Zu viert wollen wir die Nervenprobe des Viertelfinales im abgedunkelten Raum bestehen. Da klingelt es, und ein Großteil der Berliner WM-Blogger-WG bevölkert urplötzlich das Wohnzimmer – Stimmung!
Die armen Tröpfe brauchen dringend Asyl. Sie waren fürs Spiel Italien-Ukraine angereist und hatten versucht, die erste Halbzeit der Deutschland-Partie optisch irgendwo auf der Reeperbahn zu erhaschen, waren aber weitgehend gescheitert. Also hatte Sherpa Lyssa sie kurzerhand und klugerweise hierher verschleppt.
Nach dem gloriosen Elfmeterschießen bin ich endlich, endlich mal dabei und sogar aktiv beteiligt, als sich die legendären wildfremden Menschen um alle verfügbaren Hälse fallen; pikanterweise gehören auch ein Holländer (der Videoblogger Erik) und der Engländer Ben dazu. Man muss aber wirklich schon sehr genau hinschauen, um in beider Lächeln den Anschein von Säuerlichkeit zu erkennen. Und vielleicht bilde ich mir das auch nur ein.
Hinterher brechen die Berliner und ich zum zweiten Viertelfinalspiel in die Hamburger Arena auf, und ich muss sagen: Im wohligen Gefühl des deutschen Sieges durchs Busfenster eine Abendsonnendusche zu nehmen und sich selig zum Stadion schaukeln zu lassen, gehört schon jetzt zu den schönsten Gefühlserinnerungen des Jahres.
Über der zweiten Partie scheint durch die dramatischen Ereignisse zuvor ein mattschimmernder Seidenglanz zu liegen, und ich genieße selbst Fehlpässe von Timostschuk mit dem Grinsen eines Debilen. So zumindest müssen die mich seltsamerweise homogen umgebenden Koreaner meine Mimik deuten.
Jener Holländer übrigens, der bei Ebay noch bis zum 7. Juli Karten für das Spiel von heute Abend verticken will (Stückpreis: 1000 Euro), sollte sich vielleicht nach einer anderen Karriere umschauen. Zum Schwarzhändler fehlt ihm das Talent.
„3000 Plattenkritiken“ | „Die Frankensaga – Vollfettstufe“ | RSS-Feed | In memoriam | mattwagner {at} web.de |
01 Juli 2006
29 Juni 2006
Der Scheunen-Tor
Während wir bei der Fußball-WM eine Spitzenleistung nach der anderen goutieren dürfen (zumindest solange nicht die Ukraine oder England beteiligt sind), vergessen wir leicht, welche enorme Körperbeherrschung es bedeutet, überhaupt kontrolliert gegen einen Ball treten zu können.
Man muss sich nur einmal Altkanzler Schröders jammervolle und auch ästhetisch bestürzende Kickerei ins Gedächtnis rufen. Dann wird uns rasch klar, wie viele Menschen auf diesem Erdball die erwähnte Körperbeherrschung nicht aufweisen, obwohl sie bisweilen anderer Meinung sind.
Zum Beispiel dieser hier:
So. Und um 17 Uhr geht es endlich weiter.
Man muss sich nur einmal Altkanzler Schröders jammervolle und auch ästhetisch bestürzende Kickerei ins Gedächtnis rufen. Dann wird uns rasch klar, wie viele Menschen auf diesem Erdball die erwähnte Körperbeherrschung nicht aufweisen, obwohl sie bisweilen anderer Meinung sind.
Zum Beispiel dieser hier:
So. Und um 17 Uhr geht es endlich weiter.
28 Juni 2006
Zwischen den Spielen
Ein bewölkter Tag bedeckt die Stadt wie ein altes schlaffes Haarnetz. Auf dem Mittelstreifen der Reeperbahn sterben die ersten frischgepflanzten Bäume schon wieder ab.
Ich starre ins Halbdunkel der Zimmerecke, zu keinem Gedanken fähig. Was tun? Keine Ahnung.
Dort steht er, dieser große Kasten. Es ist der Fernseher, ein graues, graues Nichts. Er ist aus. Klar. Denn es läuft … kein Fußball.
Die Weltmeisterschaft macht Pause.
Und das Schrecklichste: Auch morgen noch.
Ich starre ins Halbdunkel der Zimmerecke, zu keinem Gedanken fähig. Was tun? Keine Ahnung.
Dort steht er, dieser große Kasten. Es ist der Fernseher, ein graues, graues Nichts. Er ist aus. Klar. Denn es läuft … kein Fußball.
Die Weltmeisterschaft macht Pause.
Und das Schrecklichste: Auch morgen noch.
Der Bärendienst
(Foto: eisbaer.de)
Radikale Moralisten verstehe ich einfach nicht. In den USA haben Abtreibungsgegner mal einen Arzt ermordet, weil sie der Auffassung waren, es sei Mord, Zellhaufen operativ aus Frauenbäuchen zu entfernen. Diese Meinung dürfen sie ja gerne sagen und brüllen, aber einen ausgewachsenen, denkenden Menschen umzubringen, weil sie damit gegen das Umbringen protestieren wollen, kommt mir in jeder Hinsicht hirnrissig vor – und auf geradezu debile Weise unlogisch.
Ähnlich einige radikale Tierschützer: Sie drohen drei Jägern mit dem Tod, weil die den Bären Bruno getötet haben, der sich seit Wochen die Zeit damit vertrieben hatte, in Bayern Schafe und Hühner zu töten.
Man muss erst gar nicht in die Diskussion einsteigen, ob das Leben eines Menschen nun genauso wertvoll sei wie das eines Tieres, einer Pflanze, einer Amöbe oder von Plankton (wie wäre es mit dem Ebolavirus?), um eins sicher zu erkennen: Diese anonymen Droher denken gerade mal von ihrem Stammhirn bis zum Brett vor ihrem Kopf.
Wobei ich natürlich auf Brunos Seite bin. In den letzten 170 Jahren gab es genau zwei Bären in Bayern, und beide knallte man ab. Erzähl das mal einem Kanadier, der hält uns für bekloppt. Und das dürfte er natürlich sagen und brüllen, und vielleicht täte er das auch, aber eins ist sicher: Er käme niemals auf die Idee, uns deshalb das Erschießen anzudrohen.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über Tiere
1. „Me and you and a dog named Boo“ von Lobo
2. „Es gibt Tage, da wünscht' ich, ich wär mein Hund“ von Reinhard Mey
3. „(Let me be your) teddy bear“ von Elvis Presley
Radikale Moralisten verstehe ich einfach nicht. In den USA haben Abtreibungsgegner mal einen Arzt ermordet, weil sie der Auffassung waren, es sei Mord, Zellhaufen operativ aus Frauenbäuchen zu entfernen. Diese Meinung dürfen sie ja gerne sagen und brüllen, aber einen ausgewachsenen, denkenden Menschen umzubringen, weil sie damit gegen das Umbringen protestieren wollen, kommt mir in jeder Hinsicht hirnrissig vor – und auf geradezu debile Weise unlogisch.
Ähnlich einige radikale Tierschützer: Sie drohen drei Jägern mit dem Tod, weil die den Bären Bruno getötet haben, der sich seit Wochen die Zeit damit vertrieben hatte, in Bayern Schafe und Hühner zu töten.
Man muss erst gar nicht in die Diskussion einsteigen, ob das Leben eines Menschen nun genauso wertvoll sei wie das eines Tieres, einer Pflanze, einer Amöbe oder von Plankton (wie wäre es mit dem Ebolavirus?), um eins sicher zu erkennen: Diese anonymen Droher denken gerade mal von ihrem Stammhirn bis zum Brett vor ihrem Kopf.
Wobei ich natürlich auf Brunos Seite bin. In den letzten 170 Jahren gab es genau zwei Bären in Bayern, und beide knallte man ab. Erzähl das mal einem Kanadier, der hält uns für bekloppt. Und das dürfte er natürlich sagen und brüllen, und vielleicht täte er das auch, aber eins ist sicher: Er käme niemals auf die Idee, uns deshalb das Erschießen anzudrohen.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über Tiere
1. „Me and you and a dog named Boo“ von Lobo
2. „Es gibt Tage, da wünscht' ich, ich wär mein Hund“ von Reinhard Mey
3. „(Let me be your) teddy bear“ von Elvis Presley
27 Juni 2006
Auf Partypatrouille
Tolle Fete heute Abend. Ein berühmter Hamburger Eventmanager hat zum traditionellen Hoffest geladen, und weil er so berühmt ist, kommen auch viele Berühmtheiten. Darunter sind Havebeens (wie Alexander Klaws), Wannabees (wie diese junge sexy Sängerin, deren Name mir partout nicht einfallen will) und echte Künstler (wie Nils Koppruch von Fink).
Und mittendrin überraschenderweise Senait. Wie sich rasch herausstellt, hat der Kontakt mit ihren eritreischen Lippen ungefähr den gleichen Effekt, als würde man auf der Davidwache für die Erfassung von Fingerabdrücken präpariert. Ein Bussi hier, ein Bussi da, und schon muss ich Ms. Columbo beidwangig von enormen Lippenstiftspuren befreien.
