Meine Eltern osterurlauben in einem zum Rentnerparadies ausgebauten Hotelkomplex in der Lüneburger Heide, wo wir sie im Rahmen einer Spritztour besuchen. Ist ja von Hamburg aus nur ein Katzensprung, vor allem mit einem geliehenen Mercedes der C-Klasse.
„Lauter Rollstuhlrocker und Spätlesen“, witzelt mein Vater, der sich selbst allerdings „nicht gerade für einen Eiswein“ hält. Beim Brunch sind indes auch Leute zugegen, die man weniger gern mit liebevoll spöttischen Kosenamen belegen möchte.
Zum Beispiel die zwei knorrigen Herren jenseits der 80 am Nachbartisch. Sie monieren vernehmlich die Art, wie sie nach dem Krieg behandelt wurden. Als Nazi sei er beschimpft worden, beklagt sich einer der beiden, der aussieht wie ein in die Länge gezogener Zwilling von Rainer Brüderle.
Der andere, kurioserweise eine Hutzelversion von Marcel Reich-Ranicki, pflichtet entrüstet bei. Ihm sei man begegnet, als habe er höchstselbst Juden vergast, erregt er sich. „Und das in unserem eigenen Land!“, krächzt er krummrückig, während er sich Schokoladeneis zuführt.
So geht das eine Weile in vollendeter Harmonie hin und her, ehe das Duo plötzlich umstandslos anfängt, Ausländer zu beschimpfen. „Die sagen nicht mal guten Tag!“, erregt sich „Brüderle“, nachdem er einen im Brunchpreis inbegriffenen Wein gezapft hat. „MRR“ sekundiert eifrig nickend, und es scheint, als hätten sich hier am Nebentisch zwei Freunde fürs Leben gefunden, welches angesichts ihres reichen Erfahrungsschatzes allerdings nicht mehr allzulange dauern dürfte.
Auf der Heimfahrt aus der Heide machen wir einen Abstecher zum Flohmarkt in Norderstedt, wo ich einen mir bisher unbekannten Gebrauchsgegenstand entdecke: eine „BH-Schutzkugel“. Auf Holländisch heißt das Ding aber entschieden lustiger, nämlich „Bustehouder Beschermer“. Zu Hause pflügen wir dann durch die fünfte „Lost“-Staffel auf Blu-ray, und zwar bis zum letzten Bild.
Alles in allem könnten wir jetzt also dringend ein paar freie Tage gebrauchen.
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06 April 2010
05 April 2010
Fundstücke (76)
Manchmal schäme ich mich erheblich fürs Gebaren der Hamburger Gastronomie.
Aber dann gelingt es mir meist doch recht rasch, mir einzureden, Angebote wie der „BallaMan 1,5 l Pitcher“, der an der Reeperbahn offeriert wird, würden speziell für Auswärtige kreiert, zum Beispiel für Pinneberger, und sie, die Hamburger Gastronomie, beweise damit nicht etwa vollprollhaftige Stillosigkeit, sondern einfach nur freundlich-fatalistisch-schulterzuckende Gastfreundschaft gegenüber fremden Kulturen, und seien deren Bedürfnisse auch noch so seltsam.
Sobald dieser Gedankengang zu Ende gedacht ist, keimt auch schon zuverlässig das wohligwarme Gefühl, in einer toleranten Stadt zu leben. In einer sehr toleranten Stadt.
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04 April 2010
Äh, wo ist noch mal die Bremse?
Weil wir nur ein-, zweimal im Jahr einen Wagen mieten, sitze ich immer wieder relativ ratlos drin herum, zumal es sich stets um neue Marken und Modelle handelt und die automobilen Features sich ganz offenkundig nicht evolutionär, sondern in schockartigen Schüben weiterentwickeln.
Ich will nicht sagen, dass ich mich fühle wie ein Neandertaler, dem man ein iPhone in die haarige Pranke gedrückt hat, aber wo verdammt noch mal ist bei der Mercedes-C-Klasse eigentlich die gute, alte Handbremse geblieben? Einen halben Vormittag lang parke ich immer auf planer Erde, damit der eingelegte Gang es schafft, den Wagen am Wegrollen zu hindern, ehe ich das Elendsding entdecke.
Gebe hiermit bekannt: Die gute, alte Handbremse gibt es in dieser Form nicht mehr, sie ist unterm Diktat der Bad Cannstadter Ideenschmiede zur Fußbremse geworden, und zwar ganz unten links.
Dann gibt es noch dieses Navi, oder wie das heißt. Nach dem Drücken einer entsprechend beschrifteten Taste zeigt sich auf dem Display auch durchaus das richtige Menü, doch wo in Gottlieb Daimlers Namen ist denn bloß die Entertaste, damit ich „Ziel“ auswählen kann?
Erst kurz vorm Entdecken der Hand- … äh, Fußbremse erschließe ich mir die Bedeutung eines komischen silbernen Drehknopfs vor der Armlehne. Damit nämlich navigiere ich nun durchs Navi, und entern tut man durch Drücken.
Bleibt im Grunde nur noch die interessante Frage, wie man eigentlich mal testweise diese … diese Airbags auslöst, oder wie man die Dinger nennt.
Na, morgen ist ja auch noch ein Tag.
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Ich will nicht sagen, dass ich mich fühle wie ein Neandertaler, dem man ein iPhone in die haarige Pranke gedrückt hat, aber wo verdammt noch mal ist bei der Mercedes-C-Klasse eigentlich die gute, alte Handbremse geblieben? Einen halben Vormittag lang parke ich immer auf planer Erde, damit der eingelegte Gang es schafft, den Wagen am Wegrollen zu hindern, ehe ich das Elendsding entdecke.
Gebe hiermit bekannt: Die gute, alte Handbremse gibt es in dieser Form nicht mehr, sie ist unterm Diktat der Bad Cannstadter Ideenschmiede zur Fußbremse geworden, und zwar ganz unten links.
Dann gibt es noch dieses Navi, oder wie das heißt. Nach dem Drücken einer entsprechend beschrifteten Taste zeigt sich auf dem Display auch durchaus das richtige Menü, doch wo in Gottlieb Daimlers Namen ist denn bloß die Entertaste, damit ich „Ziel“ auswählen kann?
