Manchmal, wenn ich wieder mal herumtorkelnde Wochenendfeierbiester (Ursache: siehe Foto) über den Kiez mäandern sehe, begegne ich ihnen mit Milde und Nachsicht, und zwar aus historisch-politischen Gründen.
Denn mal ehrlich: In diesem Zustand wäre es uns Deutschen niemals gelungen, Polen zu erobern, und auch zum Überfall auf die UdSSR hätte uns zweifelsohne die nötige Körperspannung gefehlt. Sage also noch einer, Alkohol wirke nicht segensreich!
Selbstvergessene Geschwätzigkeit tut das übrigens auch, wie mir unlängst klar wurde, als ich unter den heilenden Händen meiner attraktiven Physiotherapeutin mal wieder die lediglich 20 Behandlungsminuten viel zu schnell dahinschwinden sah. Zum Glück aber – ich weiß gar nicht mehr, wie wir darauf kamen – begann sie mir von den Abenteuern eines halbjährigen Südamerikatrips zu berichten.
Durch gezieltes (und nicht mal geheucheltes) interessiertes Nachfragen vermochte ich ihre anschaulichen Schilderungen immer tiefer in die glorreichen Gefilde des Detailreichtums hineinzumanövrieren, während sie gleichsam auf Autopilot weiter nebenbei professionelle physiotherapeutische Arbeit ablieferte.
Irgendwann hörte ich die unheilvollen Glocken des Michels 18 Uhr läuten, was zufällig mit dem designierten Ende des Therapiezwanzigminüters zusammenfiel, doch die Gute war dermaßen im Erzählfluss, dass sie mit nostalgisch verklärten Augen auch noch diesen Raub und jene Schießerei erwähnte sowie das nächtliche Stranden auf einer ungesicherten Andenpassstraße.
Am Ende war ich durch diese überraschenden Umstände in den Genuss von sieben (!) Extraminuten gekommen – und bin damit sicherlich einer der Hauptschuldigen an der immer breiter klaffenden Deckungslücke im deutschen Gesundheitssystem.
Dennoch sollten Sie mir möglichst mit Milde und Nachsicht begegnen, wegen mir auch aus historisch-politischen Gründen, das ist mir aber so was von egal.
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29 Juli 2011
28 Juli 2011
27 Juli 2011
Fundstücke (144)
1. Ein Ramschladen in Treysa schafft es, das eh als Synoym für billig und schlecht etablierte Wort „Mäc“ mit einer allgemein diskreditierten Charaktereigenschaft noch einmal kräftig aufzumotzen. Was der Laden damit über das Wesen seines Zielpublikums aussagt, müsste eigentlich dazu führen, dass kein Einwohner mehr dort einkauft. Dennoch waren einige Flaneure zwischen den Regalen zu entdecken, als wir … hüstel … den Laden betraten.
2. Dem Restaurant Zur Sonne im Herzen der Marburger Altstadt sind die Tageszeiten verrutscht – oder die Gerichte. Jedenfalls gibt es ausschließlich morgens unter keinen Umständen ein Bauernfrühstück.
3. So ist ein misslungener Werbespruch doch noch zu etwas gut. Entdeckt in der Clemens-Schultz-Straße auf St. Pauli.
4. Beinah wäre dieses Geschäft in den Zeisehallen wegen Geschlechterdiskriminierung vor Gericht gelandet. Ein Edding verhinderte in letzter Sekunde das Unglück. Ob man dort allerdings wirklich gewillt ist, auch einen Mann an die Nähmaschine zu lassen, ist eine andere Frage.
5. Immer, wenn ich dem Spiegel ein Sprachunglück maile, das ich im Spiegel selbst entdeckt habe, verzichtet er darauf, es in seiner Hohlspiegelrubrik zu dokumentieren. Mit dem postmortal noch immer durch die Welt wankenden Kippenberger war ich mir meines Erfolges im Grunde sehr sicher. Und was geschah? Wieder nichts. Echt hohl, der Spiegel.
25 Juli 2011
Dialog mit meinem Hausarzt
Matt: Irgendwas ist immer. Echt.
Doktor (50+): Wissen Sie, der 50. Geburtstag ist ein entscheidender Wendepunkt im Leben eines Mannes.
Matt: Aha.
