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16 November 2010

Bin mit dem Fahrrad

In der Talstraße wohnen keine Pfeffersäcke. Hier sehen die Fassaden und Klingelschilder manchmal so aus wie auf diesem Bild.

Im Kioskcafé, wo sich manchmal missmutige Transen die Nachtschicht mit Koffein aus den Knochen spülen, residiert ein Chef, der nicht nur einen kapitalen anatolischen Schnauzer, sondern auch seine Laune stets offen zur Schau trägt. Wie auch immer sie gerade beschaffen ist.

Manchmal schaut er dich nicht mal mit der Kniekehle an, erwidert keinen Eintrittsgruß, grabscht mürrisch nach deinem Geld und fetzt dir die Hermes-Quittung hin, als wärst du Luft – und zwar sehr, sehr lästige Luft.

Und ein andermal, man weiß nie warum, grinst der Mann derart selig, dass sein Schnauzer so breit wird wie Jerry Garcia einst die ganze Zeit war. „Wie geht’s dir, mein Freund?“, strahlt der Chef dann mit seinem nonchalant entblößten Goldzahn um die Wette.

Heute war so ein „Wie geht’s dir, mein Freund?“-Tag. Als ich die Quittung einsteckte, fragte er sogar: „Willst du Kaffee?“ „Danke, sehr nett“, antwortete ich fast gerührt, „aber ich muss leider ins Büro.“ Er schaute mich beinah zärtlich an, als sei ich wirklich sein Freund und nicht nur irgendein Typ, der ab und zu mal vorbeikommt, um ein Hermes-Paket abzugeben.

„Becher mitnehmen?“, flötete er unter Aufbietung aller ihm möglichen Eloquenz, und außer Gold blickte mir dabei auch noch die ein oder andere Zahnlücke entgegen. „Nein“, hörte ich mich antworten, „ich bin mit dem Fahrrad.“

Ich bin mit dem Fahrrad???


Dieser verkrüppelte Satz aus meinem eigenen Mund hallte mir noch nach im Hirn, als ich schon längst wieder aufgesattelt hatte. Und auch jetzt noch ein bisschen, ehrlich gesagt.

Wo war denn da bloß das finale „da“ gewesen? Oder wenigstens ein etwas eleganteres „unterwegs“ – das Adverb halt? Dieses akute Summen und Surren à la „Ich bin Arbeit“, „Gehst du Disco?“ oder „Hab noch Vertrag“ macht mich anscheinend immer wuschiger.

Vielleicht bin ich auch einfach zu oft Blog von Fräulein Krise, vallah.


03 Oktober 2010

Das Gute im Menschen



„Ein Euro vierzig“, sagt die Verkäuferin mit dem kurzen Zopf am Kopf. „Kann das stimmen?“, frage ich, „ich habe drei Quarkkornstangen.“ Und die sind nun mal viel teurer, weil glorios lecker.

Die Verkäuferin schaut irritiert aufs Display, hackt auf ihrer Kassentastatur herum, erfolglos, ruft dann nach einer Kollegin: „Ich brauch ’n Storno!“ Die Kollegin kommt, steckt den Stornoschlüssel rein, alles geht auf null, und am Ende steht da: 2,79 Euro. Damit kommen wir der Wahrheit über drei Quarkkornstangen schon erheblich näher.

Ich zahle, die Verkäuferin drückt mir wortlos die Quittung in die Hand, und ich denke: hmpf. Denn in mir war längst das seltsame Bedürfns gekeimt, für meine spontane Ehrlichkeit hochachtungsvoll gelobt zu werden. Auch ein kleiner Dank hätte mir geschmeichelt.

Aber in Wahrheit ist das Quatsch. Die Verkäuferin hat sich völlig richtig verhalten. Schließlich darf sie von mir als Akteur in einem funktionierenden Soziotop mit größter Selbstverständlichkeit erwarten, einen Fehler, der mir auffällt, anzusprechen – vor allem und gerade dann, wenn ich von ihm profitiere.

Schließlich hätte ich ja sicherlich auch dann nachgefragt (und zwar mit exakt den gleichen Worten), wenn sie mir versehentlich zu viel abgerechnet hätte. Gerade ihre stillschweigende Art, wie sie mit der Panne umging, war im Grunde ein Kompliment für mich. Weil sie damit nämlich en passant ein fundiert positives Menschenbild vermittelte – und mich liebenswerterweise darin einschloss.

Wäre die Verkäuferin stattdessen unter haltlosem Stammeln von Dankesbekundungen vor mir auf die Knie gefallen, um meine Schnürsenkel mit ihren Tränen zu benetzen, so müsste man sich viel eher Sorgen machen um unser aller Zusammenleben.

Obwohl die Vorstellung schon ihren Reiz hat, zugegeben.


25 August 2010

Ein doppeltes „Das geht nicht“



Warum bloß vergrätzen uns Gastronomie und Einzelhandel bisweilen lieber mit Prinzipienreiterei, anstatt uns zum Segen künftiger Gewinne lieber mit ein bisschen Flexibilität bei der Stange zu halten?

