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03 Februar 2011
Die Kiezpolizei räumt auf
Draußen herrscht ungewöhnlicher Krach. Ein Schaben und Klirren, ein Rutschen und Reißen, ein Donnern und (metallisches) Kreischen.
Alles dabei, nur keine Stimmen. Alles passiert stumm. Also heißt es mal wieder nachschauen.
Vom Balkon aus sieht man, wie etwa ein Dutzend schwarzvermummter Gestalten in höchster Eile die dank eines Gentrifizierungsneubaus überall herumstehenden Baustellenabsperrungen mitten auf die Straße zerrt und sich dann im Laufschritt Richtung Osten dünn macht.
En passant nimmt einer der Herren die von mir gerade erst am Straßenrand drapierten beiden gelben Säcke und wirft sie auf die Fahrbahn. Im Hintergrund dazu der Sound der Stadt: Polizeisirenen.
Die Seilerstraße ist also jetzt vollgesperrt, augenblicklich kehrt paradiesische Ruhe ein (wenn man vom Hintergrundsound absieht, aber der ist ja quasi immer da, nur gerade ein bisschen intensiver, aufgeregter, vielstimmiger).
Nach ein paar genussvoll ausgekosteten Minuten der kompletten Autolosigkeit keimt gleichwohl das Bedürfnis, etwas gegen diesen Zustand dort unten tun zu müssen. Es scheint mir allmählich sehr opportun, kräftige junge Männer in der Blüte ihrer Jahre herbeizurufen, welche die Hindernisse wieder wegräumen.
Denn Straßensperren widersprechen einfach meiner Auffassung von Bewegungsfreiheit. Ausnahmen brauchen meines Erachtens schon sehr gute Argumente; die Ägypter haben zum Beispiel gerade welche. Wie auch immer: ein Anruf bei der Davidwache bringt einen Herrn Friese an den Apparat, der atemlos wirkt, obwohl er doch nur Telefondienst hat.
Ich schildere ihm die Fakten. Seilerstraße, schwarzvermummte Gestalten, eigenmächtige Vollsperrung. Herr Friese bedankt sich seufzend, und nur wenige Minuten später tauchen sie auf, die kräftigen jungen Männer in der Blüte ihrer Jahre.
In meinem kleinen Film sehen wir, wie sie dem Aufräumen der Seilerstraße mit jener stillen Verachtung nachgehen, die man nur Tätigkeiten entgegenbringt, für die man sich überqualifiziert fühlt.
Das tun sie unter ähnlicher Krachentwicklung wie ihre Pendants, die Schwarzvermummten, und auch ähnlich wortlos. Wenn man es genau nimmt, gäbe es von hier oben kaum Unterscheidungskriterien, nur die Helme, die im Licht der Straßenlampen gelblich glänzen.
Meine Sympathien jedenfalls sind klar verteilt. Sie können einfach keinen Menschen gehören, die meine gelben Säcke auf die Straße werfen.
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Hehe, die letzten 3 Absätze können in der Wohnung hinterherräumende Mütter pubertierender "Mitbewohner" sehr gut nachfühlen!
AntwortenLöschenUnd was war das für eine Gruppierung? Bei uns in der Straße waren sie auch und haben die Straße gesperrt. Gegener des Individualverkehrs? Ich habe mich jedenfalls über die Vollsperrung aus umgeworfenen Mülleimern und sonstigem Unrat gefreut und die Ruhe in der Straße genossen. Bis dann irgendein uneinsichtiger Autofahrer die Sachen beiseite geräumt hat... Bis zum nächsten Mal Freunde.
AntwortenLöschenwerter herr Matt, es wird zeit, das sie endlich den letzten schritt wagen und anfangen falschparker anzuschwärzen.
AntwortenLöschenblogg-hittn-wirtin, fragen Sie die Herren doch mal. Vielleicht sind private Buchungen möglich.
AntwortenLöschenAnonym 08:07: Laut Nachrichten Demonstranten gegen die Räumung eines besetzten Hauses. Aber in Berlin …
Anonym 08:59, was ist das: „falsch parken“? Sie wissen das bestimmt ganz genau.
Also ich finde auch - ca. 20 Vertreter der Staatsgewalt für 3 lächerliche Bauzäune. Das hätten Sie auch selbst geschafft.