Seltsamerweise komme ich unbefleckt davon; vielleicht bildet ein leichter Bartschatten ja eine Art Schutzfilm. Der Franke allerdings liefert das Gegenbeispiel für diese Theorie; ich sehe mich plötzlich unfasslicherweise an seiner ungeschlachten Wange mit einer Serviette herumhantieren. Natürlich nicht ohne ihm währenddessen vorzuschlagen, doch einfach nie mehr zu duschen – ich meine: Senaits Lippenstift!
Vor mir in der Grillimbisschlange steht Vanessa von der dahingeschiedenen Girlpopband No Angels. Ich erinnere mich an ein Interview mit ihr und dem Rest der Band vor einigen Jahren. Von den fünf Sängerinnen waren vier völlig bei der Sache, nur Vanessa beschäftigte sich die ganze Zeit mit ihrem Handy, simste klackerdiklack vor sich hin und lächelte versonnen ins Display.
Und was soll ich sagen: Heute Abend in der Grillimbissschlange ist es ganz genau wie damals. Sie starrt entrückt auf ihr Handy, drückt auf den Tasten herum, und das in unmittelbarer Nähe von Grillhähnchen und Pommes rotweiß. Kein Wunder, ehrlich gesagt, dass ihre Solokarriere nicht in Gang kommen will.
Zum Achtelfinale Schweiz-Ukraine ziehen wir uns alle in einen Saal mit Großbildleinwand zurück, und weil das Spiel ungefähr so aufregend ist wie das Starren auf eine monochrome Betonwand oder Vanessa Petruos Handydisplay, schlage ich eine Wette vor: einen Kasten Bier auf die Ukraine. Der Franke schlägt ein und beweist nach dem entscheidenden Elfemterschießen (0:3 gegen seine Schweizer) eine gewisse Haltung, verweigert mir aber das High Five. Auf dem Heimweg muss ich die Nacht ähnlich versonnen angelächelt haben wie Vanessa ihr Handy, und das lag nicht nur am erstaunlichen Chardonnay.
Weil man auf solche Partys als geladener Gast selbstverständlich keine Kamera mitnimmt, gibt es heute nur ein Foto von einem Gebäude, das sich immerhin in unmittelbarer Nähe des Hoffestes in den Hamburger Himmel reckt.
Ex cathedra: Die Top 3 der Girlbandsongs
1. „Be my baby“ von The Ronettes
2. „Barracuda“ von Heart
3. „River of joy“ von No Angels (übrigens von Senait geschrieben)
Die bisherigen Teile der Frankensaga
19. Der Kulturstoffel 18. Fußball auf Fränkisch! 17. Auhuuu! 16. Die Bettelblickattacke 15. Der Franke bleibt störrisch 14. Der unvollendete Panini-Coup 13. Duck dich, Sylt! 12. Auf Partypatrouille 11. Laggs auf vier Uhr 10. Der Franke ist überall 9. Die Greeb-Pfanne 8. Erste gegen dritte Liga 7. Die verspätete Riesenkartoffel 6. Der historische Tag 5. Der Alditag 4. Der Faschingskrapfen 3. Der Klozechpreller 2. Der Dude 1. Das Alte Land
Und mittendrin überraschenderweise Senait. Wie sich rasch herausstellt, hat der Kontakt mit ihren eritreischen Lippen ungefähr den gleichen Effekt, als würde man auf der Davidwache für die Erfassung von Fingerabdrücken präpariert. Ein Bussi hier, ein Bussi da, und schon muss ich Ms. Columbo beidwangig von enormen Lippenstiftspuren befreien.
Seltsamerweise komme ich unbefleckt davon; vielleicht bildet ein leichter Bartschatten ja eine Art Schutzfilm. Der Franke allerdings liefert das Gegenbeispiel für diese Theorie; ich sehe mich plötzlich unfasslicherweise an seiner ungeschlachten Wange mit einer Serviette herumhantieren. Natürlich nicht ohne ihm währenddessen vorzuschlagen, doch einfach nie mehr zu duschen – ich meine: Senaits Lippenstift!
Vor mir in der Grillimbisschlange steht Vanessa von der dahingeschiedenen Girlpopband No Angels. Ich erinnere mich an ein Interview mit ihr und dem Rest der Band vor einigen Jahren. Von den fünf Sängerinnen waren vier völlig bei der Sache, nur Vanessa beschäftigte sich die ganze Zeit mit ihrem Handy, simste klackerdiklack vor sich hin und lächelte versonnen ins Display.
Und was soll ich sagen: Heute Abend in der Grillimbissschlange ist es ganz genau wie damals. Sie starrt entrückt auf ihr Handy, drückt auf den Tasten herum, und das in unmittelbarer Nähe von Grillhähnchen und Pommes rotweiß. Kein Wunder, ehrlich gesagt, dass ihre Solokarriere nicht in Gang kommen will.
Zum Achtelfinale Schweiz-Ukraine ziehen wir uns alle in einen Saal mit Großbildleinwand zurück, und weil das Spiel ungefähr so aufregend ist wie das Starren auf eine monochrome Betonwand oder Vanessa Petruos Handydisplay, schlage ich eine Wette vor: einen Kasten Bier auf die Ukraine. Der Franke schlägt ein und beweist nach dem entscheidenden Elfemterschießen (0:3 gegen seine Schweizer) eine gewisse Haltung, verweigert mir aber das High Five. Auf dem Heimweg muss ich die Nacht ähnlich versonnen angelächelt haben wie Vanessa ihr Handy, und das lag nicht nur am erstaunlichen Chardonnay.
Weil man auf solche Partys als geladener Gast selbstverständlich keine Kamera mitnimmt, gibt es heute nur ein Foto von einem Gebäude, das sich immerhin in unmittelbarer Nähe des Hoffestes in den Hamburger Himmel reckt.
Ex cathedra: Die Top 3 der Girlbandsongs
1. „Be my baby“ von The Ronettes
2. „Barracuda“ von Heart
3. „River of joy“ von No Angels (übrigens von Senait geschrieben)
Die bisherigen Teile der Frankensaga
19. Der Kulturstoffel 18. Fußball auf Fränkisch! 17. Auhuuu! 16. Die Bettelblickattacke 15. Der Franke bleibt störrisch 14. Der unvollendete Panini-Coup 13. Duck dich, Sylt! 12. Auf Partypatrouille 11. Laggs auf vier Uhr 10. Der Franke ist überall 9. Die Greeb-Pfanne 8. Erste gegen dritte Liga 7. Die verspätete Riesenkartoffel 6. Der historische Tag 5. Der Alditag 4. Der Faschingskrapfen 3. Der Klozechpreller 2. Der Dude 1. Das Alte Land
25 Juni 2006
Laggs auf vier Uhr
Über das Restaurant Tai-Pan („Sushi all you can eat!“ abends für laue 14,90) habe ich schon einmal berichtet, und zwar recht positiv. Damals gab es das Sushi aber auch noch mit Fisch …
Zwischen zwei WM-Spielen laufen Ms. Columbo, der Franke und ich dort wohlgemut auf. Doch nachdem wir eine Viertelstunde lang ratlos suchend auf die kreisenden Gemüsetellerchen, frittierten Hähnchenunterschenkel, Gurkenstücke in Reisröllchen und pappigen Dim Sums gestarrt haben, moniere ich bei der schüchternen deutschen Bedienung die erschütternde Fischarmut, die vermutlich exakt jener der Elbe bei Dresden in den 70er Jahren entspricht. Das sage ich zwar nicht explizit, lasse es aber mitschwingen.
Der Sushikoch, beschwichtigt die junge Frau mich daraufhin eilends, sei im Verborgenen – nämlich der Küche – bereits fleißig tätig, und bald würde der Kreisverkehr, so fuhr sie sinngemäß fort, nur so strotzen vor Köstlichkeiten maritimer Herkunft.
Nach weiteren fünf Minuten des traurigen Betrachtens fischloser Sushischälchen wende ich mich erneut an die zuständigen Instanzen, diesmal aber auf höherer Entscheidungsebene, der chinesischen. Der Mann lächelt ebenso peinlich berührt wie deeskalierend und versichert mir unter unablässigem Nicken die baldige, ja gleichsam sofortige Niveauanhebung der Setlist. Murrend gehe ich zurück Ms. Columbo und dem Franken, und kaum sitze ich, liefert uns der Chinese unter Umgehung des Kreisverkehrs umstandslos eine kleine Kollektion von Lachssushi direkt an den Tisch.
Sogleich besänftigt danken wir herzlich und tun uns gütlich daran, ohne freilich zu den anderen Gästen aufzublicken, die zweifellos unsere Vorzugsbehandlung kräftig zu missbilligen wissen. Andererseits hatte ich – nur ich! – mich zweimal zum Widerstand aufgerafft, während die dumpfe Masse sich stumm in ihr Schicksal fügte. Sie sollen sich also bitte nicht so anstellen und die Zeit bis zur regulären Lieferung des Fischsushi eben mit Omelettstreifen verbringen, die rücklings auf Reisbällchen geschnallt sind.