Gleich zwei Beispiele von heute lassen mich ratlos diese systemkritische Frage stellen. Beispiel 1: das Café Leinpfad, eine höchst idyllisch am Alsteranleger gelegene Gaststätte. Wir wollten zwei Gutscheine über je ein großes Frühstück dort einlösen, die wir im Internet erworben hatten. Allerdings erbat Ms. Columbo einen Orangensaft statt Sekt, und ich wünschte mir statt des offerierten Fleischsalats lieber etwas mehr Käse. Das war alles; eigentlich keine Herausforderung für die deutsche Gastronomie im 21. Jahrhundert.

„Das geht leider nicht“, beschied uns allerdings die Kellnerin. „Nur genauso, wie es im Internet stand.“

Dabei wäre das Café Leinpfad mit O-Saft sogar billiger weggekommen als mit Sekt, es hätte also ein Geschäft gemacht. Wir diskutierten und argumentierten, doch die Haltung der Dame erwies sich als ebenso verfestigt wie inzwischen unser stillschweigender Entschluss, das Café Leinpfad hinfort nie mehr freiwillig aufzusuchen – dabei sollte diese Gutscheinaktion im Internet doch neue Kunden werben.

Auch wenn die sture Dame später wortlos doch zugunsten von etwas mehr Käse den Fleischsalat wegließ: Das Café Leinpfad ist künftig tabu. Die können ihren Fleischsalat gerne selber mümmeln.


Auf der Tabuliste steht seit heute auch der Applehändler Gravis in der Innenstadt, das Beispiel Nummer 2. Ich war mit meinem 2007 dort gekauften MacBook vorstellig geworden, weil dessen Verschluss defekt war; das Chassis musste auf Garantie ausgetauscht werden, mehr nicht. Deswegen wollte ich aber meinen Rechner nicht tagelang bei Gravis herumstehen lassen und schlug vor, nach dem Eintreffen des Ersatzteils vorbeizukommen, den Austausch abzuwarten und den Rechner gleich wieder mitzunehmen.

„Das geht nicht“, beschied mir die Dame bei der Reparaturannahme, als sei sie die eineiige Schwester derer vom Leinpfad.

Der Rechner, führte sie weiter aus, müsse dableiben, weil es nämlich schon vorgekommen sei, dass Kunden Ersatzteile nicht abgeholt hätten, die somit zurückgeschickt werden mussten.

Für mich klang das alles wie Klingonisch. Vor drei Jahren hatte ich zweieinhalbtausend Euro dort gelassen, und jetzt wollten sie meinen Computer tagelang konfiszieren wegen eines Ersatzteils, das in weniger als einer Viertelstunde ausgetauscht werden konnte?

„Okay“, sagte ich, vom Leinpfadvormittag noch etwas erschöpft, „dann verpflichte ich mich gern schriftlich, das Ersatzteil trotz Garantie zu bezahlen, wenn ich aus irgendwelchen absurden Gründen mit dem MacBook nicht mehr vorbeikommen sollte. Wo kann ich unterschreiben?“

Die Gravisfrau bat um Geduld, sie müsse nachfragen. Dann ging sie fort und kehrte kurz darauf wieder mit der niederschmetternden Botschaft: „Das geht leider wirklich nicht.“

Inzwischen hatte sich bei mir längst der stillschweigende Entschluss verfestigt, nie mehr irgendwas bei Gravis zu kaufen, vor allen Dingen nicht das nächste zweieinhalbtausend Euro teure MacBook, dessen Update etwa 2011 ansteht.

Stattdessen werde ich mit diesem Anliegen in die Schanze gehen, und zwar zu Arndt und Bleibohm, die eh mein Blog mögen, immer mal wieder Einträge in ihr Kundenmagazin übernehmen und mir den Rechner vielleicht sogar ein bisschen billiger überlassen.

Warum also vergrätzen uns Gastronomie und Einzelhandel bisweilen lieber mit Prinzipienreiterei, anstatt uns zum Segen künftiger Gewinne lieber mit ein bisschen Flexibilität bei der Stange zu halten? Bin ich etwa zu empfindlich – oder werden die allmählich so kundenfreundlich wie Seinfelds Soup Nazi?

Wer jetzt augenrollend kommentieren möchte, dieser Beitrag sei (mal wieder) ein bedrückendes Beispiel für viel Lärm um fast nichts in diesem Blog, der kann sich das sparen.

Das weiß ich nämlich selber. Und zwar am besten.



13 August 2010

Die gemütlichsten Ecken von St. Pauli (32)



Die Grenze zwischen St. Pauli und Altona bewacht so trutzig wie trist der Frischemarkt Gökpinar.

Irgendetwas an der Gesamtoptik seiner Fassade scheint zu signalisieren, dass es mit der Frische bei dem ein oder anderen Gemüse nicht gar so weit her sein kann, wie es der Ladenname behauptet, doch dafür gibt es keinerlei Beweise.

Schließlich sehen Biopaprika, nicht wahr, auch immer fahler und fleckiger aus als die gespritzten spanischen Glanzbomben. Vielleicht sollte ich mich also doch mal reintrauen in den Frischemarkt Gökpinar.

