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10 Oktober 2011
Die gemütlichsten Ecken von St. Pauli (57)
Eine Hauswand in der Wohlwillstraße, mit praktischer Abstellfläche für das kiezianische Nationalgetränk
09 Oktober 2011
Ich bin unzumutbar
Na, das ist mal gar keine schlechte Samstagsofferte der generell sehr empfehlenswerten Kaffeerösterei Torrefaktum in der Bahrenfelder Straße im schönen Altona: ein Caffé Latte samt Cookie für kundenfreundliche drei Euro.
Für einen Süßschnabel wie mich klingt das so überzeugend wie ein Pferdekopf im Bett, allerdings mit einer kleinen, doch wichtigen Einschränkung: Milch im Kaffee ist mir ähnlich lieb wie ein Knilch im Separée, ein Pilz im Pils, ein Gegentor in der Nachspielzeit … na ja, Sie haben bestimmt längst verstanden, was ich meine.
Deshalb ersuche ich den Mann hinterm Tresen um die ersatzweise Lieferung eines doppelten Espressos zum Cookie. Diese Bitte aber fällt zu meiner Überraschung bei ihm nicht gerade auf fruchtbaren Boden. Das 3-Euro-Angebot, erklärt er mir, umfasse eine feste Fügung, nämlich ausschließlich Caffé Latte mit Cookie.
Aber, erläutere ich ihm nach einem Blick auf die Preisllste, der Doppio sei doch sogar 50 Cent billiger als der Caffé Latte. Wenn er also die von mir modifizierte Variante servieren würde, erhöhte das seinen Gewinn, und er hätte mich dabei nicht mal übers Ohr gehauen, denn ich wollte es ja nicht anders.
Der Torrefaktummann aber ist keineswegs überzeugt von meinen Argumenten. Er mault und hadert, er grummelt und murrt – um sich am Ende dann doch noch zu erbarmen und über die eigentliche Unzumutbarkeit meines Wunsches, ihm einen halben Euro zu schenken, huldvoll hinwegzusehen.
Manchmal verstehe ich die deutsche Dienstleistungsgesellschaft immer noch nicht, und zwar auf eine durchaus ähnliche Weise, wie ich den Text des abgebildeten Graffitos im alten Real-Parkhaus nicht verstehe.
Aber ich arbeite weiter an beidem – unermüdlich, wie es nun mal meine Art ist.
08 Oktober 2011
Pareidolie (30 + 31): Augen-Blicke
Der Kopfhörer hat den Silberblick, und die ausgemusterte Digicam schreit, weil sie anscheinend gerade ein Auge verloren hat wie Schwarzenegger in „Terminator 2“.
Und damit auf ins Wochenende.
PS: Viele weitere und bessere Bildbeispiele gibt es bei der Pareidolie-Tante.
07 Oktober 2011
Wo ist mein Kindle?
Mein Kindle, endlich wurde er geliefert!
Aufgeregt eile ich mit dem DHL-Abholzettel zur Nachbarin, die ihn laut Benachrichtigung entgegengenommen haben soll – doch die ist ehrlich überrascht und weiß von nichts.
Anruf bei DHL. Nach minutenlangem Dialog mit einer Computerstimme, der ich in blödsinnigem Roboterstakkato Zahlen, Jas und Neins vorsagen muss, lande ich endlich bei einem menschlichen Wesen, dem ich mein Kindlechaos schildern kann.
Wie sich rasch herausstellt, hat man bei DHL kurioserweise sogar mich persönlich als Abnehmer des Päckchens dokumentiert, nicht etwa die Nachbarin. Mein Einwand, ich sei zum fraglichen Zeitpunkt brav meinem Brotjob im Büro nachgegangen, was notwendig sei, da ich mir andernfalls keinen Kindle leisten könne, generiert am anderen Ende blanke Ratlosigkeit.
Die Callcenterdame ruft die Kopie der Empfängerunterschrift auf. „Haben Sie jemand im Haus, dessen Name mit Ga beginnt?“, fragt sie. „HABEN WIR JEMAND IM HAUS, DESSEN NAME MIT GA BEGINNT?“, rufe ich die Frage weiter in Richtung Ms. Columbo. Nein, niemand mit Ga.
