Sie steht gebeugt da, mit mühsam erhobenen Armen, und bröselt mit verbogenen Fingern Weißbrot aufs Pflaster. Die gefiederten Mistviecher kriegen fast einen Herzkasper vor Begeisterung.
„Weil ich Tauben mag“, sagt die Frau.
Sie stützt sich jetzt wieder auf die Gehhilfe und weicht einen Schritt zurück. Ich stecke die Hände in die Hosentaschen, damit ich nicht bedrohlich wirke.
„Tauben übertragen Krankheiten“, erläutere ich.
„Weiß ich“, sagt sie leise.
„Mit Recht ist es deshalb verboten, sie zu füttern. Es kostet sogar Bußgeld.“
Sie weicht noch weiter zurück und meinem Blick aus.
„Weiß ich“, sagt sie noch leiser.
Mist, sie weiß es. Sie weiß alles. Und tut es trotzdem. Warum? Wahrscheinlich ist sie Witwe, ihre Kinder besuchen sie nie, der Hund ist weggelaufen, der Heimplatz schon gebucht, und ich verderbe ihr auch noch die letzte verbliebene Freude: gefiederte Mistviecher an den Rand des Herzkaspers zu bringen vor Glück; ihnen dabei zu helfen, die Gegend mit Viren zu verseuchen.
Sie weiß es, und sie tut es trotzdem, sie muss ihre Gründe haben.
Zeit zu gehen, mit den Händen in den Hosentaschen.
Unseren hinteren Balkon können wir übrigens schon lange nicht mehr benutzen. Tauben haben ihn längst übernommen. Schwäne wären mir lieber.
PS: Der Schlusssatz liegt ausschließlich an der bestürzenden Tatsache eines fehlenden Taubenbildes – oder das einer alten grauen Frau mit Gehhilfe.