12 Februar 2011

Endlich mal nicht grundlos verdächtig



An der Max-Brauer-Allee husche ich im letzten Moment mit dem Fahrrad über die Fußgängerampel, obwohl sie, wie ich zugeben muss, bereits die Farbe von Draculas Lieblingsgetränk angenommen hatte.

Auf der Verkehrsinsel in der Mitte der Straße stoppe ich daher; die zweite Hälfte will ich angesichts des bereits losgerollten Verkehrs lieber bei Grün absolvieren. Als ich so dastehe, bemerke ich, wie hinter mir ein Wagen auf die Insel fährt und anhält.

Ein Streifenwagen, um genau zu sein.

Anscheinend stand er in der ersten Reihe, als ich illegal die Straße querte. Er hatte also einen Logenplatz. Gleich drei Uniformierte steigen aus, eine Frau und zwei Männer.

Der Fahrer, ein muskulöser Typ mit Aknenarben und ohne Zweifel Anführer der Besatzung, stützt sich auf die Wagentür, beugt sich aus der lichten Höhe von knapp zwei Metern zu mir herab und sagt: „Steigen Sie bitte mal vom Rad.“

Ich zittere ja sowieso schon, wenn ich der Polizei begegne, und signalisiere so stets ein grundlos schlechtes Gewissen, was mich, wie ich befürchte, generell verdächtig wirken lässt. (Übrigens die einzige Eigenschaft, die ich mit Alfred Hitchcock teile.) Nun auch noch wirklich und wahrhaftig etwas verbrochen zu haben, macht mich keineswegs ruhiger.

Kurz: Ich bin ein Nervenbündel.

„Warum haben Sie das gerade gemacht?“, fragt der Anführer. „Das war … spontan und … unbedacht“, stammle ich. „Sie haben sicher schon öfter Ärger mit der Polizei gehabt deswegen“, sagt der Riese. „Äh, nein … warum?“, frage ich, nun vollends in der Defensive, und das mitten im Nieselregen auf einer Verkehrsinsel in Altona, unter den Augen der interessierten Öffentlichkeit.

„Weil Sie sagen: ,spontan und unbedacht’“, analysiert er. „Nein, wirklich nicht, noch nie“, flüstere ich und schaue hilfesuchend die Polizistin an. Sie lächelt mir aufmunternd zu. Wahrscheinlich ein automatisiert aufflammender Mutterinstinkt. Dabei ist sie mindestens 20 Jahre jünger als ich.

Jetzt verlang schon endlich meinen Personalausweis, barme ich innerlich, verpass mir den Bußgeldbescheid, und dann lass mich laufen. Tut Mr. Akne aber nicht.

„Machen Sie das nie wieder“, sagt er, „ich möchte Sie nämlich nicht unter meinem Wagen hervorkratzen müssen.“ Verständiges Nicken scheint mir die Situation weiter zu kalmieren, deshalb nicke ich verständig. „Und ich“, ergänze ich mit brüchiger Stimme, „möchte erst recht nicht unter Ihrem Wagen hervorgekratzt werden.“

Die Polizistin nickt erneut lächelnd und nun sogar mit geschlossenen Augen; ich habe also zweifellos den richtigen Ton getroffen. Ich schaue wieder den Riesen an. „Noch einen schönen Abend“, sagt er und steigt in den Wagen. Die anderen folgen ihm, und dann fahren sie davon.

Ich auch, mit zittrigen Knien – um 62,50 Euro reicher und einen Punkt in Flensburg ärmer.

Danke. (Auch wenn ich nicht weiß warum.)

Foto: Matthias Wiechmann, Polizei Hamburg


10 Kommentare:

  1. Würden Sie in Stuttgart wohnen, verehrter Herr Matt, dann.....
    Nein, nein, nein Sie würden nicht verknüppelt werden und würden auch nicht nass gespritzt.

    Aaaaber: Sie hätten zusätzlich 73,00 Euro gespart.
    Soviel berechnet nämlich die Polizei für das Wegtragen intakter oder zermatschter Personen
    am Hauptbahnhof.
    (Amtsdeutsch: Wegtragegebühr)
    Hinzu käme eine Abkratzprämie von 10 Cent,
    ausgelobt von der auch hier ansässigen CDU
    für das Abkratzen von klebrigen Verunstaltungen
    öffentlichen Eigentums.