Doktor: Ich will nicht unken, aber da kommt noch mehr.
Matt: Oh …
Doktor: Ich bin ja ein Schwein. Ich sage meinen Patienten immer: Warum soll es Ihnen besser gehen als mir?
(Das Symbolfoto zeigt Liftknöpfe im Amtsgericht in der Caffamacherreihe.)
Doktor (50+): Wissen Sie, der 50. Geburtstag ist ein entscheidender Wendepunkt im Leben eines Mannes.
Matt: Aha.
Doktor: Ich will nicht unken, aber da kommt noch mehr.
Matt: Oh …
Doktor: Ich bin ja ein Schwein. Ich sage meinen Patienten immer: Warum soll es Ihnen besser gehen als mir?
(Das Symbolfoto zeigt Liftknöpfe im Amtsgericht in der Caffamacherreihe.)
24 Juli 2011
Die gemütlichsten Ecken von St. Pauli (51)
Also wenn ich als Deutsche Bank schon die Filiale an der Reeperbahn dichtmache und den Kiez quasi sich selbst überlasse wie General Motors Detroit, dann sorge ich auch dafür, dass mein alter „Tag-Nachttresor“ tunlichst mit wegzieht.
So signalisiert er der Welt noch immer, beim abgebildeten Hauseingang handele es sich um eine Deutsche-Bank-Filiale, und das kann niemand wollen, höchstens Ackermann oder die Haspa ein paar Häuser weiter.
Oder ist das etwa doch noch eine Deutsche-Bank-Filiale …?
Dann will ich nichts gesagt haben.
23 Juli 2011
Pareidolie (10)
Einmal jährlich besuchen wir aus hochnostalgischen Gründen die Universitätsstadt Marburg und schreiten versonnen alle mythen- und autobiografisch umrankten Stätten ab.
„Die Erinnerung“, gab mir einst der weise Jan Plewka am Rande eines Interviews mit auf den Weg, „malt mit goldenem Pinsel“, und daran vermag auch der kälteste Juli seit der letzten Eiszeit nichts zu ändern.
Zur Feier unserer Wiederkehr begrüßte uns unsere alte Alma Mater, die Philfak, gar mit einem pareidolischen Kussmund an der Eingangstür, worüber ich sogar bloggen kann, denn in Marburg hat es ein stabiles Internet.
Die vergangenen Tage hingegen hatten wir in der Schwalm zugebracht, ein Landstrich, welchen wir hinfort klammheimlich als Tal der WLAN-losen zu diskreditieren bereit sind.
Davon dürfen die Menschen dort aber nie etwas erfahren, denn es sind prachtvolle, liebenswerte Menschen.
22 Juli 2011
21 Juli 2011
Geld zu verschenken!
Unglaublich: Nach all den gefühlten Jahrzehnten ist die Mauer endlich gefallen. Heute bin ich das glücklichste Volk der Welt. Denn:
Ich. habe. eine. Saisonkarte.
Man wird mich hinfort bei den Heimspielen des FC St. Pauli auf der Haupttribüne im Block H3 antreffen. Ich bin der, der selbst bei Niederlagen selig grinsen wird. Einfach, weil ich da sein darf. Dort, wo Sitzen fürn Arsch ist.
Als wenn diese verblüffende Entwicklung für mich nicht schon genug Manna vom Himmel regnen ließe, fand ich heute an der Kreuzung Kastanienallee/Beim Trichter auch noch Geld. Echtes Geld in Scheinen.
Da es sich um einen durchaus erklecklichen Eurobetrag handelt (wenn auch nicht in einer Höhe, die mir Knast einbrächte, wenn ich das Geld behielte), möchte ich ihn gerne dem Pechvogel zurückgeben, sofern er mir die Legitimität seines Begehrens nachweisen kann.
Dazu gilt es zwei Fragen richtig zu beantworten: Um welchen Betrag handelt es sich genau, und aus wie vielen und welchen Scheinen besteht der Fund? Wer aber jetzt jammernd hereinschneit und barmt, definitiv er habe das Geld ebenda verloren, wisse aber nichts Genaues über die Details: Pech.
Der Rechtsweg ist natürlich ausgeschlossen; ich bin ja nicht blöd.
