09 Februar 2007

Es stinkt

Heute geschahen merkwürdige Dinge. Zunächst waberte ein Gestank durch den Büroflur, der in mir die ernste Sorge weckte, eine Toilette könnte verstopft sein. Doch der Geruch kam nicht aus dem Sanitärbereich, sondern aus der Küche. Dort bereitete sich der Gourmetredakteur gerade ein Gericht in der Mikrowelle zu.

Praktisch parallel lief mir Kramer, der redaktionseigene Filmkritiker, über den Weg und warf mir Ungeheuerliches an den Kopf. „Mit deinem schwarzen Rollkragenpulli“, ächzte er und schaute derart angeekelt, als müsse er mit fixierten Augen Pasolinis „120 Tage von Sodom“ schauen oder das Mikrowellengericht des Gourmetredakteurs kosten, „siehst du aus wie ein FILMKRITIKER.“

Eine schlimmere Beleidigung fällt einem Filmkritiker nur in Ausnahmefällen ein. Übrigens kontrastierte mein schwarzer Rollkragenpulli heute aufs Aparteste die schimmernde Schneedecke, die gerade St. Pauli zart überzuckert. Der ganze Kiez scheint matt zu leuchten.

Er riecht auch besser als sonst.


Weitere Kramereien
Der Lacksack
Der Schokoripper
Kollateralschäden der Klimakatastrophe
Duck dich, Sylt!
Null zu eins
Der Walabend

08 Februar 2007

Was Kaffee mit Franken macht

Dieser Eintrag ist um zwei Ecken verwandt mit dem gestrigen. Allzu nah dran, wird mancher nun sagen. Doch was soll ich machen? Der Franke hat nämlich eine irre Theorie. Und die muss referiert werden, ehe er sie durch den nächsten Irrwitz ersetzt.

Kaffee und Espresso, behauptet er nämlich neuerdings steif und fest, regten die Insulinproduktion an, so dass er, der Franke, nur kurze Zeit nach dem Koffeinkonsum alle Anzeichen von Unterzuckerung zeige und somit schicksalhaft gezwungen sei, sofort kiloweise Gummibärchen, Toffifees oder wenigstens ein Dutzend Mandarinen in sich hineinzustopfen.

Andernfalls nämlich, gibt der Franke bestürzende Einblicke in seine alienartigen anatomischen Abläufe, begänne er zu zittern und zu delirieren, was sich – unter uns gesagt – von seinem Normalzustand nur in Nuancen unterscheidet.

Gemeinhin, hake ich an dieser Stelle jedenfalls kopfschüttelnd ein, sei aber doch – wie man gewiss bereits aus der „Sendung mit der Maus“ erfahren haben dürfte – allein die Zufuhr von Zucker verantwortlich für die Alarmstimmung der Bauchspeicheldrüse (Mitte); erst dann begänne sie ja wohl zeternd die Insulinpumpe anzuwerfen.

Koffein hingegen dürfte die Drüse keinen Deut jucken, dafür würde die nicht mal mit dem kleinen Finger wackeln, geschweige denn aus wohlverdientem Schlummer schrecken.

Doch alles vergebens, der Franke glaubt so fest an die kaffeeinduzierte Emsigkeit seiner Pankreas wie die Mehrheit seines Volksstamms an die Jungfrauengeburt. Wahrscheinlich will er sich einfach seine Rechtfertigung fürs tütenweise Vertilgen von Gummibärchen nicht nehmen lassen.

Aber genau das, die hemmungslose Hingabe an Süßes, wäre fatal, wie ich nach kurzem Gegoogel herausgefunden habe. Zudem steht da auch noch Folgendes: Kaffee pusche die Adrenalinproduktion, was wiederum die Leber reize, Zucker ins Blut zu leiten, wodurch in der Tat die Pankreas anfinge, mit Insuliln rumzuspritzen.

In gewisser, indirekter, abgeleiteter, weit hergeholter, winzigkleiner Weise hat der Franke also gewissermaßen doch ein bisschen recht, wenn auch aus den falschen Gründen.

Das darf er aber bitte niemals erfahren.


Die bisherigen Teile der Frankensaga
19. Der Kulturstoffel 18. Fußball auf Fränkisch! 17. Auhuuu! 16. Die Bettelblickattacke 15. Der Franke bleibt störrisch 14. Der unvollendete Panini-Coup 13. Duck dich, Sylt! 12. Auf Partypatrouille 11. Laggs auf vier Uhr 10. Der Franke ist überall 9. Die Greeb-Pfanne 8. Erste gegen dritte Liga 7. Die verspätete Riesenkartoffel 6. Der historische Tag 5. Der Alditag 4. Der Faschingskrapfen 3. Der Klozechpreller 2. Der Dude 1. Das Alte Land

07 Februar 2007

Der Kulturstoffel

Oft treibt es uns mittags ins winzige italienische Café Centrale. Nachdem der Wirt, der uns längst duzt und mit jovialem Handschlag begrüßt, mir unlängst auf Nachfrage die Pluralform von „doppio“ erläutert hat, bestelle ich heute forsch „Zwei Espressi doppi, bitte!“

Während er sich eilfertig ans Werk begibt, nutzt der Franke die Gelegenheit zur harschen Kritik an meiner Bestellmethode. Er – ausgerechnet er, dessen seltsamen Sprachfehler man südlich des Mains völlig vergebens als „fränkischen Zungenschlag“ zu folklorisieren versucht – er also behauptet frech, sofern er geordert hätte, wäre das Ganze komplett italianisiert abgelaufen, nämlich inklusvie des Zahlworts „due“.

