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21 Juli 2011
Geld zu verschenken!
Unglaublich: Nach all den gefühlten Jahrzehnten ist die Mauer endlich gefallen. Heute bin ich das glücklichste Volk der Welt. Denn:
Ich. habe. eine. Saisonkarte.
Man wird mich hinfort bei den Heimspielen des FC St. Pauli auf der Haupttribüne im Block H3 antreffen. Ich bin der, der selbst bei Niederlagen selig grinsen wird. Einfach, weil ich da sein darf. Dort, wo Sitzen fürn Arsch ist.
Als wenn diese verblüffende Entwicklung für mich nicht schon genug Manna vom Himmel regnen ließe, fand ich heute an der Kreuzung Kastanienallee/Beim Trichter auch noch Geld. Echtes Geld in Scheinen.
Da es sich um einen durchaus erklecklichen Eurobetrag handelt (wenn auch nicht in einer Höhe, die mir Knast einbrächte, wenn ich das Geld behielte), möchte ich ihn gerne dem Pechvogel zurückgeben, sofern er mir die Legitimität seines Begehrens nachweisen kann.
Dazu gilt es zwei Fragen richtig zu beantworten: Um welchen Betrag handelt es sich genau, und aus wie vielen und welchen Scheinen besteht der Fund? Wer aber jetzt jammernd hereinschneit und barmt, definitiv er habe das Geld ebenda verloren, wisse aber nichts Genaues über die Details: Pech.
Der Rechtsweg ist natürlich ausgeschlossen; ich bin ja nicht blöd.
20 Juli 2011
Pareidolie (9)
19 Juli 2011
Sie zeigt ihm ihre Liebe nicht
Unter unserem Balkon streitet sich lautstark ein Paar. Sie im Mini über Leggings, mit lippenstiftroten Highheels, weißer Plastikjacke und aufgeregt schlenkernder Handtasche; er ein unkonzentriert rasierter Schlaks in Jeans.
„Hau ab!“, schreit sie schlenkernd und will weggehen, doch er stellt sich ihr in den Weg, hält sie fest. Ein Passantenpaar, das vorbeikommt, will schlichten, mit magerem Erfolg.
„Hau ab, du Scheißkerl!“, ruft die Plastikjacke. Wieder will sie weg, und wieder wird sie festgehalten. Das fremde Paar versucht mit dem gleichzeitig defensiven und dennoch dominanten Mann eine deeskalierende Diskussion zu starten. Er erklärt, sie sei seine Frau, während er sich seiner weiterhin wütenden, doch auch nicht mit letzter Entschlossenheit zur Flucht ansetzenden Gattin erneut in den Weg stellt.
Dann erklärt er den beiden Fremden in ruhigen Worten seine Sicht der Welt. Die allerdings ist nur schwer in Einklang zu bringen mit der Realität unter unserem Balkon.
Denn der Mann sagt: „Sie zeigt mir ihre Liebe nicht, verstehst du?“
Und das stimmt absolut, das hat er sehr gut erläutert, denn wieder schreit es „Scheißkerl!“ von der Seite. Und dann kommt auch schon die Polizei, die diesmal jemand anders gerufen haben muss. Mit zwei Streifenwagen fährt sie vor, vier Leute springen heraus, Gerede, Gemurmel, Rechtfertigungen, und dann zieht das streitende Paar unbehelligt und unverhaftet ab.
Die Polizisten lachen und steigen in ihre Wagen. Solche Einsätze lieben und hassen sie zugleich. Im Grunde war das Ausrücken umsonst, aber andererseits mussten sie auch keine Körperteile von der Straße kratzen, das kann ja auch etwas sehr Unschönes sein.
In der Ferne sehe ich das Ehepaar, wie es diskutierend Richtung Imperial Theater geht. Er zieht sie am Arm. Sie schlägt ihn mit der Handtasche.
„Hau ab!“, schreit sie schlenkernd und will weggehen, doch er stellt sich ihr in den Weg, hält sie fest. Ein Passantenpaar, das vorbeikommt, will schlichten, mit magerem Erfolg.
„Hau ab, du Scheißkerl!“, ruft die Plastikjacke. Wieder will sie weg, und wieder wird sie festgehalten. Das fremde Paar versucht mit dem gleichzeitig defensiven und dennoch dominanten Mann eine deeskalierende Diskussion zu starten. Er erklärt, sie sei seine Frau, während er sich seiner weiterhin wütenden, doch auch nicht mit letzter Entschlossenheit zur Flucht ansetzenden Gattin erneut in den Weg stellt.