„Ist es vielleicht ein Pa?“, frage ich die DHL-Dame. „Wir haben jemand mit Pa im Haus.“ Nein, keinesfalls, kopfschüttelt sie.
Wo also ist mein Kindle, DHL?! Man verspricht, sich zu kümmern, man will den Auslieferer befragen, wenn nicht gar zur Rede stellen.
Und wenn vielleicht doch die Nachbarin …?
Nein, ausgeschlossen; sag’s nicht, denk’s nicht mal.
Bestimmt hat DHL Mist gebaut. Vielleicht war es ein muffeliger Zusteller, frustriert von Leuten, die tagein, tagaus die Frechheit besitzen, nicht zu Hause zu sein, wenn er klingelt – einer, der Zettel hinterlässt wie den oben dokumentierten, den mir unlängst eine amüsierte Kollegin mailte.
Das Interessante an dieser DHL-Botschaft ist nicht nur, dass hier ein Dienstleister mal den Spieß umdreht und offensiv den Kunden anblafft, sondern die Tatsache, dass er mitten im Blaffen vom Duzen ins Siezen übergeht. „Sei doch endlich da, wenn Sie so viel bestellen“: Das ist ein Satz von vielschichtigem Reiz, auch und gerade semantisch.
Aber wo ist mein Kindle, verdammt?
Fortsetzung folgt, und am Ende wird alles gut.
Nachtrag 16:50 Uhr: Alles wurde gut. Der DHL-Wuselkopf hatte einen falschen Namen auf die Benachrichtigungskarte geschrieben, aber inzwischen ist die richtige Person identifiziert. Seit heute Mittag kindle ich schon.
06 Oktober 2011
05 Oktober 2011
Der Marktwert meines iPhones
Arglos hatte ich mehrere Tafeln Schokolade aufs Laufband gelegt, doch als ich zahlen will, stellt sich heraus, dass meine Geldbörse zu Hause herumliegt. Ursache: ein wetterbedingter Hosenwechsel.
Der Kassierer ist allerdings keineswegs bestürzt ob des entgangenen Umsatzes, sondern sieht die Sache pragmatisch. „Haben Sie ein iPhone?“, fragt er. Ja, antworte ich vorsichtig. „Ich gebe Ihnen“, juchzt er vergnügt, „fünf Tafeln dafür!“
Und so was von einem Pennyverkäufer! Während der Franke sich wieder mal auf die frühstücksfrikadellengestärkten Schenkel klopft vor Schadenfreude, trolle ich mich mit säuerlichem Grinsen.
Mitsamt iPhone, immerhin.
04 Oktober 2011
Pareidolie (29)
Mit dieser gelungenen Helmmimikry versuchte neulich die Front eines Motorrollers zu punkten, der auf dem Gehweg vor unserem Haus geparkt war.
Man sollte der interessanten These einmal nachgehen, ob es Rollern und ihren Fahrern genauso geht wie Hund und Herrchen und sie sich ebenfalls über die Jahre immer ähnlicher werden.
Leider tauchte der Besitzer während meiner kurzen Fotosession nicht auf, sonst hätte ich das schon mal am Einzelfall überprüfen können.
PS: Viele weitere und bessere Bildbeispiele gibt es bei der Pareidolie-Tante. Wer selbst welche entdeckt, möge die Fotodokumente bitte an sie mailen, nicht an mich.
03 Oktober 2011
Neues unter der Sonne
Dieser Sommer mitten im Herbst macht alle Leute kirre. Gestern auf dem Flohmarkt kramte ich eine CD aus einer Kiste und sagte zum Standbesitzer: „Okay, die nehm ich für zwei.“
Er antwortete: „Komm, gib mir einen.“
Und meinte das ernst.
Noch nie erlebt, so was – genauso wenig wie das Frisbeespielen in der Ostsee an einem 2. Oktober, freundlich bewacht von still im Himmel stehenden Drachen.
Man erlebt halt auch im gesetzteren Alter immer wieder neue Dinge, und so lange es solche sind wie an diesem Wochenende, werde ich den Teufel tun und das anprangern.