Ich brause sogleich auf. Nein, nein, das wäre ganz falsch gewesen, widerspreche ich erregt, zwar nicht grammatikalisch, aber aus einem anderen Grund: Gerade die komplett italienisch artikulierte Phrase, womöglich gar beendet mit einem geschnarrten „Per favore!“, hätte die Grenze zwischen höflichem Entgegenkommen und eitler, anbiedernder Affigkeit deutlich überschritten, und zwar ganz ohne Not.

Die von mir gebrauchte Mischform hingegen, so versuche ich dem Begriffsstutzigen mühsam beherrscht zu verklickern, habe dem Wirt einerseits meinen guten Willen signalisiert, ihm aber auch klar verdeutlicht, dass ich keineswegs vorgehabt habe, sein ureigenes Territorium zu okkupieren.

Von derart spitzfindigen theoretischen Unterfütterungen meines Vorgehens ist der Franke naturgemäß überfordert, weshalb er sturköpfig einfach noch mal wiederholt, wie er bestellt hätte: „Nein, duä Äsbräsi dobbi!“

Aha, also ohne „Per favore“? Banausenfranke, Kulturstoffel, Nichtsmehrmerker!, schießt es mir stakkatisch durch den längst zornesroten Kopf. Doch noch während wir uns kabbeln, bringt uns der Wirt zum Schweigen – mit zwei Doppelespressi und ebensovielen Stücken unfassbar guten Apfelmarzipanwalnusskuchens.


Die bisherigen Teile der Frankensaga
19. Der Kulturstoffel 18. Fußball auf Fränkisch! 17. Auhuuu! 16. Die Bettelblickattacke 15. Der Franke bleibt störrisch 14. Der unvollendete Panini-Coup 13. Duck dich, Sylt! 12. Auf Partypatrouille 11. Laggs auf vier Uhr 10. Der Franke ist überall 9. Die Greeb-Pfanne 8. Erste gegen dritte Liga 7. Die verspätete Riesenkartoffel 6. Der historische Tag 5. Der Alditag 4. Der Faschingskrapfen 3. Der Klozechpreller 2. Der Dude 1. Das Alte Land

05 Februar 2007

Jetzt wird auch Wikipedia geschwärzt

Die Diskussion um das von der Schauspielerin Hannah Herzsprung verhunzte Interview, welches das U_mag mit geschwärzten Stellen veröffentlichte, hat Wikipedia erreicht.

Irgendwer versucht nämlich dort weiterzumachen, wo die Streichorgie im U_mag aufhörte. Der letzte Woche auf Herzsprungs Wikipedia-Seite eingetragene Verweis auf das Interview war schon nach einem Tag wieder weg (Begründung: „U_mag irrelevant!“), tauchte dann aber kurze Zeit später wieder auf („keineswegs irrelevant“ – und ich war das nicht!).

Heute nun wurde die unstrittig wahrheitsgemäße Passage schon wieder entfernt. Rechtfertigung:


„Ich halte den Text für biografisch irrelevant. Außer auf dem verlinkten Blogeintrag ist diese überaus merkwürdige Art von Journalismus, mit der sich U Mag bestimmt keine neuen Freunde macht, kein Thema in den Medien. 16:17, 5. Feb. 2007 (CET)“.

Nun, gut recherchiert war das nicht. So war das geschwärzte Interview z. B. gestern der Welt einen sympathisierenden Verweis wert. Und das erfreuliche Feedback von vielen neuen Freunden, das die Redaktion zurzeit erreicht, ähnelt dem Eintrag im Betonblog, wenngleich es in der Regel weniger drastisch formuliert ist …

Mit der gleichen Strategie, mit der das Interview gerupft wurde, fuhrwerkt man also jetzt bei Wikipedia herum – und glaubt, der jungen Schauspielerin damit einen Gefallen zu tun.

Ich glaube, das ist ein Irrtum.

PS: Nur für den Fall, dass der fleißige Radierer nachhaltigen Erfolg haben sollte, folgt hier die von mir modifizierte Passage im Wikipedia-Eintrag, die ihm so unerträglich ist:

Im Januar 2007 ließ Hannah Herzsprung einen Interviewtext des U_mag, der ihr zur Autorisierung vorgelegt wurde, stark zusammenstreichen. Das Magazin entschloss sich daraufhin, das Interview inklusive der von Herzsprung geschwärzten Stellen abzudrucken.“

Empörend, nicht?

04 Februar 2007

Mit Suppe oder gar nicht

Als ich morgens in „Bigi’s Shop“ in der Hein-Hoyer-Straße die Sonntagszeitung aus dem Ständer zu friemeln versuche, eilt Bigi, eine schnauzbärtige, runde und sehr wahrscheinlich türkische Frohnatur herbei, um mir eine helfende Hand zu reichen.

