23 Februar 2010

Skurrilitäten des Alltags

Im Hans-Albers-Eck mitten im Rotlichtviertel sahen wir vier Jungs von allenfalls knapp 18, die wie an der Schnur aufgereiht an einem Wandtresen saßen.

Die Wand vor ihnen war verspiegelt, und statt miteinander zu sprechen, starrten die Jungs die ganze Zeit ihr jeweils eigenes Spiegelbild an. Ab und zu nippten sie an ihrem (höchstwahrscheinlich illegal ausgeschenkten) Bier, ansonsten waren sie sich selbst genug. Ein irgendwie friedliches Bild. So voller Narzissmus und vielversprechender Zukunft.

Ein irgendwie unheimliches Bild
hingegen präsentierte sich mir heute Mittag im Ottenser Restaurant Zinken. Auf der Herrentoilette gibt es zwei Waschbecken im Meterabstand, und wenn du bei einem den Hahn aufdrehst, läuft synchron auch der andere. Verblüfft deklinierte ich alle Möglichkeiten durch: Der Effekt war immer der gleiche.

Zurück im Gastraum sprach ich einen Kellner darauf an. „Auf dem Herrenklo laufen immer beide Wasserhähne, wenn man einen aufdreht. Wissen Sie das eigentlich?“ Kellner: „Ja.“ Matt: „Und welchen Zweck hat das?“ Kellner: „Das ist ein Defekt.“

… Der allerdings schon jahrelang besteht, wie ich später vom Franken hörte, der diese Geschichte dereinst bereits vom Syrer erzählt bekommen hatte (der Franke selbst nämlich besucht niemals Toiletten in Gaststätten und richtet es immer so ein, dass er zu Hause … Aber lassen wir das.).

Die Waschbecken des Zinken jedenfalls verbrauchen seit Jahren ungestraft eine doppelt so hohe Wassermenge wie nötig, dabei würde man in der Sahelzone töten für zwei Tropfen davon und auf Haiti …

Aber lassen wir das.

PS: Mein Beispielfoto ist schon älter. Inzwischen heißt der Laden Zum kleinen Zinken, Untertitel: „Restaurant für Arm und Reich“. Die Herrenklohähne übten sich aber auch schon zum damaligen Zeitpunkt im Synchronfließen.


21 Februar 2010

Kein Risiko



Matt
zum alten Freund C: „Wie geht es eigentlich deiner Tochter?“

Junge frische Freundin des alten Freundes C. mit aufgerissenen Augen zum alten Freund C.: „Was: Du hast eine TOCHTER?“

Exakt wegen dieses denkbaren Gesprächsverlaufs fragte ich meinen alten Freund C. (M., scharf) in Gegenwart seiner jungen frischen Freundin dann doch lieber nicht nach dem Befinden seiner Tochter. Und als sie mal nicht dabei war, dachte ich nicht dran.

Vielleicht ist das aber auch alles völlig unwichtig.



20 Februar 2010

Blasphemie!



„Ich habe schlechte Nachrichten“, sagte C. am Telefon, „wir kommen euch besuchen.“

„Ach, es gibt schlechtere Nachrichten“, antwortete ich – und dachte: zum Beispiel das Abschmelzen der Polkappen. Das stimmt natürlich gar nicht, im Gegenteil: Ich freute mich auf den Besuch von C. und N., zumal sie gleich am zweiten Tag in die „Pop Life“-Ausstellung in der Kunsthalle gehen wollten.

Dort stießen wir auf Maurizio Cattelans blasphemische Pferdeinstallation und dachten, es handele sich um ein ausgestopftes Tier, weil wir kurz zuvor über Damen Hirsts in Formaldehyd eingelegtes echtes Kalb mit den goldenen Hufen gestolpert waren, doch Cattelan hatte Fiberglas genommen und ein Pferdefell drübergezogen, was uns hätte beruhigen sollen.

Und das tat es dann auch, irgendwie (doch nicht).



18 Februar 2010

Fundstücke (67)



Die Kneipe Blauer Peter am Hamburger Berg übt sich in Galgenhumor.

Danke für Hinweis und Beweisfoto an Meister Miele.

17 Februar 2010

Rubens ist tot



Wieder ein Kiezoriginal weniger.

Nach Stefan Hentschel, Käse-Renate, Opa Edi und Domenica hat es nun auch den Maler Erwin Ross erwischt.