Dann erklärt er den beiden Fremden in ruhigen Worten seine Sicht der Welt. Die allerdings ist nur schwer in Einklang zu bringen mit der Realität unter unserem Balkon.
Denn der Mann sagt: „Sie zeigt mir ihre Liebe nicht, verstehst du?“
Und das stimmt absolut, das hat er sehr gut erläutert, denn wieder schreit es „Scheißkerl!“ von der Seite. Und dann kommt auch schon die Polizei, die diesmal jemand anders gerufen haben muss. Mit zwei Streifenwagen fährt sie vor, vier Leute springen heraus, Gerede, Gemurmel, Rechtfertigungen, und dann zieht das streitende Paar unbehelligt und unverhaftet ab.
Die Polizisten lachen und steigen in ihre Wagen. Solche Einsätze lieben und hassen sie zugleich. Im Grunde war das Ausrücken umsonst, aber andererseits mussten sie auch keine Körperteile von der Straße kratzen, das kann ja auch etwas sehr Unschönes sein.
In der Ferne sehe ich das Ehepaar, wie es diskutierend Richtung Imperial Theater geht. Er zieht sie am Arm. Sie schlägt ihn mit der Handtasche.
18 Juli 2011
Fundstücke (143)
17 Juli 2011
Hopsgenommen
Gestern Abend suchte ich DJ Ping (Foto) an seinem Mischpult im East Hotel auf, um ihn wieder mal einer Doppelbelastung auszusetzen: auflegen und plaudern.
Dabei kam das Gespräch auf sein Facebookfoto, was ihn in grobkörnigem Schwarzweiß hinter einer Autoscheibe zeigt. Obgleich Stirn und Augen von der Sonnenblende verdeckt sind, tritt sein grundfideler Gemütszustand deutlich zutage – obwohl er gerade von einer Überwachungskamera geblitzt wird.
Für 62 km/h innerorts, erzählte er, wurden ihm 15 Euro Bußgeld aufgebrummt. Das allerdings vermochte ich mit einem hochaktuellen Ereignis mühelos zu übertrumpfen. Vorgestern nämlich querte ich mit dem Fahrrad die vermeintlich gesperrte Hälfte der Dammtorstraße bei Rot, wartete in der Mitte auf Grün und wurde auf der anderen Seite prompt von der Polizei hopsgenommen.
Per Funk hatte der eine dem anderen Polizisten mein Kommen bereits avisiert, und als ich drüben ankam, stellte sich mir ein Tour-de-France-tauglich ausstaffierter Mountainbikeblaumann in den Weg. Es folgten neben der Frage, ob ich den Verstoß zugäbe („Bleibt mir ja wohl nichts anderes übrig, nicht?“), Belehrungen, Ermahnungen – und die frohe Kunde, ich bekäme demnächst die postalische Aufforderung, 45 (!) Euro zu zahlen. Hinzu käme ein Punkt in Flensburg.
Fünfundvierzig Euro? Große Güte. „Das würde mich aber fuchsen“, sagte DJ Ping, und wer wäre ich, ihm zu widersprechen. Wenn man beide Delikte und ihre Sanktionen vergleicht, ergibt sich somit folgendes Fazit:
Eine potenziell tödliche Tonne Stahl 24 Prozent zu schnell durchs Dorf zu bewegen wie DJ Ping ist nur ein Drittel so schlimm wie im Schneckentempo mit zehn Kilo Hollandrad bei Rot über die Fußgängerampel einer teilgesperrten Straße zu schleichen.
Übrigens ist das keinesfalls ein Appell, die Strafe für DJ Ping dramatisch heraufzusetzen. Dass das mal klar ist.
Nachtrag vom 8.11.2011: Gegen den Bußgeldbescheid hatte ich übrigens Widerspruch eingelegt. Mein Argument: Die Straße schien mir zur Hälfte gesperrt, weswegen ich bei Rot bis zur Mitte und dann bei Grün auf die andere Seite gewechselt sei. Die Lage vor Ort hatte ich mit einem Foto dokumentiert. Und heute – man glaubt es kaum – teilte man mir die Einstellung des Verfahrens mit. „Das Gericht“, schreibt das Gericht, „hält eine Ahndung der Ordnungswidrigkeit nicht für geboten.“ Dass ich so was noch erleben darf.
16 Juli 2011
Die gemütlichsten Ecken von St. Pauli (49)
15 Juli 2011
Der schüchterne Revolverheld
Am Dienstagabend waren wir eingeladen. Unten an der Elbe, in einer kleinen, stilvoll heruntergekommenen Kneipe namens Hafenbahnhof, wollte uns Johannes Strate, Sänger der sehr erfolgreichen Deutschrockband Revolverheld, sein erstes Soloalbum vorstellen.
