zu Metaphern, die an etwas erinnern, was man nach drei Wochen aus einer kaputten Kühltruhe holt.
1. „Very entertaining ist auch die Website zu ,Knights Of Cydonia’ , auf der alle Hauptdarsteller gefeatured werden und es zudem auch einen Quiz gibt. Try it!!!”
2. „Auf der Skala des ewig gültigen, dessen was wahr ist und sein wird, liegt Chris Garneau’s Stimme irgendwo zwischen Flüssigkeit und Materie.“
3. „Er stieg im Frühjahr 2005 bei Chris ein, um dessen außergewöhnliche Songs mehr Leben einzuhauchen, so dass sie noch nachgesungen würden, nachdem wir alle von diesem Planeten verschwunden sind.“ (Aha, und von WEM …?)
4. „Dankbarer Weise tragen LaVern Baker und Patsy Cline zu einer sehr weißen, sehr männlichen, sehr klassischen Rock-Selektion bei.“ (Hä? Baker und Cline sind Frauen. Und Baker schwarz. Vielleicht ist aber auch genau das Gegenteil von dem gemeint, was da steht. Nichts ist unmöglich.)
5. „Konsequenter und unerlässlicher denn je brauchen die Gejagten heute ihre standhaften Koalitionspartner. Es gilt niemand geringeren als den Tod wegzuscheissen! Ein kolossaler Schlachtstoß aus Leidenschaft und Potenz hat sich völlig unprätentiös zu einer mächtigen Gegengarnison formiert. Hellwach stehen die Ketten gebildet. Alle sprühen Alles.“
6. „Jeder seiner Bogenstriche trifft direkt in die Eingeweide und berührt so zutiefst.“ (… ich stell’s mir gerade vor.)
Was bisher geschah
5, 4, 3, 2, 1
Das Zucken des Zeigers
Alltäglich begegne ich dieser Uhr, sogar jeden Morgen direkt nach dem Aufstehen, und zwar an einem Ort, der eigentlich einer Uhr nicht gemäß ist. Dennoch vermag sie gemeinhin auch dort treu und unbeeindruckt ihren Dienst zu tun.
Bis heute. Als ich den besagten Ort betrat, lag der Sekundenzeiger gleichsam in den letzten Zuckungen. Er schuftete unermüdlich und in stummer Verzweiflung, doch all sein Trachten und Streben reichte nicht mehr aus, auch nur die nächste Sekunde zu wuppen. Es war, als läge Clark Kent im Bett mit einem Brocken Kryptonit statt mit Lois Lane.
Und was soll ich sagen: Es rührte mich, diesem hoffnungslosen kleinen Stäbchen beim Scheitern zuzuschauen. Er gab einfach nicht auf, wie Thomas Doll. Sysyphos bei der Arbeit – ein trauriger Anblick, aber auch ein sehr tapferer. Weitermachen, immer weitermachen: Dieser Lehrsatz eines zeitgenössischen Philosophen schoss mir unwillkürlich durch den Kopf. Doch es war alles nutzlos.
Andererseits stand die Uhr auf fünf vor zwölf, und somit war es gut, dass er keine Sekunde mehr weiterkam. Alles hat seine zwei Seiten.
PS: Ja, ich gebe zu, ich habe die beiden großen Zeiger von viertel nach auf fünf vor zwölf gedreht. Doch ich achtete peinlich genau darauf, den zuckenden Sekundenzeiger nicht zu berühren, ehrlich.
PPS: Er ist erlöst. Ich habe die Batterie gewechselt.
05 Dezember 2006
Wichtige Fragen (3)
04 Dezember 2006
Eine Riesenschweinerei
Die Abmahnwelle gegen Blogger und kleine Elektrogeschäfte, die Media-Markt-Anwalt Joachim Steinhöfel, der „Pitbull in Robe“, bundesweit entfacht, zeigt erste deutliche Folgen: Von meiner geplanten Anschaffung eines Flachfernsehers plus 5.1-Anlage wird garantiert ein Händler nicht profitieren – der Media-Markt.
Heute Abend brachte Wiso (s. Ausschnitt) die schäbige Praxis des angeblichen Billigheimers noch einmal auf den Punkt. Pikant: Im Werbeblock direkt vor dem Beitrag lief ein Media-Markt-Spot … Sie haben also die Sendung mitfinanziert, die ihre fiesen Praktiken entlarvt – eine sicherlich in den Sand gesetzte Investition.
Was mich an diesem Werbeclip besonders bestürzt, ist zweierlei. Zum einen, dass ein alter Held von mir sich hergibt für ein Unternehmen wie dieses, nämlich Harald Schmidt. Er leiht seine Stimme im Spot einem Schwein. Ist die Verwendung eines Schweins eigentlich nur zynisch oder ein in seiner Offenheit umso arroganterer Hinweis, wie wir den Media-Markt wahrnehmen sollen?
Noch bestürzender, geradezu schockierend aber ist der „Saubillig“-Song, den das Schwein singt. Es ist eine Adaption von Rio Reisers „König von Deutschland“. Die Älteren unter uns werden sich noch an Rio erinnern, diesen wilden, romantischen Linken und leidenschaftlichen Antikapitalisten. Er erfand unsterbliche Songslogans wie „Macht kaputt, was euch kaputt macht“, „Keine Macht für niemand“ oder „Allein machen sie dich ein“ – und sang diese Zeilen, als risse er sich dabei das Herz aus dem Leib.