20 Juli 2011
Pareidolie (9)
19 Juli 2011
Sie zeigt ihm ihre Liebe nicht
Unter unserem Balkon streitet sich lautstark ein Paar. Sie im Mini über Leggings, mit lippenstiftroten Highheels, weißer Plastikjacke und aufgeregt schlenkernder Handtasche; er ein unkonzentriert rasierter Schlaks in Jeans.
„Hau ab!“, schreit sie schlenkernd und will weggehen, doch er stellt sich ihr in den Weg, hält sie fest. Ein Passantenpaar, das vorbeikommt, will schlichten, mit magerem Erfolg.
„Hau ab, du Scheißkerl!“, ruft die Plastikjacke. Wieder will sie weg, und wieder wird sie festgehalten. Das fremde Paar versucht mit dem gleichzeitig defensiven und dennoch dominanten Mann eine deeskalierende Diskussion zu starten. Er erklärt, sie sei seine Frau, während er sich seiner weiterhin wütenden, doch auch nicht mit letzter Entschlossenheit zur Flucht ansetzenden Gattin erneut in den Weg stellt.
Dann erklärt er den beiden Fremden in ruhigen Worten seine Sicht der Welt. Die allerdings ist nur schwer in Einklang zu bringen mit der Realität unter unserem Balkon.
Denn der Mann sagt: „Sie zeigt mir ihre Liebe nicht, verstehst du?“
Und das stimmt absolut, das hat er sehr gut erläutert, denn wieder schreit es „Scheißkerl!“ von der Seite. Und dann kommt auch schon die Polizei, die diesmal jemand anders gerufen haben muss. Mit zwei Streifenwagen fährt sie vor, vier Leute springen heraus, Gerede, Gemurmel, Rechtfertigungen, und dann zieht das streitende Paar unbehelligt und unverhaftet ab.
Die Polizisten lachen und steigen in ihre Wagen. Solche Einsätze lieben und hassen sie zugleich. Im Grunde war das Ausrücken umsonst, aber andererseits mussten sie auch keine Körperteile von der Straße kratzen, das kann ja auch etwas sehr Unschönes sein.
In der Ferne sehe ich das Ehepaar, wie es diskutierend Richtung Imperial Theater geht. Er zieht sie am Arm. Sie schlägt ihn mit der Handtasche.
„Hau ab!“, schreit sie schlenkernd und will weggehen, doch er stellt sich ihr in den Weg, hält sie fest. Ein Passantenpaar, das vorbeikommt, will schlichten, mit magerem Erfolg.
„Hau ab, du Scheißkerl!“, ruft die Plastikjacke. Wieder will sie weg, und wieder wird sie festgehalten. Das fremde Paar versucht mit dem gleichzeitig defensiven und dennoch dominanten Mann eine deeskalierende Diskussion zu starten. Er erklärt, sie sei seine Frau, während er sich seiner weiterhin wütenden, doch auch nicht mit letzter Entschlossenheit zur Flucht ansetzenden Gattin erneut in den Weg stellt.
Dann erklärt er den beiden Fremden in ruhigen Worten seine Sicht der Welt. Die allerdings ist nur schwer in Einklang zu bringen mit der Realität unter unserem Balkon.
Denn der Mann sagt: „Sie zeigt mir ihre Liebe nicht, verstehst du?“
Und das stimmt absolut, das hat er sehr gut erläutert, denn wieder schreit es „Scheißkerl!“ von der Seite. Und dann kommt auch schon die Polizei, die diesmal jemand anders gerufen haben muss. Mit zwei Streifenwagen fährt sie vor, vier Leute springen heraus, Gerede, Gemurmel, Rechtfertigungen, und dann zieht das streitende Paar unbehelligt und unverhaftet ab.
Die Polizisten lachen und steigen in ihre Wagen. Solche Einsätze lieben und hassen sie zugleich. Im Grunde war das Ausrücken umsonst, aber andererseits mussten sie auch keine Körperteile von der Straße kratzen, das kann ja auch etwas sehr Unschönes sein.
In der Ferne sehe ich das Ehepaar, wie es diskutierend Richtung Imperial Theater geht. Er zieht sie am Arm. Sie schlägt ihn mit der Handtasche.