Wie sich das Werk namens „Die Zeichen stehen auf Sturm“ anhört, -fühlt und -schmeckt etc. pp., spielt hier nicht die kleinste Rolle; das erfahren Interessierte kostenpflichtig am 30. September. Nein, an dieser Stelle soll eine kleine Analyse des abgebildeten Schnappschusses im Mittelpunkt stehen, obgleich er technisch (grazie, iPhone) unter aller Kanone ausgefallen ist. Aber nicht psychologisch!
Links nämlich sehen wir den Sänger sitzen, und mitten im Jewelcasezuklappen schaut er sympathisch schüchtern, doch warmherzig hoch zu einer allein schon dadurch, dass sie aufrecht steht, dominant wirkenden Blondine, die ihn rechts aus dem Halbdunkel heraus auffordernd anlächelt.
Da liegt unwiderlegbar nonverbale Spannung in der Luft, entlang der diagonal gekippten Blickachse flirrt es geradezu vor Flirtpotenzial. Doch – ach! – in der Mitte, als unüberwindliche Sperre, prunkt eine Projektion von Strate höchstselbst, gleichsam sein Gewissen, welches mahnend ernst herabblickt auf die bedrohliche Szenerie.
Denn Strate, so jedenfalls darf man diese Bildkomposition in ihrer melodramatischen Gesamtheit durchaus interpretieren, ist bereits anderweitig vergeben. Er steht sich – und da würde mir selbst Sigmund Freud gewiss nicht widersprechen – buchstäblich selbst im Weg. Und der Blondine damit natürlich auch.
Wenn Sie den heutigen Eintrag übrigens erst an dieser Stelle für unsinnigen Quatsch halten (ja, es gibt auch sinnigen Quatsch), dann kann es nur daran liegen, dass Sie es mir unabgesprochen gleich getan und bereits zwei Gläser Collegium Wirtemberg Riesling Alte Rebe intus haben.
Nur so eine Theorie.
14 Juli 2011
Sss, fff und dies und das
Heute in der Umkleidekabine des Fitnessstudios belauschte ich ein Gespräch zwischen zwei Geschlechtsgenossen, das mir hinfort als Beispiel für die Definition eines Optimisten gelten wird.
Einer erzählte einem anderen, er sei am Wochenende bei einem Opelhändler gewesen, der irgendetwas zu feiern und daher eine gutbestückte Tombola veranstaltet hatte. „Ich wollte eigentlich zu Fuß gehen“, erzählte der Mann, während er sich frottierte, „für den Fall, dass ich das Auto gewinne.“
Dass er es dann doch nicht tat (und – wie sich im weiteren Verlauf der Erzählung herausstellte – auch nicht mal ein Auto als Gewinn ausgelobt worden war), ändert nichts daran: Für diesen Mann ist das Glas bestimmt immer halbvoll; er ist das Musterbeispiel eines Optimisten.
Aufmerksamen Lesern sind sicherlich die drei aufeinanderfolgenden Konsonanten im Wort „Fitnessstudio“ aufgefallen. Es gibt sogar mindestens ein Wort im Deutschen, das dieses seltene Phänomen gleich doppelt aufweist: „Flussschifffahrt“. Wer mir weitere zu nennen in der Lage ist, gewinnt jeweils einen Opel, sofern mir ausreichend viele zum Verlosen zur Verfügung gestellt werden.
Mit dem merkwürdigen Foto, welches ich in der Grindelallee anfertigte, hat das übrigens alles so viel zu tun wie FDP-Politiker mit wissenschaftlichen Standards, aber das ist ja nicht weiter schlimm.
13 Juli 2011
12 Juli 2011
Grenzerfahrung in der Hafencity
Vor zwei Jahren nahm ich schon einmal das spezifische Flohmarktsortiment in der Hafencity unter die Lupe und kam zu interessanten soziologischen Erkenntnissen. Am Sonntag waren wir mal wieder da, um erneut die Anwohner von Magellanterrassen und Sandtorkai beim Ausmisten zu beobachten.
Diesmal auffällig oft vertreten: Nippes, den man von Flugreisen übrigbehält. Also Schirmmützen der Lufthansa, Rucksäcke von Condor, Einwegschlappen aus Luxushotels – sowie ein zauberhafter Strohhut mit der Banderolenaufschrift „Sheraton-Grande Lacuna Beach Phuket“, den ich augenblicks erstehen musste (aus Gründen), und zwar für faire drei Euro. Der Herr in den besten Jahren, der ihn mir verkaufte, begründete seine Entscheidung damit, sein Kopf sei mittlerweile „zu groß geworden“.