Und siehe da: Allmählich zeichnet sich auch offiziell eine Besserung der Lage ab. Was auch dringend nötig ist, denn unsere außer der Reihe servierte Lieferung ist schon nach Sekunden aufgeteilt und verputzt. Allerdings wird uns nun auch die schlechte strategische Lage unserer Sitzposition deutlich. Wir sitzen sehr weit entfernt vom Ort der Laufbandbestückung. Jeder Lachs, alle Muscheln müssen, nachdem sie ins Rennen gegangen sind, fast eine komplette Runde absolvieren, ehe sie überhaupt in unsere Reichweite kommen. Und man kann sich vorstellen, wie schwer das angesichts der auf echtes Sushi geiernden Tai-Pan-Gäste selbst einem Fisch wie dem Lachs fallen muss, der in der freien Natur ja sogar Schleusen, Bärentatzen und wahrscheinlich auch Staudämme zu überwinden vermag, während er tapfer flußaufwärts strebt zum Ort seiner Geburt, wo er nach all der Mühsal schließlich umstandslos ablaicht und kurz darauf verstirbt.
Kurz: Es kommt weiterhin nichts Fischiges bei uns an. Von meiner Sitzposition aus sehe ich zwar mit Bassettblick, welche Must-have-Tellerchen aufs Band gestellt werden, doch der mir gegenüber sitzende Franke verfolgt kommentierend ihr Schicksal bis zu jener Sekunde, in der die besser postierte Konkurrenz sie betrüblicherweise runterklaubt.
Doch mit der Zeit schlägt sich wirklich hie und da eins durch bis zu uns. „Laggs auf vier Uhr“, raunt der Franke dann konspirativ zu uns herüber, „jetzt auf drei Uhr, auf zwei … jetzt!“, und die prächtige Ms. Columbo, perfekt platziert direkt am Band, greift beherzt zu und erlegt für unsere kleine Schicksalsgemeinschaft ein Sushischälchen – eins mit echtem Fisch!
Mit dieser perfekten Koordination, einer geradezu patentierbaren Schleppnetzfangmethode fürs Fischen in Innenräumen, entgehen uns hinfort keine relevanten Schälchen mehr, obgleich sie den ganzen Abend über kaum häufiger vorbeikommen als die Queen Mary 2 im hiesigen Trockendock.
Egal: Irgendwie werden wir jedenfalls satt.
Trotz „all you can eat“.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über die Vorzüge des Teamwork
1. „Let's work together“ von Canned Heat
2. „Allein machen sie dich ein“ von Ton Steine Scherben
3. „Smells like team spirit“ (haha!!!) von Nirvana
Die bisherigen Teile der Frankensaga
19. Der Kulturstoffel 18. Fußball auf Fränkisch! 17. Auhuuu! 16. Die Bettelblickattacke 15. Der Franke bleibt störrisch 14. Der unvollendete Panini-Coup 13. Duck dich, Sylt! 12. Auf Partypatrouille 11. Laggs auf vier Uhr 10. Der Franke ist überall 9. Die Greeb-Pfanne 8. Erste gegen dritte Liga 7. Die verspätete Riesenkartoffel 6. Der historische Tag 5. Der Alditag 4. Der Faschingskrapfen 3. Der Klozechpreller 2. Der Dude 1. Das Alte Land
Zwischen zwei WM-Spielen laufen Ms. Columbo, der Franke und ich dort wohlgemut auf. Doch nachdem wir eine Viertelstunde lang ratlos suchend auf die kreisenden Gemüsetellerchen, frittierten Hähnchenunterschenkel, Gurkenstücke in Reisröllchen und pappigen Dim Sums gestarrt haben, moniere ich bei der schüchternen deutschen Bedienung die erschütternde Fischarmut, die vermutlich exakt jener der Elbe bei Dresden in den 70er Jahren entspricht. Das sage ich zwar nicht explizit, lasse es aber mitschwingen.
Der Sushikoch, beschwichtigt die junge Frau mich daraufhin eilends, sei im Verborgenen – nämlich der Küche – bereits fleißig tätig, und bald würde der Kreisverkehr, so fuhr sie sinngemäß fort, nur so strotzen vor Köstlichkeiten maritimer Herkunft.
Nach weiteren fünf Minuten des traurigen Betrachtens fischloser Sushischälchen wende ich mich erneut an die zuständigen Instanzen, diesmal aber auf höherer Entscheidungsebene, der chinesischen. Der Mann lächelt ebenso peinlich berührt wie deeskalierend und versichert mir unter unablässigem Nicken die baldige, ja gleichsam sofortige Niveauanhebung der Setlist. Murrend gehe ich zurück Ms. Columbo und dem Franken, und kaum sitze ich, liefert uns der Chinese unter Umgehung des Kreisverkehrs umstandslos eine kleine Kollektion von Lachssushi direkt an den Tisch.
Sogleich besänftigt danken wir herzlich und tun uns gütlich daran, ohne freilich zu den anderen Gästen aufzublicken, die zweifellos unsere Vorzugsbehandlung kräftig zu missbilligen wissen. Andererseits hatte ich – nur ich! – mich zweimal zum Widerstand aufgerafft, während die dumpfe Masse sich stumm in ihr Schicksal fügte. Sie sollen sich also bitte nicht so anstellen und die Zeit bis zur regulären Lieferung des Fischsushi eben mit Omelettstreifen verbringen, die rücklings auf Reisbällchen geschnallt sind.
Und siehe da: Allmählich zeichnet sich auch offiziell eine Besserung der Lage ab. Was auch dringend nötig ist, denn unsere außer der Reihe servierte Lieferung ist schon nach Sekunden aufgeteilt und verputzt. Allerdings wird uns nun auch die schlechte strategische Lage unserer Sitzposition deutlich. Wir sitzen sehr weit entfernt vom Ort der Laufbandbestückung. Jeder Lachs, alle Muscheln müssen, nachdem sie ins Rennen gegangen sind, fast eine komplette Runde absolvieren, ehe sie überhaupt in unsere Reichweite kommen. Und man kann sich vorstellen, wie schwer das angesichts der auf echtes Sushi geiernden Tai-Pan-Gäste selbst einem Fisch wie dem Lachs fallen muss, der in der freien Natur ja sogar Schleusen, Bärentatzen und wahrscheinlich auch Staudämme zu überwinden vermag, während er tapfer flußaufwärts strebt zum Ort seiner Geburt, wo er nach all der Mühsal schließlich umstandslos ablaicht und kurz darauf verstirbt.
Kurz: Es kommt weiterhin nichts Fischiges bei uns an. Von meiner Sitzposition aus sehe ich zwar mit Bassettblick, welche Must-have-Tellerchen aufs Band gestellt werden, doch der mir gegenüber sitzende Franke verfolgt kommentierend ihr Schicksal bis zu jener Sekunde, in der die besser postierte Konkurrenz sie betrüblicherweise runterklaubt.
Doch mit der Zeit schlägt sich wirklich hie und da eins durch bis zu uns. „Laggs auf vier Uhr“, raunt der Franke dann konspirativ zu uns herüber, „jetzt auf drei Uhr, auf zwei … jetzt!“, und die prächtige Ms. Columbo, perfekt platziert direkt am Band, greift beherzt zu und erlegt für unsere kleine Schicksalsgemeinschaft ein Sushischälchen – eins mit echtem Fisch!
Mit dieser perfekten Koordination, einer geradezu patentierbaren Schleppnetzfangmethode fürs Fischen in Innenräumen, entgehen uns hinfort keine relevanten Schälchen mehr, obgleich sie den ganzen Abend über kaum häufiger vorbeikommen als die Queen Mary 2 im hiesigen Trockendock.
Egal: Irgendwie werden wir jedenfalls satt.
Trotz „all you can eat“.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über die Vorzüge des Teamwork
1. „Let's work together“ von Canned Heat
2. „Allein machen sie dich ein“ von Ton Steine Scherben
3. „Smells like team spirit“ (haha!!!) von Nirvana
Die bisherigen Teile der Frankensaga
19. Der Kulturstoffel 18. Fußball auf Fränkisch! 17. Auhuuu! 16. Die Bettelblickattacke 15. Der Franke bleibt störrisch 14. Der unvollendete Panini-Coup 13. Duck dich, Sylt! 12. Auf Partypatrouille 11. Laggs auf vier Uhr 10. Der Franke ist überall 9. Die Greeb-Pfanne 8. Erste gegen dritte Liga 7. Die verspätete Riesenkartoffel 6. Der historische Tag 5. Der Alditag 4. Der Faschingskrapfen 3. Der Klozechpreller 2. Der Dude 1. Das Alte Land
Gesichtszwillinge (3)
Nanu, seit wann trainiert denn Hannibal Lecter die Schweizer Fußballnationalmannschaft? Anthony Hopkins (rechts, äh links) und Köbi Kuhn wurden möglicherweise bei der Geburt getrennt.
(Fotos: Westlord.com, tele.ch)
Weitere Gesichtszwillinge:
– Franz Beckenbauer und Erich Honecker
– Angela Merkel und Peter Ustinov
24 Juni 2006
23 Juni 2006
Die Fundstücke des Tages (20)
1. Seit vielen Jahren schon erspare ich es mir aktiv und bei vollem Bewusstsein, nach dem Sinn des Lebens zu suchen. In diesem kleinen Textkunststück von Thilo Baum erfahre ich nun auch, WARUM das die absolut richtige Entscheidung gewesen ist.
2. In der Berliner Galerie Aquarium findet zurzeit eine Ausstellung mit 27 wirklich außergewöhnlichen Fußballexponaten statt – darunter die drei Zähne (Foto), die der bedauernswerte französische Kicker Patrick Battiston 1982 verlor, als unser Tormann Toni Schumacher ihm mitten aufm Platz nach dem Leben trachtete. Oder die konservierte Spucke (!) von Frank Rijkaard, die man angeblich aus Rudi Völlers Haaren herausgeholt hat – bevor er duschte.