Das ist auch nötig, denn heute klebt der Sonntagszeitung etwas auf, was nicht abfallen soll, und natürlich ist mir das beim Friemeln schon passiert. Jetzt muss das abgefallene Etwas zwischen den anderen Zeitungen herausgefischt werden.

Bigi gelingt das rasch – und reicht mir zufrieden die Sonntagszeitungsbeilage von heute: eine Tüte „Waldpilz Suppe“ von Knorr, für zwei Teller.

Ich mustere die Tüte, vermag es aber nicht, Begeisterung zu heucheln. Im Gegenteil: Ich signalisiere Bigi schonend, lieber auf die Suppe verzichten zu wollen – und schlage hintersinnig vor, er könne mir doch die Zeitung schenken, sofern ich die Suppe daließe.

Bigi lacht auf, der Schnauzer wackelt, und seine Augen weiten sich, aber auch vor Wachsamkeit. Nein, nein, erklärt er unvermittelt ernst, er müsse die Suppe mit der Zeitung herausgeben und umgekehrt, das eine nicht ohne das andere, dazu sei er verpflichtet. Man habe es ihm ernsthaft eingeschärft: keine Zeitung ohne Suppe. „Die haben dafür bezahlt“, raunt er verschwörerisch und meint damit ohne Zweifel Knorr.

Na gut, sage ich, dann nehme ich eben beides. Und jetzt besitze ich eine Tütensuppe, für zwei Teller, laut Packung mit edlen Steinpilzen. „Eine“, wie es unbeholfen tautologisch weiter heißt, „feine Weißweinnote gibt dieser Suppenkreation eine besondere Note“ – offenbar hatte Knorr angesichts der nicht mal ausreichend hohen Investitionen in edle Steinpilze kein Geld mehr für fähige Texter.

Das scheint mir übrigens auch oft für die Sonntagszeitung zu gelten.
Insofern: eine logische Verbindung.

(Und wer mir jetzt spitzfindig damit kommt, die Sonntagszeitung investiere doch gar nicht in edle Steinpilze, den schimpfe ich lauthals KORINTHENKACKER.)

Lose Zusammengekehrtes

Bilderklärungen, von oben nach unten:

1. Automatische Werbung auf einer Google-Ergebnisseite. Ich kenne übrigens Bezugsquellen, wo Husten zurzeit sogar kostenlos zu haben ist. Eine davon hört auf den Namen Ms. Columbo.

2. Kopftext einer Anzeige meiner Hausbank. Der Text geht noch weiter, allerdings relativierend und kleinmütig.

3. Ergebnis einer zurzeit grassierenden Onlineumfrage, an der ich teilnahm. Es ist aus biologischer Sicht sehr, sehr schmeichelhaft. Aber mental gesehen ein Schlag ins Gesicht.

4. Ein anderer Matt (aus den USA) liefert eine quantitative Begründung für Qualität. Das erinnert mich an einen alten Spontispruch: „Esst Scheiße. Milliarden Fliegen können nicht irren.“ Irgendwo habe ich den auch schon mal im Zusammenhang mit dem Betriebssystem Windows gelesen.

02 Februar 2007

Fundstücke (32)

1. „Wir hatten Glück in der Liebe und Spiele im Pech“ heißt es wunderschön verquer in Tom Liwas Song „Apfelkern“, den der tolle Songschmied fürs Comebackalbum seiner verschrobenen Indieband Flowerpornoes geschrieben hat. Die CD heißt „Wie oft musst du vor die Wand laufen, bis der Himmel sich auftut?“, und genau das habe ich mich auch schon mehrfach gefragt, wenngleich in etwas anderer Wortwahl. Wer übrigens wissen will, bis zu welchem Alter die männliche Pubertät anhält, erfährt das in meinem (leicht angejahrten) Liwa-Interview.

2. Während des Fitnesstrainings schaue ich MTV und muss mir anhören, wie Popsternchen Christina Aguilera ihren neuen Lieblingswitz erzählt. Er geht so: Wie ruft man einen Hund ohne Beine? Gar nicht – er kommt ja eh nicht. Die unterirdische Qualität dieses Witzes hat seine Verbreitung kaum behindert, wie man in manchem Blog nachlesen kann. Und jetzt auch in meinem, Shit.

3. Kein Wunder, dass mir bei Aguilera Kurt Tucholsky einfällt: „Der Mensch ist ein Lebewesen, das klopft, schlechte Musik macht und seinen Hund bellen lässt. Manchmal gibt er auch Ruhe, aber dann ist er tot." Hat Tucho gesagt, ohne Aguilera zu kennen. Ein Visionär.

4. Bayern München sollte nach dem heutigen 0:3-Desaster in Nürnberg sofort den Trainer wechseln. Ich wüsste auch den richtigen: Thomas Doll.