Ich fand das merkwürdig, weil gemeinhin mit dem Alter eher Körperpartien wie Bauch, Hüfte oder Oberschenkel dazu neigen, Lebensjahre kongenial in Speckzuwachs umzusetzen, doch vielleicht unterscheidet ja gerade das die Hafencitybewohner essenziell von Kiezianern oder Eimsbüttlern.
Gleichwohl verstörte mich etwas anderes weitaus mehr, nämlich das Cover der abgebildeten Vinylsingle.
Klar, die Popgeschichte ist überreich an ästhetischen Verirrungen, ja Vollkatastrophen, doch dieses Exemplar einer gewissen Claudia Phillips, die den Begriff „Brustimplantat“ auf bestürzende Weise neu interpretiert und dazu grellstens grimassiert, als schöbe man ihr gerade einen Skorpion ins Rektum, gehört in seiner Scheußlichkeit sicherlich zu den herausragenden Beispielen.
Es ist also völlig nachvollziehbar, weshalb ein Hafencitybewohner sich lieber vorgestern als übermorgen von der dreiköpfig mutierten Frau Phillips trennen möchte. Die entscheidende Frage aber lautet doch: Wie ist er überhaupt in den Besitz dieser Platte gelangt? Wurde er irgendwo auf der Welt, vielleicht im Folterkeller des Sheraton-Grande Lacuna Beach Phuket, unter Androhung roher körperlicher Gewalt zum Kauf gezwungen?
Ich habe mich nicht getraut zu fragen. Schließlich gibt es Grenzen.
11 Juli 2011
Sex sells, aber nicht immer
Die Koberer an der Reeperbahn erkennen mich immer noch nicht. Liegt es an meinem Durchschnittsgesicht oder an ihrer (berufsbedingten) Amnesie? Keine Ahnung.
„Darf ich Ihnen mal zeigen, den versauten Stall?“, umgarnt mich einer, dem ich im Lauf der Jahre schon circa achthundertmal mangelndes Interesse signalisiert habe. „Noch sindse frisch geduscht, noch riechense gut!“
Danke, trotzdem nicht. Sollte er mich demnächst mal wieder nach Mitternacht ankobern, werde ich ihn mit seinen eigenen Waffen schlagen – und die Ablehnung seiner Offerte mit „olfaktorischer Vorsicht“ begründen.
Auf der anderen Seite der Reeperbahn muss ich an der Fußgängerampel gegenüber der Davidwache Grün abwarten und gerate in den Radar einer großen blonden Hure, die mich immerhin nicht anfasst, was ich ihr innerlich hoch anrechne.
„Was hast’n noch vor heute Abend?“, flötet sie. „Ich will jetzt nach Hause, zu meiner Frau.“ Hat sie anscheinend schon mal gehört, diese Ausrede (wobei das gar keine Ausrede ist – für den Fall, dass Ms. Columbo hier mitliest). Jedenfalls antwortet sie sofort: „Kannste doch auch noch in ner halben Stunde! Du bist halt im Verkehr steckengeblieben. 30 Euro – für’n kleinen Abstecher …?“
Verdammt, woher kennt diese Frau meine heillose Schwäche für Kalauer? „Nicht schlecht: im Verkehr steckengeblieben; Abstecher“, lobe ich sie mit kursivierter Betonung und anerkennendem Nicken, ehe ich ihr noch einen schönen Abend wünsche.
Übrigens erlischt nur eins auf dieser Welt schneller als eine Kerze im Schneesturm: das Interesse einer Reeperbahnhure, die keine Erfolgschance mehr sieht. Schlagartig vereisende Gesichtszüge, Abdrehen, Weggehen: Das ist gleichsam eine einzige homogene Aktion, deren behende Eleganz man durchaus heimlich bewundern darf.
Wer von Ihnen übrigens bereits nach der Preisangabe elektrisiert abgeschaltet hat, dem sei vorsichtshalber gesagt: 30 Euro ist nach Angaben gewöhnlich gut informierter Kreise nur ein lachhafter Lockvogelfantasiepreis, für den die gute Frau auf dem Zimmer nicht mal das T-Shirt lüftet.
Und für die unweigerlich beginnenden Nachverhandlungen auf ihrem ureigenen Territorium sind gewiss nur die wenigsten Menschen auf der Welt gerüstet. Debütierende Freier schon mal gar nicht.
PS: Das heutige Motiv aus der Talstraße hat nur lose mit den geschilderten Ereignissen zu tun, das gebe ich zu.