3. Im „Kochbuch Foodball“ von Arne Friedrich und Ralf Zacherl gibt es ein Gericht namens „Chicken Frings“. Für einen Kalauerconnaisseur wie mich natürlich ein Fest. Hier weitere Anregungen für die zweite Auflage: Klöße à la Klose, Spaghetti mit Ball-Hack oder Schnitzel in Lahmsoße.
4. Schon gewusst? Es gibt speziellen Multivitaminsaft für Nager. Und der ist nicht billig: Literpreis 18 Euro. Zuchtmäuse hingegen – also genau jene Tiere, die solche Multivitaminsäfte für Nager wahrscheinlich wegsüffeln wie Gerhard Mayer-Vorfelder zwei Bocksbeutel Grauburgunder – kriegt man schon ab 15 Cent. Eine fremde und seltsame Welt.
Alle bisherigen Fundstücke des Tages:
1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13,
14, 15, 16, 17, 18, 19, Oh, my Google!
2. In der Berliner Galerie Aquarium findet zurzeit eine Ausstellung mit 27 wirklich außergewöhnlichen Fußballexponaten statt – darunter die drei Zähne (Foto), die der bedauernswerte französische Kicker Patrick Battiston 1982 verlor, als unser Tormann Toni Schumacher ihm mitten aufm Platz nach dem Leben trachtete. Oder die konservierte Spucke (!) von Frank Rijkaard, die man angeblich aus Rudi Völlers Haaren herausgeholt hat – bevor er duschte.
3. Im „Kochbuch Foodball“ von Arne Friedrich und Ralf Zacherl gibt es ein Gericht namens „Chicken Frings“. Für einen Kalauerconnaisseur wie mich natürlich ein Fest. Hier weitere Anregungen für die zweite Auflage: Klöße à la Klose, Spaghetti mit Ball-Hack oder Schnitzel in Lahmsoße.
4. Schon gewusst? Es gibt speziellen Multivitaminsaft für Nager. Und der ist nicht billig: Literpreis 18 Euro. Zuchtmäuse hingegen – also genau jene Tiere, die solche Multivitaminsäfte für Nager wahrscheinlich wegsüffeln wie Gerhard Mayer-Vorfelder zwei Bocksbeutel Grauburgunder – kriegt man schon ab 15 Cent. Eine fremde und seltsame Welt.
Alle bisherigen Fundstücke des Tages:
1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13,
14, 15, 16, 17, 18, 19, Oh, my Google!
22 Juni 2006
Droste gegen Zaimoglu und umgekehrt
(Foto: hr)
Am 16. Juni erschien in der taz ein Artikel („Ohne Fahne niemals nicht”) des Satirikers Wiglaf Droste, in dem er gegen „den deutschen Türken“ wettert, der zur WM „schwarzrotsenfige“ Fahnen schwenke.
Ich entdeckte den Text online und las ihn mit der üblichen Mischung aus Fassungslosigkeit und Genuss. Mit Droste muss man beileibe nicht immer konform gehen, aber eine gallige Schreibe hat der Mann – meine Herrn! Sein Geätze gegen den kulturellen, sozialen und politischen Mainstream gönne ich mir seit Jahren, und eins ist mir inzwischen klar geworden: Wir müssen uns Wiglaf Droste als unglücklichen Menschen vorstellen.
Aber darum geht es hier ja nicht. Sondern darum: Der erwähnte taz-Artikel über „den deutschen Türken“ verschwand plötzlich am Nachmittag des 16. Juni auf Nimmerwiedersehen aus der Online-Ausgabe. Da ich nur den Link gesichert hatte, nicht aber den Text, mailte ich die taz an und bat um Aufklärung. Dort gab man sich sehr, sehr schmallippig. Zum Glück fand ich den Artikel in einem Forum wieder, wo er seither heiß diskutiert wird.
Heute nun, sechs Tage später, druckte die taz eine Gegendarstellung des Schriftstellers Feridun Zaimoglu, und die Sache wird plötzlich glasklar: Droste nämlich hatte Zaimoglu in einem hingerotzten Nebensatz des besagten Artikels als „blasierten Buchabschreiber“ niedergemacht (-> Hintergrund); und offenbar erwirkte der daraufhin die Entfernung des Textes aus dem Web.
Interessanterweise veröffentlichte Droste in seinem Blog am Nachmittag des 16. Juni – wahrscheinlich sofort nach Entfernung des Artikels auf der taz-Seite – eine veränderte Fassung des Textes. Darin verschärft er noch den Ton (oder die taz hatte ihn zuvor entschärft) und bezeichnet Zaimoglu nun als „schmierigen Buchabschreiber“.
Dadurch erhält der Text nun sogar einen latent rassistischen Unterton, was Droste sich unbedingt verkneifen sollte. Sein Blog-Eintrag jedenfalls ist noch immer online. Mal schauen, wann Zaimoglu es schafft, auch den aus dem Netz zu kicken. Die Uhr läuft.
Am 16. Juni erschien in der taz ein Artikel („Ohne Fahne niemals nicht”) des Satirikers Wiglaf Droste, in dem er gegen „den deutschen Türken“ wettert, der zur WM „schwarzrotsenfige“ Fahnen schwenke.
Ich entdeckte den Text online und las ihn mit der üblichen Mischung aus Fassungslosigkeit und Genuss. Mit Droste muss man beileibe nicht immer konform gehen, aber eine gallige Schreibe hat der Mann – meine Herrn! Sein Geätze gegen den kulturellen, sozialen und politischen Mainstream gönne ich mir seit Jahren, und eins ist mir inzwischen klar geworden: Wir müssen uns Wiglaf Droste als unglücklichen Menschen vorstellen.
Aber darum geht es hier ja nicht. Sondern darum: Der erwähnte taz-Artikel über „den deutschen Türken“ verschwand plötzlich am Nachmittag des 16. Juni auf Nimmerwiedersehen aus der Online-Ausgabe. Da ich nur den Link gesichert hatte, nicht aber den Text, mailte ich die taz an und bat um Aufklärung. Dort gab man sich sehr, sehr schmallippig. Zum Glück fand ich den Artikel in einem Forum wieder, wo er seither heiß diskutiert wird.
Heute nun, sechs Tage später, druckte die taz eine Gegendarstellung des Schriftstellers Feridun Zaimoglu, und die Sache wird plötzlich glasklar: Droste nämlich hatte Zaimoglu in einem hingerotzten Nebensatz des besagten Artikels als „blasierten Buchabschreiber“ niedergemacht (-> Hintergrund); und offenbar erwirkte der daraufhin die Entfernung des Textes aus dem Web.
Interessanterweise veröffentlichte Droste in seinem Blog am Nachmittag des 16. Juni – wahrscheinlich sofort nach Entfernung des Artikels auf der taz-Seite – eine veränderte Fassung des Textes. Darin verschärft er noch den Ton (oder die taz hatte ihn zuvor entschärft) und bezeichnet Zaimoglu nun als „schmierigen Buchabschreiber“.
Dadurch erhält der Text nun sogar einen latent rassistischen Unterton, was Droste sich unbedingt verkneifen sollte. Sein Blog-Eintrag jedenfalls ist noch immer online. Mal schauen, wann Zaimoglu es schafft, auch den aus dem Netz zu kicken. Die Uhr läuft.
Zum Körzen!
(Illustr.: Uni Münster)
Statt der BILD-Zeitung lese ich täglich das BILDblog. Zugegeben, damit überlasse ich verdienten Kollegen wie Stefan Niggemeier die Drecksarbeit. Aber diese Methode schützt mich auch vor gesundheitsgefährdenden Sätzen. So stoße ich nämlich nur ab und zu auf Ekliges von BILD-Mann NorbertKotzdörfer Körzdörfer.
Nun war es allerdings mal wieder soweit: Das BILDblog servierte mir eine besonders vomitive Körzdörferei. Direkt vor der WM hatte der Wortauswürger nämlich in BILD noch mal kräftig an der Patriotismusschraube gedreht, und zwar mit Ausrufen wie: „Ja zu Deutschland! Ja zu deutschem Bier! Ja zur deutschen Hymne!“
Das könnte man natürlich einfach alles als strunzdumm und simpelstgestrickt abtun, doch ein Satz aus Körzdörfers Parolenparade überschritt meine Ekelgrenze doch erheblich: „Ja zur deutschen Frau, die lächelnd zuschaut!“ – und zwar den deutschen Männern, die in den Fußballkampf ziehen.
Tja, und jetzt sitze ich hier mit diesem Satz und kann nicht anders, als an die Rhetorik eines deutschen Ministers zu denken und sein Gesabbel von der „deutschen Frau“, die „einspringt, um Männer für die Front frei zu machen“.
Aber das geht wahrscheinlich nur mir so.