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  2. Immerhin konnte ich noch selber wegfahren, trotz Zitterknien …

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  3. Huh! Ich hab schon vom Lesen weiche Knie.
    Mein Gott, und richtig weich werden die erst, wenn ich berechne, WIEVIEL ich schon gespart haben muss, in den letzten Jahren......!

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  4. Davon können Sie glatt auf Kreuzfahrt gehen! Mein Rat: Tun Sie’s.

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  5. Nihilistin13.02.11, 13:47

    Das heisst - Sie können auch so richtig wachsweich werden unter den Augen eines Polizisten, Herr Matt? Nicht gut fürs Selbstbewusstsein ("Schlagt die Bu**en wo ihr sie trefft!"), aber gut für das Konto.
    Dachte ich mir auch, als ich vor 2 Jahren eine dunkelorange Ampel (mit dem Auto) überfuhr. Ich muss der anhaltenden Zivilstreife derart ohnmachtsnahe erschienen sein, dass ich die Frage nach "Würden Sie ein Verwarngeld von 10 Euro akzeptieren und mir versprechen, dass sie das nie wieder machen?" fast auf Knien mit "Aber selbstverständlich, Herr Oberwachtmeister" beantwortet hätte. Das ich das aber nie tun würde, muss ich wohl mit grenzdebilem Gesichtsausdruck genickt haben und bin bis heute punktefrei. Und löse mein Versprechen auch zu 98% ein. Nur, falls der zivile Oberwachtmeister hier mitliest.

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  6. In Berlin halten die Staatsdiener allenfalls kurz auf Mittelinselhöhe verkehrshindernissig innerhalb ihrer Fahrspur, pöpeln kurz aus dem auto und fahren dann weiter. Also, in Steglitz und anderen bürgerlichen Bezirken jedenfalls. In der Berliner Innenstadt habe ich noch nie, noch kein einziges Mal erlebt, dass sich Angehörige der Polizei für mein (dank Führerscheinlosigkeit) konsequentes bei Rot gehen interesieren würden.

    Ob das jetzt für oder gegen die Stadt spricht, kann ich aber auch nicht sagen.

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  7. Sehr geehrter Herr Wagner, ist Ihnen eigentlich bewusst, wieviel Sie gespart haben? Ich habe für ein vergleichbares Delikt folgenden Bußgeldbescheid erhalten:

    Geldbuße: 45,00 EUR
    Gebühr: 20,00 EUR
    Auslagen der Verwaltung: 3,50 EUR

    Grund für den Bußgeldbescheid war die Überquerung einer roten Ampel an der Ecke Schulterblatt/Schanzenstraße mit einem Fahrrad. Die Straße war frei, einseitig sogar blockiert. Aber die Fahrradpolizisten haben sich sofort zu dritt auf mich gestürzt.

    Ich behaupte mal, es hat etwas damit zu tun, wie fortgeschritten der Monat ist: Zu Monatsanfang sind die Beamten kulant. Zum Monatsende muss das daraus entstandene Minus in der Kasse mit aller Macht ausgeglichen werden.

    Eine kostengünstige Verwarnung wurde mir übrigens nicht angeboten.

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  8. Ich weiß nicht, ob meine empirische Bais ausreicht, aber Sie sollten grundsätzlich darauf achten, von Polizistengruppen mit mindestens 33 Prozent Frauenanteil hopsgenommen zu werden. Spart Geld.

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  9. Sehr selten habe ich in meinem relativ langen Leben mit der Polizei zu tun gehabt. Eins weiß ich aber: Gern unterstellen Polizisten anderen, daß sie schon oft mit der Polizei zu tun gehabt hätten, einfach so, ohne jeden Beleg und ohne jede Wahrscheinlichkeit. Vermutlich nur, um die Leute in die Defensive zu manövrieren. Man sollte gar nicht darauf eingehen, es überhören oder sagen "Und Sie?".

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  10. Den Spruch werde ich mir merken. Auch wenn ich insgeheim hoffe, ihn nie mehr zu brauchen.

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