Und sei es nur, um mir einen Schwinger einzufangen für die despektierliche Vermutung von oben.

30 Juli 2010

Zirkelschluss



Theo Albrecht hat es gottlob oder leider nicht mehr erlebt, jenes „Präzisions-Schulreisszeug mit Mitteltrieb-Feineinstellung“, das zurzeit im Sortiment seiner Erbmasse Aldi-Nord zu finden ist.

„Bei uns damals“, wundert sich Ms. Columbo, „hieß das noch Zirkel.“ Bei uns auch, damals.

Nach dem Aldibesuch gingen wir über den Dom spazieren, der zurzeit aufgebaut wird und dank seiner Menschenleere und ratlos herumliegenden Geisterbahnfiguren eine gewisse Morbidität ausstrahlt.

Womit wir auf total unelegante Weise wieder bei Theo Albrecht angelangt sind.



07 Juli 2010

Fundstücke (87): Wow, Frucht mit Frucht!

Wie lange ist es eigentlich her, dass man das Selbstverständliche noch nicht extra erwähnen musste – vielleicht fünf Jahre? Sieben? Zehn?

Sachdienliche Hinweise sind willkommen, gerade von den Älteren unter uns.

Entdeckt in Eppendorf.

05 Juli 2010

Vielleicht Voodoo?



Sauen und Ferkel gehen bei Aldi zurzeit gar nicht gut. Und ihnen geht’s auch nicht gut: der Preisverfall immens, die Haltung in schlecht belüfteten Plastikwaben keinesfalls artgerecht. Immerhin sind die Paarhufer dort (vorläufig) noch besser dran als das arme Stofftier, welches ich unlängst leblos auf der Budapester Straße vorfand.



Mit schwarzem Klebeband von allen Sinneseindrücken abgeschnitten, mit ebendiesem auch noch stramm gewindelt und schließlich brutalstmöglich auf einer vierspurigen Hauptverkehrsstraße entsorgt: Wer tut so was? Und warum – nur weil den Petzi keiner im Urlaub versorgen wollte? Oder war es Voodoo?

Der Kiez wird mir durch solche Funde keinen Deut weniger unheimlich, ehrlich gesagt. Und das passiert oft. Überall liegt jemand oder etwas herum, das dort nicht hingehört. Und jeder lässt ihn, sie oder es liegen.

Ich im vorliegenden Fall übrigens auch, nicht nur aus hygienischen Gründen: Ich wollte einfach nicht wissen, was mich hinter dem schwarzen Klebeband erwartete.


Und seither nagt die Neugier an mir wie ein Nacktmull im Ramadan.

12 Juni 2010

(K)Ein teurer Spaß



Ich kann es wirklich nur empfehlen: nach Hause zu kommen und zu erzählen, die Vuvuzelatröte, die man stolz in der Hand hält, sei ein unwiderstehliches Schnäppchen gewesen („Nur acht Euro!“).

Ein solches Vorgehen erzeugt erstaunliche Effekte. So konsterniert habe ich nämlich Ms. Columbo selten gucken sehen. Und auch die unweigerlich folgende, mit Empörung kontaminierte Fassungslosigkeit („ACHT Euro????“) ist es allemal wert, diesen Spaß in die Wege geleitet zu haben.

In Wahrheit verschenkt Edeka diese Dinger natürlich. Wofür man den Laden teeren und federn müsste.

PS: Das Foto zeigt das Auge im Herzen des Vuvuzelasturms.

PPS: Ähm, was mach ich eigentlich jetzt mit dem Ding? Gelber Sack?

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23 Mai 2010

Die Stille nach dem Schluss



Ms. Columbo und ich sind mit schuld an diesem Desaster. Denn nur zwei-, dreimal im Jahr betraten wir Real, den supersten Supermarkt von St. Pauli, wenn nicht von ganz Hamburg.

Fußballfeldgroß ruht der Gebäudetrumm am Neuen Kamp wie der Ayers Rock vom Kiez, und jetzt hat er dichtgemacht. Heute war der letzte Tag, der Ausverkauf läuft seit Wochen. Deshalb gab es nur noch die Reste der Reste.

Hier zeigte sich in schonungsloser Offenheit, was die Akteure der Konsumgesellschaft nun wirklich nicht haben wollen, was selbst für Nachlässe von 60 Prozent nicht mehr an den Mann (oder Hund) zu bringen ist.

Zum Beispiel Jever Fun, Matschtomaten, Mülleimerdeo, Punicasaft, der „Sanitas Insektenstichheiler“, Plastikbeißknochen oder die „Pillenbox Vergiss nix“. Auch Bettwäsche des FC Bayern lag bleiern herum, dabei stand doch das Champions-League-Finale noch bevor.

Traurig schlichen die Bediensteten durch die Ödnis der Regalreihen, niedergedrückt von einer ungewissen Zukunft. Einer schob mit leerem Blick die letzten Flaschen Rosé zusammen. Einst hatte die Plörre 3,79 gekostet, jetzt 40 Prozent weniger, trotzdem blieb sie unbeachtet.