Ex cathedra: Die Top 3 der Polit- und Parolensongs
1. „Woman is the nigger of the world“ von John Lennon
2. „Fight the power“ von Public Enemy
3. „Nazi punks fuck off“ von Dead Kennedys
Statt der BILD-Zeitung lese ich täglich das BILDblog. Zugegeben, damit überlasse ich verdienten Kollegen wie Stefan Niggemeier die Drecksarbeit. Aber diese Methode schützt mich auch vor gesundheitsgefährdenden Sätzen. So stoße ich nämlich nur ab und zu auf Ekliges von BILD-Mann Norbert
Nun war es allerdings mal wieder soweit: Das BILDblog servierte mir eine besonders vomitive Körzdörferei. Direkt vor der WM hatte der Wortauswürger nämlich in BILD noch mal kräftig an der Patriotismusschraube gedreht, und zwar mit Ausrufen wie: „Ja zu Deutschland! Ja zu deutschem Bier! Ja zur deutschen Hymne!“
Das könnte man natürlich einfach alles als strunzdumm und simpelstgestrickt abtun, doch ein Satz aus Körzdörfers Parolenparade überschritt meine Ekelgrenze doch erheblich: „Ja zur deutschen Frau, die lächelnd zuschaut!“ – und zwar den deutschen Männern, die in den Fußballkampf ziehen.
Tja, und jetzt sitze ich hier mit diesem Satz und kann nicht anders, als an die Rhetorik eines deutschen Ministers zu denken und sein Gesabbel von der „deutschen Frau“, die „einspringt, um Männer für die Front frei zu machen“.
Aber das geht wahrscheinlich nur mir so.
Ex cathedra: Die Top 3 der Polit- und Parolensongs
1. „Woman is the nigger of the world“ von John Lennon
2. „Fight the power“ von Public Enemy
3. „Nazi punks fuck off“ von Dead Kennedys
20 Juni 2006
19 Juni 2006
Im Reich der Zombieblogs
Heute wird es etwas selbstbezüglich und theoretisch, aber auch sehr spannend, versprochen. Es geht darum: Manipuliert Blogger.com möglicherweise seine Mitgliedszahlen? Einige Indizien scheinen das zumindest nahezulegen.
Wenn man sich zum Beispiel das Profil von ginehidi anschaut, stellt man fest: Es wurde angelegt im Februar 2006 und seither zweimal angeschaut. Auch das benachbarte Profil von dan06 wurde damals angelegt und zweimal aufgerufen. dan06 soll sogar ein Blog haben („danscrew“), aber das ist nicht online. Interessant genug, um ein wenig weiter zu recherchieren. Immerhin suggeriert die achtstellige Zahl am Ende jeder Blogger-URL ja eine hohe Millionenzahl an registrierten Blogs. Doch wo sind die denn alle?
Also habe ich mal wahllos im Heuhaufen herumgestochert und es u. a. mit der sehr viel höheren Zahl 18472123 als URL-Abschluss probiert. Ergebnis: eine julia, wieder angelegt im Februar 2006, angeblich 8 Profilansichten, aber kein Blog. In anderen Ecken – bspw. um die 13.000.000 – sieht es genauso aus. Diesmal sind offenbar im September 2005 massenhaft Namen angelegt worden, z. B. adrikosa. Angeblich 4 Profilaufrufe, kein Blog.
Weitere Stichproben – auch in niedrigen Regionen – ergeben praktisch immer das gleiche Bild: Karteileichen, Dummys, fiktive Blogs ohne Ende; ein echtes ist so selten wie ein Bär im Bayrischen Wald. Es scheint beinah so, als hätte ein Bot hunderttausende (oder gar Millionen?) von Pseudoprofilen angelegt.
Aber könnte es denn wirklich sein, dass der Google-eigene Anbieter Blogger.com im weltweiten Kampf ums boomende Gewerbe exorbitante Mitgliedszahlen vortäuscht? Und warum – um als Marktführer wahrgenommen zu werden? Immerhin geht es ja auch um Werbeeinnahmen.
Wenn jemand eine andere – profanere – Erklärung für das Phänomen der untoten Blogs bei Blogger.com hat: Ich bin sehr gespannt. Denn vielleicht ist es ja wirklich so, dass gefühlte 95 Prozent der Blogger schon nach kurzer Zeit wieder alles stehen und liegen lassen, ohne ihr Blog jemals zu löschen. Das spräche aber auch nicht für die Strahlkraft des Anbieters, wie ich finde. Zumal die üblichen Profilelemente wie Foto (im Bild: meins), Lieblingsfilme usw. ja noch nachzulesen sein müssten. Doch bei all den oben aufgeführten Stichproben fand sich nichts dergleichen; all diese Blogger scheinen kulturelle Banausen zu sein.
Sehr komische Geschichte, nicht wahr? Vielleicht liege ich aber auch völlig falsch, ähnlich wie der durchgeknallte Verschwörungstheoretiker im Film „23“. Also: plausible Theorien erwünscht. Sonst kann ich nicht mehr ruhig schlafen …
Wenn man sich zum Beispiel das Profil von ginehidi anschaut, stellt man fest: Es wurde angelegt im Februar 2006 und seither zweimal angeschaut. Auch das benachbarte Profil von dan06 wurde damals angelegt und zweimal aufgerufen. dan06 soll sogar ein Blog haben („danscrew“), aber das ist nicht online. Interessant genug, um ein wenig weiter zu recherchieren. Immerhin suggeriert die achtstellige Zahl am Ende jeder Blogger-URL ja eine hohe Millionenzahl an registrierten Blogs. Doch wo sind die denn alle?
Also habe ich mal wahllos im Heuhaufen herumgestochert und es u. a. mit der sehr viel höheren Zahl 18472123 als URL-Abschluss probiert. Ergebnis: eine julia, wieder angelegt im Februar 2006, angeblich 8 Profilansichten, aber kein Blog. In anderen Ecken – bspw. um die 13.000.000 – sieht es genauso aus. Diesmal sind offenbar im September 2005 massenhaft Namen angelegt worden, z. B. adrikosa. Angeblich 4 Profilaufrufe, kein Blog.
Weitere Stichproben – auch in niedrigen Regionen – ergeben praktisch immer das gleiche Bild: Karteileichen, Dummys, fiktive Blogs ohne Ende; ein echtes ist so selten wie ein Bär im Bayrischen Wald. Es scheint beinah so, als hätte ein Bot hunderttausende (oder gar Millionen?) von Pseudoprofilen angelegt.
Aber könnte es denn wirklich sein, dass der Google-eigene Anbieter Blogger.com im weltweiten Kampf ums boomende Gewerbe exorbitante Mitgliedszahlen vortäuscht? Und warum – um als Marktführer wahrgenommen zu werden? Immerhin geht es ja auch um Werbeeinnahmen.
Wenn jemand eine andere – profanere – Erklärung für das Phänomen der untoten Blogs bei Blogger.com hat: Ich bin sehr gespannt. Denn vielleicht ist es ja wirklich so, dass gefühlte 95 Prozent der Blogger schon nach kurzer Zeit wieder alles stehen und liegen lassen, ohne ihr Blog jemals zu löschen. Das spräche aber auch nicht für die Strahlkraft des Anbieters, wie ich finde. Zumal die üblichen Profilelemente wie Foto (im Bild: meins), Lieblingsfilme usw. ja noch nachzulesen sein müssten. Doch bei all den oben aufgeführten Stichproben fand sich nichts dergleichen; all diese Blogger scheinen kulturelle Banausen zu sein.
Sehr komische Geschichte, nicht wahr? Vielleicht liege ich aber auch völlig falsch, ähnlich wie der durchgeknallte Verschwörungstheoretiker im Film „23“. Also: plausible Theorien erwünscht. Sonst kann ich nicht mehr ruhig schlafen …
Meine trindidadischundtobagoische Freundin
Allmählich wird es wirklich zur Groteske. Seit Frankreich 1998 Fußballweltmeister wurde, haben die Blauen kein einziges WM-Spiel mehr gewonnen. Wenn sie jetzt nicht Togo weghauen – oh je … Schuld sind die Südkoreaner, die Zidane & Co. ein 1:1 abtrotzten und jetzt bessere Chancen als die Franzosen haben, die nächste K.O.-Runde zu erreichen.
Sollten die quirligen Asiaten wirklich ins Achtelfinale einziehen, werden sieben von ihnen nicht nur eine Siegprämie bekommen, sondern auch vom Wehrdienst freigestellt. Zu Südkorea zu halten, kommt also einem pazifistischen Akt gleich, denn ihr Weiterkommen senkte ja logischerweise die globale Kriegsgefahr. Für Schlachten braucht's nun mal Soldaten, und je weniger es davon gibt, desto schwieriger wird es, ein Gemetzel anzuzetteln. Null Soldaten, null Kriege – so simpel ist die Welt. Sieben Südkoreaner weniger sind schon mal ein Anfang. Also: Daumen drücken gegen die Schweiz!
Bei den eben genannten Ländern ist es übrigens einfach, ihre Einwohner zu bezeichnen: Franzosen, Südkoreaner (Foto: Spiegel online), Schweizer. Aber wie ist es mit Trinidad und Tobago? Ganz knifflige Sache, der die Dudenredaktion in ihrem aktuellen Newsletter ein interessantes Kapitel widmet. Ghana geht ja noch („Ghanaer“), ebenso wie Costa-Ricaner. Aber Togo?
Da dachte man immer, mit „Togolese“ korrekt unterwegs zu sein, und muss sich nun belehren lassen: Amtlich heißt es anders, nämlich Togoer. Und Menschen von der Elfenbeinküste heißen nicht etwa „Elfen“, „Elfenbeinküstler“ oder gar „Elfenbeiner“, sondern: Ivorer.