5. Bei jenem Zeitgenossen aus dem westfälischen Holzwickede, der um 18:41 Uhr über die Google-Suche „lange gespreizte Frauenbeine“ auf meinem Ritzen-Eintrag stieß, habe ich mich gefragt, warum er nicht lieber die Google-Bildersuche bemüht hat. Gleichwohl hatte er Glück, denn mein Eintrag offerierte ihm wirklich lange gespreizte Frauenbeine in Wort und Bild. Dennoch zog er, offenbar unbefriedigt, schon nach 54 Sekunden wieder von dannen. Wie kann ich bloß die Menschen mehr an mich binden? Ich weiß es nicht.

Alle bisherigen Fundstücke: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, Oh, my Google!

01 Februar 2007

Wie ein Lacksack

Kramer fragt sich, ob es nicht sein könne, dass der ganze Spam, der Tag für Tag auf uns einschwappt, in Wahrheit gar keiner ist.

Dass Viagra bei der Webapotheke XY wirklich nur einen Dollar pro Tonne kostet. Dass die drei geilen Schlampen, die dir den besten Sex deines Lebens versprechen – und zwar noch heute, in deiner Stadt! –, sich wirklich gerade im Nachbarhaus vorauseilend stöhnend nackich machen und auf dich warten.

Und du Idiot kriegst ihn nicht, den besten Sex deines Lebens – einfach nur, weil du glaubst, was alle Welt glaubt: Diese Mail sei Spam.

Wie gesagt: Kramers Gedankenspiel. Ich hingegen frage mich, wozu genau man eine Latex-Fruchtblase braucht, auf die ich unversehens beim Googeln nach Ichweißnichtmehr stieß und die mir im ersten Moment vorkam wie ein Lacksack. Aus den einschlägigen Sexshops an der Reeperbahn kenne ich so etwas nicht, daher mein Kompetenzmanko.

Und was macht eigentlich derjenige mit der Latex-Fruchtblase, der gerade nicht drinsteckt? Oder dient sie ausschließlich der einsamen Autoerotik? Aber wie kommt man dann wieder raus?

Ich glaube, Kramers Frage nach dem eventuell authentischen Wesen von Spam ist leichter zu beantworten.

Weitere Kramereien
Der Schokoripper
Kollateralschäden der Klimakatastrophe
Duck dich, Sylt!
Null zu eins
Der Walabend

31 Januar 2007

St. Pauli hält zum HSV

Hier auf St. Pauli verfolgt man den grausamen Niedergang des Hamburger SV mit frohgemuter Häme. Jedes Spiel, das die Distanz zwischen dem klitzekleinen Kiezclub (3. Liga, Platz 12) und dem Megamillionenverein (Bundesliga, ganz hinten) verkleinert, wird freudig registriert, selbst wenn noch zwei Ligen dazwischenliegen.

So geht es natürlich auch mir; man atmet diese letztlich hoffnungslose Animosität tagtäglich mit der Kiezluft ein. Und wenn HSV-Torhüter Frank Rost heute Abend den herrlichen Satz sagt: „Tiefer in der Tabelle können wir nicht mehr kommen – das ist schon mal positiv“, dann ist man als Paulianer allzeit zum Feixen bereit.

Doch so ganz allmählich vermischt sich die Genugtuung über den gedemütigten Großverein mit einem anderem Gefühl: dem Bangen vor der Bundesligalosigkeit Hamburgs. Als zweitgrößte und sowieso schönste Stadt Deutschlands haben wir ein natürliches Recht auf einen Platz in der Liga.

Das war schlicht schon immer, immer, immer so; keine andere deutsche Stadt kann das von sich behaupten, vor allem und zuvörderst Berlin nicht. Insofern darf der HSV – und ich weiß, was ich jetzt sage – nicht absteigen. Punkt.

Zumindest nicht bis 2008. Denn dann spielt ja St. Pauli wieder in der Bundesliga.

(Das Foto zeigt übrigens eine riesenhafte Skulptur von Uwe Seelers rechtem Fuß vorm HSV-Stadion.)

Weitere ausgewählte Fußballbloggereien:
HSV gegen Arsenal
Warum? Darum!
Fundstücke (24)
Doll und das Bremen-Spiel

30 Januar 2007

Guido wollte auch mal was sagen

Heute stellt sich doch wahrhaftig FDP-Chef Guido Westerwelle vors Mikro und behauptet, die Einführung eines Mindestlohns gefährde Arbeitsplätze. Ach ja? Mit diesem Argument, Westerwelle, ließe sich auch die Beibehaltung der Sklaverei rechtfertigen.

Denn führte nicht die Einführung eines Mindestlohnes für Sklaven dazu, dass sich die Sklavenhalter leider, leider von den bisher kostenlosen Zwangsarbeitern trennen müssten?

Dem Topverdiener Westerwelle ist die Gewinnspanne der Unternehmen im Zweifelsfall aber wichtiger als ein menschenwürdiges Leben. Deshalb sollen sich nach Guidos Gusto viele Menschen weiter für zwei Euro fünfzig pro Stunde als Halbsklaven verdingen müssen.

Nun, wer das okay findet, der mag ihn das nächste Mal wählen. Hier auf St. Pauli, so viel ist sicher, wird er damit nicht punkten. Viele hier wissen nicht einmal, wie man „Lohn“ buchstabiert.