Leider war der Single Malt Scotch längst weg und die übriggebliebenen Pistazienkerne lediglich um zehn Prozent rabattiert. Statt die Leiche auszuweiden, fotografierte ich also nur ein wenig herum – die Tristesse der leeren Regale, die Traurigkeit am Ende des Tages, die Stille nach dem Schluss.

Vielleicht sieht es so irgendwann mal in allen Supermärkten aus, vielleicht ist Real die düstere Avantgarde, wer weiß das schon.

Hol deine Schäfchen ins Trockene, flüsterte es von irgendwo, doch dieser gute Rat kam nicht aus dem Supermarktradio, dessen terroristisch optimistische Promoterstimmen noch immer irgendwelche Sonderangebote anpriesen, als gäbe es kein Morgen.

Und das gibt es ja auch nicht.


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06 Mai 2010

Wie Mediamarkt den Konkurrenten Medimax auskontert

Aus der Mopo fällt mir am Montag der neue Medimaxprospekt entgegen. Er offeriert die Blu-ray-Version des zauberhaften Pixarfilms „Oben“ für noch zauberhaftere 12 Euro, und ich begebe mich schnurstracks ins Mercado nach Ottensen, um ihn zu erwerben.

Im Laden finde ich ihn nicht und wende mich an den Kassenmann. Beim Stichwort „Oben“ sackt er merklich in sich zusammen – wie jemand, dem man diese Frage heute nicht zum ersten, sondern zum hundertsten Mal stellt.

„Leider schon ausverkauft“, antwortet er erschöpft. „Dienstag oder Mittwoch kommt er wieder rein.“ Zeit für eine Belehrung. „Aber Sie bewerben das Produkt doch in Ihrem Prospekt“, sage ich, „dann sollten Sie ihn auch in ausreichenden Mengen vorrätig haben. Andernfalls“, demonstriere ich gesundes Halbwissen im Wettbewerbsrecht, „wäre das ein Lockvogelangebot.“

Der Medimaxmann sackt noch tiefer in sich zusammen, was bei seiner hageren Statur und dem farblosen Teint beinah mitleiderregend wirkt. Doch mir gelingt es ganz gut, die aufkeimende Empathie niederzukämpfen. „Wie gesagt“, seufzt er, „Dienstag oder Mittwoch.“

Na gut, dann eben nicht. Also gehe ich mal schauen, was der Mediamarkt um die Ecke zur „Oben“-Frage sagt. Unter O ist die Blu-ray aber nicht zu finden. Ich spreche einen Verkäufer an. Er sucht, blättert und findet „Oben“ schließlich ganz hinten unter P.

„Hier“, sagt er und reicht mir die Scheibe mit der gelangweilten Lässigkeit desjenigen, der einen anderen zur eigenen Freude bei einer lässlichen Dummheit ertappt hat. Ich schaue aufs Preisschild. Dort steht 22,99 Euro. Zweiundzwanzigneunundneunzig.

„Bei Medimax“, trumpfe ich unter geflissentlichem Verschweigen ihres dortigen Ausverkauftseins auf, „gibt’s die für 12.“ Weiterhin erstaunlich gelangweilt schaut mich der Verkäufer an. „Kein Problem“, sagt er, „dann eben 12.“

Ich bin sturzverblüfft und reiche ihm den Film, als er mir wortlos fordernd die Hand entgegenstreckt. Wir gehen zu Kasse. „Wissen Sie“, erläutert er beim Klappern auf der Tastatur, „wir sind da sehr kulant. Sobald die den Prospekt rausbringen, passen wir sofort die Preise an.“

Er zuppelt das 22,99-Schild vom Cover und reicht mir die Disc. „Im System ist der neue Preis auch schon drin. Kein Problem.“ Ich trotte zur Kasse, der Scanner blinzelt über den Strichcode, und das Display zeigt wahrhaftig 12 Euro an, nicht 22,99.

Medimax legt der Mopo also für einen wahrscheinlich fünfstelligen Betrag ein Riesenfaltblatt bei – und generiert damit wegen dilettantischer Einkaufspolitik Umsätze beim größten örtlichen Konkurrenten.

Manchmal liebe ich den Kapitalismus.

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23 April 2010

Wie das Partybild auf die Bahncard kam

Nein, nicht alle Kollegen sind eine Zierde meines Standes.

Manche scheinen sich trotz eines IQs, der Lothar Matthäus’ Lebensalter entspricht, geradezu verirrt zu haben in diese Welt des Denkens und Schreibens, ohne allerdings – und das ist das besonders Merkwürdige – sogleich zügig wieder hinausexpediert worden zu sein.

Zu diesen Journalisten gehört Regina.

Regina beklagt sich in einem Forum öffentlich über die Bahn. Die nämlich, schimpft sie am 3. 11. 2009, habe ihrer Bahncard statt des üblichen Passfotos etwas ganz anderes eingeschweißt: nämlich ein seltsames Partybild von ihr.

