06 Dezember 2009

Eine kam durch (und davon)

 

Tauben sind die populärsten Tiere hier auf der Rückseite der Reeperbahn. Allerdings aus den falschen Gründen. Denn es ist echt zum Milbenmelken: Schon wieder schaffte es eine Taube auf unseren vollvernetzten, inzwischen gar mit Drähten gesicherten, kurz: zur quasi uneinnehmbaren Trutzburg ausgebauten Balkon. Den Horden Dschingis Khans hätte er gewiss mondelang widerstanden, doch leider nicht den hiesigen Luftratten. Zumindest einer nicht. 


Die verlustigte sich hier nun fröhlich flatternd und stürzte sich immer wieder kopfüber und krallenvoran ins Netz juchhe, während ihre Gang draußen auf dem Baum saß und Haltungsnoten vergab. Eine selbstverständlich untragbare Situation. Doch diesmal war kein Profivergrämer mehr nötig, oh nein. Es war klar, was zu tun war. 

Ich suchte mir die älteste, fleckigste, gelbste Pannesamtdecke aus den niedersten Niederungen meines geerbten 19.-Jahrhundert-Steckschranks und betrat den Balkon wie Django, nur halt ohne Sarg und Knarre. Aber mit Pannesamtdecke. Das Tier wusste augenblicklich, was auf es zukam, und nahm die Herausforderung an. 

Es folgte eine wilde Jagd auf engstem Raum, die darin bestand, dass ich ein ums andere Mal den Samt durch die Gegend warf wie Lucky Luke sein Lasso, nur mangels Übung ohne dessen Treffsicherheit. Die Taube entkam gewiss ein Dutzend mal. Doch dann war es soweit: Die Decke begrub den Vogel unter sich – was ihn erstaunlicherweise sofort in eine für mich höchst kommode Duldungsstarre versetzte. 

Warum wehrte er sich nicht mehr – war es Erschöpfung? Taktik? Einsicht gar? Wie auch immer: Ich konnte ihn packen, mitsamt Decke auf den unbefestigten und dennoch von Tauben komplett verschmähten Südbalkon tragen und dort aus dem Samt schütteln. 

Auf dem Weg durch den Flur war nur kurz der Gedanke an einen leckeren Taubenbraten aufgeflammt. Doch wenn man gerade keinen Metzger zur Hand hat, sind die sich abzeichnenden Begleitumstände seiner Herstellung doch recht unappetitlich. So nahm ich Abstand. Stattdessen delektierten wir uns später an Rotbarsch. 

War wohl eine Art Übersprungshandlung.

12 Kommentare:

  1. Die meisten Vögel halten sofort still, wenn man ihnen die Augen zuhält oder einen Sack überstülpt. Überspitzt gesagt: Die denken dann, es ist Nacht, und schlafen ein. Ist bei Hühnern auch so.

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  2. Aha. Doch spätestens als die Taube hart angepackt wurde, hätte sie diesen Irrtum doch erkennen müssen.

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  3. Erkennen? Tauben? Sie scherzen.....

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  4. Nun, diese Spezies ist evolutionsgeschichtlich bisher weit erfolgreicher als wir, wenn man ihre Verweildauer hienieden als Maßstab nimmt. Irgendetwas müssen diese Vögel also richtigmachen.

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  5. Nils die Maus06.12.09, 14:14

    Es gibt von den Vögeln einfach nur verdammt viele. Und die einfachsten Kreaturen überleben bekanntlich am Längsten ...

    Achja, danke für den Satz mit der Gang :)

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  6. Nebenbei bemerkt sollte Ihnen allein die Menge an möglichen Krankheitserregern auf bzw. in dem Tier jegliches Interesse an Taubenbraten vermiesen. Selbst wenn Hundert Metzger zur Hand wären.

    Soo teuer sind Brathähnchen ja dann auch wieder nicht.

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  7. Ja, Haltungsnotengang ist super!

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  8. Nils die Maus, dann stehen unsere Chancen ja eher schlecht.

    Anonym 14:39: Dafür kocht oder brät man Gerichte doch, dass Krankheitserreger abgetötet werden. Gilt übrigens auch für Brathähnchen.

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  9. "Stattdessen delektierten wir uns später an Rotbarsch"

    na, ist ja auch einfach für fleischfresser, das andere die drecksarbeit machen, sprich, du das tier nicht getötet hast, würdest es ja eh nicht machen, schreiberling, weil sonst müßtest du ja erkennen, das es sich ja um ein lebewesen handelt, und das krendenzt man doch lieber in dem glauben, es wüchse auf einem baum.
    passt zu st.pauli, der blog...viel alk und no brain!

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  10. Wir sind alle Fleischfresser, Herr Ich-trau-mich-nur-ohne-Namen-Kommentierer. Sieht man schon an den Zähnen.

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  11. Wie jetzt?! Fleisch wächst nicht auf Bäumen? Zerstört nur meine Weihnachtsträume.....

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  12. Also, wenn schon, dann rate ich zum Verzehr von eben erst flügge gewordenen Exemplaren (wobei anzunehmen ist, dass die Ihnen mangels Knowhow nicht in die schicke Taubenfalle geraten!). Erwachsene Tauben, weiß zumindest mein Vater, quasi-professioneller Taubenzüchter und -schlächter, schmecken wie altes Leder. Oder so ähnlich, jedenfalls sehr sehr zäh. Also nicht hinterherträumen!

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