02 Oktober 2011
01 Oktober 2011
Auf der Suche nach Frau Brusch
Statt mit Heidekartoffel- oder Schwartemagensonderangeboten begrüßt unsere Edekafiliale in der Paul-Roosen-Straße uns heute mit einer sachfremden Information, und das schon auf dem Bürgersteig vorm Laden.
Frau Brusch also ist seit einem Vierteljahrhundert bei Edeka beschäftigt, das ist außergewöhnlich schön. Wir kaufen hier zwar auch schon seit 15 Jahren ein, aber wer ist noch mal Frau Brusch?
Ich versuche es ja generell zu vermeiden, Frauen auf die Brüste zu starren, und so weit ich mich erinnere, hat Edeka genau dort seinen Mitarbeiterinnen die Namensschilder aufgepappt. Deshalb kenne ich die Edekagrazien zwar alle halsaufwärts, aber nicht namentlich.
Drinnen schiele ich gleichwohl verstohlen bei allen auf die fragliche Region, um im Bedarfsfall Frau Brusch herzlich gratulieren zu können. Doch ich sehe sie nicht. Stattdessen überall aufgeräumte junge Edekanerinnen, die giggelnd Jubiläumsluftballons aufblasen, alles zu Ehren von Frau Brusch.
Ich erwäge, spaßeshalber eine von ihnen zu fragen, ob sie vielleicht Frau Brusch sei, doch Ms. Columbo hält das für zu riskant. Dabei gelänge es mir mit meinem kiezweit weltberühmten Begleitlächeln ganz gewiss, das Scherzhafte meiner Frage vorauseilend mitzutransportieren, so dass die Gefahr einer beleidigten Verkäuferin, auf deren Wohlwollen wir noch lange angewiesen sein werden, möglichst minimiert wird. Doch mir fehlt letztlich der Mumm.
Bis zur Kasse vermögen wir nirgends die Jubilarin zu entdecken – allerdings sitzt dort eine grauhaarige Dame, der man spontan eine hochgradige Frau-Brusch-Haftigkeit zubilligen muss. Ein verstohlener Blick auf ihr Namensschild offenbart indes: Auch sie ist es nicht.
Wir verlassen den Laden, ohne in unseren Ermittlungen entscheidend weitergekommen zu sein. Womöglich arbeitet Frau Brusch gar nicht im Kundenbereich, sondern im Lager.
Herzlichen Glückwunsch jedenfalls! Und Hochachtung – schließlich gibt es auf dem Kiez traditionell nur wenige Frauenberufe, in denen man 25 Jahre lang durchhält.
Frau Brusch also ist seit einem Vierteljahrhundert bei Edeka beschäftigt, das ist außergewöhnlich schön. Wir kaufen hier zwar auch schon seit 15 Jahren ein, aber wer ist noch mal Frau Brusch?
Ich versuche es ja generell zu vermeiden, Frauen auf die Brüste zu starren, und so weit ich mich erinnere, hat Edeka genau dort seinen Mitarbeiterinnen die Namensschilder aufgepappt. Deshalb kenne ich die Edekagrazien zwar alle halsaufwärts, aber nicht namentlich.
Drinnen schiele ich gleichwohl verstohlen bei allen auf die fragliche Region, um im Bedarfsfall Frau Brusch herzlich gratulieren zu können. Doch ich sehe sie nicht. Stattdessen überall aufgeräumte junge Edekanerinnen, die giggelnd Jubiläumsluftballons aufblasen, alles zu Ehren von Frau Brusch.
Ich erwäge, spaßeshalber eine von ihnen zu fragen, ob sie vielleicht Frau Brusch sei, doch Ms. Columbo hält das für zu riskant. Dabei gelänge es mir mit meinem kiezweit weltberühmten Begleitlächeln ganz gewiss, das Scherzhafte meiner Frage vorauseilend mitzutransportieren, so dass die Gefahr einer beleidigten Verkäuferin, auf deren Wohlwollen wir noch lange angewiesen sein werden, möglichst minimiert wird. Doch mir fehlt letztlich der Mumm.