„Rätsel DB!“, schlägt sich Regina vor den überforderten Kopf – ohne auch nur ansatzweise zu begreifen, dass weltweit nur ein Mensch das Partybild beim Antragstellen versehentlich hochgeladen haben muss, und zwar sie höchstselbst: Regina.

Denn woher in Mehdorns Namen sollte die Bahn das Bildchen sonst wohl haben?

Ach, es ist ein Kreuz. Da lobe ich mir doch die Bauernschläue der Pennyfiliale in Ottensen, die einfach einen Aushang macht, wenn sie mal ein paar Ls billig loswerden will.
(Sowie ein Deppenleerzeichen.)

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14 April 2010

Verfahren eingestellt



Heute erhielt ich in Sachen Fahrraddiebstahl Post von der Staatsanwaltschaft Hamburg.

„Das Verfahren“, teilte man mir ohne jede subkutane Empathie mit, sei „eingestellt worden, weil der Täter nicht ermittelt werden konnte.“ Für eine Anzeige, die ich erst am 23. März 2010 aufgab, eine recht zügige Einstellung des Verfahrens, ehrlich gesagt.

Aber wahrscheinlich hat die Staatsanwaltschaft einfach mit absolutem Hochdruck losermittelt, schließlich ist es MATT, sagte sie sich gewiss, dem das Fahrrad entwendet wurde, also werfen wir uns mit aller verfügbaren Manpower hinein in den Fall, nach dem Motto: besser kurz und intensiv als lang und lasch.

Das Ergebnis allerdings ist insgesamt weniger lustig als die Stuhlhusse mit Kellerfalte, die ich neulich im Aldi-Sortiment entdeckte.

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07 April 2010

Aber Bolzenschneider, schon klar

Okay, fassen wir mal zusammen:

1. wurde mir neulich zum insgesamt fünften Mal auf dem Kiez ein Fahrrad geklaut.
2. habe ich mir vergangene Woche ein neues (gebrauchtes) Rad gekauft, und …
3. hat Penny auf der Reeperbahn seit heute BOLZENSCHNEIDER im Angebot.

In Worten: BOLZENSCHNEIDER. Welcher Schluss ist wohl aus dieser Faktenkette zu ziehen? Jedenfalls bin ich froh, 41 Tacken in ein angeblich bolzenschneiderfestes Kettenschloss investiert zu haben.

Apropos Penny: Heute war ich mal wieder da, um meine Lieblingsschokolade zu kaufen, „Ritter Sport Dunkle Voll-Nuss“. Ärgerlicherweise aber hatten sie sie nicht. Alle anderen Sorten lungerten dumpf und stumm herum, sogar die hellen Nichtschokoladen und die joghurtverseuchten. Aber keine dunkle Voll-Nuss.

Ich erlebe das ständig. Neulich bei Real habe ich sogar mal das entsprechende und natürlich leere Fach fotografiert. Dabei müsste mein stadtstaatweit berüchtigter Verbrauch dieser Sorte eigentlich einen derartigen Bedarf bei Ritter Sport anmelden, dass das Aufstellen von Extradisplays nur für Voll-Nuss in sämtlichen Supermärkten der Stadt die Geschäftsidee des Jahres wäre.

Stattdessen präsentieren sich mir dutzendweise spätdekadente Sorten wie „Pfefferminz“ oder „Schoko-Duo“, ja sogar indiskutable Pseudoschokoladen wie „Vollmilch“. Wer (fr)isst so was?

Aber Bolzenschneider im Angebot haben, schon klar. Und was legt der Typ in der Kassenschlagne vor mir, ein verschlagen dreinschauender Mittelscheitel- und Dreitagebartschattenträger mit fetttriefenden Haaren und dem Fluidum des professionellen Vertickers von Fahrrädern, die nachts in Billstedt vom Laster gefallen sind, aufs Band?

Nein, keine „Ritter Sport Dunkle Voll-Nuss“.

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31 März 2010

Der Besuch

Meine Nichte (16) ist zu Besuch. Sie kommt vom Dorf und ist jetzt in der großen Stadt. Grandios! Oder doch nicht? Ein beispielhafter Dialog.

Matt: Und, was machen wir – mit der Fähre durch den Hafen tuckern?
Nichte (maulig simsend): Mir egal.
Matt: Lust aufn Eis?
Nichte (rollt mit den Augen, beackert ihr Handy): Nö.
Matt: Okay, was ist dir lieber: Achterbahn aufm Dom oder Konzert im Knust?
Nichte (genervt, ihr Telefon vibriert, weil eine SMS reinkommt): Egal.
Matt: Worauf hast du denn mal so richtig Lust?
Nichte (desinteressiert zurücksimsend): Weiß net.
Matt: Shoppen?
Nichte (elektrisiert, schaut erstmals hoch): Au ja! Gibt’s hier H&M?

Außer zu H&M mussten wir dann auch noch zu Starbucks (omg!), promod (???) und Tally Weijl (wtf?).

Irgendwie beschleicht mich das Gefühl, ich verliere gerade den Kontakt zur Jugend.