Erst kurz vorm Entdecken der Hand- … äh, Fußbremse erschließe ich mir die Bedeutung eines komischen silbernen Drehknopfs vor der Armlehne. Damit nämlich navigiere ich nun durchs Navi, und entern tut man durch Drücken.
Bleibt im Grunde nur noch die interessante Frage, wie man eigentlich mal testweise diese … diese Airbags auslöst, oder wie man die Dinger nennt.
Na, morgen ist ja auch noch ein Tag.
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03 April 2010
Fundstücke (75)
01 April 2010
Gutes Rad ist wohl doch teuer
Das neue Fahrrad, welches das gestohlene Kalkhoff seit einigen Tagen im Grunde recht tapfer ersetzt, macht Ärger. Der erste Gang springt immer eigenmächtig raus, obwohl ihm nichts dergleichen nahegelegt wurde, im Gegenteil: Er soll drinbleiben, vor allem bei Steigungen (ja, die gibt es in Hamburg!).
Im Fahrradladen fuhr man kopfschüttelnd Probe und erklärte, der erste Gang sei bei ihnen brav dringeblieben. Hmpf. Trotzdem sprühten sie die Schaltung vorsorglich mit einem Wunderspray ein, murmelten etwas von einer nun gut geölten Feder und entließen mich frohen Mutes.
Auf dem Weg nach Hause nutzte der erste Gang die erstbeste Gelegenheit, um feixend rauszuspringen. Ich fuhr zurück und sagte mit erzwungener Ruhe, der erste Gang spränge weiterhin feixend raus, und sie sollten bitte etwas dagegen TUN.
Daraufhin tauschten sie murmelnd und kopfschüttelnd das Teil am Lenker aus, bewegten das Hebelchen lustig rauf und runter, hoben das Hinterrad an, traten forsch in die Pedale, und siehe, es war gut.
Auf dem Weg nach Hause sprang der erste Gang raus, er hatte ja auch schon Übung.
Warum muss das Leben immer so kompliziert sein?, frage ich mich nun und würde mir längst – schwankend zwischen Weh und Wut – die Haare raufen, wenn das noch ginge. Warum können die Dinge nicht einfach mal FUNKTIONIEREN, wenigstens für ein paar Tage im Jahr? Wenn es schon nicht Frühling werden will?
Ich fuhr zurück zum Fahrradladen und verlangte schmallippig Reparatur, andernfalls ich auf einen Austausch des kompletten Rades bestünde. Murmelnd und kopfschüttelnd nahm man das Rad entgegen und stellte eine Behebung des Problems bis Samstagabend in Aussicht.
Und als reichte das nicht für einen Tag, machte heute Abend dann auch Sky wieder Zicken. Nur fing diesmal der Skymann an zu brüllen und nicht ich. Er brüllte: „ICH MÖCHTE NICHT, DASS DIESES GESPRÄCH ESKALIERT!!!“
Vielleicht sollte ich mir von einer zuverlässigen Quelle einfach mal eine tiptopgepflegte Chromaxt ausleihen. Ostern wäre ja viel Zeit zum Üben.
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Im Fahrradladen fuhr man kopfschüttelnd Probe und erklärte, der erste Gang sei bei ihnen brav dringeblieben. Hmpf. Trotzdem sprühten sie die Schaltung vorsorglich mit einem Wunderspray ein, murmelten etwas von einer nun gut geölten Feder und entließen mich frohen Mutes.
Auf dem Weg nach Hause nutzte der erste Gang die erstbeste Gelegenheit, um feixend rauszuspringen. Ich fuhr zurück und sagte mit erzwungener Ruhe, der erste Gang spränge weiterhin feixend raus, und sie sollten bitte etwas dagegen TUN.
Daraufhin tauschten sie murmelnd und kopfschüttelnd das Teil am Lenker aus, bewegten das Hebelchen lustig rauf und runter, hoben das Hinterrad an, traten forsch in die Pedale, und siehe, es war gut.
Auf dem Weg nach Hause sprang der erste Gang raus, er hatte ja auch schon Übung.
Warum muss das Leben immer so kompliziert sein?, frage ich mich nun und würde mir längst – schwankend zwischen Weh und Wut – die Haare raufen, wenn das noch ginge. Warum können die Dinge nicht einfach mal FUNKTIONIEREN, wenigstens für ein paar Tage im Jahr? Wenn es schon nicht Frühling werden will?
Ich fuhr zurück zum Fahrradladen und verlangte schmallippig Reparatur, andernfalls ich auf einen Austausch des kompletten Rades bestünde. Murmelnd und kopfschüttelnd nahm man das Rad entgegen und stellte eine Behebung des Problems bis Samstagabend in Aussicht.
Und als reichte das nicht für einen Tag, machte heute Abend dann auch Sky wieder Zicken. Nur fing diesmal der Skymann an zu brüllen und nicht ich. Er brüllte: „ICH MÖCHTE NICHT, DASS DIESES GESPRÄCH ESKALIERT!!!“
Vielleicht sollte ich mir von einer zuverlässigen Quelle einfach mal eine tiptopgepflegte Chromaxt ausleihen. Ostern wäre ja viel Zeit zum Üben.
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31 März 2010
Der Besuch
Meine Nichte (16) ist zu Besuch. Sie kommt vom Dorf und ist jetzt in der großen Stadt. Grandios! Oder doch nicht? Ein beispielhafter Dialog.
Matt: Und, was machen wir – mit der Fähre durch den Hafen tuckern?
Nichte (maulig simsend): Mir egal.
Matt: Lust aufn Eis?
Nichte (rollt mit den Augen, beackert ihr Handy): Nö.
Matt: Okay, was ist dir lieber: Achterbahn aufm Dom oder Konzert im Knust?
Nichte (genervt, ihr Telefon vibriert, weil eine SMS reinkommt): Egal.
Matt: Worauf hast du denn mal so richtig Lust?
Nichte (desinteressiert zurücksimsend): Weiß net.
Matt: Shoppen?
Nichte (elektrisiert, schaut erstmals hoch): Au ja! Gibt’s hier H&M?
Außer zu H&M mussten wir dann auch noch zu Starbucks (omg!), promod (???) und Tally Weijl (wtf?).
Irgendwie beschleicht mich das Gefühl, ich verliere gerade den Kontakt zur Jugend.
Matt: Und, was machen wir – mit der Fähre durch den Hafen tuckern?
Nichte (maulig simsend): Mir egal.