Zum Beispiel diese orangehaarige Punkerin bei Penny. Im Eingangsbereich streitet sie mit einem Sicherheitsmann. Sie soll gehen, aber sie will nicht gehen. Gut, dann Polizei, sagt der Sicherheitsmann. Dann eben Polizei, sagt die Punkerin und zieht freudlos an der Kippe.

Als die Streife kommt, erklärt sie, sie habe noch nie hier geklaut oder sonstwie Ärger gemacht. „Nur weil ich einen Iro hab, habe ich Hausverbot. Das können die doch nicht machen. Ich will hier einkaufen wie jeder andere auch.“

Aber Hausrecht ist Hausrecht, die Kriterien sind frei definierbar, und eins davon kann eben auch ein Irokesenschnitt sein, sorry. Hätte die Punkerin einen menschenwürdig bezahlten Job, könnte sie sich den Sparmarkt in der Paul-Roosen-Straße leisten. Dort wird man auch nicht wegen seines Aussehens als Kunde abgelehnt.

Selbst Westerwelle würde dort bedient.
Denke ich mal.

Noro, duck dich!

Ihr alle, die ihr mühselig und beladen seid, vor allem mit der Furcht vorm schröcklichen Norovirus: Ich weiß einen Ort, wo ihr sicher seid, einen Ort, den Viren und Bakterien jedweder Provenienz panisch meiden (müssen), denn dort können sie unmöglich überleben.

Ich spreche vom Bunker auf dem Heiligengeistfeld (Foto). Dort, im vierten Stock, gibt es den Club Uebel & Gefährlich, und der furchterregende Name dieses Clubs scheint auf dich gemünzt zu sein, Norovirus, denn die Lokalität machte dir augenblicks den Garaus, sofern du so tolldreist wärst, dich dort blicken zu lassen.

Ich war heute Abend da und habe es überprüft. Und es stimmt: In diesem Höllenraum herrschen absolut antibiotische Verhältnisse. Nichts kann dort überleben – und zwar dank des unatembaren Gasgemischs, welches sie dort „Luft“ zu nennen belieben.

Es besteht aus einer gut schneidbaren Mischung aus humanem Kohlendioxid, einem Kuppelprodukt der Zellatmung, und blickdichtem Zigarettenrauch. All das wird hermetisch umschlossen von dreieinhalb Meter dicken Betonmauern.

Und sofern du, Novovirus, diesen eigentlich tödlichen Gasangriff überstehen solltest, haben wir, die Besucher des Uebel & Gefährlich, noch die finale Keule in petto: Bier. Viel Bier.

Nach den Konzerten von Malcolm Middleton und Sophia lasse ich mich vom Liftboy nach unten fahren – und frage mich erst auf dem Heimweg, wieso es mir eigentlich nicht genauso erging wie dem Norovirus.

Zumal selbst der letzte tapfere Empfangsbalken auf dem Display meines Handys irgendwo auf dem Weg in den vierten Stock still verröchelte.

28 Januar 2007

Jarvis kann Deutsch

Ein knallbunter Konzertsamstag, wie er nur auf St. Pauli möglich ist. Er beginnt nachmittags gegen 16 Uhr. Ich schaue mir die Berliner Prollrapper B-Tight und Sido im Grünspan an, was sich merkwürdig anfühlt, weil die meisten im Publikum meine Kinder sein könnten.

Trotzdem packt mich der Beat, denn wenn Drums und Bass rhythmisch mit den wilden Wortkaskaden der Rapper verschmelzen, hat das eine seltsame archaische Kraft, der man sich physisch kaum entziehen kann.

Intellektuell schon, denn Sido rotzt Sachen raus wie: „Ich behalt alles für mich, ich geb nie ab, ich scheiß auf Mitleid und Gefühl, ich geb nen Fick, ich bin unberechenbar.“ Vor allem stört mich natürlich der Anglizismus „Ich geb nen Fick“, doch das ahnten hier manche sicher schon.

Schon Freitagabend war ich von Fußballreporter Oliver Forster entsprechend geeicht worden. Kurz vor Schluss hatte er nämlich gruselig herumanglisiert: „Noch zwei Minuten zu gehn.“ Ein Deutschlehrer täte ihm gut, dem Forster (der übrigens in meiner Tipprunde mitspielt).


Abends erzählt uns Pulp-Legende Jarvis Cocker beim Konzert in der Großen Freiheit dann von seinem Deutschpauker. Der trug angeblich eine einzelne weiße Strähne im Haar, die aussah wie Vogelschiss. Immerhin brachte dieser Lehrer ihm Begriffe bei wie „Spiekley mid Bradkardoff'ln“.

Übrigens ist Jarvis auch schlagfertig. Er braucht keine Zehntelsekunde, um den Ruf „Don’t fuck it up!“ aus dem Publikum lakonisch mit „Too late“ zu kontern. (Ich frage mich gerade, wie Sido „Don’t fuck it up“ übersetzen würde – vielleicht mit „Verfick’s nicht“?)

Danach geht es ins Knust, wo ein kleines Festival stattfindet. Die erste Band ist schon durch, doch alsbald betritt der spröde Schwede Kristofer Åström die Bühne, um ein 90-minütiges Vollkonzert zu zupfen, was mir – ausgelaugt von B-Tight, Sido und Jarvis – zusehends die letzten Kräfte raubt. So sieht man mich in den letzten 20 Minuten vor der Theke auf der Couch sitzen, wo ich Bier trinke und versuche, im Halbdunkel Hinnerk zu lesen.