30 März 2010

Be stupid



Nicht nur in Berlin stößt man auf öffentlich besichtigbare Merkwürdigkeiten, auch beim Schlendern durch Hamburg geraten immer wieder Dinge ins Blickfeld, die des Stutzens wert sind, zumindest für mich.

In der Großen Bergstraße stieß ich heute mal wieder auf das Ergebnis höchst eifrigen Kalauerns unter Friseuren, weshalb mir diese Berufsgruppe bereits seit längerem ans Herz gewachsen ist.

„Komm-hair“ bietet jedenfalls in seiner geschickten bilingualen Verschmelzung eines Imperativs mit dem dezenten Hinweis auf die Art des Geschäftsmodells viel Grund zur Freude. Hätte ich diesen Berufsstand noch nötig, ich wäre glatt geneigt gewesen, den Komm-hair-Friseur in Anspruch zu nehmen.



C&A hingegen scheint sich von seinem Geschäftsmodell komplett verabschiedet zu haben. Verkaufen die nicht eigentlich Klamotten? Wenn sie aber nicht mal mehr ihre Schaufensterpuppen einkleiden können (außer mit Socken), dann darf man ihnen wohl auch keineswegs mehr zutrauen, ihre Kundschaft auszustatten. Vielleicht hat C&A sich einfach den neuen Diesel-Werbespot „Be stupid“ allzu kritiklos zu Herzen genommen.

Jedenfalls mied ich nach dem Anblick des Herrenensembles (der auch mit Damen und Kindern variiert wurde) diesen Laden sorgsam und beschränkte mich auf das, was ich im Grunde eh am besten kann: die Flanage.


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16 März 2010

Ein fahles Strahlen

Als ich am Freitagnachmittag das Aldifoyer im Brauquartier betrete, steht der Typ schon dort herum und quatscht eine Kundin an. Sie antwortet nicht, sondern flieht, und er betritt mit mir den Laden.

Der Mann ist vielleicht Mitte 40, sein Mund steht ein klein wenig offen und erlaubt einen Blick auf sein frettchenartiges Gebiss, das ein Hauch von Fusselbart unschön umrahmt. Auf dem Kopf trägt er eine Schirmmütze, die nur unzulänglich die Glatze verdeckt; darunter schlängelt sich ein dünner Pferdeschwanz hervor, dessen Spitze manchmal kokett seinen Kragen touchiert.

Der Mann wirkt keineswegs abgerissen; seine Jeans sitzt tadellos, und der Ballonseidenblouson mag nicht der neuste Schrei sein, doch er ist sauber; zudem hat er keinerlei Behältnis dabei, was m. E. Obdachlosigkeit weitgehend ausschließt. Kein Penner hier auf dem Kiez würde sein Zeugs irgendwo liegenlassen, um bei Aldi einkaufen zu gehen, so weit käm’s noch.

Leicht schlingernd bewegt der Mann sich durch die Gänge, ganz so wie Angetrunkene es tun. Immer wieder kreuzen sich unsere Wege, und zufällig bin ich auch in der Kassenschlange hinter ihm. In Ruhe kann ich daher die gewagte Kompilation seiner Waren mustern.

Er legt aufs Band: 1. eine Flasche Astra, 2. einen „Mümmelmann Jagdbitter“ in praktisch-quadratischer Pappverpackung – und 3. ein Exemplar der Zeitschrift Bild der Frau.

Noch ehe ich in die Exegese dieses heterogenen Ensembles einsteigen kann, quatscht er wieder jemand an, diesmal die Kassiererin, die anscheinend sein höchstes Wohlgefallen erregt. „Sinnsie moggen widder hier?“, fragt er mit einer gewissen Schwammigkeit, die ans Hessische erinnert. „Ich habe morgen frei“, sagt die Kassiererin, ohne hochzublicken. „Unn Mondag?“, insistiert er schwankend. „Ja“, antwortet sie, „dann bin ich wieder da.“

Ein irgendwie fahles Strahlen legt sich auf seine alkoholgedämpfte Mimik. „Dann komm ich“, lallt er, „Mondag widder.“


Als ich den Laden verlasse, steht er vor der Tür und befreit gerade den „Mümmelmann Jagdbitter“ von jeder überflüssigen Pappe. Dann pumpt er den Inhalt des Flachmanns in einem Rutsch weg.

Sein Körper ist dabei nach hinten gebogen, er starrt schluckend in den Himmel, und der Pferdeschwanz ruht tief zwischen seinen Schulterblättern. Als er fertig ist, schlurft er über den Platz, quatscht einen Haspa-Kunden vorm Automaten an mit irgendwas und eiert weiter Richtung Davidstraße.

Vielleicht hat die Kassiererin noch schnell ihren Dienst getauscht. Selbst bei Aldi müsste das ja gehen, im Notfall.


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09 März 2010

In eigener Sache

Es gibt zweierlei zu klären: die Umstände des holterdipolterigen Blogumzugs und die Mediamarkt-Sache.