Bis zuletzt hat der 83-Jährige – Kampfname: Rubens von der Reeperbahn – in seinem Atelier Bilder produziert. Seine saftigen Porträts draller Nackter zieren flächendeckend den Kiez. Auch die gespreizten Beine, durch die man die Ritze an der Reeperbahn betritt, sind sein Werk, und zwar sein berühmtestes.

Ross’ malte Frauen immer so, wie Klischeemachos sie sich vorstellen: üppig, kurvig, verspielt und mit sinnlichem Blick.

Die Härte des Sexgeschäfts, den Schmuddel, die emotionale Verrohung, die auf dem Kiez ja auch zu Hause sind, hat er stets rausgehalten aus seinen Bildern. Stattdessen verkörpern sie das Versprechen auslebbarer Lust – und zugleich die Chance, dass die porträtierte Sexbombe dir irgendwann zwei Kinder schenkt und ihr glücklich werdet im Treppenviertel mit Elbblick.

Seit dem 12. Februar ist Ross nicht mehr da. Seine Nackten aber werden es noch lange sein.



16 Februar 2010

Karneval bei Lillo



Lillo ist ein untersetzter schwarz- und kulleräugiger Italiener sowie unumschränkter Cheffe des Restaurants Don Camillo e Peppone in der Seilerstraße, wo wir heute zu viert einfielen.

Lillo musste einige Pannen erklären im Laufe des Abends, zum Beispiel die rhythmischen Stromausfälle, die zum Glück durch die vorsorglich aufgestellten Kerzen vorzüglich kompensiert wurden. Oder die vergessenen Antipasti. Und er tat das mit so viel Charme und – was noch wichtiger war – generös spendierten Likören, Schnäpsen und Weinflaschen, dass wir ihm nicht die Spur böse sein konnten, ganz im Gegenteil.

„Tute mir leide mit de vergessene Antipasti“, barmte er kulleräugig. „Macht nix“, kalmierte ich verständnisvoll die Lage, „wir kommen trotzdem wieder.“ Lillo erstrahlte wie eine Lichterkette und rief: „I love you!“, wobei er eine irgendwie kugelrunde römische Version von Michael Jackson abgab, nur vokal tieffrequenter.

Zwischendurch erfreute er uns mit einer kaluaähnlichen Kreszenz namens „Jack Russell“. „So etwasse habese noch nie e-getrunke!“, versprach Lillo beim Verteilen des pechschwarzen Trunks, den ich auf 16 Umdrehungen schätzte.

„Nein, sinde 42“, korrigierte er mit plötzlich verschwörerhaft gedämpfter Stimme und informierte uns über einen erst neulich stattgefundenen Exzess zu viert, an dem er federführend beteiligt war und dessen Bilanz am Ende einen Verbrauch von sechs Flaschen Jack Russell ergab.

„Und wisse was? Wir ware nich betrunke!“, schwor Lillo und schickte einen Gehilfen aus, damit wir den kaluaähnlichen Geschmack zeitnah mit einem Kräuterlikör übertünchen konnten.

Schließlich beschwor er uns, unbedingt zu seiner Karnevalsparty am 27. Februar zu kommen. „Aber übermorgen ist doch schon Aschermittwoch“, staunte Ms. Columbo, „dann ist doch alles vorbei.“

Lillo schaute mitleidig. „In welche Monat isse Karneval?“, fragte er rhetorisch. „Im Februar“, antworteten wir unisono. „Un sibbe un zwansiste? Isse nich Fäbbuar?“, triumphierte der Philosoph vom Appenin.

Dieser Logik konnten wir uns natürlich nicht verschließen, zumal wir nach Jack Russell, Averna und sizilianischem Vino Bianco eh zu jeder Konzession bereit gewesen wären. „Bitte kommese vorbei am
sibbe un zwansiste un bringe Freunde mit“, sagte Lillo, während er die Gesamtrechnung um acht Prozent kürzte, wegen der ganzen Pannen. Man müsse sich nicht mal verkleiden, versprach er, für Getränke sei ebenfalls gesorgt, alles natürlich kostenlos. „Machese Werbung für de Karneval!“, rief Lillo.

Doch dieses Blog ist werbefrei, das würde ich natürlich niemals tun.


15 Februar 2010

Fundstücke (66)



Dieser reizvolle Veranstaltungshinweis findet sich auf dem Monatsprogramm des Sommersalons am Spielbudenplatz – ein Killerargument für einen baldigen Besuch.

