Die Ruhe vor dem Sturm am Millerntorstadion – am Samstag gegen die Fortuna
wird es hier ganz anders aussehen.
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Eine just zu Ende gegangene Schiffsreise von 3917 Kilometern Länge nach England, Schottland und Norwegen brachte uns einige Orte und Städte näher, die hier in Kurzrezensionen gewürdigt werden sollen. Ultrakurz, um genau zu sein, und bestürzend lückenhaft. Aber damit müssen Sie leben. Den ersten Teil gibt es hier.
Kommt man in die regenreichste Stadt Norwegens, wenn nicht ganz Europas, so ist man vor jedweder Enttäuschung gefeit. Denn folgt die Stadt buchstäblich dem Gießkannenprinzip, dann macht sie halt einfach ihren Job. Und ist es sonnig, dann ist man hocherfreut. Als wir dort waren, machte Bergen halt einfach seinen Job. Im Viertelstundenrhythmus platschten geradezu aggressive Regentropfenverbände hernieder, sodass wir ein ums andere Mal von Hoteleingang zu Fischmarktbude sprangen, denn Menschen sind – wenn man es bis zum Ende fortdenkt – wasserlöslich. Also ging’s irgendwann entmutigt zurück aufs Schiff, von wo aus sich die Bergen-typische Schleusenöffnungstaktung weitaus kommoder verfolgen ließ.
Bunter als Stavanger ist höchstens die lgbtqia2s+-Bewegung. Dort – also in Stavanger, nicht bei der lgbtqia2s+-Bewegung – gibt es zudem den bestsortierten Nuss- und Trockenfruchtladen aller Zeiten sowie denen, die noch kommen, nämlich Nøtteblanderen in der Kirkegata 21. Sollte ich jemals einen Hausarrest mit Fußfessel antreten müssen, dann bitte ebenda, danke vorab. In Stavanger parkt unser Schiff übrigens in der Altstadt, aber das darf der Nabu nie erfahren, weshalb das strikt unter uns bleiben muss.
Ansonsten war viel, viel Nordsee. Hier ein paar Belege.
Eine just zu Ende gegangene Schiffsreise von 3917 Kilometern Länge nach England, Schottland und Norwegen brachte uns einige Orte und Städte näher, die hier in Kurzrezensionen gewürdigt werden sollen. Ultrakurz, um genau zu sein, und bestürzend lückenhaft. Aber damit müssen Sie leben. Den zweiten Teil gibt es hier.
Die Stadt besteht aus Granit. Heißt: Sie ist grauer als grau. Der Himmel darüber will dem nicht nachstehen, woraufhin das Meer sagt: Das kann ich auch. Die Delfine, die in der Bucht herumtollen, sind ebenfalls nicht rosa. Allerdings betätigen sich die Aberdeener als weltweit größte Beschöniger von ganz Schottland und euphemisieren ihr tristes Häuserkonglomerat nonchalant zur „Silver City“. Angeblich soll im Sonnenschein beim richtigen Strahleneinfallswinkel und wenn man ausreichend Single Malt Scotch getankt hat, Aberdeen silbrig schimmern. Nun: Das können wir nicht bestätigen; ich erspare Ihnen den Fotobeweis. Die grauen Delfine in der Bucht haben uns dennoch verzaubert.
Denn ich habe eine Wasserspritzpistole angeschafft, und, verdammt, ich werde sie benutzen!
Mit seinem Achthundert-Milliliter-Magazin und einem Pumpstrahl von zehn Metern Reichweite vermag das Modell der Marke Paochocky, wie ich hoffe, eine ausreichend verheerende Wirkung auf die Taubenpsyche zu erzielen. Aber auch nur auf die, denn körperliche Schäden haben die Gluckscheißer nicht zu befürchten.
Ich bin ja kein Unmensch. Nur dauersauer und deshalb willens, die Vögel möglichst nachhaltig zu vergrämen – zumal sie auf empörte Zischlaute, explosives Klatschen und andere sonische Kampfmittel schon lange nur noch so reagieren wie Friedrich Merz auf die inständige Bitte, sich vom Acker zu machen: gelangweilt.