Rios Melodie singt jetzt ein Schwein. Und sie wird eingesetzt als Werbung für einen Konzern, der einen marodierenden Pitbull in Robe von der Leine lässt und kleinen Händlern und Bloggern die hässliche Fratze des Kapitalismus zeigt. Was haben sich Rios Erben bloß dabei gedacht?
Schmidt (freiwillig) und Rio (posthum) als Büttel des Media-Markt-Schweins: Ich habe mich schon mal wohler gefühlt in dieser Welt.
Auch wenn ich jetzt besser weiß, wem ich mein Geld gebe und wem nicht.
03 Dezember 2006
Von jetzt an: DER Blog!
So, jetzt ist Schluss! Ich verabschiede mich hiermit öffentlich vom stets verkrampften Versuch, „das“ Blog zu sagen. Nicht, weil der Duden mir seit August eh die Wahl lässt, nein: Das „der“ rutschte mir immer wieder unwillkürlich durch.
Um Blog mit „das“ einzuleiten, musste ich mir stets eine Willensanstrengung abringen, die einem lockeren Smalltalk sehr abträglich war und der Präzision meiner Ausführungen sowieso.
Nein: „Blog“ will offenbar männlich sein, nicht sächlich – was ich gut verstehen kann. Und wenn ich mich so umschaue und -höre, dann hat er, der Blog, diese Forderung schon ziemlich flächendeckend durchsetzen können. Die Phonetik hat längst triumphiert über die Etymologie.
Intuitiv orientieren sich die meisten Menschen nämlich an der klanglichen Nähe zu „Block“, und der ist nun mal männlich. Und ist ein Blog nicht eh so etwas wie ein Notizblock? Na bitte. Warum sich also klammern ans Ideal, wenn die Praxis sie doch ständig Lügen straft? Etwa nur, weil einige verbohrte Alt-Blogger und ihre Jubelperser störrisch darauf beharren?
Nein!, rufe ich ihnen tapfer zu. Und untermauere das mit einem berühmten Dylan-Vers: „You better start swimmin', or you'll sink like a stone, for the times they are a-changin’.“
So ist es.
Der Blog.
Der, der, der.
Fotomontage: Betonblog, Maennerseiten.de, stern.de
Um Blog mit „das“ einzuleiten, musste ich mir stets eine Willensanstrengung abringen, die einem lockeren Smalltalk sehr abträglich war und der Präzision meiner Ausführungen sowieso.
Nein: „Blog“ will offenbar männlich sein, nicht sächlich – was ich gut verstehen kann. Und wenn ich mich so umschaue und -höre, dann hat er, der Blog, diese Forderung schon ziemlich flächendeckend durchsetzen können. Die Phonetik hat längst triumphiert über die Etymologie.
Intuitiv orientieren sich die meisten Menschen nämlich an der klanglichen Nähe zu „Block“, und der ist nun mal männlich. Und ist ein Blog nicht eh so etwas wie ein Notizblock? Na bitte. Warum sich also klammern ans Ideal, wenn die Praxis sie doch ständig Lügen straft? Etwa nur, weil einige verbohrte Alt-Blogger und ihre Jubelperser störrisch darauf beharren?
Nein!, rufe ich ihnen tapfer zu. Und untermauere das mit einem berühmten Dylan-Vers: „You better start swimmin', or you'll sink like a stone, for the times they are a-changin’.“
So ist es.
Der Blog.
Der, der, der.
Fotomontage: Betonblog, Maennerseiten.de, stern.de
01 Dezember 2006
Reduced to the limit
Wozu braucht man eigentlich Werbeagenturen? Gewöhnlich brechen die sich doch nur gewaltig einen ab – und dann versteht das Volk ihre raffitückische Pidginprosa trotzdem nicht.
Nein, nein, diese ganzen verkopften „Come in and find out“-Sprücheverpfuscher könnten was lernen hier im burschikosen St. Pauli.
Genauer gesagt in der Hein-Hoyer-Straße, wo unser kleiner Kiezfischladen zeigt, wie man Botschaften auf ihren Kern verdichtet: „Muscheln“.
Nicht mal „frische Muscheln“.
Nicht mal die Sorte, und erst recht kein Ausrufezeichen. Als einzige Extravaganz leistet sich dieser verführerische Slogan zwei Unterstriche, und fertig. Muscheln.
Ich liebe es.
Nein, nein, diese ganzen verkopften „Come in and find out“-Sprücheverpfuscher könnten was lernen hier im burschikosen St. Pauli.
Genauer gesagt in der Hein-Hoyer-Straße, wo unser kleiner Kiezfischladen zeigt, wie man Botschaften auf ihren Kern verdichtet: „Muscheln“.
Nicht mal „frische Muscheln“.
Nicht mal die Sorte, und erst recht kein Ausrufezeichen. Als einzige Extravaganz leistet sich dieser verführerische Slogan zwei Unterstriche, und fertig. Muscheln.
Ich liebe es.
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