Matt: Lust aufn Eis?
Nichte (rollt mit den Augen, beackert ihr Handy): Nö.
Matt: Okay, was ist dir lieber: Achterbahn aufm Dom oder Konzert im Knust?
Nichte (genervt, ihr Telefon vibriert, weil eine SMS reinkommt): Egal.
Matt: Worauf hast du denn mal so richtig Lust?
Nichte (desinteressiert zurücksimsend): Weiß net.
Matt: Shoppen?
Nichte (elektrisiert, schaut erstmals hoch): Au ja! Gibt’s hier H&M?
Außer zu H&M mussten wir dann auch noch zu Starbucks (omg!), promod (???) und Tally Weijl (wtf?).
Irgendwie beschleicht mich das Gefühl, ich verliere gerade den Kontakt zur Jugend.
30 März 2010
Be stupid
Nicht nur in Berlin stößt man auf öffentlich besichtigbare Merkwürdigkeiten, auch beim Schlendern durch Hamburg geraten immer wieder Dinge ins Blickfeld, die des Stutzens wert sind, zumindest für mich.
In der Großen Bergstraße stieß ich heute mal wieder auf das Ergebnis höchst eifrigen Kalauerns unter Friseuren, weshalb mir diese Berufsgruppe bereits seit längerem ans Herz gewachsen ist.
„Komm-hair“ bietet jedenfalls in seiner geschickten bilingualen Verschmelzung eines Imperativs mit dem dezenten Hinweis auf die Art des Geschäftsmodells viel Grund zur Freude. Hätte ich diesen Berufsstand noch nötig, ich wäre glatt geneigt gewesen, den Komm-hair-Friseur in Anspruch zu nehmen.
C&A hingegen scheint sich von seinem Geschäftsmodell komplett verabschiedet zu haben. Verkaufen die nicht eigentlich Klamotten? Wenn sie aber nicht mal mehr ihre Schaufensterpuppen einkleiden können (außer mit Socken), dann darf man ihnen wohl auch keineswegs mehr zutrauen, ihre Kundschaft auszustatten. Vielleicht hat C&A sich einfach den neuen Diesel-Werbespot „Be stupid“ allzu kritiklos zu Herzen genommen.
Jedenfalls mied ich nach dem Anblick des Herrenensembles (der auch mit Damen und Kindern variiert wurde) diesen Laden sorgsam und beschränkte mich auf das, was ich im Grunde eh am besten kann: die Flanage.
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29 März 2010
Ohne Worte (72): Rapunzel oder Das kotzende Haus
Entdeckt in Berlin-Schöneberg
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28 März 2010
Fundstücke (74)
1. Die Mopo hat anscheinend eingesehen, dass es im Grunde völlig wurst ist, ob die tägliche Kolumne „Moin moin“ wirklich mit Text gefüllt wird oder nicht. Und das hat sie am Freitag auch endlich mal konsequent umgesetzt.
2. Ich möchte ausdrücklich jede Verantwortung abstreiten für den mit wasserfestem Edding auf genau das Geländer, an das mein Fahrrad bis zum Geklautwerden angekettet war, niedergeschriebenen Text. Er lautet: „Der Wichser, der mein Fahrrad geklaut hat, soll verrecken – ich finde dich!“ So etwas würde ich als Mann von Welt natürlich niemals schreiben. Höchstens denken.
3. Eigentlich gibt es nichts Schöneres als die rechten Knallchargenfans von Hansa Rostock rauszuhalten aus St. Pauli. Warum die Anhänger meines kleinen Stadtteilvereins trotzdem empört sind über die Entscheidung unseres Präsidiums, nur ein paar Tickets für das heutige Spiel am Millerntor nach Rostock zu schicken, machen die Kiezultras hier sehr plausibel. Weil die Rostocker nicht reinkommen ins Stadion, wollen sie während des Spiels übrigens den Dom aufmischen. Jeder muss also für sich entscheiden, ob er ab 13 Uhr das Riesenrad meidet – oder gerade deshalb dort Präsenz zeigt. (Danke für den Link an me.)
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2. Ich möchte ausdrücklich jede Verantwortung abstreiten für den mit wasserfestem Edding auf genau das Geländer, an das mein Fahrrad bis zum Geklautwerden angekettet war, niedergeschriebenen Text. Er lautet: „Der Wichser, der mein Fahrrad geklaut hat, soll verrecken – ich finde dich!“ So etwas würde ich als Mann von Welt natürlich niemals schreiben. Höchstens denken.
3. Eigentlich gibt es nichts Schöneres als die rechten Knallchargenfans von Hansa Rostock rauszuhalten aus St. Pauli. Warum die Anhänger meines kleinen Stadtteilvereins trotzdem empört sind über die Entscheidung unseres Präsidiums, nur ein paar Tickets für das heutige Spiel am Millerntor nach Rostock zu schicken, machen die Kiezultras hier sehr plausibel. Weil die Rostocker nicht reinkommen ins Stadion, wollen sie während des Spiels übrigens den Dom aufmischen. Jeder muss also für sich entscheiden, ob er ab 13 Uhr das Riesenrad meidet – oder gerade deshalb dort Präsenz zeigt. (Danke für den Link an me.)
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26 März 2010
Ein Tag von spätrömischer Dekadenz
Das erste, was mir am Mittwochabend in Berlin widerfuhr, als ich am Bahnhof Zoo auf den Bus wartete, war ein Mann mit Kapuzenjacke, der seine Flasche Rotwein aufs Pflaster stellte, um beidhändig sein Gemächt hervorholen und dann unter die Wartebänke schiffen zu können.
Während die Schweinerei da so vernehmlich hinpladderte, erwog ich einen Moment lang, ihn zur Rede zu stellen (Männer mit ihrem Gemächt in den Händen sind relativ wehrlos), doch dann dachte ich: Ach, lass die Berliner doch ihren Scheiß alleine erledigen. Tat aber keiner.
Abends ging es dann mit Dr. K. in die o2-World-Arena zu Peter Gabriel, der sein rein orchestral arrangiertes Coveralbum „Scratch my back“ aufführte. „Er fängt bestimmt mit ,Heroes’ an“, prophezeihte Dr. K., und noch während meiner stichhaltig vorgebrachten Argumente gegen diese Theorie fing Gabriel an, „Heroes“ zu singen, weshalb das erste Wort (jenes solitäre „I“) auch nicht drauf ist auf meinem Clip.