Bis zur Kasse vermögen wir nirgends die Jubilarin zu entdecken – allerdings sitzt dort eine grauhaarige Dame, der man spontan eine hochgradige Frau-Brusch-Haftigkeit zubilligen muss. Ein verstohlener Blick auf ihr Namensschild offenbart indes: Auch sie ist es nicht.
Wir verlassen den Laden, ohne in unseren Ermittlungen entscheidend weitergekommen zu sein. Womöglich arbeitet Frau Brusch gar nicht im Kundenbereich, sondern im Lager.
Herzlichen Glückwunsch jedenfalls! Und Hochachtung – schließlich gibt es auf dem Kiez traditionell nur wenige Frauenberufe, in denen man 25 Jahre lang durchhält.
30 September 2011
Nachträglich zum Bloggeburtstag
Vergangenes Jahr hatte ich noch dran gedacht. Diesmal aber musste mich schon punktgenau am 16. September der aufmerksame Herr blogspargel dran erinnern: an den nunmehr sechsten Bloggeburtstag.
Zeit also, die jährliche Statistik nachzureichen. Das abgebildete Schaubild zeigt die Besucherzahlen zwischen September 2010 und August 2011. Im Monatsschnitt 20.000 Flaneure und rund 30.000 Klicks: Das ist auf dem Niveau der letzten Jahre, da entwickelt sich nichts mehr, das ist solide und fein.
Insgesamt kommt die Rückseite der Reeperbahn seit 2005 auf 1,25 Millionen Besucher und 1,98 Millionen Seitenaufrufe. Wer hier vorbeischaut, verweilt 1:10 Minuten, was 44 Sekunden weniger sind als im vergangenen Jahr. Aber ich schreibe ja auch kürzere Texte, da kann ich nicht mehr verlangen.
Der Tagesschnitt liegt zurzeit bei 600 Besuchern und knapp 900 Klicks. Im Lauf der letzten sechs Jahre warf ich der Welt 2.078 Beiträge zum Fraß vor, das sind 340 mehr als bei der letzten Erhebung. Eine tägliche Frequenz gelang mir also auch in den vergangenen zwölf Monaten nicht, aber das muss ja auch nicht sein.
„Dann blogg halt mal nichts“, sagt Ms. Columbo immer, wenn mir gerade nichts auf- oder einfällt, und wer wäre ich, einen so weisen Rat geringzuschätzen? Jedenfalls blogge ich sowieso nur deshalb, weil neben Ms. Columbo auch Sie, meine Damen und Herren, hier unverdrossen mitlesen und mein Wirken kritisch, sarkastisch und mit erheblicher Eloquenz begleiten.
Man kann wirklich sagen, dass ich hauptsächlich deswegen hier Zeugs hinschreibe, um Sie – ja, Sie! – zum Schreiben zu bewegen. Eine Aktion ohne Reaktion hat ja gleichsam nicht stattgefunden; und deshalb verdirbt mir ein unkommentierter Blogbeitrag praktisch den ganzen Tag.
„So lange die nicht kommentieren“, rufe ich dann manchmal pathetisch Ms. Columbo zu, „schreibe ich auch nix Neues!“ Mit Trotzen und Schmollen käme ich auch nicht weiter, erwidert sie dann, aber das ist mir doch egal.
Wenn Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses Blog im siebten Jahr seines Bestehens also endlich abwählen wollen, dann wissen Sie jetzt, wie das zu bewerkstelligen ist.
Gilt natürlich auch fürs Gegenteil.
29 September 2011
Das Elixier des Teufels
Der Besuch auf Sizilien letzte Woche wird noch lange Folgen haben, so viel ist schon mal klar.
Unter Missachtung paneuropäischer Prohibitionsgesetze sowie des Kriegswaffenkontrollabkommens schmuggelte ich nämlich unbemerkt von Interpol und Ordnungskräften ein Höllengesöff namens Elisir dell’Etna hinter die deutschen Grenzen von 1990.
Nachdem Ms. Columbo und ich uns gestern Abend jeweils einen als Digestif gegönnt hatten, beschlossen wir augenblicklich, das „Elixier“ hinfort nur noch arglosen Gästen anzubieten.