In der Tat orientierte sich die ekle Taubenschar, was mich angeht, zuletzt immer deutlicher an Karl Valentin und seinem zeitlosem Rat: „Des ignoriern ma net amoi!“ Parallel dazu arbeitete sie zudem erfolgreich am Abbau ihres Gespürs für soziale Distanz, was sich erst kürzlich in einem paarweise vorgenommenen Besuch unseres Wohnzimmers niederschlug.
Schreiend und mit dreschflegelartigen Armbewegungen bat ich die beiden zu gehen, was auch gelang. Leider nur recht geringe Befriedigung vermochte ich dabei aus der Tatsache zu ziehen, dass eine der beiden Vertreterinnen der Art Columba livia forma domestica bei ihrer widerwilligen Flucht erst einmal Kopf voran gegens Balkonfenster krachte.
Statt aus diesem Vorfall nun – wie es jeder mittelclevere Vogel getan hätte – den Schluss zu ziehen, unser Territorium künftig zu meiden, hockten die Terrorgurrer bereits kurze Zeit später wieder balzend auf unserem Geländer und schissen wohlig auf Sonnenschirm und Balkonmöbel.
All das dürfte Ihnen verdeutlichen, warum ich nach siebzehn zehrenden Jahren endlich entscheidend aufrüsten musste. Seit gestern liegt also eine Paochocky-Wasserspritzpistole im Hängegitter für Pflanzentöpfe, welches am Balkongeländer angebracht ist, parat und fiebert dort dem ersten Kampfeinsatz entgegen. Und ich noch mehr.
Allerdings gibt es ein Problem. Seitdem nämlich lässt sich – Stand heute – keine Taube mehr blicken. Wirkt meine Paochocky etwa ähnlich wie Atombomben in der Geopolitik: Es reicht, sie zu zeigen, um sicherzustellen, dass niemand sie einsetzt? Klar, das wäre die beste Lösung für uns alle, vor allem für sie. Aber wahrscheinlich beratschlagen sie einfach nur, was nun zu tun ist.
„Morgen Mittag“, prophezeiht Ms. Columbo, „ist die Pistole bestimmt vollgekackt.“
In Freiburg stolperte ich innerhalb kurzer Zeit über gleich zwei kalauernde Fahrradläden, denen anscheinend die jahrelange Führungsfunktion der Friseurläden auf diesem Gebiet keine Ruhe ließ.
Zeichnet sich hier der Megatrend der Zukunft ab? Wann wird der erste Laden namens „Kommt Zeit, kommt Rad“ – also dem abgedroschensten Drahteselkalauer ever – aufploppen?
Sie werden es als Erste erfahren.
1999 traf ich den Rammstein-Bassisten Oliver Riedel (2. v. r., hier 2017) zum Interview. Die aktuellen Ereignisse bewegen mich, den Text aus der Mottenkiste zu holen, was ich normalerweise nur dann tue, wenn ein ehemaliger Interviewpartner dahinscheidet, als Nachruf, sozusagen – aber vielleicht wird dieses kurze Gespräch über Plastikpenisse und Feminismus (!) im Nachhinein ja auch noch einer, wer weiß.
Spiel mit dem Feuer
Eigentlich war es eine Schnapsidee, dem Regisseur David Lynch ein Demo zu schicken. Doch Lynch beschallte seinen Film „Lost Highway“ damit, und die Ossiband Rammstein wurde berühmt. Vor allem in Amerika gruselt man sich seither wohlig beim schlichten Stechschrittmix aus Metal und Techno, bei der kalkuliert skandalösen Show aus Feuer, Sex und Herrengemenschel. Ganz selten in der Rockgeschichte hat eine Band mit so beschränkter Kompositionskunst so überragenden Erfolg gehabt. Rammstein-Gigs, das unterstreicht jetzt auch das Konzertalbum und -video „Live aus Berlin“, sind wie Rockparteitage. Doch ist das durchdacht? Sind Rammstein schlau? Ein Interview mit dem Bassisten Oliver Riedel.
Oliver, warum ist eure Show bloß so humorfrei?
Riedel: Also, ich kann schon drüber lachen. Dem Till seine Pimmelstelle – das ist ja nicht wirklich ernst.