AntwortenLöschenIch frage mich allerdings, was Sie an der Straßensperre so sehr gestört hat? Sie haben doch gar kein Auto.
Und die ganze Szene genüsslich vom Balkon zu filmen... ich weiß nicht, ich weiß nicht. Der Vergleich mit Nachbarn, die Falschparker und Vorgarten-Nicht-Pfleger anschwärzen, drängt sich geradezu auf.
Stimmt, Sie haben Recht: Warum sollte ich gegen Dioxin in Eiern sein, ich esse doch gar keine Eier!
AntwortenLöschenAb jetzt wird mein Leben viel einfacher werden, und das habe ich nur Ihnen zu verdanken.
ich wuerde auch Falschparker ansch..... :-)
AntwortenLöschenKlar, Falschparker anschwärzen ist eh das gleiche wie Barrikaden abreissen zu lassen. Äh. Nein.
AntwortenLöschenAls ich noch ein Auto besaß und mal eine Feuerwehrzufahrt zugeparkt hatte, bin ich selbst mal angeschwärzt und dann sogar abgeschleppt worden. Fand ich total doof, so was. So kleinkariert. Nur weil die Feuerwehr nicht mehr reingekommen wäre? Mann, es hat nicht mal gebrannt! Diese elenden Spießbürger.
AntwortenLöschenfür diese feuerwehrausrede haben sie jetzt fünf stunden gebraucht!? sie waren aber auch schon mal schneller, werter herr Matt.
AntwortenLöschenaber egal, niemand kann über seinen schatten springen.
Boah. 38 Minuten für die Berechnung seiner Antwortzeit? Krass. Die mathematische Grundausbildung wird vernachlässigt.
AntwortenLöschendas sie, werter herr GP, herrn Matt reflexartig zu hilfe eilen - obwohl er es bestimmt nicht nötig hat - , sind wir ja bereits gewohnt. na immerhin drohen sie nicht gleich mit ihrer nicht vorhandenen chromaxt.
AntwortenLöschenaber lassen wir das. ich mag diesen blog ja ganz gerne. trotz allem.
konterrevolutionär
AntwortenLöschenLaut Spiegel gab es aufgrund der Hausräumung in der Liebigstr.14 in Berlin gestern Solidaritätsbekundungen aus der linken Szenehttp://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,743357,00.html in Hamburg.
AntwortenLöschenhttp://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,743357,00.html
http://schaetzchen.blogsport.de/2011/02/02/hamburg-solidemo-fuer-liebigstr/
AntwortenLöschenAnonym 14:38 Uhr: Wenn Sie so ein Nerd sind, der den ganzen Tag sabbernd vor seinem Rechner sitzt und aufs Bimmeln des Posteingangs wartet – kein Problem. Jeder nach seiner Façon. Ich erledige das meistens abends en bloc und erfreue mich ansonsten des real life.
AntwortenLöschenAnonym 15:07: Der Herr GP hat wirklich eine Chromaxt, ich habe sie persönlich gesehen, angefasst und fotografiert. Deshalb widerspreche ich ihm auch nie – und bin froh, dass er mir zu Hilfe eilt statt andersrum. Sie verstehen …?
Also ich für meinen Teil würd auch eher die Polizei rufen als mich selbst einem möglichem Zustammenstoß mit der sich auf dem Heimweg befindlichen Meute auszusetzen. Schliesslich dürften die doch recht ungehalten sein, wenn sie sehen das man ihre mühsam errichteten Barrikaden wieder einreisst. Und nachts allein gegen mehrere ist sicher nicht nur in Hamburg eine eher schlechte Idee.
AntwortenLöschenUnfassbar!
AntwortenLöschenkontrovers, kontrovers ... :-)
AntwortenLöschen@German Psycho: schoen, dass Sie Ihrem Freund helfen. Dafuer muss man sich nicht rechtfertigen!
AntwortenLöschenEkel Alfred: Was heißt denn helfen? Wer nun den offensichtlichen Ball aufgreift, ist ja völlig egal... wer Unsinn schreibt, sollte sich auch nicht wundern, wenn irgendjemand diesen Unsinn kommentiert.
AntwortenLöschen(mach ich ja auch nicht)