In der zweiten Hälfte des Konzertes spielte Gabriel dann seine eigenen Stücke. Bei „Solsbury hill“ tanzte er sogar ausgelassen, als wäre er nicht 60, sondern keinen Tag älter als 59, während das New Blood Orchestra zum großen Finale ein Beethoven-Zitat einstreute („Freude schöner Götterfunken“) – und das war zweifelsohne ein angemessenes Präludium für das, was nachts geschehen solllte.
Zu Hause nämlich führten Dr. K. und ich uns auf rituell überhöhte Weise meine vor fünf Jahren hier im Blog schon einmal erwähnte Flasche 1999er Chateau d’Yquem zu, was den Abend adäquat abrundete.
Wir fühlten uns dabei spätrömisch dekadent, und was soll ich sagen, Westerwelle: Das macht Spaß. Sollten Sie mal ausprobieren.
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25 März 2010
Über kurze Hosen (aus gegebenen Anlass)
Albern macht glücklich. Und umgekehrt. Deshalb fühle ich mich ganz wohl in meinem unreifen Leben, das geprägt ist von diversen nicht altersgemäßen Hobbys.
Ich meine: Wer erzählt schon in einem Weblog vom kaputten Reißverschluss an seiner Hosenvorderfront? Na bitte. Außerdem habe ich mal mit Scanner, Photoshop und Drucker einen Brief der Telekom täuschend echt nachgebaut (samt Unterschrift des Vorstandsvorsitzenden!) und damit meinem Schwiegervater weisgemacht, ihm werde der Handyvertrag gekündigt, weil er zu wenig telefoniere.
Das war kindisch – und hat Spaß gemacht. Wie überhaupt so vieles, was pennälerhaft anmutet. Zum Beispiel Kalauer bauen. Wie nennt man schlechte Krimischreiber? Thrillerpfeifen … Tut mir Leid, mir macht so etwas Spaß, aber eine adäquate Tätigkeit für einen Menschen meines Alters ist das nicht, zugegeben.
Ich habe – im Gegensatz zu meiner Umwelt – nie gelitten unter dieser Marotte, doch so richtig das Herz auf ging mir erst dank des russisch-amerikanischen Dichters Vladimir Nabokov. „Meine Seele wird immer kurze Hosen tragen“, sagte er mal, und plötzlich fühlte ich mich verstanden, obwohl ich nicht mal an eine Seele glaube.
Es ist also keine Frage des Alters, sondern der Einstellung. Und was ist gegen ein kleines Glück zu sagen, selbst wenn es sich aus dem Kindischsein speist? Bei meinen Eltern ziehe ich trotzdem nicht wieder ein, versprochen. Obwohl: Könnte ebenfalls spaßig sein.
Wie heißt es so schön? Wenn die Weisheit mit dem Alter kommt, steckt die Menschheit noch in den Kinderschuhen. Damit habe ich kein Problem. Einer geht übrigens noch (einmal): Wie nennt man es, wenn alte Herrschaften Sex haben?
Na, Greisverkehr.
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Ich meine: Wer erzählt schon in einem Weblog vom kaputten Reißverschluss an seiner Hosenvorderfront? Na bitte. Außerdem habe ich mal mit Scanner, Photoshop und Drucker einen Brief der Telekom täuschend echt nachgebaut (samt Unterschrift des Vorstandsvorsitzenden!) und damit meinem Schwiegervater weisgemacht, ihm werde der Handyvertrag gekündigt, weil er zu wenig telefoniere.
Das war kindisch – und hat Spaß gemacht. Wie überhaupt so vieles, was pennälerhaft anmutet. Zum Beispiel Kalauer bauen. Wie nennt man schlechte Krimischreiber? Thrillerpfeifen … Tut mir Leid, mir macht so etwas Spaß, aber eine adäquate Tätigkeit für einen Menschen meines Alters ist das nicht, zugegeben.
Ich habe – im Gegensatz zu meiner Umwelt – nie gelitten unter dieser Marotte, doch so richtig das Herz auf ging mir erst dank des russisch-amerikanischen Dichters Vladimir Nabokov. „Meine Seele wird immer kurze Hosen tragen“, sagte er mal, und plötzlich fühlte ich mich verstanden, obwohl ich nicht mal an eine Seele glaube.
Es ist also keine Frage des Alters, sondern der Einstellung. Und was ist gegen ein kleines Glück zu sagen, selbst wenn es sich aus dem Kindischsein speist? Bei meinen Eltern ziehe ich trotzdem nicht wieder ein, versprochen. Obwohl: Könnte ebenfalls spaßig sein.
Wie heißt es so schön? Wenn die Weisheit mit dem Alter kommt, steckt die Menschheit noch in den Kinderschuhen. Damit habe ich kein Problem. Einer geht übrigens noch (einmal): Wie nennt man es, wenn alte Herrschaften Sex haben?
Na, Greisverkehr.
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24 März 2010
Warum immer ich?
Du sozialsedierter Parasit, du Affenarsch mit hoffentlich progressiv wachsenden Warzen am Anus, du hirngegrillte Stinkmorchel, du Prototyp rekordverdächtiger Armseligkeit, der du heute MEIN FAHRRAD GEKLAUT HAST:
Möge dir die verrostete Sattelstange dort dauerhaft steckenbleiben, wo die größte Streptokokkenarmada seit Erfindung der Ruhr ihre Einstandsparty als deine Dauermietnomaden feiert!
Auf der Davidwache, wo ich wieder mal den Diebstahl anzeigte, pustete die augenblicklich deprimierte Polizistin tief durch, als ich mit meinem Anliegen ankam. Dann setzte sie sich sich erschlaffend an den Rechner, und zwar mit jener speziellen Erschlafftheit, die nur solche Polizisten befällt, die einst, als sie sich für den Dienst bewarben, von einer Karriere als gefeierte Serienkillerjäger träumten.
„Was ist Ihnen eigentlich lieber“, fragte ich sie, um sie aufzumuntern (dabei war ich das Opfer!), „das hier oder ein Banküberfall?“ Sie musste prusten, aber mehr vor Überraschung. „Es gibt natürlich interessante Fälle“, sagte sie, und ich registrierte mit Wohlgefallen, dass sie sorgsam den Komparativ vermied, „aber diese Arbeit muss auch getan werden.“
Ich hatte das durchgesägte Schloss aus einem Mülleimer in unmittelbarer Nähe des Tatorts gefischt und präsentierte es ihr nun in der Hoffnung, sie möge es erkennungsdienstlich behandeln. „Vielleicht sind Fingerabdrücke drauf“, insinuierte ich.