Irgendwelche transferierbare Erkenntnisse für mein Heteroleben gewinne ich nicht, und ich radele nach Hause und gucke noch stundenlang „Schlag den Raab“. Erkenntnisgewinn dort: Raab kann nicht rechnen – was ProSieben satte 1,5 Millionen Euro kostet. Autsch.

(Dieser Eintrag ist übrigens nichts anderes als eine ebenso latente wie wortreiche und absolut überzeugende Rechtfertigung dafür, gestern nichts gebloggt zu haben.)

27 Januar 2007

Herz mit Sprung in der Schüssel

(Quelle: U_mag)

Normalerweise halte ich berufliche Dinge fern von diesem privaten Blog. Heute mal nicht, der Anlass rechtfertigt es.

Ein Kollege hatte ein Interview mit dem jungen Schauspieltalent Hannah Herzsprung geführt. Alles lief gut. Danach allerdings verlangte das Management, die Antworten seines Schützlings vor Veröffentlichung zu sehen und bei Bedarf zu verändern.

Das ist nicht neu, sondern eine Unsitte, die grassiert und gegen die man sich als Redaktion nach besten Kräften wehren muss. Manchmal sagt man aber: Okay, schauen wir mal, was dabei herauskommt; das Thema ist uns wichtig.

Und das, was auf dem heutigen Foto zu sehen ist, kam im Fall Herzsprung dabei raus: Die lustige Mimin hat fast drei Viertel ihrer Antworten im Nachhinein schlicht gestrichen. Nicht korrigiert, verfeinert, geschärft. Nein: eliminiert.

Damit war das Thema natürlich gestorben; schließlich ist man als Redaktion ja nicht der Erfüllungsgehilfe einer blindwütigen Imagesteuerung. Was blieb, war die gedruckte Dokumentation dieses grotesken Akts der Selbstzensur. Sie zeigt, welche gähnenden Abgründe von Paranoia sich in der Showbranche bisweilen auftun.

Jetzt gibt es auf unserer Herzsprung-Doppelseite nicht mehr viel zu lesen, aber dennoch viel zu sehen.

Und zu begreifen.

25 Januar 2007

Wie auf Ecstasy

So, jetzt ist es also mal Winter. Schnee in Hamburg, Frost in der Luft. Und prompt begrüßt mich mein Fahrrad mit einer eingefrorenen Schaltung. Von meinen sieben Gängen funktionieren nur noch die ersten drei.

Das ist eine ausgesprochen kleine Übersetzung, wie ich feststellen muss. Auf geraden Strecken sieht mein Fahrstil nun aus, als juckelte ein Duracellhase auf Ecstasy durch einen zu schnell abgespielten Stummfilm.

Ähnlich fix war heute Abend die bemützte Bedienung im Aurel. Ich fragte sie, wie sie es bloß schaffe, ein Pils vom Fass, welches doch die sprichwörtlichen sieben Minuten brauche, in exakt sieben Sekunden servierfertig ins Glas zu bekommen.

Sie hatte nicht die Spur einer Ahnung. Es müsse, mutmaßte sie immerhin ein wenig herum, an der Marke liegen: Große Freiheit laufe schlicht schneller ein als zum Beispiel Jever. Viel dünner als Jever schaindes awer drodsdem nich ssussein.

Der Abend endete im Grünen Jäger, wo es so voll war, dass die auftretenden Künstler unsichtbar blieben und dank ihrer zarten Akustikgitarren auch weitgehend unhörbar. Nach einem Wackelfoto der grün bestrahlten Discokugel trat der Duracellhase das Heimradeln an, hibbelig wie eine Nähmaschine.

Ich hätte ja ehrlich gesagt nichts gegen einen außergewöhnlich frühen Frühlingseinbruch.

Zurück in die Steinzeit

Zum hinterhältigen Bitsch! eines elektrostatischen Schlags habe ich ein ähnliches Verhältnis wie Ms. Columbo zu Spinnen. Also kein gutes.

Das erklärt vielleicht folgendes bizarre Verhalten, welches von den überall auf St. Pauli installierten Überwachungskameras zum Glück nicht erfasst wird (glaube ich): Beim Staubsaugen ertappe ich mich nämlich manchmal dabei, wie ich mich am Metallrahmen der Jukebox erde, um nicht ständig gebitscht zu werden.

Die linke Hand liegt dabei auf der Box, während ich mit der rechten den Sauger führe und unter komischen Verrenkungen entfernte Flurwinkel zu erreichen versuche.

In solchen Augenblicken habe ich das Gefühl, dieses ganze Zivilisationsding sei eventuell ein furchtbarer Irrtum. Wahrscheinlich waren Steinzeitmenschen besser dran als wir – und machten dabei auch eine bessere Figur.

Okay, da waren die Mammuts und die Säbelzahntiger und die grunzende Nachbarsippe mit ihren nagelgespickten Keulen. Aber kaum Elektrostatik.

