20 Dezember 2013

Cezary und Brutus

Eigentlich wollte ich bei den Hamburger Wasserwerken am Ballindamm nur eine Probenflasche zum Testen unserer Bleiwerte abholen, aber um die Ecke liegt nun mal eine Saturn-Filiale. 

Nach Hause kam ich demzufolge nicht nur mit der Probenflasche von Hamburg Wasser, sondern auch mit einem 47PFL7008K/12. Das ist ein 3D-Fernseher. 

Was hier beim Darniederschreiben so unverhofft und plötzlich klingt, war allerdings das spontane grande Finale eines über Monate gereiften Entscheidungsprozesses. Der alte Plasmatrumm zu Hause tat’s schon länger nicht mehr richtig; außerdem verantwortete er gefühlte acht Prozent des jährlichen deutschen Energieverbrauchs. Anders gesagt: Eine Heizung brauchten wir im Wohnzimmer eigentlich nicht mehr, wenn der Plasma rötelte. 

Jetzt stand ich jedenfalls unversehens mit einem 47PFL7008K/12 vorm Lager von Saturn und wartete auf das Taxi, das ihn und mich nach St. Pauli karren sollte. Ihm entstieg – nach 20 statt der telefonisch angekündigten sieben Minuten – ein grauhaariger Pole mit Schnauzer und dem kaiserlichen Namen Cezary, der mich nach dem Hineinwuchten des 47PFL7008K/12 umstandslos über die Dummheit der Leute im Advent aufklärte. 

„Läutä sind dumm“, kommentierte er mit großer Ernsthaftigkeit das Wuseln und Treiben da draußen, „jäddes Jahr Gleiche! Jäddes Jahr!“ Stumm nickte ich, während ich verstohlen das Taxameter im Auge behielt. „Helfen Sie mir  für einen Fünfer extra den Fernseher in den zweiten Stock tragen?“, fragte ich ihn vorm Haus. 

Ich hatte mit einem dank zusätzlicher Verdienstaussichten freudigen Aufblitzen in Cezarys Augen gerechnet, doch sie wurden skeptisch und schmal. „Nur mit Pausän“, grummelte er. „Klar“, versicherte ich. „Aber Sie müssen auch nicht.“ „Doch, ist ägal“, winkte er unwirsch ab und schälte sich aus dem Wagen.

So richtig gut beeinander wirkte er in der Tat nicht mehr. Der sitzende Beruf und generell zu wenig Bewegung, deren fatalen Effekt auf seinen Energiehaushalt er augenscheinlich mit zu vielen Pirogi zu potenzieren versucht hatte – all das führte dazu, dass Cezary über Gebühr ächzte beim Weg nach oben.

Und als auf der vorletzten Stufe der 47PFL7008K/12 auch noch durch den Karton brach, weil das verfluchte Saturn ihn auf der Unterseite nur liederlichst verklebt hatte, und wir das Gerät im letzten Moment mit vereinten Kräften vorm Absturz durchs Treppenhaus bewahren mussten, da spürte ich, wie Cezary nicht nur mich, sondern auch den Fünfer verfluchte, den er so leichtfertig angenommen hatte. 

Mein Dank, der ihm treppab folgte, war deshalb weniger überschwänglich als schamgeschwängert, zumal ich sein Keuchen und Röcheln noch eine ganze Weile verebbend mitanhören musste. Nicht, dass ich ungewollt noch zu Cezarys Brutus werde.

Der 47PFL7008K/12 jedenfalls hat alles unbeschadet überstanden. Ich sollte einen Teil der Anschaffungskosten auf Hamburg Wasser abwälzen. Mal schauen, wie wohlwollend sie dieser Idee gegenüberstehen, wenn ich morgen die Probe abgebe. Scherz!

4 Kommentare:

  1. Uhi, da ist Ihnen der Zählpixel der VGWort missglückt. Wenigstens bei mir, mit der neustes Firefoxversion, taucht er als ~10x20 Feld mit Link zum Pixel am Ende des Artikels auf.

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  2. Danke für den Hinweis! Das hätte meine wirtschaftliche Zukunft gefährdet.

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  3. Aus unserer beliebten Rubrik "Lernen von Pastewka". Der hat es in der erstaunlicher Weise gleichnamigen Sitcom allein aufgrund des Verdachts auf einen Leistenbruch ganz ohne Fünfer geschafft. Daran lässt sich also noch arbeiten.

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  4. Gäbe es einen Gott, würde er einem gewiss als Rache irgendwann genau das Leiden bescheren, welches man vorheuchelte. Als Agnostiker muss ich also die Finger von so was lassen.

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