Bei der Ländernamenblähung Serbien und Montenegro stellt sich das Problem jetzt eh nicht mehr, aber wie ist es denn nun mit Trinidad und Tobago – „Trinidader und Tobagoer“? Darf ich vorstellen: meine trindidadischundtobagoische Freundin? Knirsch. Nein: Der Duden erlaubt hier nur die Umschreibung. Man muss also sagen: „Einwohner von Trinidad und Tobago“. Langweilig, aber korrekt.
Ach ja: Sollten sich die Togoer von den Franzosen doch nicht weghauen lassen, wird es ihnen übrigens quietschegal sein, ob wir sie weiter Togolesen nennen oder nicht. Und die Blauen werden wieder mal mit Häme leben müssen – adieu, les bloed …
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs mit Einwohnerbezeichnungen
1. „An englishman in New York“ von Sting
2. „Young americans“ von David Bowie
3. „Zorba the greek“ von Mikis Theodorakis
Sollten die quirligen Asiaten wirklich ins Achtelfinale einziehen, werden sieben von ihnen nicht nur eine Siegprämie bekommen, sondern auch vom Wehrdienst freigestellt. Zu Südkorea zu halten, kommt also einem pazifistischen Akt gleich, denn ihr Weiterkommen senkte ja logischerweise die globale Kriegsgefahr. Für Schlachten braucht's nun mal Soldaten, und je weniger es davon gibt, desto schwieriger wird es, ein Gemetzel anzuzetteln. Null Soldaten, null Kriege – so simpel ist die Welt. Sieben Südkoreaner weniger sind schon mal ein Anfang. Also: Daumen drücken gegen die Schweiz!
Bei den eben genannten Ländern ist es übrigens einfach, ihre Einwohner zu bezeichnen: Franzosen, Südkoreaner (Foto: Spiegel online), Schweizer. Aber wie ist es mit Trinidad und Tobago? Ganz knifflige Sache, der die Dudenredaktion in ihrem aktuellen Newsletter ein interessantes Kapitel widmet. Ghana geht ja noch („Ghanaer“), ebenso wie Costa-Ricaner. Aber Togo?
Da dachte man immer, mit „Togolese“ korrekt unterwegs zu sein, und muss sich nun belehren lassen: Amtlich heißt es anders, nämlich Togoer. Und Menschen von der Elfenbeinküste heißen nicht etwa „Elfen“, „Elfenbeinküstler“ oder gar „Elfenbeiner“, sondern: Ivorer.
Bei der Ländernamenblähung Serbien und Montenegro stellt sich das Problem jetzt eh nicht mehr, aber wie ist es denn nun mit Trinidad und Tobago – „Trinidader und Tobagoer“? Darf ich vorstellen: meine trindidadischundtobagoische Freundin? Knirsch. Nein: Der Duden erlaubt hier nur die Umschreibung. Man muss also sagen: „Einwohner von Trinidad und Tobago“. Langweilig, aber korrekt.
Ach ja: Sollten sich die Togoer von den Franzosen doch nicht weghauen lassen, wird es ihnen übrigens quietschegal sein, ob wir sie weiter Togolesen nennen oder nicht. Und die Blauen werden wieder mal mit Häme leben müssen – adieu, les bloed …
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs mit Einwohnerbezeichnungen
1. „An englishman in New York“ von Sting
2. „Young americans“ von David Bowie
3. „Zorba the greek“ von Mikis Theodorakis
18 Juni 2006
Der Epochenstreit
Heute spätnachts in der Domschänke entbrannte ein astrabefeuerter Disput darüber, welcher kulturellen Epoche wohl die hier abgebildete Speisekarte an der Wand zuzuschreiben sei.
Ich tippte grob auf 1933, doch die Runde erhob empörten Widerspruch, aus dem sich als Kernthese ein „Keinesfalls aus der Nazizeit!“ herausschälte, wofür man vor allem typografische Argumente ins Feld führte.
Stattdessen plädierte man vehement für eine Verwurzelung des offenbar emaillierten Schildes in den 50er Jahren, woraufhin ich mich murrend auf die 40er hochhandeln ließ, ohne zu weiteren Kompromissen bereit zu sein.
Eine endgültige Klärung ist wohl nur durch kompetentes Fachpersonal zu leisten, dessen Eingreifen ich für sehr wünschenswert hielte. Von den drei schwarzen Kreisen war übrigens nur eine mit einer Preisangabe versehen (Mettwurstbrot: 6,50), was eine gewisse Dürftigkeit des kulinarischen Angebotes nahelegt.
Aber darum geht es ja gar nicht.
Ich tippte grob auf 1933, doch die Runde erhob empörten Widerspruch, aus dem sich als Kernthese ein „Keinesfalls aus der Nazizeit!“ herausschälte, wofür man vor allem typografische Argumente ins Feld führte.
Stattdessen plädierte man vehement für eine Verwurzelung des offenbar emaillierten Schildes in den 50er Jahren, woraufhin ich mich murrend auf die 40er hochhandeln ließ, ohne zu weiteren Kompromissen bereit zu sein.
Eine endgültige Klärung ist wohl nur durch kompetentes Fachpersonal zu leisten, dessen Eingreifen ich für sehr wünschenswert hielte. Von den drei schwarzen Kreisen war übrigens nur eine mit einer Preisangabe versehen (Mettwurstbrot: 6,50), was eine gewisse Dürftigkeit des kulinarischen Angebotes nahelegt.
Aber darum geht es ja gar nicht.
16 Juni 2006
Günter Netzer ist ein Außerirdischer
„Sie hatten eigentlich keine Chance“, lobt heute Abend ARD-Mann Gerhard Delling die tapferen Angolaner, „und die haben sie genutzt.“
Ganz klar ein Mottenkistenfund von seltener Muffigkeit. Das mit der keinen Chance ist nämlich ungefähr der älteste Spontispruch der Welt, seit 1969 das gleichnamige Buch von Herbert Achternbusch auf den Markt kam; der Witz hat einen Zottelbart länger als der von Hồ Chí Minh und löste schon anno 1970 durch seine Omnipräsenz auf öffentlichen Gebäuden Mordfantasien bei der Stadtreinigung aus.
All das muss man wissen, wenn man die Reaktion von Dellings Kompagnon Günter Netzer beurteilen will. Der prustet nämlich völlig baff los, er kringelt sich geradezu, schaut dann den Delling verdattert an und sagt mühsam beherrscht so was wie: „Na, Sie haben aber eine Ausdrucksweise!“
Wie man weiß, galt Netzer zu der Zeit, als dieser Spruch als Graffito auf jeder Wand stand, als linker Hippie mit Ferrari, als Rebell am Ball und irgendwie auch in der Politik. Kann es wirklich sein, dass dieser Mann den Gag noch nie gehört hat?
Seine Verblüffung jedenfalls war unmittelbar und echt, und ich nehme deshalb an, der echte Günter Netzer wurde irgendwann Anfang des Jahrtausends gegen ein physiognomisch identisches, aber lausig ausgebildetes Alien ausgetauscht, das die Invasion der Erde vorbereiten soll – ähnlich wie im Film „Invasion of the body snatchers“.
Heute Nacht kriegt E. T. Netzer wahrscheinlich einen Rüffel und dann ein Update auf Alpha Centauri, weil bestimmt auch seinem Führungsoffizier die Wissenslücke schmerzlich aufgefallen ist.
Zu dieser ganzen Alienproblematik erzähle ich demnächst eventuell auch noch eine weitere kleine Geschichte, wenn mir danach ist.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs mit SciFi-Bezug
1. „A spaceman came travelling“ von Chris de Burgh
2. „Silver machine“ von Hawkwind
3. „2000 lightyears from home“ von The Rolling Stones
Ganz klar ein Mottenkistenfund von seltener Muffigkeit. Das mit der keinen Chance ist nämlich ungefähr der älteste Spontispruch der Welt, seit 1969 das gleichnamige Buch von Herbert Achternbusch auf den Markt kam; der Witz hat einen Zottelbart länger als der von Hồ Chí Minh und löste schon anno 1970 durch seine Omnipräsenz auf öffentlichen Gebäuden Mordfantasien bei der Stadtreinigung aus.
All das muss man wissen, wenn man die Reaktion von Dellings Kompagnon Günter Netzer beurteilen will. Der prustet nämlich völlig baff los, er kringelt sich geradezu, schaut dann den Delling verdattert an und sagt mühsam beherrscht so was wie: „Na, Sie haben aber eine Ausdrucksweise!“
Wie man weiß, galt Netzer zu der Zeit, als dieser Spruch als Graffito auf jeder Wand stand, als linker Hippie mit Ferrari, als Rebell am Ball und irgendwie auch in der Politik. Kann es wirklich sein, dass dieser Mann den Gag noch nie gehört hat?
Seine Verblüffung jedenfalls war unmittelbar und echt, und ich nehme deshalb an, der echte Günter Netzer wurde irgendwann Anfang des Jahrtausends gegen ein physiognomisch identisches, aber lausig ausgebildetes Alien ausgetauscht, das die Invasion der Erde vorbereiten soll – ähnlich wie im Film „Invasion of the body snatchers“.