Und niemand wurde je dazu verdonnert, die Höhle zu saugen.
(glaube ich)

24 Januar 2007

Nerven wie Spinnweben

Vor der Fabrik in der Barnerstraße, wo ich das Konzert der betagten Gitarrenband Wishbone Ash besuchen will, muss ich Schlange stehen im Frost. Habe zu dünne Schuhe an, die frische Kälte zieht zügig durch die Sohlen. Der erste Wintertag, und ich stehe trippelnd im Freien; tolles Timing.

Die Stimmung steigt weiter, als ein zugewachsener Stadtschrat mit Klingelbecher an der Schlange entlangschlurft und uns mit einem hämischen „Stellt euch nicht so an!“ kommt – der Spruch ist noch älter als sein verfilztes graugelbes Zottelgestrüpp, das er der Welt als Bart verkaufen will. Wir muffeln ihn alle an, er verdient keinen Cent.

Endlich bin ich drin in der Fabrik, und die Vorband legt los. Sie heißt Bliss und war vor 15 Jahren mal eine viertelgroße Nummer. Ich weiß nicht genau, ob es an meinen kalten Füßen liegt, aber die Sängerin mit ihrem Hört-mal-wie-ich-in-5-Sekunden-12-Oktaven-schaffe-Gekreische wirkt auf mein Nervenkostüm wie eine Kreissäge in der Ruhesauna.

Und plötzlich nervt mich alles. Wie die abgetakelten Althippies in ihre Bratwürste beißen und Soße aus den kleinen wulstigen Kuhlen ihrer Mundwinkel tropft. Wie ihre fahlen Resthaare todtraurig auf Jeansjackenschultern liegen. Wie all diese hässlichen Leute um mich herum jugendlich tun und Bier aus Plastikbechern in ihre wabbeligen Wohlstandsbäuche schütten.

Andy Powell von Wishbone Ash, einer der einflussreichsten Gitarristen der Rockgeschichte, spielt ein Solo, aber ich muss weg, sofort. Ich laufe die Friedensallee hoch. Neben Aldi fällt mir ein Automat auf (Foto), den ich dort noch nie gesehen habe. Der Trumm entpuppt sich als öffentlicher Eiswürfelautomat, pro Kilo ein Euro. Man kann Münzen einwerfen oder mit Karte zahlen.

Es ist der erste Wintertag, es friert, meine Füße fühlen sich an, als liefe ich barfuß über die Eisbahn in Planten un Blomen – und ich stolpere über einen öffentlichen Eiswürfelautomaten. Ich wusste nicht mal, dass es so etwas überhaupt gibt.

Außerdem habe ich ein Sirren im Ohr, das nicht mehr weggeht. Das war aber vor dem Konzert schon da, dafür will ich die Bliss-Sängerin nicht auch noch verantwortlich machen.

Ex cathedra: Die drei besten Songs von Wishbone Ash
1. „Errors of my ways"
2. „Sorrel"
3. „Surfing a slow wave"

23 Januar 2007

Kiez-TV, überall

Nein, natürlich sind die Hamburger Kollegen von Spiegel TV nicht reisefaul. Sie würden protestlos in Timbuktu drehen und ohne zu schmollen in Schmalkalden. Doch die interessantesten Themen finden sie nun mal im unmittelbaren Einzugsgebiet meines Blogs.

Just ist die dreiteilige Sat1-Horrorshow über den Penny-Laden an der Reeperbahn ausgelaufen. Und gestern zeigte Vox eine mehr als zweistündige Dokumentation über die Esso-Tankstelle am Spielbudenplatz.

Diese Tanke ist nicht gerade mein Wohnzimmer, aber immer wieder Anlaufstelle bei nächtlichen Notlagen. Wo bekommt man morgens um zwei noch einen Sixpack Bier oder die rettende Klorolle? Natürlich nur dort.

Beide Filme verdeutlichten die komplette Durchalkoholisierung unserer Nachbarschaft. Ohne Sprit geht hier offenbar keiner mehr vor die Tür, und sobald er dort ankommt, gibt es in der Regel Ärger; zum Glück steht dann wenigstens eine Spiegel-TV-Kamera parat, weil sie vorher doch nicht nach Schmalkalden oder Timbuktu verbracht wurde.

Meist sind die auftretenden Torkler, Zausel und Trantüten aber einfach nur schrullige Suffköppe mit schwerer, vor allem schwer hanseatischer Zunge. Ein äthanolbeeinträchtigter Partyjunge etwa lallte den Spiegel-TV-Leuten im Tankstellenfilm folgenden großartigen Satz über eine benachbarte Disco ins Mikro: „Das Doggs is kagge. Die Türsteher ham Mundgeruch.“

Ich kann das nicht beurteilen, so nah bin ich noch nie einem dieser vierschrötigen Herren gekommen. Falls das doch einmal geschehen sollte, kann ich ihm das einzig wahre Mittel gegen Mundgeruch empfehlen: einen Zungenschaber (Abb.). Ich hoffe, der Vierschröter nimmt es dann als guten Rat und nicht persönlich.