Seine Wirkung ist, nebenbei bemerkt, durchaus vergleichbar mit der Verkostung eines Schlucks frischgeschlüpfter Ätnalava, und wer jetzt besserwisserisch daherkommt mit „Die haben Sie selbst ja noch nie getrunken, Sie Hochstapler!“, dem halte ich ungerührt meine blühende Fantasie entgegen.
Das Zeugs hat übrigens 68 Volumenprozent.
Und ich meine nicht die Lava.
28 September 2011
Der Inhalt von Roger Ciceros Hose
Wenn hier einer von den beiden Due Baristi mitliest: Wundert euch bitte nicht, wenn demnächst der Swingpopper Roger Cicero bei euch auftauchen sollte.
Dem – wie sich heute Abend beim musikalischen Dinner im Kiezrestaurant Nil herausstellte – geradezu fanatischen Espressoaficionado habe ich euch nämlich wärmstens empfohlen, und er schien elektrisiert.
Doch nicht nur über seine Suche nach dem perfekten Kaffee, der er zu Hause unter häufiger Inanspruchnahme einer 1400 Euro teuren Maschine nachgeht, plauderte der Sänger beim Abendessen. Cicero erzählte – wahrscheinlich nur zufällig, während er Hokkaidokürbis (sic!) aß – auch von seinem ersten Auftritt überhaupt, bei dem er eine etwas zu enge Hose trug, die auch noch etwas zu hoch gerutscht war und sich dadurch entsprechend prominent in einem Zeitungsbericht am nächsten Tag niederschlug.
„Das war meine erste Rezension überhaupt“, sagte er mit einer Mischung aus Bedauern und süßer Erinnerung, „und sie beschäftigte sich zu zwei Dritteln mit Spekulationen über den Inhalt meiner Hose.“ Was mich angesichts seiner daraufhin folgenden rasanten Karriere an Hitchcocks Rezept für einen guten Film erinnerte: mit einer Explosion anfangen und sich dann langsam steigern.
Zu Hause stellte ich allerdings beschämt fest, dass keineswegs Alfred Hitchcock, sondern dessen Regiekollege Samuel Fuller das gesagt haben soll. Doch dieses bei mir absolut übliche gesunde Viertelwissen ist Cicero zum Glück nicht aufgefallen, und ich bin mir sicher, dass er das zitierte Zitat bereits auf der nächsten Espressoparty dem guten alten Hitchcock in die Schuhe schieben wird. Vielleicht auch schon während seines Besuchs des Due Baristi.
Cicero nahm übrigens wieder mal den ganzen Abend seinen Hut nicht ab, wahrscheinlich aus exakt dem gleichen Grund wie Udo Lindenberg.
Mehr sage ich dazu nicht. Und womit? Mit Aplomb.
26 September 2011
Pareidolie (22–28): Gesichter des Mittelmeers
Palma de Mallorca, Jachthafen
Marseille, Hafenviertel
Isle d’If, Chateau (aus dem der Graf von Monte Christo floh)
Barcelona, ehemalige Stierkampfarena
Aix en Provence, Hausfassade
Costa Serena, Flurlampe
Costa Serena, Guess-Handtasche
PS: Viele weitere und bessere Bildbeispiele gibt es bei der Pareidolie-Tante.
24 September 2011
Superman has left the building
Als deutscher trockener Alkoholiker sollte man keineswegs ausgerechnet in Südfrankreich versuchen, seiner Sucht dauerhaft Herr zu werden. Der ständig anzutreffende Imperativ „Sauf“ könnte in Verbindung mit allgegenwärtigen Giften wie Pastis den Therapieerfolg ernsthaft gefährden.
Ansonsten ist der Süden des Landes natürlich von apartester Attraktivität, und wenn es sich irgendwo dauerhaft zu stranden lohnte, dann doch wohl auf dem Lebensmittelmarkt von Aix en Provence.
Allerdings frönen sie dort auch gewöhnungsbedürftigen Vorlieben – zum Beispiel jener, Schokolade in Form traurig dreinschauender Sardellen zu servieren. Dass diese Idee nicht nur schräg, sondern kulinarisch gesehen richtiggehender Quatsch ist, scheint den Aixern selbst latent zu dämmern, sonst hätten sie wohl kaum Hinweisschilder aufgestellt, die (zumindest für Touristen) den Quatsch aufklären.