18 Juli 2011
Fundstücke (143)
17 Juli 2011
Hopsgenommen
Gestern Abend suchte ich DJ Ping (Foto) an seinem Mischpult im East Hotel auf, um ihn wieder mal einer Doppelbelastung auszusetzen: auflegen und plaudern.
Dabei kam das Gespräch auf sein Facebookfoto, was ihn in grobkörnigem Schwarzweiß hinter einer Autoscheibe zeigt. Obgleich Stirn und Augen von der Sonnenblende verdeckt sind, tritt sein grundfideler Gemütszustand deutlich zutage – obwohl er gerade von einer Überwachungskamera geblitzt wird.
Für 62 km/h innerorts, erzählte er, wurden ihm 15 Euro Bußgeld aufgebrummt. Das allerdings vermochte ich mit einem hochaktuellen Ereignis mühelos zu übertrumpfen. Vorgestern nämlich querte ich mit dem Fahrrad die vermeintlich gesperrte Hälfte der Dammtorstraße bei Rot, wartete in der Mitte auf Grün und wurde auf der anderen Seite prompt von der Polizei hopsgenommen.
Per Funk hatte der eine dem anderen Polizisten mein Kommen bereits avisiert, und als ich drüben ankam, stellte sich mir ein Tour-de-France-tauglich ausstaffierter Mountainbikeblaumann in den Weg. Es folgten neben der Frage, ob ich den Verstoß zugäbe („Bleibt mir ja wohl nichts anderes übrig, nicht?“), Belehrungen, Ermahnungen – und die frohe Kunde, ich bekäme demnächst die postalische Aufforderung, 45 (!) Euro zu zahlen. Hinzu käme ein Punkt in Flensburg.
Fünfundvierzig Euro? Große Güte. „Das würde mich aber fuchsen“, sagte DJ Ping, und wer wäre ich, ihm zu widersprechen. Wenn man beide Delikte und ihre Sanktionen vergleicht, ergibt sich somit folgendes Fazit:
Eine potenziell tödliche Tonne Stahl 24 Prozent zu schnell durchs Dorf zu bewegen wie DJ Ping ist nur ein Drittel so schlimm wie im Schneckentempo mit zehn Kilo Hollandrad bei Rot über die Fußgängerampel einer teilgesperrten Straße zu schleichen.
Übrigens ist das keinesfalls ein Appell, die Strafe für DJ Ping dramatisch heraufzusetzen. Dass das mal klar ist.
Nachtrag vom 8.11.2011: Gegen den Bußgeldbescheid hatte ich übrigens Widerspruch eingelegt. Mein Argument: Die Straße schien mir zur Hälfte gesperrt, weswegen ich bei Rot bis zur Mitte und dann bei Grün auf die andere Seite gewechselt sei. Die Lage vor Ort hatte ich mit einem Foto dokumentiert. Und heute – man glaubt es kaum – teilte man mir die Einstellung des Verfahrens mit. „Das Gericht“, schreibt das Gericht, „hält eine Ahndung der Ordnungswidrigkeit nicht für geboten.“ Dass ich so was noch erleben darf.
16 Juli 2011
Die gemütlichsten Ecken von St. Pauli (49)
15 Juli 2011
Der schüchterne Revolverheld
Am Dienstagabend waren wir eingeladen. Unten an der Elbe, in einer kleinen, stilvoll heruntergekommenen Kneipe namens Hafenbahnhof, wollte uns Johannes Strate, Sänger der sehr erfolgreichen Deutschrockband Revolverheld, sein erstes Soloalbum vorstellen.
Wie sich das Werk namens „Die Zeichen stehen auf Sturm“ anhört, -fühlt und -schmeckt etc. pp., spielt hier nicht die kleinste Rolle; das erfahren Interessierte kostenpflichtig am 30. September. Nein, an dieser Stelle soll eine kleine Analyse des abgebildeten Schnappschusses im Mittelpunkt stehen, obgleich er technisch (grazie, iPhone) unter aller Kanone ausgefallen ist. Aber nicht psychologisch!
Links nämlich sehen wir den Sänger sitzen, und mitten im Jewelcasezuklappen schaut er sympathisch schüchtern, doch warmherzig hoch zu einer allein schon dadurch, dass sie aufrecht steht, dominant wirkenden Blondine, die ihn rechts aus dem Halbdunkel heraus auffordernd anlächelt.