„Ist die Oberfläche glatt?“, fragte sie, während sie fatalistisch die Rahmennummer meines Rades aus dem Fahrradpass ins Dokument übertrug. „Na, halt so eine plastikummantelte Stahlkette“, sagte ich und kramte das Corpus delicti aus der fingerabdruckschonenden Plastiktüte. Sie schaute desinteressiert hoch. „Zu glatt“, murmelte sie und tippte weiter.
Irgendwie habe ich das Gefühl, es war für uns beide ein Scheißtag. Nur nicht für diese hirngegrillte Stinkmorchel, aber da vertraue ich einfach auf die Rache meiner verrosteten Sattelstange.
PS: Wer irgendwo das abgebildete Fahrrad herumstehen sieht, möge mich anmailen. Inzwischen hat es eine feuerrote Klingel, die einen reizvollen Kontrast bildet zum restlichen Marineblau.
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23 März 2010
Freibier dank Erwin
Morgen Nachmittag (24. März) um 17 Uhr findet eine Abschiedsfeier für den im Februar verstorbenen Kiezmaler Erwin Ross statt, und zwar im Hamborger Veermaster an der Reeperbahn 162.
Natürlich gibt es dort auch einige seiner Werke zu sehen, darunter ein unvollendetes Beatles-Bild. Ab 20 Uhr singt der Hopfenchor Hamburger Lieder, und damit die Trauerfeier nicht gar zu traurig wird, gibt es Freibier – von Carlsberg in Flaschen, von Warsteiner in Fässern.
Wer Astra vermisst, muss sich halt selber welches mitbringen. Is so.
Foto: Günter Zint
22 März 2010
Die Tour de Ruhr: ein Nachklapp in 7 Bildern
Eine Lore im Ruhestand – Symbol des Ruhrgebiets, im Guten wie im Bösen
Skyline von Gelsenkirchen
Welkulturerbe Zeche Zollverein, Essen
Skyline von Essen
Fossilien im Ruhrmuseum, Essen
Ausstellung „Sternstunden“ im Gasometer Oberhausen
Dortmunder Schalkefans mit eigener Präsenz in der Veltins-Arena, Gelsenkirchen
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Im Pott, Tag 3: Die wandelnde Wissenslücke
Die Sachkenntnis der Teilnehmer dieser Maritim-Pressereise ist recht unterschiedlich. Übers Ruhrgebiet wussten wir vorher alle ungefähr gleich wenig, doch eine (auch noch blonde) Kollegin glänzt auch auf anderen Gebieten mit eindrucksvollen Lücken.
In der Veltins-Arena fällt der Name Felix Magath. „Wer ist das?“, fragt die Kollegin interessiert, „der Trainer?“ Jau. „Magath = Trainer“ notiert sie eilfertig in ihr liniertes Heft. „Wo war der denn vorher?“, insistiert sie investigativ wie einst Bob Woodward. Und wie Bob anno 73 kommt auch die Blonde an die gewünschte Information.
Beim von Klaus Fischer für uns alle signierten Minifußball vermutet sie einen anderen Klaus als Urheber, nämlich Allofs, obwohl der mit Schalke so viel zu tun hat wie Günter Netzer mit Synchronschwimmen (immerhin kennt sie Klaus Allofs!). Also sieht sie sich gezwungen, den Namen Allofs durchzustreichen und daneben „Fischer“ hinzuschreiben.
Doch erst im Gelsenkirchener Zoo – nach einem ahnungsvoll dramatischen Wolkenwogen am Himmel über Essen – spielt die Kollegin ihren größten Trumpf aus.
In der Abenddämmerung stehen wir vorm Orang-Utan-Gehege, und eins der Tiere schält sich schlaftrunken aus seiner Decke, um nachzuschauen, was da vor der Scheibe plötzlich los ist. Als der Orang mir in die Augen schaut, erkenne ich frappiert einen anthropologischen Bruder, und mitten in diese berührende Erkenntnis, die weit tiefer reicht als die biologische Ratio, platzt die blonde Kollegin mit der Killerfrage: „Gehören die zu den Menschenaffen?“
„Ja“, sage ich mit eiserner Selbstdisziplin – anstatt sie darüber in Kenntnis zu setzen, dass die Hohlräume ihrer Allgemeinbildung mühelos konkurrieren können mit dem Volumen sämtlicher stillgelegter Stollen zwischen Bochum und Bottrop.
Sorgsam notiert sie „Menschenaffe“. Wahrscheinlich hätte ich ihr des Orang Utans Wesen auch als amphibisch verkaufen können. Mein anthropologischer Bruder zieht sich ob dieses Dialogs wieder die Decke wieder über den Kopf. Gerne würde ich die Sache irgendwie richtigstellen, doch er ist ratzfatz eingeschlafen.
Die Kollegin leider nicht.
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21 März 2010
Im Pott, Tag 2: Zwischen Prinz und Papst
Unsere Zimmernummer im Maritim Hotel ist die 1109, aber wir sind zum Glück nicht abergläubisch, außerdem ist es erst März und nicht September.
Im Frühstücksraum treffen wir die Kickerinnen des 1. FFC Frankfurt, darunter die beste deutsche Fußballerin aller Zeiten, Birgit Prinz (übrigens mit großer Sicherheit eine gute Freundin von Hoteldirektor Chytra). Zufällig stehen wir gemeinsam an den Saftspendern, als ein älterer Herr ihr jovial die Schulter tätschelt und sagt: „Na, habt ihr eine Chance in Duisburg?“
Birgit Prinz würdigt ihn keines Augenwinkelblickes, sondern mustert weiterhin starr den Grapefruithahn und knurrt: „Keine. Aber die nutzen wir.“ Birgit Prinz kennt Spontisprüche! Es ist wirklich ein Wochenende voller Überraschungen.
Eher erwartbar verläuft dagegen unsere Besichtigung der Schalker Veltins-Arena. Der Stadionführer heißt Wolfgang Danzer und ist ein eloquenter Witzbold, vor allem, wenn es um den großen Revierrivalen Dortmund geht, den hier auf Schalke jeder nur Lüdenscheid-Nord nennt.