10 Juli 2011
Pareidolie (8): Bernds mondäne Schwester
09 Juli 2011
Fundstücke (142)
07 Juli 2011
Ringo und der Blowjob
Kann mir bitte mal ein Mensch plausibel erklären, wieso der Ex-Beatle Ringo Starr, der heute 71 wurde, keinen Tag älter aussieht als 45?
Früher mussten solche Leute – ich denke da an Typen wie Ahasver oder Melmoth – alle paar Jahrzehnte umziehen, weil ihre Alterlosigkeit den Nachbarn verdächtig wurde. Heute sind sie Popstars und keiner sagt was.
An den Landungsbrücken jedenfalls feierte Ringo mittags um 12 ein wenig Geburtstag, rief gutgelaunt „Peace and love!“ in die Sommerluft und war ganz generell agil wie ein Iltis. Wir sangen ihm ein kleines Geburtstagsständchen und sahen ihn abends im Stadtpark wieder, wo er „What’s my name?“ rief und auf das tausendfache „Ringo!“-Echo wartete.
Ein echt netter Kerl, der Mann, aber wie hat einer wie er, der mit 71 aussieht wie 45, eigentlich ausgesehen, als er 30 war – wie minus 15 …? Nein, irgendwas stimmt da nicht mit Ringo, was übrigens in ähnlichem Maße auch für seine Frau Barbara Bach gilt (64 <-> 44).
Auf dem Heimweg schlenderten wir über die Reeperbahn und sahen an einer Hauswand einige Obdachlose lagern. Eine Frau mit Bandanakopftuch lag halb über dem Schoß eines auf dem Gehweg sitzenden Mannes, ihr Kopf bewegte sich auf und ab.
Hm, dachte ich.
Im Vorübergehen riskierte ich einen Seitenblick – und sah, dass dem Mann etwas Fleischfarbenes aus der Hose wuchs und in ihrem Mund verschwand.
„Hast du das gesehen?“, fragte ich Ms. Columbo im Weitergehen. Selbst auf dem Kiez ist dieses Verhalten eher ungewöhnlich; normalerweise muss man für einen solchen Anblick den Gehweg verlassen. „Was denn?“, fragte sie. Ich erzählte es ihr. „Echt?“, sagte sie. „Ich sehe ja so was nie.“
Und genau deshalb habe ich ein Blog und sie nicht. Dafür hat sie aber andere ganz tolle Sachen.
->
Früher mussten solche Leute – ich denke da an Typen wie Ahasver oder Melmoth – alle paar Jahrzehnte umziehen, weil ihre Alterlosigkeit den Nachbarn verdächtig wurde. Heute sind sie Popstars und keiner sagt was.
An den Landungsbrücken jedenfalls feierte Ringo mittags um 12 ein wenig Geburtstag, rief gutgelaunt „Peace and love!“ in die Sommerluft und war ganz generell agil wie ein Iltis. Wir sangen ihm ein kleines Geburtstagsständchen und sahen ihn abends im Stadtpark wieder, wo er „What’s my name?“ rief und auf das tausendfache „Ringo!“-Echo wartete.
Ein echt netter Kerl, der Mann, aber wie hat einer wie er, der mit 71 aussieht wie 45, eigentlich ausgesehen, als er 30 war – wie minus 15 …? Nein, irgendwas stimmt da nicht mit Ringo, was übrigens in ähnlichem Maße auch für seine Frau Barbara Bach gilt (64 <-> 44).
Auf dem Heimweg schlenderten wir über die Reeperbahn und sahen an einer Hauswand einige Obdachlose lagern. Eine Frau mit Bandanakopftuch lag halb über dem Schoß eines auf dem Gehweg sitzenden Mannes, ihr Kopf bewegte sich auf und ab.
Hm, dachte ich.
Im Vorübergehen riskierte ich einen Seitenblick – und sah, dass dem Mann etwas Fleischfarbenes aus der Hose wuchs und in ihrem Mund verschwand.
„Hast du das gesehen?“, fragte ich Ms. Columbo im Weitergehen. Selbst auf dem Kiez ist dieses Verhalten eher ungewöhnlich; normalerweise muss man für einen solchen Anblick den Gehweg verlassen. „Was denn?“, fragte sie. Ich erzählte es ihr. „Echt?“, sagte sie. „Ich sehe ja so was nie.“
Und genau deshalb habe ich ein Blog und sie nicht. Dafür hat sie aber andere ganz tolle Sachen.
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Ein bisschen (viel) Schwund ist immer
Klar, die Deutsche Post ist schon lange keine Behörde mehr, doch manches Relikt aus jenen glorios seriösen Jahrzehnten steckt ihr noch immer tief in den Genen. Ich werde weiter unten auf diese These zurückkommen.