Außerdem kann man im Rahmen der Veranstaltung „SCHEISSE AUSSEHEN – SCHEISSE TANZEN“ seine hässlichste Klamotte gegen ein Astra tauschen.


Ich wühl schon mal im Kleiderschrank.


14 Februar 2010

Nur mit Ausweis

Sonnabend vergangener Woche war ein großer Tag für Ms. Columbo. Sie hatte im Mediamarkt eine FSK-18-Blu-ray aufs Kassenband gelegt – und wurde doch wahrhaftig nach ihrem Personalausweis gefragt.

Nicht, dass sie auch nur annähernd ihrem Alter entsprechend aussähe, keineswegs; doch ernste Zweifel an ihrer Volljährigkeit hatte selbst ich noch nie, der sie seit langem durch die rosarote Brille des vergötternden Gatten betrachtet. Jedenfalls war das ein toller Tag für Ms. Columbo; ihr Strahlen glühte noch nach bis zum frühen Abend.

Heute stand ich ebenfalls an der Mediamarktkasse mit einer FSK-18-Blu-ray. Und da sagte der Kassierer: „Wir müssen uns neuerdings von jedem den Personalausweis zeigen lassen, der Ab-18-Produkte kauft.“ Ich war perplex. „Auch wenn man so aussieht wie ich?“, fragte ich zurück. „Ja, von jedem“, sagte der Kassierer. Also zum Beispiel auch von Nelson Mandela (91).

Und deshalb darf Ms. Columbo von diesem Vorfall nie erfahren.


13 Februar 2010

Lecker: gebackene Kortaffel



Eigentlich gibt es nur zwei Möglichkeiten:

a) Der Kumpirbräter bat den Schildermaler per schriftlicher Vorlage, „Baked Patoto“ aufs Schild zu pinseln, und der Schildermaler dachte, kein Problem, Kunde, du bist König, und malte schweigend wie bestellt.

Oder …

b) … der Schildermaler verschrieb sich versehentlich, doch der Kunde – eher des Kumpirbratens als des Englischen mächtig – merkte zum Glück nichts, und jetzt ist der Fauxpas längst verjährt.

Wie auch immer: Das Ergebnis ist …

a) … am Grindelhof 8 verewigt und
b) einem wintertagversüßenden Schmunzeln recht dienlich.


12 Februar 2010

In Schillers Quetsche



So daunig und ätherisch, so wolkigweich verwunschen, so pathos- und gefühlsumflort die elektronische Musik von Schiller alias Christopher von Deylen auch ist: Sein Händedruck ist definitiv Heavy Metal.

Damit nimmt er schlagartig Platz 2 in meiner persönlichen Härtehitliste ein, direkt hinter dem (freilich unerreichbaren) Kalle Schwensen.

Von Deylens Händedruck widerfuhr mir heute im Restaurant Kochlabor, wo besorgt dreinschauende Männer aus Holz an den Wänden kleben – und mit genau diesem Gesichtsausdruck werde ich der nächsten Begegnung mit Schiller entgegenblicken.

Vor einer mit Kalle Schwensen freilich sähe ich eher aus wie der Typ auf Edvard Munchs Gemälde „Der Schrei“.

Am besten meidet man also beide.



11 Februar 2010

Die Lachse des Guten



Seit unzähligen Jahren essen wir jeden Samstagabend mit Estragon und Zitronengras verfeinertes Lachsfilet an mit Safran aromatisiertem Basmatireis plus Brokkoli. Dazu gibt es stets eine trockene Rieslingspätlese von der Mosel, manchmal auch vom Mittelrhein.


Wenn wir Dinnerdebütanten zu Gast haben, servieren wir dieses Gericht ebenfalls, weil es niemanden auf der ganzen weiten Welt gibt, der es besser hinkriegt als wir, auch Mälzer oder Rach nicht.


Und warum erzähle ich das alles so sinn- und pointenlos? Aus einem einzigen Grund: Weil mir sonst nichts Besseres einfiel, um den spontan kreierten Kalauer in der Überschrift zu rechtfertigen.


09 Februar 2010

Dräns west

Wenn wir uns in der U3 der Haltestelle Sternschanze nähern, ertönt stets die Bandansage einer sonoren Herrenstimme, die sich liebevoll um englischsprachige Passagiere kümmert.

