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29 Februar 2012
Das entfesselte Fass
Wenn man nichtsahnend auf der Reeperbahn unterwegs ist und sieht plötzlich aus dem Augenwinkel ein kapitales Whiskeyfass über die Straße gen Westen rollen, dann guckt man erst mal rumpeldumm.
Doch es ist wahr: Da rollt tatsächlich ein Holzfass mit der quirligen Vehemenz eines Braunbären über die Reeperbahn, halb auf dem Parkstreifen, halb auf der Straße – und zwar derart schlingerig und raumgreifend, dass der Verkehr auf der rechten Spur beeinträchtigt wird bis zum Vollstau.
Dieses entfesselte Fass scheint aus dem Nichts zu kommen und ein ungebundenes Eigenleben zu führen, denn nirgends ist der Grund für sein fehlgeleitetes Unterwegssein zu erkennen. Es ist einfach da, das Fass, und holpert heftig über die berühmteste Straße Deutschlands. Es bringt Autos zum Bremsen und Passanten zum Glotzen.
Ich muss fester in die Pedale treten, um das Fass zu überholen; schließlich gelingt es mir, den zum Glück leeren Behälter auf Höhe der Haspa zu stoppen, also genau gegenüber der Davidwache, die so was bestimmt auch noch nicht gesehen hat, obwohl sie schon sehr, sehr viel gesehen hat, aber hallo.
Nun thront der Trumm jedenfalls aufrecht, stolz und sicherlich auch ein wenig atemlos auf dem schwach belegten Parkstreifen der Reeperbahn. Dies tut er weithin sichtbar – also hoffentlich auch für den rechtmäßigen Eigentümer.
Auf dem Heimweg komme ich am Herzblut vorbei, und siehe da: Dort stehen zwei Fässer der exakt gleichen Machart vor der Tür herum und bejammern die Absenz ihres entwichenen Bruders.
Das Herzblut hat noch zu, doch drinnen dominieren bereits die Reinigungskräfte. Ich klopfe ans Fenster und gestikuliere einen dringenden Kommunikationsbedarf. Man mustert mich blöde. Da könnte ja jeder kommen, und genau das passiert wahrscheinlich auch tagtäglich.
Ich klopfe noch einmal, winke energisch einen Mann zur Tür. Er öffnet, und ich erkläre ihm sinngemäß, dass ein ausgebüxtes Herzblutfass vor der Haspa steht, nach Mama ruft und dort gern abgeholt werden möchte. Der Mann sagt kein Wort, sondern nickt nur irgendwie abwiegelnd, während er sich unwirsch auf seinen Schrubber stützt.
Doch egal, meine Pflicht ist getan, das normative Tick-, Trick- und Track’sche Gebot „Jeden Tag eine gute Tat“ gilt damit für mich als vollerfüllt. Wer Fässer rettet, selbstlos für urbanen Verkehrsfluss sorgt und dann auch noch durch Bescheidsagen die vollumfängliche Bereinigung der Situation in die Wege leitet, hat gebotstechnisch für heute wahrscheinlich sogar überdosiert.
Mal schauen, wie ich das bis Sonnenuntergang wieder ausgleichen kann, im Bösen.
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Also, wenn das Fass voll gewesen wäre, ich hätte es mit heim genommen, so ein armes, kleines Fässchen kann man doch nicht so einfach stehen lassen, ihm könnte ja was passieren.
AntwortenLöschenWird im Herzblut Whiskey in diesen Mengen ausgeschenkt? Erstaunlich.
AntwortenLöschenRainer Werner Fassfinder, was hast du nur getan?
AntwortenLöschenWer weiß, der wie vielte Ausbruchsversuch das war und jedes Mal, wenn das Fass sich schon in Sicherheit wähnt, sich auf einem großen Schiff gen Amerika segeln sieht, kommt einer und rollt es zurück an den Start ...
menzeline, diesen Mitleidsreflex hätte ich sicherlich auch gespürt. Allerdings hätte mich das Fass im vollen Zustand einfach plattgemacht.
AntwortenLöschenZaphod, alles nur Deko, wie häufig auf dem Kiez.
blogg-hittn-wirtin, diese mögliche Tragik eines Einzelschicksals war mir überhaupt nicht bewusst. Das zeigt, wie unempfindlich ich bereits geworden bin unter den hiesigen Lebensumständen. Aber ich schäme mich jetzt mal ordnungsgemäß.
Das wäre aber sehr schade, denn ich hätte Sie vermisst. *zwinker*
AntwortenLöschenWirklich hassenswert verhält sich nur wieder mal das Personal.
AntwortenLöschenIch fass es nicht.
AntwortenLöschenJa, das habe ich gemerkt.
AntwortenLöschenmenzeline, ohne Zwinkern wäre mir Ihr Kommentar noch lieber, ehrlich gesagt.
Nun, Herr Matt, dann denken Sie sich das "zwinkern" einfach weg.
AntwortenLöschenDas geht leider nicht mehr. Ich hätte das Gefühl, ich würde mich selbst belügen.
AntwortenLöschenWhiskey, tatsächlich? Die Bezeichnung wird nur für destilliertes aus Amerika, manchmal auch aus Irland verwendet. Bourbon aus dem Holzfass wäre eine ziemliche Sensation, dafür würde ich sogar extra nach Hamburg kommen.
AntwortenLöschenWenn meine unhaltbare Behauptung dazu führt, dass Sie Hamburg besuchen, werde ich sie mit Freuden aufrechterhalten … ;)
AntwortenLöschenSehr geehrter Herr Matt,
AntwortenLöschenmüsste es nicht "das" Trumm heißen ?
Aber eine nette Geschichte.
Was Sie immer alles so erleben...
Beides geht laut Duden. Wie bei Virus.
AntwortenLöschenWartensemal, Herr Matt: Leeret Fass rollt inne Gegend rum - wird von Ihnen gestoppt - Putzjeschwader des vermuteten Eigentümerns interessierts nich.
AntwortenLöschenIst das der eigentliche Inhalt der Jeschichte, die Sie natürlich sehr viel elegischer, romantischer, romanhafter und poetischer hier im Blog aufgeschrieben haben? Ich bin inhaltlich irgendwann in der Mitte ausgestiegen...
Es grüßt die nüchtern-praktische Frau Nihilistin
Nochmal zum Thema "Artikel":
AntwortenLöschenFragen Sie doch mal den Franken, ob er einen Satz kennt, in dem die drei bestimmten Artikel in Folge vorkommen...