Zum Umzug: Der wurde nicht nur mir aufgenötigt. Bisher veröffentlichte ich alle Blogbeiträge per FTP auf einem von mir gemieteten Server unter der Domain mattwagner.de. Nun hat Google – seit einiger Zeit Eigentümer des Dienstleisters blogspot.com – in seiner krakenartigen Weisheit entschieden, so etwas nicht mehr zuzulassen, sondern alle Inhalte auf seinem eigenen Server zu hosten.

Man hat mir sozusagen die Pistole auf die Brust gesetzt, und da keine kurzfristige und gefahrlose Alternativlösung möglich war, habe ich (erst einmal) nachgegeben. Künftig werde ich also damit rechnen müssen, von Google eine moralinsaure Backpfeife zu bekommen, wenn ich anzügliche Inhalte veröffentliche – und die Gefahr ist ja nicht gerade gering, wenn man das Thema dieses Blogs bedenkt; immerhin wird es bereits jetzt von manchen als pornografisch eingestuft.

Die andere Sache ist die mit dem Mediamarkt. Heute erhielt ich eine Mail von der Bereichsleitung Entertainment:

Betreff: Elvis Presley DVD
Datum: 8. März 2010 12:34:35 MEZ
An: Matt Wagner

Sehr geehrter Herr Wagner,
vielen Dank für Ihre Mail.

Leider handelt es tatsächlich um eine falsche Abbildung im Flyer ( im Flyer ist auch ein Hinweis - Druckfehler vorbehalten) und dazu kommt, dass die normale DVD als Deluxe-Edition in unserem Computer angelegt ist…..Somit hat Frau Suhrmann am Telefon die Auskunft gegeben, dass der Artikel ausreichend vorhanden ist.

Es ist natürlich sehr ärgerlich, dass Sie extra nach Harburg gefahren sind - wir werden Ihnen natürlich die Fahrtkosten erstatten und senden Ihnen hierfür einen Gutschein (den Gutschein können Sie natürlich auch in Altona einlösen)

Mit freundlichen Grüßen
XXXXXX
Bereichsleitung Entertainment

Meine Antwort fiel dementsprechend aus:

Von: Matt Wagner
Betreff: Re: Elvis Presley DVD
Datum: 8. März 2010 23:25:29 MEZ
An: Bereichsleitung Entertainment
Sehr geehrte Frau XXXXXX,

Sie bieten mir für die von Ihrem Prospekt verursachte vergebliche Reise zu zweien Ihrer Märkte also den Ersatz der Fahrtkosten an. Hmm. Ich sage Ihnen jetzt mal was im Vertrauen: Ich hatte gar keine Fahrtkosten. Ich verfüge nämlich über ein Monatsabonnement.

Was mich der Druckfehler kostete, auf den Ihr Flyer natürlich vorsorglich im Kleingedruckten hinwies (schon klar), war schlicht ein halber Tag Lebenszeit. Ihren Fahrtkostengutschein können Sie sich daher von Herzen gern dahin stecken, wo Elvis Presley seine Tolle hatte. Ich hoffe, Sie haben ihn noch nicht abgeschickt.

Matt
Fortsetzung folgt (wohl nicht).

06 März 2010

Wie ich mal vergeblich der Mediamarkt-Werbung vertraut habe

Von: Matt Wagner
Datum: 5. März 2010 21:43:46 MEZ
An: kontakt@mediamarkt.de

Lieber Mediamarkt,

heute erhielt ich dein neues Werbefaltblatt und war augenblicklich elektrisiert: Du offeriertest Elvis’ „Comeback Special“ von 1968 in der „Deluxe Edition“ für sagenhaft schmale 5,90 Euro. Das ist für drei DVDs des Kings ein richtig gutes Angebot.

Sofort warf ich mich aufs Rad und strampelte gen Altona, um das Teil zu erwerben, und zwar gleich mehrfach, denn ich habe Freunde, die scheuten bisher die Kosten. Vor Ort allerdings fand ich Dutzende von 5,90-Angeboten, doch ausgerechnet dieses nicht. Nur die lächerliche „Special Edition“, ein Machwerk auf lediglich einer DVD, das zurecht für unter 6 Euro verramscht wird.

Also fragte ich einen Mitarbeiter nach der „Deluxe Edition“. Der Schnauzbart zuckte die Schultern: „Ich mach nur Fernsehen.“ Immerhin zeigte er mir die vage Richtung der DVD-Abteilung: „Da hinten hinterm Pfeiler.“ Ich taperte dorthin und fragte eine junge Frau in Mediamarktrot nach der Triple-DVD.

Sie wusste gar nichts, wandte sich aber an einen Kollegen. Der sagte, das Teil sei wohl noch auf den Paletten. „Außerdem“, sekundierte die Frau, „gilt der Prospekt erst ab heute Abend“. Warum er dann schon am hellichten Morgen der Mopo beiliegt, vermochte sie nicht zu sagen.