Danzer erklärt uns, wie der Rasen unterm Stadion rausgeschafft wird. „Das ist noch nie schiefgegangen“, sagt er. „Und wenn mal was schiefgeht, dann holen wir die Schwarz-Gelben zum Schieben.“ Wir lachen – und das müssen wir auch tunlichst tun, schließlich sind wir alle vorher mit einem Schalke-04-Fanschal ausstaffiert worden, sogar Ms. Columbo.
Je nach Gegner, erläutert Danzer derweil das Konzept der VIP-Lounge, in die wir gerade vorgestoßen sind, gibt es unterschiedliche kulinarische Angebote, zum Beispiel Maultaschen, wenn die Stuttgarter kommen. „Für die Schwarz-Gelben“, juchzt er, „natürlich nur Wasser und Brot!“
Dann geht’s runter in die Kabinen. Dort gibt es neben Pissoirs (visioniere kurz Kuranyi, wie er strullend davorsteht, kann das Bild aber rasch wieder verdrängen) auch eine vollfunktionsfähige Kapelle, damit sich vor allem Brasilianer wie Bordon vorm Spiel ordnungsgemäß bekreuzigen können. Schalke vermietet den Raum zudem für Hochzeiten und Taufen, und das wird jährlich hundertfach genutzt, obwohl das Ehrenmitglied des Vereins, zu dessen Wohlgefallen man in der Veltins-Arena einst diese merkwürdige Kapellenidee umsetzte, längst unfreiwillig austrat: Papst Johannes Paul II.
Danach brechen wir auf nach Essen zur Zeche Zollverein, ein stillgelegtes Kohlebergwerk, das zum Weltkulturerbe erklärt wurde – „wie die Pyramiden von Giseh oder das Taj Mahal“, erklärt der Zechenführer so lapidar wie latent prallstolz. Von ihm lerne ich auch ein neues Wort. Es bezeichnet die Metallkonstruktion über dem Zechengebäude und heißt „Doppelbockvollwandstrebengerüst“.
Ich schwöre, er hat es ohne jeden Deppenbindestrich ausgesprochen, und allein dafür könnte ich das ganze Ruhrgebiet knutschen.
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Im Frühstücksraum treffen wir die Kickerinnen des 1. FFC Frankfurt, darunter die beste deutsche Fußballerin aller Zeiten, Birgit Prinz (übrigens mit großer Sicherheit eine gute Freundin von Hoteldirektor Chytra). Zufällig stehen wir gemeinsam an den Saftspendern, als ein älterer Herr ihr jovial die Schulter tätschelt und sagt: „Na, habt ihr eine Chance in Duisburg?“
Birgit Prinz würdigt ihn keines Augenwinkelblickes, sondern mustert weiterhin starr den Grapefruithahn und knurrt: „Keine. Aber die nutzen wir.“ Birgit Prinz kennt Spontisprüche! Es ist wirklich ein Wochenende voller Überraschungen.
Eher erwartbar verläuft dagegen unsere Besichtigung der Schalker Veltins-Arena. Der Stadionführer heißt Wolfgang Danzer und ist ein eloquenter Witzbold, vor allem, wenn es um den großen Revierrivalen Dortmund geht, den hier auf Schalke jeder nur Lüdenscheid-Nord nennt.
Danzer erklärt uns, wie der Rasen unterm Stadion rausgeschafft wird. „Das ist noch nie schiefgegangen“, sagt er. „Und wenn mal was schiefgeht, dann holen wir die Schwarz-Gelben zum Schieben.“ Wir lachen – und das müssen wir auch tunlichst tun, schließlich sind wir alle vorher mit einem Schalke-04-Fanschal ausstaffiert worden, sogar Ms. Columbo.
Je nach Gegner, erläutert Danzer derweil das Konzept der VIP-Lounge, in die wir gerade vorgestoßen sind, gibt es unterschiedliche kulinarische Angebote, zum Beispiel Maultaschen, wenn die Stuttgarter kommen. „Für die Schwarz-Gelben“, juchzt er, „natürlich nur Wasser und Brot!“
Dann geht’s runter in die Kabinen. Dort gibt es neben Pissoirs (visioniere kurz Kuranyi, wie er strullend davorsteht, kann das Bild aber rasch wieder verdrängen) auch eine vollfunktionsfähige Kapelle, damit sich vor allem Brasilianer wie Bordon vorm Spiel ordnungsgemäß bekreuzigen können. Schalke vermietet den Raum zudem für Hochzeiten und Taufen, und das wird jährlich hundertfach genutzt, obwohl das Ehrenmitglied des Vereins, zu dessen Wohlgefallen man in der Veltins-Arena einst diese merkwürdige Kapellenidee umsetzte, längst unfreiwillig austrat: Papst Johannes Paul II.
Danach brechen wir auf nach Essen zur Zeche Zollverein, ein stillgelegtes Kohlebergwerk, das zum Weltkulturerbe erklärt wurde – „wie die Pyramiden von Giseh oder das Taj Mahal“, erklärt der Zechenführer so lapidar wie latent prallstolz. Von ihm lerne ich auch ein neues Wort. Es bezeichnet die Metallkonstruktion über dem Zechengebäude und heißt „Doppelbockvollwandstrebengerüst“.
Ich schwöre, er hat es ohne jeden Deppenbindestrich ausgesprochen, und allein dafür könnte ich das ganze Ruhrgebiet knutschen.
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20 März 2010
Im Pott, Tag 1: Der Klausfischerball
Die Hotelkette Maritim hat uns zu einer Pressereise nach Gelsenkirchen eingeladen, damit wir die Reize der Ruhrregion kennenlernen. Schließlich ist man Kulturhauptstadt des Jahres, und jetzt heißt es puschen, puschen, puschen.
Im Hotelrestaurant findet jeder von uns in einer geschickt zum Gefäß gefalteten Serviette einen kleinen knetbaren Fußball vor, der signiert ist, und zwar nicht von irgendwem, sondern von der Schalker Fußballlegende Klaus Fischer.