Du meinst den Song „Bück dich“: Da wird mit Hilfe eines Plastikpenis Geschlechtsverkehr zwischen Sänger Till Lindemann und Keyboarder Flake angedeutet. Dafür sind sie in Massachusetts verhaftet worden …
Riedel: … weil man Flakes Hintern sehen konnte. Das ist so schizophren: Die Kids können sich den brutalsten Film ankucken ab sechs, aber sowie man eine Brust sieht, ist der Film ab 18. Das ist Doppelmoral. Da stimmt was nicht.
Für euch aber nicht schlecht. Das gibt schöne Schlagzeilen.
Riedel: Auf jeden Fall!
Was verspritzt der Penis eigentlich – Milch?
Riedel: Früher war es Milch. Aber die ist sauer geworden. Jetzt nehmen wir weißen Alkohol. Und die Leute in der ersten Reihe wollen immer was davon haben.
Hat Till Lindemann einen Tank in der Hose?
Riedel: Nein. Einer sitzt hinter der Bühne und pumpt wie ein Verrückter. Wenn das nicht funktioniert, wird er ganz schön angebrüllt. Vom Till. Der steht dann da, und es kommt nix. Das finde ich ganz wichtig, dass da auch was rauskommt.
Natürlich. Politische Inhalte hatten bisher keinen Platz in euren Songs. Bleibt das so?
Riedel: Im Prinzip schon. Rammstein macht keine politische Aussage. Vielleicht indirekt. Keine Ahnung.
Welche Partei ist denn wählbar für ein Rammstein-Mitglied?
Riedel: Da gibt‘s ganz verschiedene. Von Grün über Umweltgesetz-Partei (gemeint ist wohl die Naturgesetz-Partei, mw) bis CDU, SPD …
So breit ist das Spektrum …?
Riedel: Mmh. So wie die Musik auch breitgefächert ist.
Wegen eurer Leni-Riefenstahl-Ästhetik hält man euch jedenfalls für rechts.
Riedel: Weil man eine bestimmte Ästhetik benutzt, heißt das ja noch nicht, dass man rechts ist.
Ihr seid es nicht?
Riedel: Definitiv nicht. Deswegen können wir auch diese Ästhetik benutzen.
Es ist doch Teil des Skandals, den ihr erzeugen wollt: dieses Missverständnis zu provozieren.
Riedel: Wir wollen nicht provozieren, um erfolgreich zu sein. Sondern weil es uns Spaß macht.
Spaß? In euren Songs geht es um Sex, Gewalt, Sodomie, Sadomaso … Was haltet ihr denn vom Feminismus?
Riedel: „Feminismus“?
Frauenemanzipation. Alice Schwarzer.
Riedel: Ist okay, auf jeden Fall. Wir akzeptieren Frauenemanzipation.
Und wie ist für dich der typische Deutsche?
Riedel: Arbeitsam, ordnungsfanatisch. In der Musik überträgt sich das dann auf gerade Beats. Wie unsere: stumpf und ziemlich monoton.
Gerade in den USA bestätigt ihr das alte Hollywoodbild der Deutschen: martialisch zu sein und mit dem Feuer zu spielen.
Riedel: Na klar. Wir haben auch überlegt, ob wir extra für Amerika Lederhosen anziehen und Bockwurst am Eingang verkaufen sollen.
Ich glaube, das hätte eure Aura zerstört.
Riedel: Nicht für die Amerikaner! Die stehen auf dieses Image der Deutschen.
Ihr spielt mit diesen Stereotypen, aber ihr ironisiert sie nicht.
Riedel: Doch, die ironisieren wir schon. Unser Keyboarder hat sich mal auf dem brennenden Mantel des Sängers eine Bockwurst gegrillt. Solche Sachen.
(Erschienen in kulturnews, September 1999)
Foto: Bryan Adams
Als ich gestern vom Einkaufen nach Hause kam, entdeckte ich auf meinem iPhone unversehens ein neues Foto. Das Verb „entdecken“ ist sorgsam gewählt, denn dieses Foto habe ich nicht selbst geschossen. Sie sehen es oben. Es zeigt den Schriftzug „DEAD SEA“ an einem kargen Sandstrand, und es ist anzunehmen, dass im Hintergrund das Tote Meer zu sehen ist.