Da liegt unwiderlegbar nonverbale Spannung in der Luft, entlang der diagonal gekippten Blickachse flirrt es geradezu vor Flirtpotenzial. Doch – ach! – in der Mitte, als unüberwindliche Sperre, prunkt eine Projektion von Strate höchstselbst, gleichsam sein Gewissen, welches mahnend ernst herabblickt auf die bedrohliche Szenerie.
Denn Strate, so jedenfalls darf man diese Bildkomposition in ihrer melodramatischen Gesamtheit durchaus interpretieren, ist bereits anderweitig vergeben. Er steht sich – und da würde mir selbst Sigmund Freud gewiss nicht widersprechen – buchstäblich selbst im Weg. Und der Blondine damit natürlich auch.
Wenn Sie den heutigen Eintrag übrigens erst an dieser Stelle für unsinnigen Quatsch halten (ja, es gibt auch sinnigen Quatsch), dann kann es nur daran liegen, dass Sie es mir unabgesprochen gleich getan und bereits zwei Gläser Collegium Wirtemberg Riesling Alte Rebe intus haben.
Nur so eine Theorie.
14 Juli 2011
Sss, fff und dies und das
Heute in der Umkleidekabine des Fitnessstudios belauschte ich ein Gespräch zwischen zwei Geschlechtsgenossen, das mir hinfort als Beispiel für die Definition eines Optimisten gelten wird.
Einer erzählte einem anderen, er sei am Wochenende bei einem Opelhändler gewesen, der irgendetwas zu feiern und daher eine gutbestückte Tombola veranstaltet hatte. „Ich wollte eigentlich zu Fuß gehen“, erzählte der Mann, während er sich frottierte, „für den Fall, dass ich das Auto gewinne.“
Dass er es dann doch nicht tat (und – wie sich im weiteren Verlauf der Erzählung herausstellte – auch nicht mal ein Auto als Gewinn ausgelobt worden war), ändert nichts daran: Für diesen Mann ist das Glas bestimmt immer halbvoll; er ist das Musterbeispiel eines Optimisten.
Aufmerksamen Lesern sind sicherlich die drei aufeinanderfolgenden Konsonanten im Wort „Fitnessstudio“ aufgefallen. Es gibt sogar mindestens ein Wort im Deutschen, das dieses seltene Phänomen gleich doppelt aufweist: „Flussschifffahrt“. Wer mir weitere zu nennen in der Lage ist, gewinnt jeweils einen Opel, sofern mir ausreichend viele zum Verlosen zur Verfügung gestellt werden.
Mit dem merkwürdigen Foto, welches ich in der Grindelallee anfertigte, hat das übrigens alles so viel zu tun wie FDP-Politiker mit wissenschaftlichen Standards, aber das ist ja nicht weiter schlimm.
13 Juli 2011
12 Juli 2011
Grenzerfahrung in der Hafencity
Vor zwei Jahren nahm ich schon einmal das spezifische Flohmarktsortiment in der Hafencity unter die Lupe und kam zu interessanten soziologischen Erkenntnissen. Am Sonntag waren wir mal wieder da, um erneut die Anwohner von Magellanterrassen und Sandtorkai beim Ausmisten zu beobachten.
Diesmal auffällig oft vertreten: Nippes, den man von Flugreisen übrigbehält. Also Schirmmützen der Lufthansa, Rucksäcke von Condor, Einwegschlappen aus Luxushotels – sowie ein zauberhafter Strohhut mit der Banderolenaufschrift „Sheraton-Grande Lacuna Beach Phuket“, den ich augenblicks erstehen musste (aus Gründen), und zwar für faire drei Euro. Der Herr in den besten Jahren, der ihn mir verkaufte, begründete seine Entscheidung damit, sein Kopf sei mittlerweile „zu groß geworden“.
Ich fand das merkwürdig, weil gemeinhin mit dem Alter eher Körperpartien wie Bauch, Hüfte oder Oberschenkel dazu neigen, Lebensjahre kongenial in Speckzuwachs umzusetzen, doch vielleicht unterscheidet ja gerade das die Hafencitybewohner essenziell von Kiezianern oder Eimsbüttlern.