Natürlich: Das hier ist ja auch Hamburg, das Tor zur Welt. Die sonore Herrenstimme sagt:

„Plies tschäinsch hier for echsebischen holl änd dräns west.“

Sehr lange Zeit habe ich mich gefragt, was die Stimme wohl mit „Trance West“ meinen könnte. Klar, ich kenne Trance als einen modernen Tanzstil, aber was hat das mit der Messe um die Ecke zu tun? Und warum muss es ausgerechnet die westliche Variante des Trance sein? Seine kulturellen Ursprünge scheinen mir doch eher im Osten zu liegen oder in Afrika.

Nein, das ergab alles keinen Sinn. Oder meinte der sonore Herr vielleicht so etwas wie einen „Transvest“iten? Immerhin liegt die Sternschanze in unmittelbarer Kieznähe; so abwegig wäre letztere Variante also nicht. Doch um mich semantisch restlos zu überzeugen, hätte der Satz irgendwie anders gestrickt sein müssen.

Monate-, möglicherweise jahrelang blieb der Sternschanzensatz für mich ein Buch mit sieben Siegeln. Ich fühlte mich ein wenig wie jener Mensch, der aus dem Refrain von Bob Dylans größtem Hit immer ein rührendes Freundschaftsbekenntnis für Ameisen herausgehört hatte („… the ants are my friends …“)

Jedenfalls hörte ich immer nur „änd dräns west“, mein Hirn ließ sich davon nicht mehr abbringen. Und Ms. Columbo ging es beruhigenderweise ganz genauso.

Doch dann eines Tages (der noch gar nicht fern ist) legte jemand einen Synapsenschalter um, und plötzlich war die Sache glasklar. Die sonore Herrenstimme sprach von „entrance west“ – Westeingang! Alles fügte sich, der Satz ergab einen Sinn, die Welt fiel zurück in ihre Angeln, Naturgesetze galten wieder.

Seither fahre ich viel unneurotischer U-Bahn – was sich aber bald wieder ändern könnte, denn ich stelle gerade fest, dass sich die Mopo bereits des Dräns-west-Problems angenommen hatte.

Diesen Eintrag lösche ich trotzdem nicht mehr, so.


08 Februar 2010

Zwischen Ballett und Bockwurst

Abends waren wir beim Konzert der jungen russischen Klaviervirtuosin Olga Scheps in der Laeiszhalle.

Sie spielte Schumann, Mozart und Chopin auf einem Steinwayflügel, und zwar mit verblüffender physischer Eleganz. Ihre Armbewegungen ließen mich seltsame Allegorien assoziieren, zum Beispiel an Seeschlangen, die durch ein Meer aus Gelatine schwimmen.

Und wenn sie eine Taste mit dem kleinen Finger anschlug und die ganze Hand dabei aufstellte, erinnerte das an eine Ballettänzerin, die einbeinig auf der Zehenspitze balanciert.

In der Pause gab es am Laeiszhallentresen übrigens Bockwurst und Brezeln, wohl als Kontrast zur Grazie der Pianistin. Auf dem Heimweg, der dank Scheps von Euphorie überzuckert war, hörten wir dann im Vorübergehen folgenden Dialog.

Mann (steht vor seinem geparkten Wagen): „Ach du Scheiße!“
Begleiter: „Was denn – hast du etwa schon wieder einen Strafzettel bekommen?“
Mann: „Nein, ich hatte extra einen hingehängt – und der ist jetzt weg.“

Manche Leute haben Sorgen.



07 Februar 2010

Der Umdreher

Beim Konzert von Laura Veirs im Uebel & Gefährlich steht vor uns der abgebildete Typ mit Entenfußhaltung. Seine Eigenheit: Er dreht sich alle paar Sekunden um.

Anfang dachte ich noch, er missbillige unser kurzes Geplauder, doch diese Theorie wird bald falsifiziert. Denn er dreht sich ständig um, auch nachdem wir längst verstummt sind. Mindestens viermal die Minute, erst nach links, dann nach rechts.

Sein Blick scannt dabei jedesmal die Umgebung hinter uns ab, als suchte er jemand oder fühlte sich verfolgt. Vielleicht stimmt ja auch beides. Jedenfalls fängt der Umdreher mich mächtig an zu nerven.