Seit der Privatisierung hat sich bei der Post, wahrscheinlich durch Lohndrückerei, eine Selbstbedienungsmentalität breit gemacht, die einst, als Schwarz-Schilling noch Postminister war, niemals denkbar gewesen wäre. Die Quote der Umschläge mit CDs und DVDs, die an unsere Redaktion adressiert sind und „verschwinden“, beträgt fünf bis zehn Prozent, mit deutlichen Spitzen in der Vorweihnachtszeit.
In der Regel verdunstet das ganze Zeug spurlos, und da es fast immer als einfache Briefsendung verschickt wird, ist die Post stets auf der sicheren Seite. Sie kann schließlich nur Einschreiben und Pakete zurückverfolgen, tja.
Enttarnt wird der Schwund meist erst durch telefonische Nachfragen der Absender bei mir. Manchmal schicken sie eine Platte dreimal, ehe die Post endlich so gnädig ist, sie bis zu uns durchzuwinken.
Doch zurück zum eingangs erwähnten Gen, welches sich als Relikt hie und da noch bemerkbar macht. Neulich war es mal wieder so weit: Ich fand das oben abgebildete Objekt in meinem Postfach. Es handelt sich dabei um einen unverhohlen grobmotorisch aufgerissenen DIN-A5-Umschlag in einer Plastikhülle.
Nachdem Herr Werauchimmer die CD entnommen hatte – und jetzt wird’s bürokratisch –, steckte er den zerstörten Umschlag in eine Klarsichttasche, verschweißte sie sorgfältig und gab dieses völlig nutzlose Ensemble dann wie zum Hohn doch noch in die Zustellung.
Mal ehrlich, Post: Dann doch lieber einfach stillschweigend einsacken. Der aufgedruckte Text – „Die Sendung wurde leider beschädigt und deshalb von der Deutschen Post mit Kunststoffhülle versehen“ – düpiert mich nämlich mehr als eine vorerst unbekannt gebliebene Mopserei. Zumal dieser Text zu allem Überfluss auch noch Dankbarkeit einfordert – für eine Fürsorge, die gar nicht nötig gewesen wäre, hätte man diesen Umschlag einfach ordnungsgemäß zugestellt, statt ihn zu flöhen.
Übrigens ist die Verzweiflung auch auf Absenderseite groß. Da die Labels sich das Porto für Einschreiben nicht leisten können (weil Sie alle, meine Damen und Herren, wild downloaden, jawohl), versuchen sie es mit bisweilen rührenden kleinen Tricks. Promo-CDs von besonders begehrten Künstlern etwa tragen immer seltener den wahren Namen. Statt Eric Clapton steht dann zum Beispiel „Ian Snodgrass“ drauf (schon erlebt), in der Hoffnung, Herr Werauchimmer kratzte sich darob ratlos am Kopf und ließe unwissentlich den Clapton passieren.
Übrigens möchte ich meine obigen Ausführungen hiermit in aller Deutlichkeit als spekulativ klassifizieren; alle angedeuteten Beschuldigungen sind lediglich stilistisch und rhetorisch motiviert.
Einschreiben und Pakete verschwinden übrigens nie. Doch dafür gibt es bestimmt eine ganz einfache Erklärung. Die mir nur gerade nicht einfällt.
Nachtrag vom 11.8.2011: Die Sendung „Kerner“ dokumentierte heute Abend einen Test mit Bargeldsendungen. Ergebnis: 30 Prozent aller Briefe werden von Postdieben geöffnet, gefleddert und teils leer weitergeschickt.
06 Juli 2011
Fundstücke (141)
05 Juli 2011
Fundstücke (140)
04 Juli 2011
Von Rolltreppen und anderen Defekten
Es ist der Sonntag des Halbmarathons (Foto). 15 Minuten auf der Reeperbahn zum Brötchenholen reichen mal wieder, um sich mit einer kompletten Wochenration an schrägen Typen zu versorgen.
An der S-Bahn Reeperbahn nähert sich ein ungefähr 50-jähriges Kiezoriginal – lange Haare, Schiebermütze, Schnauzbart, Lederklamotten und ein Bauch wie Otti Fischer – einem Polizistenquartett. „Wie komm ich da rübä?“, fragt der Mann zwischen zwei Zügen an der Selbstgedrehten.