Heute Nacht kriegt E. T. Netzer wahrscheinlich einen Rüffel und dann ein Update auf Alpha Centauri, weil bestimmt auch seinem Führungsoffizier die Wissenslücke schmerzlich aufgefallen ist.
Zu dieser ganzen Alienproblematik erzähle ich demnächst eventuell auch noch eine weitere kleine Geschichte, wenn mir danach ist.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs mit SciFi-Bezug
1. „A spaceman came travelling“ von Chris de Burgh
2. „Silver machine“ von Hawkwind
3. „2000 lightyears from home“ von The Rolling Stones
15 Juni 2006
Ex cathedra: Die WM-Checkliste
War heute leibhaftig und persönlich im Stadion beim 3:0 von Ecuador gegen Costa Rica. Hatte Kloß im Hals, als die Spieler einliefen – einfach deshalb, weil diese Kinder des Glücks wirklich und wahrhaftig bei einer waschechten Weltmeisterschaft mitspielten und ich live dabei sein durfte.
Im „Fifa-WM-Stadion“, wie die AOL Arena, die mal Volksparkstadion hieß, für vier Wochen genannt werden muss, waren alle Nichtsponsorennamen entfernt. Na ja: fast. Auf dem Herrenklo entdeckte ein kleiner Junge ein unscheinbares elektrisches Schaltelement in Bodennähe, auf dem „Siemens“ stand.
Das fiel dem Knirps sofort auf, und er wies seinen Daddy mit einer Mischung aus Unverständnis und Empörung darauf hin, doch der war selbst viel zu schockiert ob der skandalösen Entdeckung, um seinem Söhnchen Lebenshilfe gewähren zu können.
Während des Spiels wurden immer wieder Wellen gestartet, die allerdings nach dem ecuadorianischen 1:0 allesamt an der grimmigen Bewegungslosigkeit des frustrierten costaricanischen Blocks verebbten. Natürlich wurde er dafür fröhlich ausgepfiffen.
Da ich bisher alle (in Worten: ALLE) WM-Spiele gesehen habe, fühle ich mich stark genug für eine Kurzeinschätzung sämtlicher Teams. Eins ist sicher: Der Weltmeister ist auch dabei …
Los geht’s:
– Angola: unbedarft und kampfstark. Können einem das Leben schwer machen, aber ohne Angriff wird das nix.
– Argentinien: abgebrüht, kühl, souverän. WM-Mitfavorit
– Australien: bissig, mit Pitbullmentalität. Wird spielerische Mängel aber nicht ausgleichen.
– Brasilien: schlafender Riese mit einem wachen Moment. Sie sollten mal zu elft spielen.
– Costa Rica: harmlos, leblos, müde. Wie konnten diesen sedierten Mittelamerikanern bloß zwei Tore gegen uns gelingen?
– Deutschland: leidenschaftlich, surfend auf der Brandung der Begeisterung. Mit Heimvorteil wirklich ein WM-Kandidat. Hipp, hipp, hurra.
– Ecuador: ballsicher, stark in allen Mannschaftsteilen – und noch nicht richtig gefordert
– Elfenbeinküste: bullenstark und technisch vorzüglich. Könnten Holland schlagen. Nein: müssen!
– England: überschätzt. Große Namen, aber limitierte Mittel. Kein Weltmeister, nein, nein.
– Frankreich: Altherrentruppe, die ihre Erneuerung verpasst hat. Lebt nur noch vom Nimbus. Und der bröckelt.
– Ghana: ohne Sturm kein Dreier: So simpel ist das.
– Iran: zu wenig aggressiv und wohl auch physisch zweitklassig
– Italien: steigerungsfähig, wird das Potenzial bei Bedarf abrufen. Natürlich.
– Japan: außerhalb Asiens wird das nix
– Kroatien: robust und technisch stark; Mannschaft wird demnächst explodieren.
– Mexiko: spielstark, aber ohne die nötige Durchsetzungsfähigkeit. Und Borghetti ist alt geworden, meine Herren.
– Niederlande: Team wird Fahrt aufnehmen. Muss es auch. Robben kaputttreten: eine Option für jeden Gegner.
– Paraguay: Guter Sturm, aber der sollte auch mal richtig hinhlangen.
– Polen: und tschüss …
– Portugal: Wie immer: viele Vorschusslorbeeren, die rasch verwelken werden.
– Saudi-Arabien: gepflegter Spielstil, wenn man sie lässt. Wird aber nicht mehr passieren.
– Schweden: hat Geniestreichpotenzial. Wird im Achtelfinale scheitern.
– Schweiz: sehr bissig und spröde. Harter Brocken. Und wenn sie auch noch anfangen, Tore zu schießen ...
– Serbien-Montenegro: Können sie mehr als zerstören? Sie werden keine Gelegenheit mehr dazu bekommen.
– Spanien: perfektes Spielsystem, traumhaftes Verständnis. WM-Favorit.
– Südkorea: konditionsstark, aber zu bieder.
– Togo: gute Ansätze, aber starkes Leistungsgefälle im Team. Werden bald abreisen.
– Trinidad und Tobago: grandiose Amateure mit Herz. Hätten sie nur einen Knipser!
– Tschechien: auf dem Zenit, aber vielleicht auch schon zu saturiert. Alles ist möglich, im Guten wie im Schlechten.
– Tunesien: abwehrschwach, aber psychisch stabil – zumindest gegen Gegner aus der gleichen Liga.
– Ukraine: katastrophal. So lebhaft wie der Betonsarkophag überm AKW Tschernobyl.
– USA: schwach wie Bushs Umfragewerte. Selbst gegen Ghana wird das nichts.
Im „Fifa-WM-Stadion“, wie die AOL Arena, die mal Volksparkstadion hieß, für vier Wochen genannt werden muss, waren alle Nichtsponsorennamen entfernt. Na ja: fast. Auf dem Herrenklo entdeckte ein kleiner Junge ein unscheinbares elektrisches Schaltelement in Bodennähe, auf dem „Siemens“ stand.
Das fiel dem Knirps sofort auf, und er wies seinen Daddy mit einer Mischung aus Unverständnis und Empörung darauf hin, doch der war selbst viel zu schockiert ob der skandalösen Entdeckung, um seinem Söhnchen Lebenshilfe gewähren zu können.
Während des Spiels wurden immer wieder Wellen gestartet, die allerdings nach dem ecuadorianischen 1:0 allesamt an der grimmigen Bewegungslosigkeit des frustrierten costaricanischen Blocks verebbten. Natürlich wurde er dafür fröhlich ausgepfiffen.
Da ich bisher alle (in Worten: ALLE) WM-Spiele gesehen habe, fühle ich mich stark genug für eine Kurzeinschätzung sämtlicher Teams. Eins ist sicher: Der Weltmeister ist auch dabei …
Los geht’s:
– Angola: unbedarft und kampfstark. Können einem das Leben schwer machen, aber ohne Angriff wird das nix.
– Argentinien: abgebrüht, kühl, souverän. WM-Mitfavorit
– Australien: bissig, mit Pitbullmentalität. Wird spielerische Mängel aber nicht ausgleichen.
– Brasilien: schlafender Riese mit einem wachen Moment. Sie sollten mal zu elft spielen.
– Costa Rica: harmlos, leblos, müde. Wie konnten diesen sedierten Mittelamerikanern bloß zwei Tore gegen uns gelingen?
– Deutschland: leidenschaftlich, surfend auf der Brandung der Begeisterung. Mit Heimvorteil wirklich ein WM-Kandidat. Hipp, hipp, hurra.
– Ecuador: ballsicher, stark in allen Mannschaftsteilen – und noch nicht richtig gefordert
– Elfenbeinküste: bullenstark und technisch vorzüglich. Könnten Holland schlagen. Nein: müssen!
– England: überschätzt. Große Namen, aber limitierte Mittel. Kein Weltmeister, nein, nein.
– Frankreich: Altherrentruppe, die ihre Erneuerung verpasst hat. Lebt nur noch vom Nimbus. Und der bröckelt.
– Ghana: ohne Sturm kein Dreier: So simpel ist das.
– Iran: zu wenig aggressiv und wohl auch physisch zweitklassig
– Italien: steigerungsfähig, wird das Potenzial bei Bedarf abrufen. Natürlich.
– Japan: außerhalb Asiens wird das nix
– Kroatien: robust und technisch stark; Mannschaft wird demnächst explodieren.
– Mexiko: spielstark, aber ohne die nötige Durchsetzungsfähigkeit. Und Borghetti ist alt geworden, meine Herren.
– Niederlande: Team wird Fahrt aufnehmen. Muss es auch. Robben kaputttreten: eine Option für jeden Gegner.
– Paraguay: Guter Sturm, aber der sollte auch mal richtig hinhlangen.
– Polen: und tschüss …
– Portugal: Wie immer: viele Vorschusslorbeeren, die rasch verwelken werden.
– Saudi-Arabien: gepflegter Spielstil, wenn man sie lässt. Wird aber nicht mehr passieren.
– Schweden: hat Geniestreichpotenzial. Wird im Achtelfinale scheitern.
– Schweiz: sehr bissig und spröde. Harter Brocken. Und wenn sie auch noch anfangen, Tore zu schießen ...
– Serbien-Montenegro: Können sie mehr als zerstören? Sie werden keine Gelegenheit mehr dazu bekommen.
– Spanien: perfektes Spielsystem, traumhaftes Verständnis. WM-Favorit.