Statt mich aufs Konzert zu konzentrieren, entwickle ich innerhalb kurzer Zeit Zwangshandlungen. Zum Beispiel beginne ich die Sekunden zu zählen, bis der Entenfüßler erneut den Kopf wendet – da: schon wieder.

Mir schwillt der Kamm. Aber warum eigentlich? Der Typ dreht sich doch nur um. Und er schaut nicht mal uns an, sein Blick streift uns nicht mal.

Trotzdem fühle ich mich belästigt. Ms. Columbo übrigens auch, doch das stellt sich erst später heraus, als wir in stiller Übereinkunft an die Theke geflüchtet sind, um dem Umdreher zu entgehen. „Als hätte er ein Recht darauf, neugierig zu sein“, erregt sich Ms. Columbo, und zwar mit meiner nachdrücklichsten Billigung.

In mir keimt ein peinliches Verständnis für die „Was guckst du?“-Aggressoren, die nichts weiter brauchen als einen vermeintlich ungebührlichen Blick, um zuzuschlagen. Irgendwo tief in uns steckt wohl noch immer das vorzivilisatorische Instinkttier, das alles, was uns widerfährt, nach archaischen Maßstäben interpretiert – und uns entsprechend vorzivilisatorische Reaktionen nahelegt.

Allerdings sind wir nur an die Theke geflüchtet, anstatt ihm die Kauleiste zu zerdellen. Und auf diese Kulturleistung dürfen wir zu Recht sehr, sehr stolz sein.



05 Februar 2010

Zurück aus der Zukunft



August 2018. Ich sitze in der Bar Tutto Silenzio, die seit dem Inkrafttretens des Schalleliminierungsgesetzes für Ausschank- und Gastronomiebetriebe (SchElG) unfassbar boomt, und nippe an meinem hydraulisierten Molekularshake.

Als die PVZ (Partei für Veganismus und Zwangsgesundheit) vor drei Jahren die Macht übernommen hatte, verbot sie sofort Alkohol als unethisch; und seither ersetzt der hydraulisierte Molekularshake alles mit Umdrehungen. Allerdings nur unzulänglich.

Ich sitze hier mit K., der jetzt aber viel lieber einer von 50 000 im ausverkauften Googlestadion an der Müllionisierungsanlage wäre. Dort spielen nämlich gerade den achten Abend hintereinander die famosen The Fine Arts Showcase (im Vorprogramm: The Killers, Rolling Stones), und K. jammert rum, weil er keine Karte mehr bekommen hat.

„Ich hätte auch tausend Euro statt der geforderten 330 bezahlt“, schluchzt er, „aber es gab ja nicht mal mehr einen Schwarzmarkt!“

„Und ich“, sage ich versonnen und nippe am Shake, „habe sie damals – genauer gesagt: am 4. Februar 2010 – im Molotow gesehen. Vor 36 Leuten. Mich mitgezählt.“ K. starrt mich an, als sei ich die Reinkarnation von Emmett L. „Doc“ Brown.

Dann muss ich ihm ein Autogramm geben, direkt auf sein ausrollbares 37-Zoll-iPad.

PS: Ich empfehle „Dolophine Smile“


04 Februar 2010

Fundstücke (65)



Gerüstet für die Schneeballschlacht – und sogar das Opfer schon im Blick. Entdeckt am Stephansplatz.

03 Februar 2010

Geschnieft, aus verschiedenen Gründen

Schnuffelnd stieg ich heute Morgen in den 37er-Bus, ließ mich ächzend auf den Sitz fallen und kramte den iPod raus, um mir die Fahrt nach Altona mit Roger Eno zu versüßen.

Zwei Sitze vor mir drehte sich plötzlich ruckartig eine Frau zu mir herum. Sie starrte mir in die Augen, ihr rechter Arm schoss hervor wie vom Katapult abgefeuert, und in ihrer ausgestreckten Hand erblickte ich – eine Packung Papiertaschentücher.

Ich hatte wohl einen Tuck zu lang geschnieft. Doofer Roger Eno.

Zum Glück wurde der Tag abends noch veredelt. Und zwar von der drahtigen alten Cree-Indianerin Buffy Sainte-Marie, die mir in der Fabrik ihre 46 Jahre alte überzeitliche Protesthymne „Universal Soldier“ vorsang.


Drei Minuten für die Ewigkeit; ich hätte ein Taschentuch gebraucht. Doch die Frau aus dem Bus war nirgends zu sehen.