Eins der letzten Konzerte in der Weltbühne. Das Gebäude an der Holstenstraße wird nächstes Jahr abgerissen, alles riecht nach Abschied. Die halblegendäre Hamburger Band Huah! reuniert sich speziell zum Tschüs-Sagen. Einst hatte sie eine subtile Analyse unseres Gesellschaftssystem zur hartleibigen Aussage „Scheiß Kapitalismus“ verdichtet, und heute legt sie sie noch einmal die ganze Strecke von den 50ern bis zum Punk zurück.
Das Publikum schwankt zwischen Melancholie und Euphorie, auch jener Teil, der wenig sehen kann. Ich plädiere übrigens für ein Gesetz, dass Menschen, die größer sind als andere, dazu zwingt, sich bei Konzerten hinter jedwedem Kleineren aufzuhalten. Die Durchführung wäre recht simpel: Jeder schaut sich prüfend um, und sobald er jemanden entdeckt, den er überragt, begibt er sich ohne viel Federlesens hinter dessen Rücken. Zweifelsfälle könnten leicht mit mitgeführten Zollstöcken geklärt werden. Schon ergäbe sich in jedem beliebigen Konzertsaal eine treppenstufenartige Staffelung des Publikums, die vertikal Benachteiligte – evolutionstechnisch also vor allem Frauen – automatisch in Bühnennähe platzierte. Alle wären glücklich.
Doch dieses Gesetz existiert noch nicht, und der Typ vor mir – schätzungsweise 195 Zentimeter hoch und damit rund 15 höher als ich – sieht auch keinerlei Notwendigkeit, sein Verhalten freiwilig an Kants kategorischem Imperativ zu orientieren („Stell dich immer so hin, dass du zugleich wollen kannst, dass alle sich so hinstellen"). Nicht genug damit, er muss auch noch ständig seinem Kumpel irgendwelche Wichtigkeiten zubrüllen, so dass der Blick auf die Bühne gänzlich verstellt ist durch zwei blöde Hinterköpfe.
Mehrere Becks müssen Trost spenden.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Vera C“ von Hector Zazou, „Beloved, where would I go?“ von Kronos Quartet & Asha Bosle und „Wayfaring stranger“ von Andreas Scholl.
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