„Klaus Fischer“, erläutert Hoteldirektor Chytra mit stolzbebender Stimme, in deren Intonation noch Reste einer österreichischen Färbung mitschwingen, die im Lauf seiner 20 Jahre im Pott genauso dahinschwand wie die Kohlevorräte unter der hiesigen Krume, „Klaus Fischer ist ein Freund von mir. Er war heute Mittag um halb 12 hier und hat alle 40 Bälle signiert.“
Ich habe Klaus Fischer noch eigenäugig spielen sehen, irgendwann in den späten 70ern im Parkstadion. Er schoss drei Tore und fieselte damit die Frankfurter Eintracht praktisch im Alleingang ab. Klaus Fischer ist ein Mythos, er erzielte das sogenannte Tor des Jahrhunderts mit einem Fallrückzieher von der Strafraumgrenze aus, und ich halte gerade einen Knetball in der Hand, den heute Mittag noch Klaus Fischer in der Hand hielt. Ms. Columbo auch.
Es ist ein super Start ins Ruhrwochenende, und ich spüre eine Woge der Zuneigung zu Hoteldirektor Chytra. Übrigens ist auch David Hasselhoff sein Freund und überhaupt fast jeder, der es ins Who’s who geschafft bzw. mal im Maritim Gelsenkirchen übernachtet hat.
Nach dem Essen (währenddessen ich meinen Klausfischerball mindestens so liebevoll musterte wie das eingangs servierte Rahmsüppchen vom Tafelspitz mit Meerrettichchips) gesellt sich Herr Schäfer zu uns. Er gehört ebenfalls zum Mariteam (haha) und ist ein rundlicher Herr von Ende 30, der bestimmt schon mal dünner war.
„Ich war mal in der Fahrradnationalmannschaft“, glaube ich ihn verstanden zu haben, „aber da war ich noch dünner.“ Herr Schäfer stellt sich vor als „Hotelverkäufer“, und das macht mir ihn und das Ruhrgebiet sofort supersympathisch, denn in Hamburg hieße dieser Posten mit Sicherheit „Sales Manager“.
Herr Schäfer ist nicht nur Hotelverkäufer, sondern auch ein glühender Ruhrpatriot. „Jede Region ist irgendwo schön“, sinniert er, „doch uns glaubt man das nicht.“ Das macht ihn irgendwo traurig, motiviert ihn aber auch zu ausufernden Elogen aufs Ruhrgebiet, bei denen ihn letztlich nur einer bremsen kann: Er selbst.
„Ich rauche nicht, ich trinke nicht, ich mag keinen Fußball!“, ruft er irgendwann emphatisch, während ich versonnen meinen Klausfischerball knete, „und trotzdem bin ich ein echter Ruhrpottler!“
Der Platz rechts von mir ist unbesetzt geblieben, dort ruht ein weiterer, noch gänzlich ungekneteter Klausfischerball im Serviettengefäß. „Den würde ich mir gerne auch noch unter den Nagel reißen“, flüstere ich Ms. Columbo zu. „Wir sind Journalisten, wir dürfen uns danebenbenehmen“, ermuntert sie mich konspirativ, „und wenn sich jemand beschwert, dann bloggst du drüber.“
Und genau das tue ich dann auch alles, obwohl sich überhaupt gar niemand auch nur ein Fitzelchen beschwert hat.
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Im Hotelrestaurant findet jeder von uns in einer geschickt zum Gefäß gefalteten Serviette einen kleinen knetbaren Fußball vor, der signiert ist, und zwar nicht von irgendwem, sondern von der Schalker Fußballlegende Klaus Fischer.
„Klaus Fischer“, erläutert Hoteldirektor Chytra mit stolzbebender Stimme, in deren Intonation noch Reste einer österreichischen Färbung mitschwingen, die im Lauf seiner 20 Jahre im Pott genauso dahinschwand wie die Kohlevorräte unter der hiesigen Krume, „Klaus Fischer ist ein Freund von mir. Er war heute Mittag um halb 12 hier und hat alle 40 Bälle signiert.“
Ich habe Klaus Fischer noch eigenäugig spielen sehen, irgendwann in den späten 70ern im Parkstadion. Er schoss drei Tore und fieselte damit die Frankfurter Eintracht praktisch im Alleingang ab. Klaus Fischer ist ein Mythos, er erzielte das sogenannte Tor des Jahrhunderts mit einem Fallrückzieher von der Strafraumgrenze aus, und ich halte gerade einen Knetball in der Hand, den heute Mittag noch Klaus Fischer in der Hand hielt. Ms. Columbo auch.
Es ist ein super Start ins Ruhrwochenende, und ich spüre eine Woge der Zuneigung zu Hoteldirektor Chytra. Übrigens ist auch David Hasselhoff sein Freund und überhaupt fast jeder, der es ins Who’s who geschafft bzw. mal im Maritim Gelsenkirchen übernachtet hat.
Nach dem Essen (währenddessen ich meinen Klausfischerball mindestens so liebevoll musterte wie das eingangs servierte Rahmsüppchen vom Tafelspitz mit Meerrettichchips) gesellt sich Herr Schäfer zu uns. Er gehört ebenfalls zum Mariteam (haha) und ist ein rundlicher Herr von Ende 30, der bestimmt schon mal dünner war.
„Ich war mal in der Fahrradnationalmannschaft“, glaube ich ihn verstanden zu haben, „aber da war ich noch dünner.“ Herr Schäfer stellt sich vor als „Hotelverkäufer“, und das macht mir ihn und das Ruhrgebiet sofort supersympathisch, denn in Hamburg hieße dieser Posten mit Sicherheit „Sales Manager“.
Herr Schäfer ist nicht nur Hotelverkäufer, sondern auch ein glühender Ruhrpatriot. „Jede Region ist irgendwo schön“, sinniert er, „doch uns glaubt man das nicht.“ Das macht ihn irgendwo traurig, motiviert ihn aber auch zu ausufernden Elogen aufs Ruhrgebiet, bei denen ihn letztlich nur einer bremsen kann: Er selbst.
„Ich rauche nicht, ich trinke nicht, ich mag keinen Fußball!“, ruft er irgendwann emphatisch, während ich versonnen meinen Klausfischerball knete, „und trotzdem bin ich ein echter Ruhrpottler!“
Der Platz rechts von mir ist unbesetzt geblieben, dort ruht ein weiterer, noch gänzlich ungekneteter Klausfischerball im Serviettengefäß. „Den würde ich mir gerne auch noch unter den Nagel reißen“, flüstere ich Ms. Columbo zu. „Wir sind Journalisten, wir dürfen uns danebenbenehmen“, ermuntert sie mich konspirativ, „und wenn sich jemand beschwert, dann bloggst du drüber.“
Und genau das tue ich dann auch alles, obwohl sich überhaupt gar niemand auch nur ein Fitzelchen beschwert hat.