– Südkorea: konditionsstark, aber zu bieder.
– Togo: gute Ansätze, aber starkes Leistungsgefälle im Team. Werden bald abreisen.
– Trinidad und Tobago: grandiose Amateure mit Herz. Hätten sie nur einen Knipser!
– Tschechien: auf dem Zenit, aber vielleicht auch schon zu saturiert. Alles ist möglich, im Guten wie im Schlechten.
– Tunesien: abwehrschwach, aber psychisch stabil – zumindest gegen Gegner aus der gleichen Liga.
– Ukraine: katastrophal. So lebhaft wie der Betonsarkophag überm AKW Tschernobyl.
– USA: schwach wie Bushs Umfragewerte. Selbst gegen Ghana wird das nichts.
Reeperwahn nachts um halb eins
An dieser Stelle muss jetzt mal German Psychos Ruf zerstört werden. Also: Er warf für uns heute nicht nur den Videobeamer an und projizierte das Spiel Deutschland-Polen auf eine eigens aufgehängte Leinwand; nein, er gewährte auch bereitwillig Zugang zu seinem Kühlschrank, in dem offenbar unerschöpfliche Astravorräte einer zweckdienlichen Verwendung entgegenbangten oder -fieberten; das weiß man bei Bier generell nicht so genau.
Seine zuvorkommende Art gipfelte im generösen Angebot, mir als Dauerleihgabe sein aussortiertes Nokiahandy zu überlassen, weil sich hinterm Display meines schraddeligen Siemensteils inzwischen derart viele Fusseln verfangen haben, dass ich mich wundere, wieso ich zu Hause überhaupt noch staubsaugen muss.
Kurz: German Psycho war ein vollendeter Gastgeber. Nur die direkt neben der Leinwand geparkte Chromaxt wirkte beunruhigend. Warum nur war sie so überaus blitzeblank gewienert …?
Als wir auf dem Heimweg die Reeperbahn erreichen, übersteigt der Trubel nach dem Sieg alle Vorstellungen. Tausende von Fans springen, hüpfen und singen auf der Meile herum, was einer Vollsperrung gleichkommt (das um 0:03 dokumentierte Bild der Kiezcam zeigt das nur sehr unzureichend). Dem Verkehr aus den Nebenstraßen bleibt nichts anderes übrig, als still zu verzweifeln. Und das war nur ein Vorrundenspiel …
Ein großer bulliger Mann in der Menge fasst plötzlich meine Hand und fragt: „Du Deutscher?“ Ich bejahe mit dem Konter „Und du bist Pole?“ Mit wehem Lächeln bestätigt er. „Tut mir Leid“, sage ich, eingedenk der polnischen Niederlage in letzter Sekunde. Er drückt meine Hand noch fester.
Weitaus merkwürdiger mutet indes der korpulente Typ unter unserem Balkon an, der um kurz vor halb eins an die Hauswand gegenüber schifft und dies mit einem dröhnenden „Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland!“ begleiten zu müssen glaubt; mit passablem Bariton übrigens.
Pissende Patrioten sind mir gleichwohl lieber als brandschatzende, weshalb ich die zag aufkeimenden Chromaxtfantasien recht erfolgreich niederkämpfen kann.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über fatalen Waffengebrauch
1. „Careful with that axe, Eugene“ von Pink Floyd
2. „If I had a rocket launcher“ von Bruce Cockburn
3. „The man who shot Liberty Valance“ von James Taylor
Seine zuvorkommende Art gipfelte im generösen Angebot, mir als Dauerleihgabe sein aussortiertes Nokiahandy zu überlassen, weil sich hinterm Display meines schraddeligen Siemensteils inzwischen derart viele Fusseln verfangen haben, dass ich mich wundere, wieso ich zu Hause überhaupt noch staubsaugen muss.
Kurz: German Psycho war ein vollendeter Gastgeber. Nur die direkt neben der Leinwand geparkte Chromaxt wirkte beunruhigend. Warum nur war sie so überaus blitzeblank gewienert …?
Als wir auf dem Heimweg die Reeperbahn erreichen, übersteigt der Trubel nach dem Sieg alle Vorstellungen. Tausende von Fans springen, hüpfen und singen auf der Meile herum, was einer Vollsperrung gleichkommt (das um 0:03 dokumentierte Bild der Kiezcam zeigt das nur sehr unzureichend). Dem Verkehr aus den Nebenstraßen bleibt nichts anderes übrig, als still zu verzweifeln. Und das war nur ein Vorrundenspiel …
Ein großer bulliger Mann in der Menge fasst plötzlich meine Hand und fragt: „Du Deutscher?“ Ich bejahe mit dem Konter „Und du bist Pole?“ Mit wehem Lächeln bestätigt er. „Tut mir Leid“, sage ich, eingedenk der polnischen Niederlage in letzter Sekunde. Er drückt meine Hand noch fester.
Weitaus merkwürdiger mutet indes der korpulente Typ unter unserem Balkon an, der um kurz vor halb eins an die Hauswand gegenüber schifft und dies mit einem dröhnenden „Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland!“ begleiten zu müssen glaubt; mit passablem Bariton übrigens.
Pissende Patrioten sind mir gleichwohl lieber als brandschatzende, weshalb ich die zag aufkeimenden Chromaxtfantasien recht erfolgreich niederkämpfen kann.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über fatalen Waffengebrauch
1. „Careful with that axe, Eugene“ von Pink Floyd
2. „If I had a rocket launcher“ von Bruce Cockburn
3. „The man who shot Liberty Valance“ von James Taylor
14 Juni 2006
Bücher in freier Wildbahn
Als Mitglied eines weltweiten Netzwerks, welches sich für die generelle Freilassung von Büchern aus Bibliotheken und Schlafzimmerregalen einsetzt (vulgo „Bookcrossing“) erhalte ich stets eine Benachrichtigung per Mail, wenn mal wieder ein Exemplar in St. Pauli ausgesetzt wurde. Manchmal gehe ich dann sogar auf Pirsch, habe aber noch nie eins gefunden.
Natürlich habe ich auch selbst schon diverse Bücher ausgewildert, doch ein Finder hat sich noch nie via Bookcrossing bei mir gemeldet. Dabei waren die Bücher immer weg, wenn ich das nächste Mal verstohlen den fraglichen Ort in Augenschein nahm. Meldet euch doch mal, Männo!
Egal: Dieser Tage erreichte mich die Nachricht, ein Buch von Douglas Adams sei freigelassen worden, und zwar in „St. Pauli, Hamburg, at Heiligengeistfeld“. Nun, diese Information ist in Zeiten, wo das WM-Fanfest täglich Zehntausende auf ein Areal von brutto 50 Hektar lockt, kaum konkreter als der Hinweis: Hinterlegt am Mittelmeer.
Die Suche habe ich mir also gespart. Aber da war ich trotzdem.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs mit Literaturbezug
1. „Summertime in England“ von Van Morrison
2. „American pie“ von Don McLean
3. alles von My Latest Novel
Natürlich habe ich auch selbst schon diverse Bücher ausgewildert, doch ein Finder hat sich noch nie via Bookcrossing bei mir gemeldet. Dabei waren die Bücher immer weg, wenn ich das nächste Mal verstohlen den fraglichen Ort in Augenschein nahm. Meldet euch doch mal, Männo!
Egal: Dieser Tage erreichte mich die Nachricht, ein Buch von Douglas Adams sei freigelassen worden, und zwar in „St. Pauli, Hamburg, at Heiligengeistfeld“. Nun, diese Information ist in Zeiten, wo das WM-Fanfest täglich Zehntausende auf ein Areal von brutto 50 Hektar lockt, kaum konkreter als der Hinweis: Hinterlegt am Mittelmeer.
Die Suche habe ich mir also gespart. Aber da war ich trotzdem.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs mit Literaturbezug
1. „Summertime in England“ von Van Morrison
2. „American pie“ von Don McLean
3. alles von My Latest Novel
12 Juni 2006
Schönheit kommt von außen
Nachdem wir gestern auf dem Fanfest noch einmütig die besondere Anmut der persischen Frauen gepriesen haben, die selbst von Niederlage und Tschador nicht zu beeinträchtigen war, ist Andreas heute hochverblüfft von der erstaunlichen Schönheitsquote unter den Ghanaerinnen.
Und ich auch.
Da ist die Welt schon mal zu Gast bei Freunden – und düpiert uns mit brutalstmöglicher Ästhetik. Morgen Abend wartet der nächste, ähem, Höhepunkt: die Brasilianierinnen (Foto: WM-Fankurve).
Ach, die WM müsste ewig währen!
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über Schönheit
1. „Came so far for beauty“ von Leonard Cohen
2. „For the beauty of Wynona“ von Daniel Lanois
3. „Cylea“ von Christian Redl (Bonustrack)
Und ich auch.
Da ist die Welt schon mal zu Gast bei Freunden – und düpiert uns mit brutalstmöglicher Ästhetik. Morgen Abend wartet der nächste, ähem, Höhepunkt: die Brasilianierinnen (Foto: WM-Fankurve).
Ach, die WM müsste ewig währen!
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über Schönheit
1. „Came so far for beauty“ von Leonard Cohen
2. „For the beauty of Wynona“ von Daniel Lanois
3. „Cylea“ von Christian Redl (Bonustrack)
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