Er möchte die Reeperbahn überqueren, doch die ist gesperrt, wegen des Halbmarathons. „Durch die Unterführung“, sagt einer der Polizisten. „Was, ächt?“, staunt der Schnauzbart. „Aber die Rollträbbee is doch kaputt!“ Die Polizisten zucken mit den Schultern. Sie haben andere Prioritäten.
Das Kiezoriginal sieht, dass es hier nicht weiterkommt, und stakst hinter mir die Treppe runter – unablässig „So’n Scheiß!“ fluchend angesichts der Gewissheit, dass es drüben seine Ottifischerwampe auf unzumutbare Weise wieder auf Reeperbahnniveau hochwuchten muss, ausschließlich mit Hilfe von Willens- und Körperkraft statt einer Rollträbbee.
Drüben steht ein Mann im Kurzarmhemd schwankend auf dem Gehweg vor zwei leeren Bierflaschen. Eine willkommene Gelegenheit für das Kiezorginial, Kontakt aufzunehmen. „Na, bissdu übägeblieben von lättser Nacht, sach mal?“ Die Antwort fällt anscheinend zufriedenstellend aus, denn es entspinnt sich sofort ein trautes Zwiegespräch.
Wenige Meter weiter, am Hamburger Berg, steigt eine knapp 70-jährige Berufsjugendliche in schwarzen Lederhosen und rosa Jäckchen aus einem Taxi. Ihr blondierter Kurzhaarschnitt ist forsch, die Bierflasche in ihrer Hand halbgefüllt. „Fahr los, du Arschloch!“, ruft sie dem Fahrer zu, während sie mit Karacho die Taxitür zuschlägt. Der Fahrer beugt sich rüber und brüllt „Hau bloß ab!“ oder so ähnlich; seine Stimme dringt nur gedämpft aus dem geschlossenen Wagen.
Sie wankt davon, 70 und noch immer auf Krawall gebürstet. Als ich vom Brötchenholen zurückkomme, steht sie vor einer Stripbar an der Reeperbahn. Plötzlich springt sie behende auf ein Frauentrio zu. Alle tragen einen schwarzen Tschador, der ihre Haare verbirgt, offenbar Moslems.
„Kinderficken gut?“, ruft die Alte mit pseudodevoter Verbeugung und dem typisch schiefen Lächeln der Betrunkenen. „Ja“, sagt eine der Frauen; bedingungslose Affirmation als automatischer Abwehrreflex. Alle drei lächeln freundlich und beeilen sich, an der merkwürdigen Rentnerin vorbeizukommen. „Gut!“, jubiliert die Alte und tänzelt bierflaschenschwenkend zurück zum Eingang der Stripbar. Irgendeinem Pflegeheim in der Umgebung stehen bald lustige Zeiten bevor, das ist schon mal sicher.
An der Postfiliale ist ein multikulturelles Trüppchen unterwegs. „Sag, Achmed“, spricht ein augenscheinlich afrikanischstämmiger Brocken seinen Kumpel an, „warum du nicht auch Marathon? Du immer Arbeit, Arbeit, Arbeit!“
Achmed bleibt gelassen. „Laufe, laufe, laufe“, antwortet er, „isse auch Arbeit, Arbeit, Arbeit.“
Und dann bin ich wieder zu Hause. Sonst wäre das noch ewig so weitergegangen.
An der S-Bahn Reeperbahn nähert sich ein ungefähr 50-jähriges Kiezoriginal – lange Haare, Schiebermütze, Schnauzbart, Lederklamotten und ein Bauch wie Otti Fischer – einem Polizistenquartett. „Wie komm ich da rübä?“, fragt der Mann zwischen zwei Zügen an der Selbstgedrehten.
Er möchte die Reeperbahn überqueren, doch die ist gesperrt, wegen des Halbmarathons. „Durch die Unterführung“, sagt einer der Polizisten. „Was, ächt?“, staunt der Schnauzbart. „Aber die Rollträbbee is doch kaputt!“ Die Polizisten zucken mit den Schultern. Sie haben andere Prioritäten.
Das Kiezoriginal sieht, dass es hier nicht weiterkommt, und stakst hinter mir die Treppe runter – unablässig „So’n Scheiß!“ fluchend angesichts der Gewissheit, dass es drüben seine Ottifischerwampe auf unzumutbare Weise wieder auf Reeperbahnniveau hochwuchten muss, ausschließlich mit Hilfe von Willens- und Körperkraft statt einer Rollträbbee.
Drüben steht ein Mann im Kurzarmhemd schwankend auf dem Gehweg vor zwei leeren Bierflaschen. Eine willkommene Gelegenheit für das Kiezorginial, Kontakt aufzunehmen. „Na, bissdu übägeblieben von lättser Nacht, sach mal?“ Die Antwort fällt anscheinend zufriedenstellend aus, denn es entspinnt sich sofort ein trautes Zwiegespräch.