Ich war noch nie am Toten Meer. Die mit dem Bild abgespeicherten Geodaten zeigen allerdings unzweifelhaft: Dieses Foto wurde genau dort aufgenommen, und zwar vor einem Jahr, am 9. Juni 2022, morgens um zwanzig vor elf mit einem iPhone 8. Ich hatte noch nie ein iPhone 8. Aber ich habe ein anderes Modell dieser Produktreihe, und die Erklärung dafür, dass ich wie die Jungfrau zum Kind in den Besitz eines fremden Fotos gelangte, dürfte in der Funktion AirDrop liegen. Damit kann unsereins, liebe Windows- und Android-User, Dateien auf direktem Weg zwischen Apple-Geräten austauschen. Ja, das ist super! Grundsätzlich.
Neulich fragte mich ein Blogbesucher nach meiner Meinung zur Amazon-Prime-Serie „Luden – Könige der Reeperbahn“, und ich musste gestehen, sie bisher nicht gesehen zu haben. Mein Interesse hält sich – nach allem, was ich darüber gelesen habe – auch in Grenzen. Noch eine Serie, die Zuhälter als irgendwie cool und ihren Lifestyle als erstrebenswert darstellt? Das macht so müde.
Welch kulinarische Verlockung sich hinter dem Rollo verbirgt – und dass es sich um eine solche handelt, dafür steht allegorisch der beleibte Koch links –, entzieht sich meiner Kenntnis.
Dazu müsste ich erneut vorbeischauen, wenn der Rollo oben ist – sofern dies überhaupt noch einmal der Fall sein wird in diesem Leben.
„Spiritual Body Healing“, Sakralenergien, Chakradingens: Ich stand eindeutig vorm Hades der Esoterik. Wer schon länger in diesem Blog herumstöbert, kennt meine Haltung zu Humbug jeder Couleur. Insofern möchte ich Sie ermuntern, mir höchste Anerkennung zu zollen für den nächsten Schritt, den ich tat: Ich drückte trotz alledem die Türklinke und betrat diese Massagepraxis.
Nach dem Empfang durch einen muskulösen Herrn fernöstlicher Provenienz betrat ich die Toilette und gewahrte eine merkwürdige Rohrkonstruktion, die vom Wasserhahn des Waschbeckens zu einer Apparatur führte. Ein daran gehefteter Zettel informierte mich darüber, dass diese für eine „Informationslöschung auf null“ beim Wasser sorge.
Schwer stützte ich mich einen Moment auf die Keramik. Ja, ich war wirklich im Hades der Esoterik. Würde es mir gelingen, wieder unbeschadet zu den Gestaden der Wirklichkeit zurückzukehren?
Jedenfalls reduzierte ich angesichts der Wasserinformationslöschung auf null meine Erwartung an die bevorstehende Massage ebenfalls auf genau dieses Maß. Wahrscheinlich würde mir der Mann, ungeachtet seiner definierten Muskulatur, einfach nur eine Stunde lang die Chakren streicheln, Energieströme beflüstern und somit Dinge zu heilen versuchen, die a) nicht existierten und b) wenn doch, gar nicht kaputt waren.
Enorm erwartungsarm legte ich mich auf den Massagetisch und schaute, innerlich resigniert seufzend, einer von Klingklangmuzak umdudelten Wohlfühlstunde entgegen. Doch dann legte der Mann los. Und wie. Mehrfach musste ich in den folgenden sechzig Minuten Schmerzensschreie unterdrücken und vermochte sein sporadisches „Okay so?“ nur mit einem mühsam geächzten, Tapferkeit simulierenden „Ja, geht, kein Problem“ zu beantworten.
Am Ende waren meine Chakren Granulat. Er hatte meine Muskulatur aufgebrochen wie der Jäger das Wild. Und als er mich fragte, wie ich es gefunden habe, gestand ich ihm, eher auf Wellness eingestellt gewesen zu sein als auf eine amtliche Sportmassage.
„Nein, nein“, lachte er und schüttelte den Kopf. „Das war ganz klassisch. Bei einer Sportmassage wäre ich viel tiefer reingegangen.“
PS: In Ermangelung eines Beweisfotos gibt es hier eine Alsterimpression zu sehen – immerhin liegt die Praxis in der Nähe dieses Gewässers.
Die Abendstimmung gestern an der Jan-Fedder-Promenade hätte ihr Namensgeber sicherlich goutiert – wie auch die Tatsache, dass überhaupt eine Hamburger Promenade nach ihm benannt wurde.