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19 März 2010
Das verschwundene Wahrzeichen
Keine Ahnung, wohin sich der Michel jüngst absentiert hatte, aber ich bin sehr erleichtert über seine unbeschadete Rückkehr.
(Blick von unserem Balkon nach Osten. Bilder unbearbeitet.)
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18 März 2010
Fundstücke (73): Lose Zusammengekehrtes
1. Auf den Toiletten des CCH ist der verchromte Spülkasten (Foto) so geformt und geneigt, dass er die untere Körperhälfte spiegelt – und dabei doch wahrhaftig die Größenverhältnisse ins Schmeichelhafte verzerrt. Frauen kriegen das wahrscheinlich überhaupt nicht mit.
2. Mein Ranglistenplatz auf der Statistikseite Bloggerei entsprach heute Abend exakt unserer Kabinennummer auf der anstehenden Ostseekreuzfahrt: 222. Was soll mir das sagen?
3. Die saumseligen Kommentare aus dem alten Blog bequemen sich übrigens peu à peu ebenfalls umzuziehen. Somit könnte ich alsbald erwägen, den Status quo ante komplett zu entfernen, doch irgendetwas hält mich davon ab. Ich warte erst einmal, ob Blogspot/Google auch tittenlastige Beiträge wie diesen auf Dauer unzensiert lässt.
4. Die Transen in der Schmuckstraße dürften seit heute tief durchatmen, denn endlich sind die Straßenbauarbeiten weitgehend durch. Das ordnungsgemäße Kobern ist nämlich eine geradezu unbewältigbare Herkulesaufgabe, wenn derweil Presslufthammer-B-B-B-Bernie in den Untergrund vorstößt und das Jaulen der Asphaltfräsen die stichhaltigsten Argumente übertönt. Doch jetzt wird ja wieder alles gut.
5. Ein großer Hamburger Verlag unterzieht freie Journalisten einer ganz besonderen Behandlung. Er bestellt einen Artikel zu einem bestimmten Honorar. Wenn auf der vorgesehenen Seite nun zur Freude des Verlags jemand eine viertelseitengroße Anzeige schaltet, kürzt er das Honorar für den bereits gelieferten Artikel um 25 Prozent, denn es wird ja auch weniger Text gedruckt … Im Klartext: Weil der große Hamburger Verlag plötzlich mit der Seite Geld verdient, spart er parallel am Honorar für den Journalisten. Wollte man die Begriffe „paradox“, „perfide“ und „schäbig“ gemeinsam definieren: Mit dieser Geschichte schaffte man es mühelos.
6. Es gibt einen neuen Bewerber um den Jil-Sander-Gammelsprech-Preis des Jahres. Auch er ist Modedesigner und heißt Wolfgang Joop. In der Zeitschrift Tush sagt der Mann Sätze wie: „Wir sind totally equipped und totally Opfer vom Equipment.“ Es ist vollkommen offensichtlich, dass der exzessive Umgang mit Klamotten bestimmte Synapsen beschädigt, die bei normalen Menschen das Babylon-Syndrom verhindern helfen. Es sollte allmählich Betty-Ford-Kliniken für so was geben.
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2. Mein Ranglistenplatz auf der Statistikseite Bloggerei entsprach heute Abend exakt unserer Kabinennummer auf der anstehenden Ostseekreuzfahrt: 222. Was soll mir das sagen?
3. Die saumseligen Kommentare aus dem alten Blog bequemen sich übrigens peu à peu ebenfalls umzuziehen. Somit könnte ich alsbald erwägen, den Status quo ante komplett zu entfernen, doch irgendetwas hält mich davon ab. Ich warte erst einmal, ob Blogspot/Google auch tittenlastige Beiträge wie diesen auf Dauer unzensiert lässt.
4. Die Transen in der Schmuckstraße dürften seit heute tief durchatmen, denn endlich sind die Straßenbauarbeiten weitgehend durch. Das ordnungsgemäße Kobern ist nämlich eine geradezu unbewältigbare Herkulesaufgabe, wenn derweil Presslufthammer-B-B-B-Bernie in den Untergrund vorstößt und das Jaulen der Asphaltfräsen die stichhaltigsten Argumente übertönt. Doch jetzt wird ja wieder alles gut.
5. Ein großer Hamburger Verlag unterzieht freie Journalisten einer ganz besonderen Behandlung. Er bestellt einen Artikel zu einem bestimmten Honorar. Wenn auf der vorgesehenen Seite nun zur Freude des Verlags jemand eine viertelseitengroße Anzeige schaltet, kürzt er das Honorar für den bereits gelieferten Artikel um 25 Prozent, denn es wird ja auch weniger Text gedruckt … Im Klartext: Weil der große Hamburger Verlag plötzlich mit der Seite Geld verdient, spart er parallel am Honorar für den Journalisten. Wollte man die Begriffe „paradox“, „perfide“ und „schäbig“ gemeinsam definieren: Mit dieser Geschichte schaffte man es mühelos.
6. Es gibt einen neuen Bewerber um den Jil-Sander-Gammelsprech-Preis des Jahres. Auch er ist Modedesigner und heißt Wolfgang Joop. In der Zeitschrift Tush sagt der Mann Sätze wie: „Wir sind totally equipped und totally Opfer vom Equipment.“ Es ist vollkommen offensichtlich, dass der exzessive Umgang mit Klamotten bestimmte Synapsen beschädigt, die bei normalen Menschen das Babylon-Syndrom verhindern helfen. Es sollte allmählich Betty-Ford-Kliniken für so was geben.
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17 März 2010
Fundstücke (72)
Wie fern und fremd uns der Sommer inzwischen geworden ist, beweist unfreiwillig der Penny-Laden in Ottensen: Er weiß nicht mal mehr, wie man „Strandtuch“ schreibt.
Und das Schlimmste ist: Er verramscht es schon jetzt, ganz so, als sei der Sommer bereits wieder vorbei.
Es ist alles so furchtbar traurig.
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