Übrigens habe ich es doch wahrhaftig geschafft, den Schokoladenbrunnen bis zur Ausschiffung konsequent zu meiden. Jetzt fühle ich mich zu allem fähig, etwa zur Lösung des Nahostkonfliktes oder zur Schaffung des Weltfriedens.
Lieblingswünsche an Superman bitte in den Kommentaren.
23 September 2011
Die wahren Messen liest Messi
Natürlich: Die Sagrada Familia in Barcelona ist ein atemberaubender Entwurf einer Kirche.
Sie sieht aus, als hätte Ludwig II. den Architekturauftrag an Disneyland vergeben. Dafür kann man den 1926 gestorbenen Architekten Antonio Gaudì gar nicht genug bewundern, doch Tatsache ist: Er hat das Wunderding einfach nicht fertiggekriegt. Und die Nachwelt bis jetzt auch nicht.
Seit über hundert Jahren bastelt Barcelona daran herum, heute auch wieder, als wir davor standen: Kräne, Lärm, Hämmern, Bagger, Arbeiter mit Schutzhelmen – und so wird es weitergehen, vielleicht für weitere hundert Jahre.
Für mich war dieses kuriose Gebäude, das an manchen Stellen aussieht, als risse der weiße Hai sein Maul auf, allerdings eh nicht der Höhepunkt des Tages, sondern die Fahrt zum Stadion Camp Nou. Das ist wenigstens fertig geworden, dort werden die wahren Messen gefeiert, und zwar von einem Hohepriester namens Lionel Messi.
Ich, Gebenedeiter unter den Männern, durfte heute die gleiche (miese) Stadtluft atmen wie dieser Marsmensch von Fußballer, und beinah hätte ich im Barça-Shop wie in Trance sein Trikot gekauft, doch holte mich der Preis von 99 Euro schlagartig zurück ins Hier und Jetzt.
„Aitywon wissout se nem“, erklärte mir eine Angestellte. Aha, sagte ich, Messi ist also sozusagen 18 Euro wert. „No, no“, schüttelte sie den Kopf, „evri nem is naintinain, Iniesta, Xavi Alonso, evri nem.“
Trotzdem zu teuer, auch ohne Namensaufdruck. So verließ ich den Shop nur mit einer Ahnung vom Odem des Herrn, dem ich irgendwie nahe gewesen war, doch ohne ein angemessenes Opfer pekuniärer Art zu bringen.
Ich hoffe, das stellt mich dereinst nicht ewiger Verdammnis anheim oder gar dem Verlust meines Skyabos, mit dessen Hilfe ich zurzeit noch Gott beim Wundertun zuschauen kann.
Nächste Station: Marseille.
22 September 2011
Die widerlegte Strohhutthese
Meine Kommentatoren sind mir heilig, selbst die, die sich nicht heraustrauen aus dem Dunkel der Anonymität.
Deshalb folgten wir heute dem Rat eines ortskundigen Lesers und begaben uns in Palma zur Bar Bosch auf dem Placa Rei Joan Carles, wo man angeblich deutsche Landsleute mit dämlichen Strohhüten ihren Café con leche schlürfen sieht und sie dabei aufs Trefflichste belauschen kann.
Meinen eigenen dämlichen Strohhut hatte ich leider auf dem Schiff zurückgelassen; jetzt hätte er mir beim Eintauchen in diese fremde und seltsame Welt gute Incognitodienste leisten können. Na ja, es musste auch so gehen.
Bereits der erste schweifende Blick über den Außenbereich der rappelvollen Bar Bosch zeigte in der Tat eine beträchtliche Zahl stiernackiger Männer mit dämlichen Strohhüten, von denen ich sofort einen als prototypisch einzustufen vermochte und in aller Heimlichkeit ablichtete (siehe oben).
Alsdann wollte ich ihren Gesprächen lauschen, wollte herausfinden, wie sie die BILD-Themen des Tages stammtischmäßig ventilierten – doch das klappte nicht: Die Strohhüte unterhielten sich durchweg auf Spanisch …
Vorher, in der Mittagszeit, hatten wir uns in eine Seitengasse geschlagen auf der Suche nach einer wirklich authentischen Tapasbar und fanden eine in der C. Pelaires. Die Bedienung beherrschte weder Englisch noch Deutsch, was uns begeisterte. Hier waren wir richtig.