Das zweitbeste Zitat verantwortete Henry Hübchen, der brockenartige Koberer vom Moulin Rouge an der Reeperbahn. Man nennt ihn Inkasso-Henry, sein grollendes Organ kennt jeder Mann, der mal den Fehler machte, ohne weibliche Begleitung die Meile zu erbummeln.

Inkasso-Henry jedenfalls, der an der Tanke seinen Mercedes waschen ließ, steuerte dem Stammbuch der Kiezweisheiten ein doppelköpfiges Credo bei: „Ein Auto muss sauber sein. Eine Frau muss sauber sein.“

Bei einem von beiden hülfe übrigens in bestimmten Regionen ein Zungenschaber.

21 Januar 2007

Was Dieter Bohlen mit meinem Hintern zu tun hat


Da wollte ich einmal ein Solarium ausprobieren! Prompt komme ich nach Hause mit einem Sonnenbrand.


Und zwar am Hintern.

Die Hitze in dieser Region noch während der zehnminütigen Anwendung hätte mich alarmieren sollen. Doch leider bin ich Solariumsnovize und wusste die Zeichen nicht zu deuten. Jedenfalls habe ich mitten im Winter einen Sonnenbrand. Am Hintern. Das ist dekadent, lachhaft und jedes Spottes würdig.

Ich fühle mich wie Dieter Bohlen, nur nicht ganz so ledrig, nicht so gelblich mumienbraun. Gleichwohl haben unser beider Hautprobleme wohl die gleiche Ursache: ein Solarium. Bei ihm kommt
natürlich noch Mallorca hinzu.

Neulich beschlich mich übrigens schon mal ein Gefühl, welches mit Bohlen zusammenhing. In mir nämlich verfestigte sich damals der Eindruck, alles – also das Leben und der ganze Rest – könne gar nicht so schlimm sein, solange Dieter Bohlen älter sei als ich.

Keine Ahnung, warum mein Unterbewusstsein ausgerechnet den Tötenser für diesen Trostvergleich heranzog. Doch es war so. Und das wird sich zum Glück ja auch niemals ändern, das Jüngerseinalsbohlen.

So ist also selbst der Dieter zu irgendetwas nütze.

20 Januar 2007

Weg mit den Wischmopps!

Statt dezent herausgeputzten Privatiers vorauseilenden Alters begegnen wir nun wieder torkelnden Schnorrern in Kapuzensweatshirts – ja, wir sind zurück auf dem Kiez.

Zuvor waren wir im Karlsruher Bahnhof auf einen Stand gestoßen, der neben allerlei badischen Spezialitäten auch „Schmalz ohne Schwein“ darbot. Und unterwegs, im Zug irgendwo zwischen Frankfurt und Kassel, hatte der Himmel an einer mächtigen Skulptur gebaut; einer Drohkulisse aus Sturmerinnerung und Frühlingsahnung.

Nach der Fernseherfahrung der letzten drei Tage fordern wir übrigens ultimativ, mindestens ein Jahr lang keine zerzausten Außenreporter mehr sehen zu müssen, die phallische Wischmopps zutexten und vor der Schalte extra ihren Pferdeschwanz gelöst haben, um sich während der Übertragung ständig die Haare aus dem Gesicht fuchteln zu müssen.

Wäre das möglich, ihr n-tvs und RTLs und wie ihr alle heißt? Selbst wenn's mal wieder weht?

Danke SCHÖN.

19 Januar 2007

Total therminiert

Warum man sich nach knapp vier Stunden im hiesigen Thermalbad fühlt, als hätte man gerade den Ironman auf Hawaii absolviert, kann uns auch eine eigens befragte Einheimische nicht schlüssig beantworten, aber immerhin bestätigen.

Sie ergänzt die merkwürdige Zerschlagenheit, die uns postthermal befallen hat, allerdings noch um eine Beobachtung an sich selber. Nach dem Thermenbesuch, erzählt sie, ereile sie stets ein seltsamer Entspannungskopfschmerz – ein Wort, das ich sogleich begeistert zum Wort des Tages küre: Entspannungskopfschmerz!

Stets wandelnd auf dem schmalen Grat zwischen halbwach und wegdämmernd versuchen wir nachmittags telefonisch die Chance zu ermitteln, morgen fahrplangemäß von der Bahn nach Hamburg transportiert zu werden. Dafür wurde eigens eine Hotline eingerichtet. Doch wie immer in solchen Sonderfällen hätte man sich diese Mühe gleich sparen können.

Bei einer Katastrophenhotline durchzukommen ist nämlich etwa so wahrscheinlich, wie den Ironman auf Hawaii zu gewinnen oder nach einem Besuch des hiesigen Thermalbads nicht von bleierner Müdigkeit niedergestreckt zu werden.

Der abgebildete Kran unterm Baldachin der postkyrillischen Wolken steht übrigens direkt neben der Therme; auch er gab sich träumerisch bewegungslos. Mal hoffen, dass sich ihm die Bahn morgen nicht anschließt.

Denn in Baden-Baden festzuhängen wäre nur von sehr beschränktem Reiz, auch wenn man sich mithilfe diverser aquatischer Attraktionen nach Belieben sedieren könnte – und so das Hierhängengebliebensein eventuell wieder vergäße.