Gleichwohl verstörte mich etwas anderes weitaus mehr, nämlich das Cover der abgebildeten Vinylsingle.
Klar, die Popgeschichte ist überreich an ästhetischen Verirrungen, ja Vollkatastrophen, doch dieses Exemplar einer gewissen Claudia Phillips, die den Begriff „Brustimplantat“ auf bestürzende Weise neu interpretiert und dazu grellstens grimassiert, als schöbe man ihr gerade einen Skorpion ins Rektum, gehört in seiner Scheußlichkeit sicherlich zu den herausragenden Beispielen.
Es ist also völlig nachvollziehbar, weshalb ein Hafencitybewohner sich lieber vorgestern als übermorgen von der dreiköpfig mutierten Frau Phillips trennen möchte. Die entscheidende Frage aber lautet doch: Wie ist er überhaupt in den Besitz dieser Platte gelangt? Wurde er irgendwo auf der Welt, vielleicht im Folterkeller des Sheraton-Grande Lacuna Beach Phuket, unter Androhung roher körperlicher Gewalt zum Kauf gezwungen?
Ich habe mich nicht getraut zu fragen. Schließlich gibt es Grenzen.
11 Juli 2011
Sex sells, aber nicht immer
Die Koberer an der Reeperbahn erkennen mich immer noch nicht. Liegt es an meinem Durchschnittsgesicht oder an ihrer (berufsbedingten) Amnesie? Keine Ahnung.
„Darf ich Ihnen mal zeigen, den versauten Stall?“, umgarnt mich einer, dem ich im Lauf der Jahre schon circa achthundertmal mangelndes Interesse signalisiert habe. „Noch sindse frisch geduscht, noch riechense gut!“
Danke, trotzdem nicht. Sollte er mich demnächst mal wieder nach Mitternacht ankobern, werde ich ihn mit seinen eigenen Waffen schlagen – und die Ablehnung seiner Offerte mit „olfaktorischer Vorsicht“ begründen.
Auf der anderen Seite der Reeperbahn muss ich an der Fußgängerampel gegenüber der Davidwache Grün abwarten und gerate in den Radar einer großen blonden Hure, die mich immerhin nicht anfasst, was ich ihr innerlich hoch anrechne.
„Was hast’n noch vor heute Abend?“, flötet sie. „Ich will jetzt nach Hause, zu meiner Frau.“ Hat sie anscheinend schon mal gehört, diese Ausrede (wobei das gar keine Ausrede ist – für den Fall, dass Ms. Columbo hier mitliest). Jedenfalls antwortet sie sofort: „Kannste doch auch noch in ner halben Stunde! Du bist halt im Verkehr steckengeblieben. 30 Euro – für’n kleinen Abstecher …?“
Verdammt, woher kennt diese Frau meine heillose Schwäche für Kalauer? „Nicht schlecht: im Verkehr steckengeblieben; Abstecher“, lobe ich sie mit kursivierter Betonung und anerkennendem Nicken, ehe ich ihr noch einen schönen Abend wünsche.
Übrigens erlischt nur eins auf dieser Welt schneller als eine Kerze im Schneesturm: das Interesse einer Reeperbahnhure, die keine Erfolgschance mehr sieht. Schlagartig vereisende Gesichtszüge, Abdrehen, Weggehen: Das ist gleichsam eine einzige homogene Aktion, deren behende Eleganz man durchaus heimlich bewundern darf.
Wer von Ihnen übrigens bereits nach der Preisangabe elektrisiert abgeschaltet hat, dem sei vorsichtshalber gesagt: 30 Euro ist nach Angaben gewöhnlich gut informierter Kreise nur ein lachhafter Lockvogelfantasiepreis, für den die gute Frau auf dem Zimmer nicht mal das T-Shirt lüftet.
Und für die unweigerlich beginnenden Nachverhandlungen auf ihrem ureigenen Territorium sind gewiss nur die wenigsten Menschen auf der Welt gerüstet. Debütierende Freier schon mal gar nicht.
PS: Das heutige Motiv aus der Talstraße hat nur lose mit den geschilderten Ereignissen zu tun, das gebe ich zu.
10 Juli 2011
Pareidolie (8): Bernds mondäne Schwester
09 Juli 2011
Fundstücke (142)
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