„Etwas, das im Prospekt beworben wird, sollten Sie auch im Angebot haben“, formulierte ich eine – wie mir schien – Binsenweisheit. Die junge Frau zog die Schultern hoch bis an die Ohren, lächelte schief wie der Turm von Pisa und giggelte nervös: „Da kann ich ja nichts dafür! Außerdem habe ich gerade erst angefangen!“

So kam ich nicht weiter, das war klar. Daher wandte ich mich an den Informationsschalter vorne an der Kasse und schilderte mein Problem, indem ich meine Binsenweisheit wiederholte: „Etwas, das im Prospekt beworben wird, sollten Sie auch im Angebot haben.“

Der Mann hinterm Tresen gab mir sofort und bedingungslos recht, und die Frau an seiner Seite telefonierte eilfertig mit der zuständigen Abteilung. Fernmündlich erfuhr sie von einer nur hälftig erfolgten Lieferung, und unter der fehlenden Hälfte müsse sich auch die Elvis-„Deluxe Edition“ befinden. Außerdem sei man beim Umbauen.

Was das eine mit dem anderen zu tun hatte, wurde mir spontan nicht klar, doch die beiden am Infoschalter hatten gleich einen praktischen Rat für mich, so dass ich dieser Dialektik nicht auf den Grund gehen mochte: Ich solle doch einen anderen Mediamarkt aufsuchen, zum Beispiel den in Harburg.

Gute Idee. Für die „Deluxe Edition“ für 5,90 würde ich zur Not auch nach Graceland fahren. Also bestieg ich die S-Bahn nach Harburg. Für die folgenden Ereignisse kannst du nichts, Mediamarkt, trotzdem schildere ich sie kurz. Bereits am Bahnhof Dammtor nämlich stockte die Fahrt. Eine Lautsprecherstimme informierte uns über eine „betriebsfremde Person im Gleis zwischen Hauptbahnhof und Berliner Tor“, so dass diese Bahn „auf unbestimmte Zeit“ hier verweilen müsse.

Zehn zähe Minuten später meldete sich die Stimme noch einmal. Man müsse nun wegen der betriebsfremden Person im Gleis den Strom abstellen. Und schon erloschen alle Lichter. Ich seufzte und radelte nach Hause, innerlich Elvis’ Klassiker „Devil in disguise“ vor mich hinsummend.

Abends um sechs wollte ich es noch einmal probieren. „Ruf lieber vorher beim Mediamarkt in Harburg an“, riet meine Gattin, „nicht, dass du umsonst die Reise antrittst.“ Und eine Reise ist das vom Kiez aus, weiß Gott. Also rief ich an.

Es meldete sich eine Frau Suhrmann. Ich schilderte ihr mein Anliegen, erläuterte den Flop in der Altonaer Filiale und erkundigte mich explizit nach „Elvis Presley's '68 Comeback Special Deluxe Edition“. Sie eruierte das Ganze und gab Entwarnung: „Davon sind ausreichend Bestände vorhanden.“

Großartig. Also ging ich neuerlich auf Weltreise, durchs wilde Hammerbrook über die Elbe gen Süden, die betriebsfremde Person war längst aus dem Gleis, ob am Stück oder nicht, werde ich morgen aus der Mopo erfahren, und irgendwann stand ich im Mediamarkt Harburg vor den 5,90-Stapeln und fand die „Deluxe Edition“ nicht.

Ich wandte mich an einen Mitarbeiter. Er durchwühlte die Stapel und hielt mir die gelassen triumphal die lächerliche „Special Edition“ vor die Nase. „Nein“, sagte ich, „schauen Sie mal auf Ihren Prospekt: Dort ist die ,Deluxe Edition' abgebildet, die hat ein ganz anderes Cover.“

Grummelnd ging er zu seinem Computer, ich folgte ihm. Er tippte und grummelte, und nach ungefähr drei Minuten fand er immer wieder nur die Schmalspurversion. „Aber ich suche die mit den drei DVDs“, insistierte ich. „Drei DVDs für 5,90 Euro?“, sagte er vorwurfsvoll, „das geht ja auch nicht.“ „Aber SIE bewerben sie doch!“, rief ich, „in Ihrem eigenen Prospekt!“

Und dann kam der Mann mir mit dem Totschlagsargument schlechthin: Es handele sich um einen Druckfehler. Die Leute, die das Layout für den Prospekt entwürfen, hätten keine Ahnung von Filmen, die suchten sich die Cover aus dem Web, und dabei ginge halt manchmal was schief. Wie jetzt gerade bei Elvis.

„Aber deswegen habe ich doch vor der Weltreise angerufen!“, jammerte ich. „Wen denn?“, frage er. „Frau Suhrmann!“, heulte ich. „Wir sind auch nur Menschen. Menschen machen Fehler.“

Sein zweites Totschlagsargument binnen fünf Minuten. Für ihn war die Sache damit erledigt, und ich schlich geschlagen davon. Er kam nicht mal auf die Idee, mir irgendeine Art der Kompensation für den vergeudeten halben Tag anzubieten, zum Beispiel ein Bonbon, einen Espresso, zwei 4-GB-USB-Sticks oder wenigstens die Stanley-Kubrick-Box als Blu-ray.

Aber es ist ja noch nicht zu spät.

Mit erschöpften Grüßen, Mediamarkt, dein elvisdeluxeeditionsloser

Matt