Wir orderten jeweils einen gemischten Tapasteller – und erhielten grandios matschige, in großzügigen Öllachen ertrunkene Komponenten von bestürzender Qualität. So fanden wir beide etwa die Häute von Knoblauchzehen in der Tunke vor; bei mir war sogar irgendwie ein sorgsam abgenagter Knochen undefinierbarer Herkunft in die Komposition hineingeraten. „Vielleicht ein bisschen zu authentisch“, fand Ms. Columbo. Ja, vielleicht.
Vorm Mittagessen waren wir in einer Cafeteria am Pl. Espanya gewesen, wo es freies WLAN gab. Wie Ausgehungerte fingerten wir die iPhones hervor und loggten uns mit zittrigen Fingern ein. Ich setzte sogar einen Tweet ab!
Dieses Erlebnis sorgte für eine höchst gehobene Stimmung, und vielleicht war sie es auch, welche sogar später noch die Matschtapas in der Pelaires ins milde Licht der Versöhnung tunkte.
Wie ich uns kenne, hält sie vor bis Barcelona.
21 September 2011
Pareidolie (21): Im Büffetrestaurant
Gefahren, überall
Mit nicht geringer Verwunderung traf ich in einer Caféteria unterm Gipfel des Ätna – in 2000 Metern Höhe also – eine historische Jukebox an.
Das allein hätte den Grad meiner Verwunderung allerdings kaum begründen können; dafür musste noch die Tatsache hinzukommen, dass auf dieser Jukebox was auswählbar war?
Joachim Witts „Tri Tra Trullala“.
Nur Minuten nach dieser Entdeckung verschlechterte sich das Wetter dramatisch. Bei nur noch acht Grad Celsius kam ein von peitschendem Regen begleiteter Sturm auf, der jeden goldenen Reiter aus dem Sattel gehauen hätte, und urplötzlich lachte wieder die Sonne. Der Ätna hat schon was drauf, meine Herrn.
Zurück auf dem Schiff entschloss ich mich, den vieltausendfachen Anfragen nach Details zum Schokoladenbrunnen (vgl. Eintrag v. 18. 9.) nachzugeben und ihn der Einfachheit halber zu fotografieren. Dabei setzte ich mich einer größeren Gefahr aus als mittags auf dem Ätna.
Jedenfalls ist er verführerisch dunkel, der Schokoladenbrunnen. Mit unmenschlicher Willenskraft verweigerte ich mich allerdings erneut dem Drang, beim Thekenmann eine gestrichen volle Tasse zu ordern.
Auf dem Weg zur Kabine kamen wir an einem Stand der Weight Watchers vorbei, und irgendwie löste dieser Anblick tiefe Befriedigung aus. Aber auch Zukunftsangst.
Morgen: Mallorca.
19 September 2011
Pareidolie (20): Pompeij
Eine Frau an unserem Tisch sieht aus wie die Schwester von Howard Carpendale, und ich erwarte zwischen Vorspeise und Hauptgang sekündlich, dass sie aufsteht und anfängt, „Deine Spuren im Sand“ zu singen.
Obwohl sie das bisher nicht getan hat, habe ich den Song seit nunmehr zwei Tagen als Wurm im Ohr. Vielleicht erklärt das die gewisse aufgekratzte Lockerheit, mit der ich nach Pompeij fuhr.
Nicht nur hirnrissige Kalauer fielen mir angesichts der uralten Mauern ein (z. B. „EiaPOMPEIJa“ und „Aber HeidschiPOMPEIJtschi“), sondern auch Pareidolien darauf auf (Foto 1). Selbst später, an den überteuerten Nippesständen für tumbe Touristen, vermochte ich diesen Blick nicht abzustellen (Foto 2).
Abends saßen wir dann wieder neben Howard Carpendales Schwester, mit den bekannten Folgen. Morgen geht es nach Sizilien, auf den Ätna. Ob erstarrte Lava sich ebenfalls um Pareidolien bemüht?
Ich habe fast die Befürchtung.
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