Wenige Meter weiter, am Hamburger Berg, steigt eine knapp 70-jährige Berufsjugendliche in schwarzen Lederhosen und rosa Jäckchen aus einem Taxi. Ihr blondierter Kurzhaarschnitt ist forsch, die Bierflasche in ihrer Hand halbgefüllt. „Fahr los, du Arschloch!“, ruft sie dem Fahrer zu, während sie mit Karacho die Taxitür zuschlägt. Der Fahrer beugt sich rüber und brüllt „Hau bloß ab!“ oder so ähnlich; seine Stimme dringt nur gedämpft aus dem geschlossenen Wagen.
Sie wankt davon, 70 und noch immer auf Krawall gebürstet. Als ich vom Brötchenholen zurückkomme, steht sie vor einer Stripbar an der Reeperbahn. Plötzlich springt sie behende auf ein Frauentrio zu. Alle tragen einen schwarzen Tschador, der ihre Haare verbirgt, offenbar Moslems.
„Kinderficken gut?“, ruft die Alte mit pseudodevoter Verbeugung und dem typisch schiefen Lächeln der Betrunkenen. „Ja“, sagt eine der Frauen; bedingungslose Affirmation als automatischer Abwehrreflex. Alle drei lächeln freundlich und beeilen sich, an der merkwürdigen Rentnerin vorbeizukommen. „Gut!“, jubiliert die Alte und tänzelt bierflaschenschwenkend zurück zum Eingang der Stripbar. Irgendeinem Pflegeheim in der Umgebung stehen bald lustige Zeiten bevor, das ist schon mal sicher.
An der Postfiliale ist ein multikulturelles Trüppchen unterwegs. „Sag, Achmed“, spricht ein augenscheinlich afrikanischstämmiger Brocken seinen Kumpel an, „warum du nicht auch Marathon? Du immer Arbeit, Arbeit, Arbeit!“
Achmed bleibt gelassen. „Laufe, laufe, laufe“, antwortet er, „isse auch Arbeit, Arbeit, Arbeit.“
Und dann bin ich wieder zu Hause. Sonst wäre das noch ewig so weitergegangen.
03 Juli 2011
Das Wetter spielte mit
02 Juli 2011
Justitia statt Titten
Das Nightlife in der Großen Freiheit scheint im Lauf der Jahre überaus betrübliche Erfahrungen mit seinen Gästen gemacht zu haben. Anders ist die Vielzahl an Verhaltensvorschriften, mit denen wir bereits vorm Betreten der Erotikbar konfrontiert werden, kaum zu erklären. Das klingt eher nach engem Korsett als nach großer Freiheit.
„Wir bitten Sie, bei einer Bestellung vorher unsere Getränke-Karte genau einzusehen!“, mahnt uns das Nightlife links vom Hintern der Pferdeschwanz- und Schlaghosenblondine, und es ist überdeutlich zu spüren, wie mühsam sich der Texter das Wörtchen „bitte“ abgerungen haben muss (der Deppenbindestrich fiel ihm mit Sicherheit erheblich leichter).
Darunter aber wird’s noch mal eine Runde schärfer. „Ihre Bestellung ist im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches ein Auftrag, der Sie zur Zahlung verpflichtet“, droht man bereits vor der Aufnahme jeglicher Geschäftsbeziehung mit Justitia, diesmal immerhin ohne Ausrufezeichen. Aber zur Sicherheit unten drunter auch noch mal auf Englisch.
Auf der Karte links daneben geht es ähnlich weiter. Bestellungen dürfen wir „nur persönlich beim Kellner aufgeben“, und das „Personal ist berechtigt sofort zu kassieren“. (Ein Komma hätte ich bei Bedarf übrigens noch in der Schublade.)
Mensch, da will man einfach nur mal ordentlich Titten gucken gehen, und was tut das Nightlife? Empfängt uns in einem Tonfall, der ans Grundsatzprogramm der chinesischen KP erinnert.
Derart liebreizend umworben erfreut sich wohl mancher potenzielle Gast einfach nur kurz am Wagemut der angedeuteten Doppelpenetration des Graffitos und zieht dann eingeschüchtert weiter. Zu groß das Risiko, das Bürgerliche Gesetzbuch über den Schädel gezogen zu bekommen, nur weil der Kellner bei der Bestellung statt „Red Bull“ (8 Euro) „Roederer“ (630 Euro) verstanden hat.
Und es ist ja nicht so, dass es hier keine Alternativen gäbe.
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